Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 3 U 143/14

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.07.2014 (33 O 13/14 KfH)

a b g e ä n d e r t.

Die Klage wird

a b g e w i e s e n.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.07.2014 (33 O 13/14 KfH) wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen einschließlich der durch die Nebenintervention den Streithelferinnen entstandenen Kosten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte oder die Streithelferinnen durch Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streithelferinnen vor der Vollstreckung Sicherheit von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert:

120.948,67 EUR

davon Berufung der Klägerin   

72.569,20 EUR

Berufung der Beklagten

48.379,47 EUR

Gründe

 
I.
Die Klägerin fordert als Versicherer des Auftraggebers eines grenzüberschreitenden LKW-Transports von der Auftragnehmerin Schadensersatz für auf einem unbewachten Parkplatz im Bereich der A 20 bei Ashford (Kent, Großbritannien) in der Nacht vom 18. auf den 19.08.2011 gestohlene Textilien. Hinsichtlich des Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf das angefochtene landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Beklagten gemäß Art. 29 CMR die Berufung auf die begrenzende gewichtsabhängige Haftung nach Art. 23 Abs. 3 CMR verwehrt, weil sich die Beklagte bei Auftragserteilung im Hinblick auf die diebstahlgefährdete Ladung und den Transport nach Großbritannien bezüglich durchzuführender Sicherheitsvorkehrungen habe erkundigen müssen, bevor sie den Auftrag an die Streithelferinnen hätte weitergeben dürfen. Die Klägerin müsse sich jedoch ein Mitverschulden von 60 % anrechnen lassen, weil es für sie nahegelegen hätte, die Beklagte zur Benutzung überwachter Parkplätze zu verpflichten.
Die Klägerin behauptet, in der Branche sei 2011 ein erhöhtes Diebstahlrisiko in Großbritannien bekannt gewesen, was sich aus einer Vielzahl von Schadensereignissen, der ländlichen Struktur Großbritanniens und dem Umstand ergebe, dass wegen des Linksverkehrs nach dem Fährtransport in vielen Fällen die Brücken auf britische Zugmaschinen umgesetzt würden, so dass die Fahrer dann häufig nicht mehr am gleichen Tag den Zielort erreichen würden.
Die Klägerin beantragt:
das am 25.07.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Stuttgart - 33 O 13/14 KfH - dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 120.948,67 EUR zzgl. 5 % Zinsen hieraus seit Zustellung der Klage zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt:
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.07.2014 - 33 O 13/14 KfH - wird teilweise abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Die Klägerin beantragt zur Berufung der Beklagten
Zurückweisung der Berufung.
10 
Die Streithelferinnen beantragen:
11 
Die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und entsprechend dem Berufungsantrag der Beklagten die Klage insgesamt abzuweisen.
12 
Die Beklagte trägt vor, der Parkplatz sei beleuchtet gewesen. Mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin sei die Geltung der ADSp für den streitgegenständlichen Transportvertrag vereinbart gewesen. Wegen 3.8 ADSp habe sie daher nicht wegen einer besonderen Sicherung gegen Diebstahl nachfragen müssen.
13 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze jeweils mit Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2015 (Bl. 166 d.A.).
II.
14 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
15 
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf unbeschränkten Schadensersatz aufgrund von Art. 29 CMR i.V.m. § 435 HGB, weil die Beklagte den Schaden nicht besonders grob fahrlässig oder leichtfertig verursacht hat. Daher kann sich die Beklagte gegenüber der Klägerin auf die beschränkte gewichtsabhängige Haftung nach Art. 23 Abs. 3 CMR berufen. Auf ein Mitverschulden der Klägerin und dessen vollständiges Zurücktreten, wie mit der Berufung der Klägerin geltend gemacht, kommt es nicht an.
