Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 14 VA 15/20

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Esslingen - Insolvenzgericht - vom 26. August 2020 wird aufgehoben.

2. Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin vom 18. Juni 2020 auf Übersendung des Verwalterberichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

3. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung dagegen, dass der Antragsgegner ihr mit dem angegriffenen Beschluss die Übersendung des Verwalterberichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verweigert hat.
Nachdem die Schuldnerin die – damals noch unter Gxx firmierende – Antragstellerin mit einer Financial-Due-Diligence-Prüfung beauftragt hatte, schlossen sie in einem vor dem Landgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen 27 O 73/14 geführten Rechtsstreit einen Prozessvergleich, der am 17. Mai 2014 gerichtlich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde (EA 8 ff.). Die Schuldnerin verpflichtete sich darin, an die Antragstellerin 63.665 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Oktober 2013 zu zahlen und die Antragstellerin von der Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.642,40 Euro freizustellen. In der Folgezeit zahlte die Schuldnerin nach dem Vortrag des Insolvenzverwalters einen Betrag von insgesamt 72.761,89 Euro. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Esslingen, Az. 2 IN 120/16, vom 28. Dezember 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet (Insolvenzakte I 113 f.). Deren Insolvenzverwalter nimmt die Antragstellerin in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 7 O 9/20 auf Rückzahlung dieses Betrages in Anspruch (vgl. Klageschrift vom 10. Dezember 2019, EA 35 ff.), nachdem er mit Schreiben vom 7. November 2019 die Insolvenzanfechtung erklärt hat (Insolvenzakte III 386 ff.).
Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 18. Juni 2020 die Übersendung des Verwalterberichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt und dies damit begründet, dass sie von dem Insolvenzverwalter auf Rückzahlung von Steuerberaterhonorar verklagt werde. Um dessen Vortrag nachvollziehen und prüfen zu können, werde der Verwalterbericht benötigt (Insolvenzakte III 333). Für den Fall, dass der Insolvenzverwalter mit seiner Auffassung durchdringen sollte und die Antragstellerin aufgrund durchgreifender Insolvenzanfechtung zur Rückzahlung erhaltenen Honorars an die Schuldnerin verpflichtet sei, sei sie jedenfalls Gläubigerin einer zur Insolvenztabelle festzustellenden Insolvenzforderung. Durch die Akteneinsicht könnten schutzwürdige Belange Dritter im Übrigen nicht beeinträchtigt werden, da der Insolvenzverwalter im Anfechtungsprozess ohnehin eine Vielzahl von Verbindlichkeiten der Schuldnerin behauptet habe, ohne im Einzelnen darzulegen, worin der Insolvenzgrund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens tatsächlich bestanden habe. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte sei die Einsichtnahme in das Eröffnungsgutachten daher dringend geboten (Insolvenzakte III 342 f.).
Der Verfahrensbevollmächtigte des Geschäftsführers der Schuldnerin Myy hat im Schriftsatz vom 3. Juli 2020 erklärt, gegen eine Herausgabe der angeforderten Unterlagen spreche dann nichts, wenn die Antragstellerin eine festgestellte Insolvenzforderung habe. Sollte dies nicht der Fall sein, sei die Herausgabe, auch unter Hinweis auf Datenschutz, zu verweigern (Insolvenzakte III 337). Im Anfechtungsprozess habe der Insolvenzverwalter lediglich eine summarische Zusammenfassung der Gläubiger wiedergegeben, weshalb eine Herausgabe der Insolvenzakte nach wie vor schutzwürdige Belange Dritter insbesondere im Bereich des Datenschutzes verletzen würde (Insolvenzakte III 409 f.).
Der Insolvenzverwalter ist dem Antrag entgegengetreten (Insolvenzakte III 340, 411 ff.), weil die Antragstellerin bislang keine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet habe und ihr daher kein Recht auf Akteneinsicht aus § 4 InsO iVm § 299 Abs. 1 ZPO zustehe und sie auch im Falle einer Forderungsanmeldung keine Insolvenzgläubigerin sei, da ihre ursprüngliche Forderung erst nach Erfüllung des Rückgewähranspruchs wieder auflebe. Die Herausgabe der Akten sei bezogen auf § 4 InsO iVm § 299 Abs. 2 ZPO auch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht angezeigt. Die Absicht, zum Zwecke der Verteidigung gegen den Rückgewähranspruch Akteneinsicht zu nehmen, begründe gerade kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO. Eine Akteneinsicht liefe im Ergebnis darauf hinaus, der Antragstellerin Unterlagen zur Rechtsverteidigung zur Verfügung zu stellen, was rechtsmissbräuchlich sei. Daher sei es auch irrelevant, ob durch die Akteneinsicht schutzwürdige Belange Dritter beeinträchtigt werden könnten.
Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 26. August 2020 zurückgewiesen (Insolvenzakte III 414 f.), weil die Antragstellerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht habe, Insolvenzgläubigerin zu sein oder ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht zu haben, da diese vorliegend nicht nötig sei. Die Antragstellerin werde als Anfechtungsgegnerin vom Insolvenzverwalter im Rahmen eines Zivilrechtsstreits in Anspruch genommen, in dem dieser seinen Anfechtungsanspruch darlegen und beweisen müsse. Der Vortrag der Antragstellerin beruhe darauf, die Darlegungen des Insolvenzverwalters auf ihre Richtigkeit hin überprüfen zu müssen. Dies stelle kein berechtigtes Interesse dar, nachdem sie sich als Beklagte auf ein Bestreiten der Darlegungen zurückziehen könne, so dass der Beweisantritt durch den Insolvenzverwalter zu erfolgen habe.
Nachdem ihr der Beschluss des Amtsgerichts am 31. August 2020 zugestellt worden ist (Insolvenzakte III 416a), hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17. September 2020 ihre bedingte Forderung gegenüber der Schuldnerin zur Insolvenztabelle angemeldet (EA 4) und mit per beA eingereichtem Schriftsatz vom 29. September 2020 Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 EGGVG gestellt. Selbst wenn die Beurteilung des Amtsgerichts, dass die Antragstellerin nicht Partei des Insolvenzverfahrens sei, zuträfe, wäre die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Die Akteneinsicht sei zur Verfolgung bzw. zur Abwehr von Ansprüchen durch den Insolvenzverwalter erforderlich. Die vom Amtsgericht vorgetragene allgemeine Beweislastverteilung, dass der Insolvenzverwalter für die verwaltete Masse seinen Anfechtungsanspruch darzulegen und zu beweisen habe, greife zu kurz. Der Insolvenzverwalter berufe sich in dem Verfahren vor dem Landgericht Berlin auf durch die Rechtsprechung entwickelte Beweiserleichterungen und gesetzlich angeordnete Vermutungsregelungen, so etwa für den von ihm grundsätzlich zu beweisenden Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin auf die analoge Anwendung der in § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO aF angeordneten Vermutungsregelung.
Warum die Antragstellerin nach Ansicht des Insolvenzverwalters nicht Insolvenzgläubigerin gemäß § 38 InsO sein solle, falls sich dessen Auffassung über die Wirksamkeit der von ihm erklärten Anfechtung als durchgreifend erweise, erschließe sich ihr nicht. Erforderlich sei, dass der Anspruch des Insolvenzgläubigers auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet und der anspruchsbegründende Tatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei. Bedingungen und Betagungen seien insoweit unschädlich, weshalb die Rechtsbedingung der Feststellung der Wirksamkeit der vom Insolvenzverwalter erklärten Anfechtung der Insolvenzgläubigerstellung der Antragstellerin nicht entgegenstehe. Warum die Forderungsanmeldung vom 17. September 2020 rechtsmissbräuchlich sein solle, erschließe sich ebenfalls nicht. Es sei das Recht eines jeden persönlichen Gläubigers eines insolventen Unternehmens, die Forderungen, die aufgrund Insolvenzanfechtung zurückzuzahlen seien, zur Insolvenztabelle anzumelden, und zwar aufschiebend bedingt auf die Feststellung, dass die Insolvenzanfechtung wirksam sei.
Die Antragstellerin beantragt,
10 
den Beschluss des Amtsgerichts Esslingen - Insolvenzgericht - vom 26. August 2020 zum Aktenzeichen 2 IN 120/16 aufzuheben und die mit Schriftsatz vom 18. Juni 2020 beantragte Akteneinsicht durch Übersendung des Eröffnungsgutachtens an die Antragstellerin zu gewähren.
