Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 13 U 46/12

Tenor

Der Antrag des Beklagten, ihm Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens zu gewähren, wird

zurückgewiesen.

Gründe

 
Der derzeit inhaftierte Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des Landgerichts, mit dem es den Einspruch des Beklagten gegen einen gegen ihn ergangenen Vollstreckungsbescheid als unzulässig verworfen hat. Prozesskostenhilfe kann jedoch jedenfalls deshalb nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
I.
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart (Geschäftsnummer 11-9121775-001N) vom 12.08.2011 ist am 19.08.2011 einem zum Empfang berechtigten Vertreter des Leiters der Justizvollzugsanstalt, in der der Beklagte inhaftiert war und ist, übergeben worden. Der Beklagte hat mit am 19.01.2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 05.01.2012 Einspruch eingelegt. Nachdem das Landgericht, an das das Mahngericht die Sache abgegeben hatte, den Beklagten auf die Versäumung der Einspruchsfrist hingewiesen hatte, teilte dieser mit am 21.02.2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 13.02.2012 mit, er könne eine vierzehntägige Frist wegen der in seinem Fall stattfindenden Briefkontrolle der Strafverfolgungsbehörden nicht einhalten; er könne nicht angeben, wann er den Vollstreckungsbescheid erhalten habe; die Einhaltung der Frist sei aber ohnehin „nicht machbar“ gewesen, er sei damals noch der Meinung gewesen, dass ein verspäteter Einspruch, auch wenn die Frist auch nur um einen Tag versäumt sei, nicht mehr beachtet würde, erst im Januar 2012 sei er eines Besseren belehrt worden.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 21.02.2012, das am 24.02.2012 einem zum Empfang berechtigten Vertreter des Leiters der Justizvollzugsanstalt übergeben worden ist, den Einspruch nach §§ 700 Abs. 1, 341 ZPO verworfen und dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt, weil die Einspruchsfrist nicht eingehalten worden sei, angesichts des von dem Beklagten nicht mitgeteilten Datums der Aushändigung des Vollstreckungsbescheids an ihn die Einhaltung der Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 ZPO nicht geprüft werden könne und eine Wiedereinsetzung in diese Frist nicht in Betracht komme, weil der Irrtum des Beklagten einen Wiedereinsetzungsgrund nicht darstelle.
Mit am 02.03.2012 beim Landgericht eingegangenem Schreiben vom 22.02.2012 hat der Beklagte Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Landgericht beantragt. Auf den gerichtlichen Hinweis, wonach nach Abschluss des Verfahrens Prozesskostenhilfe nicht mehr bewilligt werden könne, hat der Beklagte mit an das Landgericht gerichtetem, bei diesem am 16.03.2012 und sodann beim Oberlandesgericht nach Weiterleitung durch das Landgericht am 20.03.2012 eingegangenem Schreiben vom 05.03.2012 „Einspruch“ gegen das Urteil des Landgerichts erhoben, dabei erneut auf die in seinem Fall stattfindende Briefkontrolle der Strafverfolgungsbehörden hingewiesen und im Wesentlichen geltend gemacht, er habe sich die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts finanziell nicht leisten können, weshalb er beantrage, dass ihm ein „Pflichtverteidiger“ gestellt werde.
II.
Die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, jedenfalls deshalb kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden (vgl. § 114 Satz 1 ZPO).
1. Der Senat legt das an das Landgericht gerichtete Schreiben des Beklagten vom 05.03.2012, das beim Landgericht am 16.03.2012 und sodann beim Oberlandesgericht nach Weiterleitung durch das Landgericht am 20.03.2012 eingegangen ist, dahin aus, dass der Beklagte mit ihm die Gewährung von Prozesskostenhilfe durch das Oberlandesgericht für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.02.2012 - 18 O 46/12 - begehrt. Zwar erhebt der Beklagte in diesem Schreiben „Einspruch“ gegen das genannte Urteil, was als Einlegung einer Berufung gedeutet werden könnte. Dem Beklagten ist, wie sich aus dem Schreiben ergibt, jedoch bewusst gewesen bzw. er hat zumindest für möglich gehalten, dass die Einlegung des Rechtsmittels dem Anwaltszwang unterliegt (§ 78 ZPO), und er hat für diesen Fall auf sein Schreiben vom 22.02.2012, das am 02.03.2012 bei Gericht eingegangen ist, verwiesen, in dem er u.a. die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, um sich u.a. gegen die von der Klägerin in diesem Rechtsstreit verfolgte Forderung zu verteidigen. Dem Gesamtzusammenhang der beiden erwähnten Schreiben des Beklagten entnimmt der Senat bei sachgerechter Auslegung die Stellung eines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das erwähnte Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.02.2012. Zudem entnimmt er diesem Gesamtzusammenhang bei solcher Auslegung, dass der Antrag des Beklagten, obwohl die Schreiben vom 22.02.2012 sowie vom 05.03.2012 an das Landgericht adressiert sind, gegenüber dem zuständigen Oberlandesgericht (vgl. BGH, Beschl. v. 22.10.1986 - VIII ZB 40/84 - Tz. 10 [juris]; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 117 Rn. 1) gestellt ist.