1.
16 
Unstreitig haftet die Beklagte wegen des teilweisen Verlusts der Ladung bei dem streitgegenständlichen Lkw-Transport von S nach L/Großbritannien am 18./19.08.2011 gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 3 CMR für den gewichtsabhängigen Schaden. Die hierauf entfallenden 14.578,99 EUR sind von der Streithelferin zu 2 an die Klägerin bezahlt worden.
17 
Die Aktivlegitimation der Klägerin wird im Berufungsverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen.
2.
18 
Die Klägerin hat die für die gewichtsunabhängige Haftung gemäß Art. 29 Abs. 1 CMR erforderliche besonders grobe Fahrlässigkeit bzw. Leichtfertigkeit der Beklagten, die zum Verlust des Teils der Ladung geführt habe, nicht bewiesen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Beklagte nicht besonders grob fahrlässig bzw. leichtfertig gehandelt, als sie trotz Kenntnis des Umstandes, dass die Ladung aus Textilien in Kartons auf Paletten bestand und für Großbritannien bestimmt war, nicht nachgefragt hat, ob besondere Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden müssen, bevor sie den Auftrag ihrerseits an eine der Streithelferinnen weiterreichte.
19 
Nach Art. 29 Abs. 1 CMR kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat. Das Gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt, Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR. Kommt für den Beförderungsvertrag gemäß Art. 5 Abs. 1 der Rom-I-VO deutsches Recht zur Anwendung, ist im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 CMR ergänzend § 435 HGB heranzuziehen. Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder bewusst leichtfertig begangen hat. Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - I ZR 109/13 -, Rn. 35, juris)
a)
20 
Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Klägerin die behaupteten mündlichen Anweisungen ihrer Versicherungsnehmerin an die Beklagte bezüglich der Durchführung des streitgegenständlichen Transports nicht nachgewiesen hat.
21 
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGHZ 158, 269, Juris Rn 8f).
22 
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 29.12.2014 auf S. 7 f. (Bl. 158 f. d. A.) Ausführungen dahin macht, dass vor dem Hintergrund der Einlassung des Zeugen G (Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin der Klägerin), er habe im Großen und Ganzen darauf hingewiesen, dass es sich immer um dieselbe Ware von X handele, die Aussage der Zeugen P und A, sich hieran nicht erinnern können, wenig glaubhaft sei, ist ein Fehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts nicht ersichtlich.
23 
Zum einen hat die Klägerin im Schriftsatz vom 29.10.2014 auf S. 4 (Bl. 127 d. A.) selbst vorgetragen, der einzige „Wissensvorsprung“, den die Versicherungsnehmerin gegenüber der Beklagten in Bezug auf das Ladegut gehabt habe, habe darin bestanden, dass es sich vorliegend um Ware der Firma X gehandelt habe. Insoweit hat sie sich jedenfalls im Berufungsverfahren die Beweiswürdigung des Landgerichts zu eigen gemacht. Denn das Landgerichts ist davon ausgegangen, die Vernehmung der Zeugen G, P und A habe die von der Klägerin behaupteten Hinweise, insbesondere bei jeder Beauftragung der Beklagten, gerade nicht ergeben. Dies gelte insbesondere dafür, dass die Waren von X stammen würden.
24 