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Der Insolvenzverwalter wendet sich gegen die begehrte Akteneinsicht. Die Antragstellerin sei weiterhin keine Insolvenzgläubigerin im Sinne des § 38 InsO. Hieran ändere vor allem auch die Forderungsanmeldung vom 17. September 2020 nichts, da die Forderung der Antragstellerin gegenüber der Schuldnerin erst dann gemäß § 144 Abs. 1 InsO wieder auflebe, wenn der auf die Insolvenzanfechtung gestützte Rückgewähranspruch (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO) von ihr auch erfüllt werde. Vor allem aber sei der Verweis der Antragstellerin auf ihre mögliche zukünftige Insolvenzgläubigerstellung ein klassisches Zirkelschlussargument. Denn sie begehre die Akteneinsicht ja nur deshalb, um sich gegen den Rückgewähranspruch verteidigen zu können, diesen also gerade nicht erfüllen und damit nicht Insolvenzgläubigerin werden zu müssen. Wenn der Gläubiger einer vom Insolvenzverwalter bestrittenen und nicht titulierten Forderung kein Akteneinsichtsrecht habe, könne ein Anfechtungsgegner, der den ihm gegenüber geltend gemachten Rückgewähranspruch bestreite, ebenfalls kein Beteiligter im Sinne von § 299 Abs. 1 ZPO sein.
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Auch nach § 4 InsO iVm § 299 Abs. 2 ZPO habe die Antragstellerin kein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht. Für ihre Rechtsverteidigung im Anfechtungsprozess sei die Akteneinsicht nicht erforderlich. Soweit die Antragstellerin der Auffassung sei, in diesem Zivilprozess wäre der Sachvortrag des Insolvenzverwalters nicht ausreichend oder unsubstantiiert, möge sie dies dort einwenden. Im Übrigen gelte im Zivilprozess der Beibringungsgrundsatz. Die von der Antragstellerin begehrte Akteneinsicht liefe im Ergebnis aber darauf hinaus, dass der Insolvenzverwalter als Prozessgegner ihr Unterlagen zum Zwecke der Rechtsverteidigung zur Verfügung stellen müsse, was rechtsmissbräuchlich sei. Daher sei es auch irrelevant, ob durch die Akteneinsicht schutzwürdige Belange Dritter beeinträchtigt werden könnten; dies änderte nichts an der Rechtsmissbräuchlichkeit des Begehrens bzw. der fehlenden Glaubhaftmachung des erforderlichen berechtigten Interesses.
II.
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Der Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG ist nur teilweise statthaft (1.), hat in diesem Rahmen in der Sache aber Erfolg, soweit die Aufhebung des Beschlusses begehrt wird (2.). Die Gewährung von Akteneinsicht durch den Senat kann die Antragstellerin hingegen nicht verlangen (3.).
14 
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG statthaft, soweit er auf ein Akteneinsichtsgesuch gemäß § 4 InsO iVm § 299 Abs. 2 ZPO (b), nicht jedoch soweit er auf ein solches nach § 4 InsO iVm § 299 Abs. 1 ZPO gestützt wird (a).
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a) Soweit der Antrag auf ein Akteneinsichtsgesuch nach § 4 InsO iVm § 299 Abs. 1 ZPO gestützt wird, ist er unstatthaft.
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Verfahrensbeteiligte haben zwar unstreitig einen Anspruch auf Akteneinsicht aus § 4 InsO iVm § 299 Abs. 1 ZPO (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2020 - IX ZB 56/19, juris Rn. 5 mwN). Dem Senat ist aber die Prüfung, ob der Antragstellerin über diese Norm ein Akteneinsichtsrecht zusteht, verwehrt, da insoweit kein Justizverwaltungsakt vorliegt, hinsichtlich dessen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG die Entscheidungszuständigkeit des Senats eröffnet wäre. Über die Ablehnung des Einsichtsgesuchs eines Verfahrensbeteiligten im Sinne des § 299 Abs. 1 ZPO ist nämlich im Wege der sofortigen Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO und nicht im Antragsverfahren nach den §§ 23 EGGVG zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 29. November 2019 - IX ZB 56/19, juris Rn. 9;OLG Celle, Beschluss vom 5. Januar 2004 - 2 W 113/03, juris Rn. 4 ff.). Nach § 6 Abs. 1 InsO iVm § 72 Abs. 2 GVG ist das Landgericht zuständiges Beschwerdegericht (vgl. BeckOK-InsO/Madaus, § 6 Rn. 19, Stand: 15. Oktober 2020).