2. Die beantragte Prozesskostenhilfe kann indes - unabhängig von der Einhaltung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung bzw. der Möglichkeit, insoweit Wiedereinsetzung aufgrund des noch innerhalb offener Berufungsfrist am 20.03.2012 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 22.10.1986 - VIII ZB 40/84 - Tz. 10 [juris]; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rn. 23 „Prozesskostenhilfe“) zu gewähren - schon deshalb nicht gewährt werden, weil eine Berufung gegen das erwähnte Urteil des Landgerichts Stuttgart jedenfalls in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hätte. Das Landgericht hat den auf den 05.01.2012 datierten, bei Gericht am 19.01.2012 eingegangenen Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart (Geschäftsnummer 11-9121775-001N) vom 12.08.2011 zu Recht als unzulässig verworfen (§§ 700 Abs. 1, 341 ZPO). Der Einspruch war zwar gemäß §§ 700 Abs. 1, 338 ZPO an sich statthaft; er war auch in der gesetzlichen Form eingelegt, da der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid stets anwaltsfrei erklärt werden kann (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 700 Rn. 6; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., § 700 Rn. 5). Er ist jedoch nicht innerhalb der gesetzlichen Zweiwochenfrist nach §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 700 Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 700 Rn. 6) eingelegt worden; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Landgericht dem Beklagten zu Recht versagt.
a) Der Vollstreckungsbescheid ist ausweislich der sich in den Akten befindlichen Zustellungsurkunde am 19.08.2011 einem zum Empfang berechtigten Vertreter des Leiters der Justizvollzugsanstalt, in der der Beklagte inhaftiert war und ist, übergeben worden, womit die Zustellung an diesem Tag nach § 178 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO bewirkt war, ohne dass es auf den Zeitpunkt ankam, in dem die zugestellten Schriftstücke dem Beklagten ausgehändigt worden sind und er die Möglichkeit der Kenntnisnahme von deren Inhalt hatte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.06.1992 - 10 W 70/92 - Tz. 3 [juris]). Die gesetzliche Zweiwochenfrist nach §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO begann mit Zustellung des Vollstreckungsbescheids zu laufen (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 700 Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 700 Rn. 6). Der auf den 05.01.2012 datierte, bei Gericht am 19.01.2012 eingegangene Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid wahrte diese Frist nicht.
b) Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid hat das Landgericht, was unter den hier vorliegenden Umständen vom Senat im Berufungsverfahren zu überprüfen wäre (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 22.09.1992 - VI ZB 22/92 - Tz. 3 [juris]; v. 29.09.1993 - XII ZB 49/93 - Tz. 7 [juris]; v. 19.06.1996 - XII ZB 89/96 - Tz. 4 [juris]; Zöller/Greger, a.a.O., § 237 Rn. 2; BeckOK-ZPO/Wendtland, Stand: 01.02.2012, § 237 Rn. 5, 7; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 237 Rn. 3), dem Beklagten zu Recht versagt.
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aa) Bis zu dem Zeitpunkt, in dem die zugestellten Schriftstücke dem Beklagten ausgehändigt worden sind und er dadurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme von deren Inhalt erhielt, war der Beklagte zwar ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert, was im Ausgangspunkt einen Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bildet (§ 233 ZPO; vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.06.1992 - 10 W 70/92 - Tz. 3 [juris]). Gleichwohl hat das Landgericht im Hinblick auf diesen Aspekt dem Beklagten Wiedereinsetzung zu Recht versagt. Es fehlt jedenfalls an der nach § 236 Abs. 2 ZPO erforderlichen Darlegung bzw. Glaubhaftmachung, hat der Beklagte in seinem Schreiben vom 13.02.2012, das am 21.02.2012 beim Landgericht eingegangen ist und das dieses bei Erlass seines Urteils berücksichtigt hat, doch erklärt, er könne den Zeitpunkt nicht angeben, in dem ihm die zugestellten Schriftstücke ausgehändigt worden sind.