Zum anderen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts durch die übrigen Umständen des Vertragsschlusses gestützt. Aus der einzigen schriftlichen Unterlage zum streitgegenständlichen Transport, dem verbindlichen Ladeauftrag vom 16.08.2011 (Anlage B 1), ergibt sich gerade nicht, dass es sich um hochwertige Textilien der Marke X handelte. Hinzu kommt, dass die Beklagte ausweislich der Aussage des Zeugen G Überhangfahrten für die Versicherungsnehmerin der Klägerin nach Großbritannien ausgeführt hat. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin sei nach dieser Aussage froh gewesen, dass sie auf die Schnelle überhaupt ein Transportfahrzeug habe erhalten können. Dann ist es durchaus nachvollziehbar, dass der Beklagten und ihren Disponenten keine konkreten Hinweise bezüglich dem Ursprung und dem Umgang mit der Ladung erteilt worden sind. Dabei sind die Fuhren jeweils im Zentrallager der Versicherungsnehmerin der Klägerin in S durch die Beklagte bzw. ihre Subunternehmer übernommen worden. Die Pakete selbst wiesen unstreitig keine Hinweise auf den Hersteller X auf.
25 
Dass sich das Landgericht vor diesem Hintergrund nicht von der mündlichen Erteilung der von der Klägerin behaupteten Anweisungen ausgegangen ist, ist nachvollziehbar und nicht fehlerhaft.
b)
26 
Allein die Angaben der Versicherungsnehmerin der Klägerin im Ladeauftrag vom 16.08.2011 (Anlage B 1), wonach die Sendung aus Textilien in Kartons verpackt auf Europaletten bestehe und ein verkehrssicherer, verplombbarer Lkw mit Kofferaufbau erforderlich sei, gab dem Disponenten der Beklagten keine Veranlassung, im Hinblick auf den Empfangsort in Großbritannien nachzufragen, ob besondere Sicherheitsanforderungen erforderlich seien. Selbst wenn man hiervon ausgehen würde, wäre das Versäumen dieser Verpflichtung nicht so schwerwiegend, als dass die Beklagte dadurch in besonders grober Weise fahrlässig bzw. leichtfertig den teilweisen Verlust der Sendung infolge des Diebstahls auf dem Parkplatz in Kent/Großbritannien verursacht hätte.
aa)
27 
Es soll zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass in Kartons verpackte Textilien, die auf Europaletten transportiert werden, diebstahlgefährdet sind, weil sie leicht gestohlen und abgesetzt werden können, auch wenn die Beklagte nicht wusste, dass sie von X stammten und damit einen höheren wirtschaftlichen Wert als Textilien von einem weniger namhaften Hersteller hatten.
bb)
28 
Allein aufgrund des Umstandes, dass ein „verkehrssicherer, verplombbarer Lkw mit Kofferaufbau“ eingesetzt werden sollte, war für die Disponenten der Beklagten nicht erkennbar, dass die diebstahlgefährdete Ware aufgrund eines erhöhten Wertes besonders gefährdet war. Daher hat sich für die Beklagte das Fehlen oder die Notwendigkeit weiterer Sicherungsmaßnahmen nicht aufdrängen müssen.
29 
Die Verplombbarkeit eines Lkw hat nichts mit einem Schutz gegen Diebstahl zu tun. Vielmehr soll damit lediglich eine Öffnung des Fahrzeugs während des Transports ersichtlich werden. Eine Verplombung hat daher im Wesentlichen auch nur für den Zoll eine Bedeutung. Irgendein Diebstahlsschutz ist damit nicht verbunden. Das Fahrzeug kann im Extremfall verplombbar sein, ohne dass es abschließbar ist.
30 
Auch die Verwendung eines Lastkraftwagens mit Kofferaufbau lässt keinen Rückschluss auf eine ganz besondere Diebstahlsgefährdung zu. Textilien sind besonders witterungsanfällig, so dass der Lkw mit Kofferaufbau allein schon deshalb aus Sicht der Disponenten der Beklagten notwendig oder jedenfalls sinnvoll ist.
cc)
31 
Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Landgerichts, wie sie in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutage tritt, ist nicht unstreitig, dass 2011 bei Lkw-Transporten nach Großbritannien ein hohes Diebstahlrisiko bestanden habe und dies allgemein in der Branche bekannt gewesen sei. Dabei mag sein, dass es - im Gegensatz zu Kontinentaleuropa - genügend bewachte Parkmöglichkeiten in Großbritannien gibt, wobei diese ganz allgemeine Feststellung keine Aussagekraft für die konkrete Route des streitgegenständlichen Transports hat.
32 
Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, sie habe sich bereits in der Berufungserwiderung vom 31.03.2014 auf S. 7 (Bl. 26 d. A.) dahin eingelassen, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin im Vorprozess vor dem Landgericht Tübingen (21 O 8/13) erklärt habe, bei einer geplanten Rast von nur wenigen Stunden (21.00 Uhr bis 3.30 Uhr in einer Sommernacht mit nur wenigen Stunden Dunkelheit) auf dem konkret gewählten Parkplatz in Südengland (unbewacht, aber beleuchtet) in der konkreten Situation (verschlossener, neutral gekennzeichneter Kofferauflieger, weitere rastende Lkw) hätten für ein besonders hohes Diebstahlsrisiko „überhaupt keine Anhaltspunkte“ vorgelegen. So geht es aus dem streitigen Tatbestand im Urteil des Landgerichts Tübingen vom 23.08.2013 - 21 O 8/13 - beim Beklagtenvortrag hervor, wonach die Versicherungsnehmerin der Klägerin vorgetragen habe, dass ein besonders hohes Diebstahlsrisiko nicht bestanden habe. Die Beklagte durfte sich den Vortrag der Versicherungsnehmerin der Klägerin im Vorprozess zu eigen machen, zumal ihr in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Tübingen der Streit verkündet worden war. Unabhängig von der Frage, ob dies irgendeine Bindungswirkung für die Klägerin auslöst, reicht die Bezugnahme auf diesen Vortrag der Versicherungsnehmerin der Klägerin aus, um ein - wie auch immer geartetes - besonderes Diebstahlrisiko in Großbritannien im Jahr 2011 zu bestreiten. Dass das Landgericht das auch so verstanden hat, ergibt sich aus dem streitigen Tatbestand des angefochtenen landgerichtlichen Urteils. Als streitigen Klägervortrag hält das Landgericht dort fest, dass sich im Hinblick auf die - in der Branche bekannte - besonders hohe Gefahr von Ladungsdiebstählen in Großbritannien einem ordentlichen Frachtführer die Erkenntnis geradezu habe aufdrängen müssen, dass sich die Durchführung von Ruhepausen mit einem solchermaßen beladenen Fahrzeug auf x-beliebigen Parkplätzen in Großbritannien verbiete (S. 5, letzter Absatz). Insoweit ist das angefochtene landgerichtliche Urteil in sich widersprüchlich.
33 
Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2015 vorgetragen hat, das hohe Risiko von Diebstählen aus Lastkraftwägen ergebe sich aus der Vielzahl von entsprechenden Schadensfällen, ist diese allgemeine und subjektive Aussage nicht geeignet, eine solches Risiko konkret zu begründen. Entsprechendes gilt für die allgemeine und in dieser Allgemeinheit auch zweifelhafte Erklärung für die besondere Diebstahlsgefahr, Großbritannien sei ländlich strukturiert. Der Wechsel der Brücke fand im konkreten Fall nicht statt. Ein solcher Brückenwechsel und der damit verbundene Zeitaufwand kann im Übrigen nur schwerlich als Ursache für die behauptete besondere Diebstahlgefährdung von LKW-Transporten in Großbritannien herangezogen werden. Eine Recherche in Juris hat ergeben, dass so gut wie keine veröffentlichten Urteile aus den letzten Jahren bezüglich Diebstählen aus Lastkraftwägen in Großbritannien vorliegen. Der Zeuge A, der auf Seiten der Beklagten den streitgegenständlichen Transport disponierte, hatte bekundet, dass ihm nichts von einer besonderen Häufigkeit von Diebstählen in Großbritannien bekannt gewesen sei. Auch den Mitgliedern des Senats ist solches nicht bekannt.
34 
Im Übrigen hat die Klägerin für ihre Behauptung eines erhöhten Diebstahlrisikos in Großbritannien, welches in der Branche allgemein bekannt sei, keinen Beweis angeboten.
dd)
35 
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte gemäß Ziff. 3.8 ADSp keine Verpflichtung hatte, die vom Auftraggeber insbesondere nach Ziff. 3.6 ADSp hinsichtlich Diebstahl gefährdeten Gütern gemachten Angaben nachzuprüfen oder zu ergänzen. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der Auftragnehmer, hier also die Beklagte, den Angaben der Auftraggeberin, also der Versicherungsnehmerin der Klägerin, vertrauen durfte und diese nicht weiter hinterfragen musste. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Umstandes, als im Ladeauftrag vom 16.08.2011 (Anlage B 1) nur angeführt war, dass in Karton verpackte Textilien auf Paletten transportiert werden sollten. Dann kann ein Unterlassen dieser Nachfrage jedenfalls nicht als besonders grob fahrlässig oder leichtfertig angesehen werden.