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b) Da es sich bei der Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch eines Dritten nach § 4 InsO iVm § 299 Abs. 2 ZPO um einen Justizverwaltungsakt handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2015 - XII ZB 214/14, juris Rn. 10 mwN), ist der Antrag insoweit hingegen statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragsfrist des § 26 EGGVG ist gewahrt. Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
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aa) Daran könnte man indessen zweifeln, weil der Antragstellerin dann, wenn sie Verfahrensbeteiligte im Sinne des § 4 InsO iVm § 299 Abs. 1 ZPO wäre, mit der Beschwerde ein Rechtsbehelf zur Verfügung stünde, in dessen Rahmen das Akteneinsichtsrecht nicht von einer Abwägung abhängig wäre. Die Antragstellerin hat ihren Anspruch aus dem Prozessvergleich für den Fall, dass sie den darauf erhaltenen Betrag aufgrund wirksamer Insolvenzanfechtung zurückzahlen muss, am 17. September 2020 zur Insolvenztabelle angemeldet und der Insolvenzverwalter bestreitet selbst nicht, dass ihr, falls sie diesen Betrag tatsächlich zurückzahlt, eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO zusteht. Bei dem Umstand, ob die Insolvenzanfechtung wirksam ist, dürfte es sich um eine aufschiebende Bedingung handeln (vgl. Hirte/Borries in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 144 Rn. 3; Jacoby in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 86. Lieferung 12.2020, § 144 Rn. 13; MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 144 Rn. 9), die eine aufschiebend bedingte Insolvenzforderung nach § 38 InsO entstehen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 - IX ZR 259/13, juris Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 3 C 8/14, BVerwGE 151, 302, juris Rn. 14; Jäger/Henckel, InsO, 2004, § 38 Rn. 87; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 38 Rn. 33; MünchKomm-InsO/Bitter, 4. Aufl., § 42 Rn. 11). Dem aufschiebend bedingten Insolvenzgläubiger stehen zwar nicht – wie gemäß § 42 InsO dem auflösend bedingten Insolvenzgläubiger – alle Verfahrensrechte zu (vgl. BeckOK-InsO/Jungmann, § 42 Rn. 31 ff., Stand: 15. Oktober 2020). Dies ändert aber nichts daran, dass der aufschiebend bedingte Insolvenzgläubiger seine bedingte Forderung bereits zur Insolvenztabelle anmelden kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2011 - VIII ZR 295/10, juris Rn. 12 BeckOK-InsO/Jungmann, § 42 Rn. 30, Stand: 15. Oktober 2020), und zwar schon vor der Rückgewähr, insbesondere bei Streit über die Berechtigung des Anfechtungsanspruchs (vgl. Hirte/Borries in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 144 Rn. 3 Jacoby in Kübler/Prütting/ Bork, InsO, 86. Lieferung 12.2020, § 144 Rn. 13; Jäger/Henckel, InsO, 2008, § 144 Rn. 13). Wird die Insolvenzforderung – wie hier – für den Fall des Bedingungseintritts und der Rückgewähr des Erlangten nicht bestritten, dürfte deren Gläubiger daher Verfahrensbeteiligter im Insolvenzverfahren sein. Zwar gelten im Hinblick auf den Gläubiger einer aufschiebend bedingten Insolvenzforderung wegen der Ungewissheit des Bedingungseintritts eine Reihe von Sonderregelungen in Bezug auf die verfahrensrechtliche Teilhabe (vgl. BeckOK-InsO/Jungmann, § 42 Rn. 31 ff., Stand: 15. Oktober 2020; Uhlenbruck/Knof, InsO, 15. Aufl., § 42 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Bitter, 4. Aufl., § 42 Rn. 11). Hinsichtlich des Akteneinsichtsrechts existiert aber keine derartige Sonderregelung, weshalb Insolvenzgläubiger einer aufschiebend bedingten Forderung nach § 4 InsO iVm § 299 Abs. 1 ZPO akteneinsichtsberechtigt sein dürften.
19 
bb) Da der Senat, wie ausgeführt, aber nicht selbst über ein solches Akteneinsichtsgesuch aus § 4 InsO iVm § 299 Abs. 1 ZPO, das keiner Abwägung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der übrigen Verfahrensbeteiligten bedarf, befinden kann, erscheint es nicht angezeigt, der Antragstellerin für ein auf § 4 InsO iVm § 299 Abs. 2 ZPO gestütztes Akteneinsichtsgesuch das Rechtsschutzbedürfnis mit Verweis darauf abzusprechen, dass sie dieses im Wege der Beschwerde vor dem Landgericht weiterverfolgen könnte, zumal sie wegen der Versäumung der Beschwerdefrist dort auf eine Wiedereinsetzung angewiesen wäre. Dass sie in der Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts nicht auf eine solche Möglichkeit hingewiesen wurde und eine solche daher denkbar ist, schließt das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 23 Abs. 1 EGGVG nicht aus.
