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| Die Beteiligten zu 3) und 4) sind geschiedene Eheleute. Die Beteiligten zu 1) und 2) wurden von der Beteiligten zu 3) vor Anhängigkeit des Scheidungsantrags (§ 1599 Abs. 2 BGB) geboren. |
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| Die Beteiligten zu 1) und 2) haben vor dem Amtsgericht Besigheim die Vaterschaft (§ 1592 Nr. 1 BGB) des Beteiligten zu 4) angefochten. Sie tragen vor, der Beteiligte zu 4) habe während der Empfängniszeit keinen Geschlechtsverkehr mit der Beteiligten zu 3) gehabt. Ihr Vater sei vielmehr ein anderer Mann, der die Vaterschaft anerkennen werde. |
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| Für das Anfechtungsverfahren haben sie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten nach § 78 Abs. 2 FamFG beantragt. |
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| Der Beteiligte zu 4) hat zu dem Anfechtungsantrag erklärt, es treffe zu, dass er nicht der leibliche Vater der Beteiligten zu 1) und 2) sei. Er werde der Anerkennung durch den leiblichen Vater zustimmen. Auch einer möglichen biologischen Untersuchung stimme er zu. Der Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) sei seinem eigenen Antrag zuvorgekommen. |
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| Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 17.02.2011 Verfahrenskostenhilfe bewilligt, aber den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen. Die Sach- und Rechtslage sei nicht schwierig im Sinne des § 78 Abs. 2 FamFG. Zwischen den Beteiligten herrsche Einigkeit darüber, dass der Beteiligte zu 4) nicht der Vater der beteiligten Zwillingskinder sei. Dies werde zudem durch das einzuholende Abstammungsgutachten verlässlich geklärt werden. |
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| Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) und 2) weiter das Ziel der Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten. Die Sach- und Rechtslage in Abstammungsverfahren sei bei der maßgeblichen Sicht aus der Perspektive des juristischen Laien, der sich unter Umständen nach Trennung und Scheidung in einer nicht einfachen Lebenssituation befinde, schwierig. |
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| Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. |
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| Das Familiengericht hat die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu Recht abgelehnt, da die Sach- und Rechtslage nicht schwierig im Sinne des § 78 Abs. 2 FamFG ist. |
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| Nach § 78 Abs. 2 FamFG wird einem Beteiligten in Verfahren, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt beigeordnet, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint. |
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| In Abstammungssachen im Sinne der §§ 111 Nr. 2, 169 Nr. 1 FamFG ist ein anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben (§§ 112, 114 Abs. 1 FamFG). Die Beiordnung eines Anwalts in einem solchen Verfahren hat somit nicht schon gemäß § 78 Abs. 1 FamFG zu erfolgen, sondern setzt voraus, dass die Sach- und Rechtslage schwierig ist. Dabei genügt es, wenn nur die Sach- oder nur die Rechtslage schwierig ist (BGH, FamRZ 2010, 1427 Rn. 14). |
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| Entscheidend ist dabei, ob ein bemittelter Rechtssuchender, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt, in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (OLG Dresden, Beschluss vom 28.07.2010 - 23 WF 535/10 - juris Rn. 11). Dabei sind auch die subjektiven Fähigkeiten des Rechtssuchenden zu berücksichtigen (BGH, FamRZ 2010, 1427 Rn. 21 ff.; OLG Oldenburg, NJW 2011, 941 Rn. 6). Die Beurteilung ist nicht aus der Perspektive des erfahrenen Familienrichters, sondern aus Sicht des juristischen Laien vorzunehmen (OLG Hamburg, FamRZ 2011, 129). |
