Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 17 UF 82/11

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziffer 1 wird der Beschluss des Amtsgerichtes Stuttgart vom 27.01.2011 (24 F 2208/09) in Ziffer 2

abgeändert

und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beteiligte Ziffer 3.

Im Übrigen berührt das Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung nicht.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 699,10 EUR

Gründe

 
I.
In dem beim Familiengericht auf Antrag des beschwerdeführenden Kindes geführten Verfahren wegen Feststellung der Vaterschaft ergab das eingeholte Abstammungsgutachten, dass der Antragsgegner nicht Vater des Kindes ist. Der Antrag wurde daraufhin zurückgenommen. Gemäß Beschluss des Familiengerichtes vom 27.01.2011 haben die Beteiligten Ziffer 1 und 2 die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. Gegen die Auferlegung der Kosten zur Hälfte wendet sich das durch das Jugendamt vertretene Kind mit der Beschwerde.
II.
Die gemäß §§ 58, 59, 61 und 63 FamFG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert des § 61 FamFG wird erreicht, da das minderjährige Kind bei Kostenauferlegung auch die Kosten des Sachverständigengutachtens von 979,48 EUR hälftig zu tragen hat.
Sie führt auch in der Sache zum Erfolg, weil das Familiengericht dem beschwerdeführenden Kind entgegen § 81 Abs. 3 FamFG die Kosten des Verfahrens teilweise auferlegt hat.
Ob sich § 81 Abs. 3 FamFG auch auf Abstammungsverfahren bezieht, ist streitig.
Teilweise wird unter Verweis auf die Gesetzesbegründung des hinsichtlich des Begriffes „Verfahren, die seine Person betreffen“ gleichlautenden § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG die Auffassung vertreten, § 81 Abs. 3 FamFG gelte nicht für Abstammungssachen (Rüntz/Viefhues, FamRZ 2010, 1285, 1293; Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 81, Rn. 66). Zudem entspreche § 81 Abs. 3 FamFG dem früheren § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO, der Minderjährige in Abstammungssachen nicht von der Zahlungspflicht ausnahm (Keidel/Zimmermann, a.a.O.; ebenso Keidel/Engelhardt, § 183, Rn. 1).
Die Gegenansicht wendet § 81 Abs. 3 FamFG auch auf Abstammungsverfahren an (OLG Celle, Beschluss vom 26.04.2010, Az. 15 UF 40/10, zitiert in Juris; Stößer, FamRZ 2009, 923, 930; Knittel, JAmt 2010, 498, 498; MünchKommZPO/Coester-Waltjen/Hilbig, 3. Aufl. 2010, § 183 FamFG, Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 31. Auflage 2010, § 81 FamFG, Rn. 16; Kieninger in Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis 2010, Rn. 275). Bei Abstammungssachen handele es sich um Verfahren, die die Person betreffen (Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O. Rn. 16). Die Abstammungsverfahren seien als einseitige, nicht streitige Antragsverfahren kostenrechtlich eher den Kindschaftssachen vergleichbar (OLG Celle, a.a.O. Rn. 10). Hätte der Gesetzgeber nur in Kindschaftssachen die minderjährigen Beteiligten von der Kostenpflicht ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich so zu formulieren (Knittel in JAmt 2010, 497, 499).
Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht zuletzt wegen eindeutigen Wortlautes des § 81 Nr. 3 FamFG an.
Die übereinstimmende Formulierung in §§ 9 und 81 FamFG hat nach Auffassung des Senates nicht zwingend auch zur gleichen Auslegung zur führen. § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG enthält, auch in der Gesetzesbegründung, keine eine Deutungshoheit begründende Definition des Begriffes der „Verfahren, die die Person betreffen.“
Die Gesetzesbegründung zu § 9 FamFG ( BT-Drucksache 16/9733, S. 288) lautet: „Die neu eingefügte Nummer 3 erweitert die Verfahrensfähigkeit des Kindes, das das 14. Lebensjahr vollendet hat. Die Vorschrift erlaubt ihm die eigenständige Geltendmachung materieller Rechte im kindschaftsrechtlichen Verfahren, das seine Person betrifft, ohne Mitwirkung seiner gesetzlichen Vertreter. Damit wird ein verfahrensrechtliches Korrelat zu den verschiedentlich eingeräumten Widerspruchs- und Mitwirkungsrechten des über 14-jährigen Kindes (z. B. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB) geschaffen und die notwendige Akzessorietät zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht hergestellt.“
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Dieser Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass ein Gleichklang zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht erzielt werden sollte. Weil aber materiellrechtlich das beschränkt geschäftsfähige Kind das Recht auf Anfechtung nur durch seinen gesetzlichen Vertreter ausüben kann, kann dieser Gleichklang von materiellem und Verfahrensrecht in Abstammungssachen nicht erzielt werden (Kieninger in Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis, 2010, Rn. 224), weswegen § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG dahingehend auszulegen ist, dass Abstammungssachen nicht umfasst sind.
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Dagegen ist der Gesetzesbegründung im Regierungsentwurf zu § 81 FamFG zu entnehmen, dass § 81 Absatz 3 FamFG den bisher in § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO geregelten Ausschluss der Auferlegung von Kosten gegenüber dem Kind aufgreift und dieser Rechtsgedanke mit der Vorschrift verallgemeinert und systematisiert wird. Dies lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber in allen Abstammungssachen das Kind von der Auferlegung von Verfahrenskosten befreien wollte. Insbesondere ist die Einschränkung nicht zwingend, dass im neuen Verfahrensrecht die Freistellung Minderjähriger von den Kosten nur auf die bisher in § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO aufgezählten Verfahren beschränkt bleiben soll. Ebenso erscheint vertretbar, dass der Gesetzgeber bei der von ihm gewünschten Verallgemeinerung des Rechtsgedankens auch Abstammungsverfahren nicht ausschließen wollte (DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2009, 493 und JAmt 2010, 286) und er dabei übersah, dass damit der gleiche Begriff in zwei Normen verschieden auszulegen ist. Da § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG trotz mehrjähriger Vorarbeiten zur FGG-Reform erst „sozusagen in letzter Minute“, nämlich aufgrund der Beratungen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages aufgenommen wurde (Heiter in FamRZ 2009, 85, 86), erscheint letzteres nicht ausgeschlossen.
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Für diese Auffassung spricht zudem, dass § 183 FamFG als lex specialis für die Kostentragung bei erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung ausdrücklich darauf hinweist, dass das minderjährige Kind keine Kosten zu tragen hat.
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Demzufolge hat die Mutter die Kosten des Verfahrens alleine zu tragen.
III.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 81 Abs. 1 Satz 2, 70 FamFG, 40 Abs. 1 FamGKG.

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