20 
2. Der statthafte, auf das Akteneinsichtsrecht nach § 4 InsO iVm § 299 Abs. 2 ZPO gestützte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet, soweit damit die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt wird. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts, das funktional aufgrund einer Delegation des Direktors des Amtsgerichts als Gerichtsverwaltung entschieden hat, kann der Antragstellerin ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO nicht abgesprochen werden.
21 
a) Am Insolvenzverfahren nicht beteiligten Dritten kann Akteneinsicht, wenn der Schuldner ihr wie hier nicht zustimmt, gemäß § 4 InsO iVm § 299 Abs. 2 ZPO nur gewährt werden, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen. Dieses gegenüber dem Rechtsbegriff des „berechtigten Interesses“ enger gefasste „rechtliche Interesse“ setzt nach der Umschreibung, die dem Begriff durch die Rechtsprechung gegeben worden ist, voraus, dass durch den Gegenstand des Verfahrens, in dessen Akte Einsicht begehrt wird, persönliche Rechte des Antragstellers berührt werden. Dabei muss sich das rechtliche Interesse aus der Rechtsordnung selbst ergeben und verlangt als Mindestbedingung ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes gegenwärtiges Verhältnis des Gesuchstellers zu einer Person oder Sache. Danach muss das vom Einsichtsgesuch betroffene Verfahren selbst oder zumindest dessen Gegenstand (im streitigen Parteienprozess dessen „Streitstoff“) für die rechtlichen Belange des Gesuchstellers von konkreter rechtlicher Bedeutung sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 1952 - IV ZB 82/51, BGHZ 4, 323, 324 f., juris Rn. 15; vom 5. April 2006 - IV AR [VZ] 1/06, juris Rn. 15; vom 15. Oktober 2020 - IV AR [VZ] 2/19, juris Rn. 14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Dezember 2016 - 3 VA 5/16, juris Rn. 22;OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 20 VA 20/15, juris Rn. 34 f.; BayObLG, Beschlüsse vom 3. Dezember 2019 - 1 VA 70/19, juris Rn. 12; vom 8. April 2020 - 1 VA 132/19, juris Rn. 27). Ein rechtliches Interesse ist danach zu bejahen, wenn die Akteneinsicht zur Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen durch den Antragsteller benötigt wird und diese einen rechtlichen Bezug zu dem Verfahren aufweisen, in dem Akteneinsicht begehrt wird (vgl. BeckOK-ZPO/Bacher, § 299 Rn. 28, Stand: 1. Dezember 2020).
22 
b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Insolvenzverwalter hat gegen die Antragstellerin einen Anspruch aus Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO auf Rückgewähr dessen geltend gemacht, was diese im Rahmen ihrer Tätigkeit vom Schuldner an Honorar erhalten hat. Dieser Anspruch gründet unmittelbar in dem Insolvenzverfahren, weil dieses zwingende rechtliche Voraussetzung für den vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Anspruch ist. Denn bei dem anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch handelt es sich um einen originären gesetzlichen Anspruch, der mit Insolvenzeröffnung entsteht und der dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist, mit dessen Amt er verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2018 - IX ZR 14/18, juris Rn. 21 mwN). Die Geltendmachung dieses anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs begründet daher ein rechtliches Interesse der Antragstellerin iSd § 4 InsO iVm § 299 Abs. 2 ZPO (vgl. BayObLG, Beschluss vom 3. Dezember 2019 - 1 VA 70/19, juris Rn. 14 f.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 2005 - 3 VA 14/05, NJOZ 2006, 919, 920;BeckOK-ZPO/Bacher, § 299 Rn. 28 aE, Stand: 1. Dezember 2020; Brzoza, jurisPR-InsR 8/2018 Anm. 6 Baumert, FD-InsR 2020, 432358).