36 
Auf die Frage, ob die Ware mehr oder weniger Wert war als 50,00 EUR/kg kommt es dabei auch im Hinblick auf 3.6 ADSp nicht an. Vielmehr darf die Beklagte mangels entsprechendem schriftlichen Hinweis durch die Versicherungsnehmerin der Klägerin davon ausgehen, dass die Ladung nicht besonders wertvoll ist, auch wenn es sich um in Kartons verpackte Textilien auf Europaletten handelt.
37 
Die Klägerin bestreitet zwar im Schriftsatz vom 29.12.2014 auf S. 7 (Bl. 158 d. A.), dass die ADSp dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis zugrunde gelegen seien. Dieses Bestreiten ist jedoch vor dem Hintergrund der Inbezugnahme der ADSp durch die Versicherungsnehmerin der Klägerin im verbindlichen Ladeauftrag vom 16.08.2011 nicht ausreichend. Danach arbeitet die Versicherungsnehmerin der Klägerin ausschließlich auf der Grundlage der Allgemeinen Deutschen Speditionsbedingungen, jeweils neueste Fassung. Aus dem Ladeauftrag der Beklagten gegenüber ihrer Subunternehmer vom 16.08.2011 (Anlage B 2) folgt ebenfalls, dass die Beklagte ausschließlich auf der Grundlage der Allgemeinen Deutschen Speditionsbedingungen, jeweils neueste Fassung, arbeitet. Nachdem sowohl die Versicherungsnehmerin der Klägerin als auch die Beklagte jeweils nach den Bedingungen der ADSp arbeiten und dies im Transportgewerbe auch absolut üblich ist, besteht kein Grund für die Annahme, dass es im vorliegenden Fall ausnahmsweise anders gewesen sein sollte. Zumindest müsste die Klägerin entsprechende Tatsachen vortragen, die einen solchen Ausnahmefall naheliegend erscheinen lassen. Ein solcher Vortrag fehlt.
38 
Allein der Hinweis des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2015, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin nur dann die ADSp einbeziehe, wenn sie selbst den Auftrag ausführe, als „arbeite“, reicht nicht aus, um vor dem Hintergrund der Einbeziehung der ADSp von beiden Vertragsparteien ausnahmsweise von einer Nichtgeltung der ADSp für das streitgegenständlichen Vertragsverhältnis ausgehen zu können. Vielmehr folgt aus diesem Vortrag, wonach die Versicherungsnehmerin der Klägerin dann, wenn sie selber „arbeite“, die ADSp einbeziehe, dass zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und der Fa. X die Geltung der ADSp vereinbart war. Wenn dann die Versicherungsnehmerin der Klägerin den Auftrag an die Beklagte weitergibt, hat sie ein Interesse daran, dass dieser Auftrag „1:1“ an die Beklagte übergeht, also auch mit der Geltung der ADSp, damit sie eventuelle vertragliche oder Haftungsprobleme ohne weiteres „durchreichen“ kann.
39 
Insoweit kommt es nicht darauf an, ob sich die Beklagte bereits in I. Instanz auf die Geltung der ADSp für den streitgegenständlichen Transportvertrag berufen hat oder nicht. Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz ist aufgrund des nicht ausreichenden Bestreitens durch die Klägerin als unbestritten und damit als beachtlich anzusehen.
ee)
40 
Es kann unterstellt werden, dass der Fahrer der Streithelferin zu 2, einen unbewachten (was unstreitig ist) und unbeleuchteten Parkplatz angesteuert hat. Allerdings hatte die Versicherungsnehmerin der Klägerin das im Vorprozess vor dem Landgericht Tübingen (21 O 8/13) selbst so behauptet, indem sie die Behauptung der Fa. X, der Parkplatz sie unbeleuchtet gewesen, bestritten hatte, wie sich aus dem streitigen Klägervortrag des Tatbestands des Urteils vom 23.08.2013 ergibt. Zur Beleuchtung des Parkplatzes hat das Landgericht dann in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 23.08.2013 keine Feststellungen getroffen. Selbst wenn man dem Fahrer insoweit einen Fahrlässigkeitsvorwurf machen würde, den sich die Beklagte dann zurechnen lassen müsste, wäre dieser Fehler nicht so schwerwiegend, dass man von einer Leichtfertigkeit