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| Der BGH hat zu dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht die Auffassung vertreten, dass bereits die existentielle Bedeutung des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens die Beiordnung eines Rechtsanwalts jedenfalls dann nahelegt, wenn die Beteiligten entgegengesetzte Ziele verfolgen. Zudem handle es sich um ein Verfahren, das vom allgemeinen Zivilprozess stark abweiche, was ebenfalls rechtlichen Beistand erforderlich erscheinen lasse (BGH, FamRZ 2007, 1968). Diese Überlegungen des BGH gelten nicht nur für das Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Sie sind auch auf das Vaterschaftsanfechtungsverfahren übertragbar (dazu auch BGH, FamRZ 2010, 1427 Rn. 10, wo der BGH selbst der Entscheidung FamRZ 2007, 1968 Bedeutung für alle Abstammungssachen beimisst). |
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| Zum neuen Recht ist der BGH allerdings zu einer von seiner früheren Rechtsprechung ausdrücklich abweichenden Auffassung gelangt. Die existentielle Bedeutung des Verfahrens allein könne die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht mehr rechtfertigen, denn nach der Gesetzesbegründung zu § 78 Abs. 2 FamFG (BT-Drucks. 16/6308, S. 214) erfülle die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten die Voraussetzung für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht mehr. Ob allein die verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Statusverfahrens die Sach- und Rechtslage als schwierig erscheinen lassen, hat der BGH nun offengelassen (BGH, FamRZ 2010, 1427 Rn. 19). |
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| Entgegen der Auffassung des OLG Schleswig (FamRZ 2011, 388) lässt sich die Entscheidung des BGH (FamRZ 2010, 1427) nicht so interpretieren, dass die frühere Rechtsprechung (FamRZ 2007, 1968), wonach allein die Schwere des Eingriffs in Abstammungsverfahren die Beiordnung eines Rechtsanwalts rechtfertige, weiter gilt. Das OLG Schleswig hat seine Auffassung damit begründet, dass die vom BGH (FamRZ 2010, 1427 Rn. 19) aus der Gesetzesbegründung zitierte Stelle (BT-Drucks. 16/6308, S. 214), die Anwaltsbeiordnung allein wegen der Schwere des Eingriffs deshalb ablehnt, weil die Interessen des Beteiligten bei schweren Eingriffen durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers gewahrt seien, was für Abstammungsverfahren, in denen die Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht vorgesehen sei, aber gerade nicht zutreffe (OLG Schleswig, FamRZ 2011, 388). Daran ist zwar richtig, dass die Gesetzesbegründung tatsächlich mit der Möglichkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers (§§ 276, 317 FamFG) argumentiert. Der BGH hat seine in FamRZ 2007, 1968 vertretene Auffassung aber ungeachtet dessen explizit gerade für das Vaterschaftsfeststellungsverfahren aufgegeben (FamRZ 2010, 1427 Rn. 10 u. 12, wo sich die ausdrückliche Abweichung von der für das alte Recht in FamRZ 2007, 1968 vertretenen Auffassung findet und Rn. 19, wo die existentielle Bedeutung des Eingriffs gerade für das Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht mehr als hinreichendes Kriterium angesehen wird, um einen Anwalt beizuordnen). |
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| Daraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass in Statusverfahren generell kein Anwalt beizuordnen ist. Die Erforderlichkeit der Beiordnung kann lediglich nicht mit der Schwere des Eingriffs allein begründet werden. Vielmehr ist die Beurteilung nach sämtlichen Umständen des Einzelfalles vorzunehmen (BGH, FamRZ 2010, 1427 Rn. 18). |
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| Dabei ist die Sachlage nicht schon allein deshalb schwierig, weil ein Abstammungsgutachten eingeholt werden muss (so aber OLG Hamm, FamRZ 2010, 1363; dagegen OLG Oldenburg, NJW 2011, 941). Die vom Sachverständigen gefundenen Ergebnisse sind im Allgemeinen ohne weiteres verständlich und nachvollziehbar. Zur Durchdringung der darüber hinausgehenden molekulargenetischen Fragen wird ein beigeordneter Rechtsanwalt meist ebenso wenig beitragen können wie die Beteiligten selbst. Ebenso wenig ist von Schwierigkeiten im Sinne des § 78 Abs. 2 FamFG allein schon deshalb auszugehen, weil im Abstammungsverfahren strenge Beweisanforderungen gelten, die den Familiengerichten erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereiteten (so aber OLG Dresden (24. Zivilsenat), FamRZ 2010, 2007). Es kann aber nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Familiengerichte solchen Verfahren nicht gewachsen sind. Schließlich ist die Sach- und Rechtslage auch nicht deshalb schwierig, weil das Verfahren in Abstammungssachen gegenüber anderen Zivilprozess- und Familienverfahren Besonderheiten aufweist. Die Abweichungen, die §§ 169 FamFG gegenüber den allgemeinen Vorschriften vorsehen, und die materiell-rechtlichen Regelungen der Vaterschaftsanfechtung sind nicht so komplex, dass sie von einem Laien - gegebenenfalls mit Hilfe der Rechtsantragsstelle - nicht bewältigt werden könnten (im Ergebnis ebenso OLG Dresden (23. Zivilsenat), Beschluss vom 28.07.2010 - 23 WF 535/10, juris Rn. 13). |
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| Umgekehrt kann die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht schon deshalb verneint werden, weil es sich bei dem Abstammungsverfahren um ein Amtsverfahren handelt und das Gericht den Sachverhalt von sich aus umfassend aufklären wird. Vielmehr kann es auch im Amtsverfahren erforderlich sein, den Beteiligten einen Anwalt beizuordnen, damit sie von der Möglichkeit, mitzuwirken und das Verfahren zu fördern, sachgemäß Gebrauch machen können (BGH, FamRZ 2010, 1427 Rn. 16; BVerfG, NJW-RR 2007, 1713). |
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| Die somit maßgebliche Abwägung der Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die Führung des Abstammungsverfahrens keine Schwierigkeiten aufwirft, die die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich erscheinen lässt. Die Anwaltsbeiordnung wäre erforderlich, wenn ein nicht vertretener Beteiligter entweder nicht alle erforderlichen Tatsachen von sich aus vortragen kann, wesentliche Rechtsvorschriften zu seinen Lasten nicht erkennt oder der Anwalt sonst nennenswerten Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens nehmen könnte (OLG Dresden, Beschluss vom 28.07.2010 - 23 WF 535/10, juris Rn. 12). |
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| Dies ist hier nicht der Fall. Sämtliche Beteiligte sind sich einig, dass der Beteiligte zu 4) nicht der Vater der Beteiligten zu 1) und 2) ist. Selbst nach der früheren Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2007, 1968) wäre es also jedenfalls zweifelhaft gewesen, ob ein Anwalt beizuordnen ist, da der BGH dies nur für Fälle bejaht hatte, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen. Die Mutter der Beteiligten zu 1) und zu 2) musste hier nur vortragen, dass der Beteiligte zu 4) nicht als Vater in Betracht kommt, weil sie mit ihm während der Empfängniszeit keinen Geschlechtsverkehr hatte. Dass ihr dieser Vortrag, notfalls mit Hilfe der Rechtsantragstelle, nicht auch ohne anwaltlichen Beistand möglich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere haben die Beteiligten zu 1) und 2) nichts dazu erklärt, dass die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten ihrer Mutter ein hinreichend sachkundiges Vorgehen im Verfahren nicht zuließen. Auch verfahrensrechtliche Schwierigkeiten bestehen nicht (vgl. auch OLG Dresden, Beschluss vom 28.07.2010 - 23 WF 535/10 - juris Rn. 12; gegen die Beiordnung eines Rechtsanwalts in einem Abstammungsverfahren, in dem die Beteiligten gleichgerichtete Interessen verfolgen auch OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 1001). |
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| Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Der BGH hat die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob die Rechtslage schon deshalb schwierig ist, weil das Abstammungsverfahren Besonderheiten gegenüber sonstigen Zivilprozess- und Familienverfahren aufweist (BGH, FamRZ 2010, 1427 Rn. 19). |
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| Die Rechtsbeschwerde war außerdem zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten werden, ob in Abstammungssachen ein Anwalt bereits dann beizuordnen ist, weil ein Gutachten einzuholen ist oder weil strenge Beweisanforderungen gelten. |
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