23 
c) Soweit das Amtsgericht ein berechtigtes Interesse mit dem Argument abgelehnt hat, dass die Anfechtungsklage nach den Regeln der Zivilprozessordnung zu führen ist, so dass die Beweislast für die anfechtungsrechtlichen Tatbestandvoraussetzungen beim klagenden Insolvenzverwalter liegt (ebenso AG München, Beschluss vom 23. Oktober 2017 - 1542 IN 960/13, juris Rn. 6), greift dies zu kurz (ebenso Holzer, EWiR 2018, 87 f.). Diese Darlegungs- und Beweislast ändert nichts daran, dass der Anfechtungsgegner aus der Insolvenzakte möglicherweise Informationen entnehmen kann, um von der Rechtsprechung entwickelte Vermutungen zu widerlegen oder um durch eigene Beweisangebote zu verhindern, dass der Insolvenzverwalter den Beweis führen kann.
24 
3. Der Senat kann über das Akteneinsichtsgesuch, das sich auch auf das Eröffnungsgutachten erstrecken kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 5. Januar 2004 - 2 W 113/03, juris Rn. 8 mwN), nicht abschließend entscheiden. Denn aus der Bejahung des rechtlichen Interesses an der Akteneinsicht folgt noch kein Anspruch auf diese. Das Vorliegen des rechtlichen Interesses eröffnet vielmehr erst den Weg für eine Ermessensentscheidung der Justizverwaltung nach § 4 InsO iVm § 299 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 1998 - IV AR [VZ] 2/97, juris Rn. 5; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 20 VA 20/15, juris Rn. 47; BayObLG, Beschluss vom 3. Dezember 2019 - 1 VA 70/19, juris Rn. 16).
25 
a) Dieses Ermessen hat das Amtsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – noch nicht ausgeübt. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist von der Gerichtsverwaltung unter Berücksichtigung der informationellen Selbstbestimmung der Beteiligten zu prüfen, ob durch die Kenntnisnahme Dritter schutzwürdige Interessen der Verfahrensbeteiligten verletzt werden können. In diesen Fällen ist bei der Ermessensentscheidung des Gerichtsvorstands das Geheimhaltungsbedürfnis der Verfahrensbeteiligten mit dem Informationsbedürfnis des Dritten unter Beachtung des Anspruchs auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes abzuwägen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Dezember 2008 - 2 BvR 1043/08, juris Rn. 24; BGH, Beschluss vom 18. Februar 1998 - IV AR (VZ) 2/97, juris Rn. 5; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 18. Januar 2010 - 20 VA 6/09 und 20 VA 9/09, juris Rn. 11; vom 16. Juli 2020 - 20 VA 19/19, juris Rn. 97; OLG Braunschweig, Beschluss vom 26. November 2014 - 2 VA 3/14, juris Rn. 46; Zuck, NJW 2010, 2913, 2915 f.;Longrée/Maiwurm, MDR 2015, 805, 806 und 807; MünchKomm-ZPO/ Prütting, 6. Aufl., § 299 Rn. 25, 34; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 299 Rn. 3a; Zöller/ Greger, ZPO, 33. Aufl., § 299 Rn. 6b). Das Amtsgericht wird daher Geheimhaltungsinteressen der Verfahrensbeteiligten – soweit solche überhaupt bestehen – gegen das Informationsinteresse der Antragstellerin abzuwägen haben.
26 
b) Da der Senat sein Ermessen nicht an die Stelle des aktenführenden Gerichts als Justizbehörde setzen kann, ist die Sache noch nicht spruchreif (§ 28 Abs. 2 Satz 2 EGGVG). Der Antrag kann daher keinen Erfolg haben, soweit er darauf gerichtet ist, dass der Senat selbst der Antragstellerin die begehrte Akteneinsicht gewährt oder die Verpflichtung des Amtsgerichts dazu ausspricht; insoweit ist er zurückzuweisen (vgl. BayObLG, Beschlüsse vom 3. Dezember 2019 - 1 VA 70/19, juris Rn. 17 vom 8. April 2020 - 1 VA 132/19, juris Rn. 38, jew. mwN).
III.
27 
1. Eine Kostenentscheidung nach § 30 Satz 1 EGGVG ist nicht veranlasst. Der Umstand, dass der Antrag (vorerst) Erfolg hat, reicht für eine Überbürdung der außergerichtlichen Kosten auf die Staatskasse im Streitfall nicht aus.
28 
2. Für den überwiegend erfolgreichen Antrag nach den §§ 23 ff. EGGVG sind Gerichtskosten nicht angefallen (vgl. Nr. 15300 KV GNotKG und Nr. 15301 KV GNotKG; § 25 Abs. 1 GNotKG), weshalb es insoweit einer Festsetzung des Geschäftswerts nicht bedarf.
29 
3. Gründe im Sinne des § 29 Abs. 2 EGGVG, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht gegeben.

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