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(1) Bei dieser Sachlage ist bereits nicht hinreichend dargelegt bzw. glaubhaft gemacht, dass die Aushändigung der zugestellten Schriftstücke an den Beklagten erst nach Ablauf der maßgebenden Zweiwochenfrist bzw. so spät erfolgt sei, dass die Wahrung der ggf. verkürzten Frist nicht mehr möglich gewesen sei. Nur unter solchen Voraussetzungen hätte indes ein Wiedereinsetzungsgrund vorgelegen (vgl. für die hier gegebene Situation OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.06.1992 - 10 W 70/92 - Tz. 5 [juris] sowie allgemein Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rn. 9, § 234 Rn. 3).
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(2) Jedenfalls aber war hier Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses, also nach Aushändigung der zugestellten Schriftstücke an den Beklagten, zu beantragen (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO), und auch hierauf bezieht sich das in § 236 Abs. 2 ZPO geregelte Erfordernis der Darlegung und Glaubhaftmachung (vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.1999 - II ZR 225/98 - Tz. 3 [juris]). Dieses Erfordernis erfüllt das Vorbringen des Beklagten nicht, ist diesem doch der Zeitpunkt der Aushändigung der zugestellten Schriftstücke an ihn nicht zu entnehmen. Nach den aus den Akten ersichtlichen Umständen spricht vielmehr alles dafür, dass auch diese zweiwöchige Frist deutlich überschritten wurde.
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bb) Das Landgericht hat dem Beklagten auch Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Antragsfrist nach § 234 Abs. 1 und 2 ZPO (vgl. § 233 ZPO sowie etwa BGH, Beschl. v. 02.12.1998 - XII ZB 133/98 - Tz. 6 [juris] und Zöller/Greger, a.a.O., § 234 Rn. 4) zu Recht versagt. Insoweit macht dieser geltend, er sei bis zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Januar 2012 der Meinung gewesen, ein verspäteter Einspruch werde, selbst wenn die Frist nur um einen Tag überschritten sei, nicht mehr beachtet. Dahinstehen mag, dass auch insoweit eine zweiwöchige Frist für den Vortrag der Wiedereinsetzungsgründe einzuhalten war, die mit dem Tag begann, an dem das Hindernis behoben war (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 02.12.1998 - XII ZB 133/98 - Tz. 7 [juris]; Zöller/Greger, a.a.O., § 234 Rn. 4), hier also an dem Tag, an dem der etwaige Irrtum des Beklagten aufgeklärt war und damit wohl spätestens am 05.01.2012, als der Beklagte den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid verfasste, womit bereits die genannte Frist nicht eingehalten gewesen sein dürfte. Jedenfalls rechtfertigt auch unabhängig davon das erwähnte Vorbringen des Beklagten die Wiedereinsetzung schon deshalb nicht, weil es keinen Wiedereinsetzungsgrund nach § 233 ZPO erkennen lässt. Sollte der Beklagte aufgrund des von ihm geltend gemachten Rechtsirrtums bis in den Januar 2012 hinein verhindert gewesen sein, die maßgebende Antragsfrist nach § 234 Abs. 1 und 2 ZPO einzuhalten, wäre er dies nicht ohne sein Verschulden gewesen.
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(1) Es ist Sache jeder, auch der juristisch nicht vorgebildeten Partei, sich von sich aus rechtzeitig über Möglichkeit, Fristen und Formerfordernisse von Rechtsmitteln zu informieren, sei es beim Anwalt oder den dafür vorgesehenen kostenlosen Rechtsantragstellen der Gerichte (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.11.1990 - XII ZB 141/90 - Tz. 9 [juris]; v. 19.03.1997 - XII ZB 139/96 - Tz. 3 [juris]; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rn. 23 „Rechtsirrtum“).
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(2) Dass er den ihn demnach treffenden Anforderungen ausreichend nachgekommen sei, lässt sich dem Vorbringen des Beklagten nicht entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es dem Beklagten nicht möglich gewesen sei, unter Zuhilfenahme der ihm auch aus der Haft heraus zugänglichen Anlaufstellen, etwa über die Rechtsantragstelle der zuständigen Gerichte bzw. durch Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe, kurzfristig an die erforderlichen Informationen über die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, zu gelangen, nachdem ihm die zugestellten Schriftstücke ausgehändigt worden waren. Soweit der Beklagte in seinem Schreiben vom 05.03.2012 vorbringt, er habe den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid nicht ohne anwaltliche Hilfe einlegen können, geht dies im Übrigen schon deshalb fehl, weil er den Einspruch selbst einlegen konnte, was ihm rechtzeitig zu erfahren auf den erwähnten Wegen ebenfalls unschwer möglich gewesen wäre. Entsprechendes gilt für die Möglichkeit, im weiteren Fortgang des sodann tatsächlich dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahrens ggf. Prozesskostenhilfe zu erlangen, wodurch jedenfalls ihm zunächst entstehende Verfahrenskosten gedeckt gewesen wären.

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