oder besonders groben Fahrlässigkeit ausgehen müsste. Denn für die Beklagte und damit auch ihre Subunternehmer war nicht ersichtlich, dass ein Parken zusammen mit anderen Lkws auf einem nicht bewachten und nicht beleuchteten Parkplatz in der Zeit von 21.00 Uhr bis 3.30 Uhr in Großbritannien bei Ashford (Kent) im Bereich der Autobahn A 20 mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Diebstahl führen würde. Dabei war der Inhalt des Trailers von außen nicht erkennbar. Gerade der Umstand, dass noch weitere Lkws auf diesem Parkplatz standen und damit die Entdeckungsgefahr für Diebe beim Entladen des Trailers, das an einer solchen Stelle in der Nacht sehr ungewöhnlich ist, bestand, führt dazu, dass dieses fahrlässige Verhalten jedenfalls nicht besonders grob fahrlässig oder leichtfertig war.
41 
Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte den Streithelferinnen bei Weitergabe des Auftrags erklärt hatte, dass es sich bei der Ladung um Textilien in Kartons auf Europaletten handelte. Denn selbst wenn sie das getan hätte, wäre das Verhalten der Streithelferinnen nicht besonders grob fahrlässig oder leichtfertig, weil auch die Streithelferinnen in diesem Fall im Hinblick auf 3.8 der ADSp davon ausgehen durften, dass die Ladung trotz ihrer prinzipiellen Diebstahlgefährdung keine besonderen Sicherungsmaßnahmen erforderlich machte.
c)
42 
Der Umstand, dass das Landgericht Tübingen im Vorprozess im Urteil vom 23.08.2013 (21 O 8/13) eine Haftung der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegenüber der Fa. X als Auftraggeberin des Transports in unbeschränkter Höhe wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 CMR i. V. m. § 435 HGB angenommen hat, steht der Annahme einer beschränkten gewichtsabhängigen Haftung der Beklagten gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR nicht entgegen, obwohl der Beklagten im dortigen Rechtsstreit der Streit verkündet war. Eine solche Bindungswirkung behauptet auch keine der Parteien im vorliegenden Berufungsverfahren.
43 
Denn die Feststellungen des Landgerichts betreffen in diesem Punkt lediglich das Verhältnis der Fa. X und der Versicherungsnehmerin der Klägerin. Dabei mag es sein, dass vom Landgericht Tübingen in diesem Rechtsverhältnis ausreichende Anhaltspunkte festgestellt worden sind, die eine unbeschränkte Haftung begründen. Dies hat jedoch keine präjudizielle oder gar bindende Wirkung für das Rechtsverhältnis der Versicherungsnehmerin der Klägerin zur hiesigen Beklagten.
44 
Soweit im Urteil des Landgerichts Tübingen unter 5. b) der Entscheidungsgründe (S. 12 des Urteils) ausgeführt wird, die Beklagte habe sämtlichen Unterfrachtführern die Anweisung erteilt, notwendige Ruhepausen auf bewachten Parkplätzen durchzuführen, hebt das Landgericht ausdrücklich hervor, dass es sich dabei um den - bestrittenen - Vortrag der Beklagten handele, an dem sie sich selbst festhalten lassen müsse. Insoweit hat das Landgericht Tübingen gerade keine Feststellungen dazu getroffen, ob dieser Vortrag den Tatsachen entsprochen hat. Insoweit entfaltet die Behauptung der Beklagten auch keine Bindungswirkung für die hiesige Beklagte als Streithelferin im Rechtsstreit vor dem Landgericht Tübingen.
3.
45 
Nachdem die Beklagten nur beschränkt nach Art. 17 Abs. 1, 23 Abs. 3 CMR haftet und im Rahmen der gewichtsunabhängigen Haftung die in Art. 23 Abs. 3 CMR genannte Haftung im Fall eines Mitverschuldens nicht zu quoteln ist (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, Art. 23 CMR Rn. 8), kommt es auf die Frage eines Mitverschuldens der Klägerin nicht an. Folglich ist auch die Berufung der Klägerin, die ein vollständiges Zurücktreten eines eventuellen Mitverschuldens hinter der verschärften Haftung der Beklagten verfolgt hat, nicht begründet.
III.
46 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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