Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 93/21

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Ulm vom 12.01.2021, Az. 3 O 67/20, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die von dem Kläger an die Beklagte gemäß § 104 ZPO nach dem Beschluss des Landgerichts Ulm vom 15.12.2020 zu erstattenden Kosten werden auf

612,80 EUR

(in Worten: sechshundertzwölf 80/100 Euro)

nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 15.12.2020 festgesetzt. Der darüber hinausgehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
I.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beklagte dagegen, dass die Rechtspflegerin des Landgerichts die zur Festsetzung beantragten außergerichtlichen Kosten in ihrem Festsetzungsbeschluss vom 12.01.2021 um die geltend gemachten Termins- und Einigungsgebühren gekürzt und einen zu späten Zinsbeginn festgelegt hat.
Der diesem Festsetzungsverfahren vorausgegangene Rechtsstreit ist ohne mündliche Verhandlung durch Klagerücknahme beendet worden. Letztere ist erklärt worden, nachdem in einem anderen Gerichtsverfahren, welches vom Kläger unter dem Aktenzeichen 3 C 336/20 vor dem Amtsgericht Ulm gegen die ... GmbH betrieben hat, im dortigen Gerichtstermin am 29.10.2020 ein Vergleich abgeschlossen wurde, in dem der Kläger sich u.a. gegenüber der dortigen Beklagten verpflichtet hatte, die Klage im hiesigen Rechtsstreit zurückzunehmen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Akten befindliche Sitzungsniederschrift vom 29.10.2020 (Bl. 62 ff d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte bzw. ihr Verfahrensbevollmächtigter vertritt die Auffassung, allein aufgrund jenes Vergleichs sei im vorliegenden Verfahren sowohl eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV als auch eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1000 RVG-VV entstanden und erstattungsfähig.
Sie beantragt,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.01.2021 dahingehend abzuändern, dass gegen den Kläger als zu erstattende Kosten weitere 1.003,20 EUR festgesetzt und der Beginn der Verzinsung auf den 15.12.2020 abgeändert werden.
Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten. Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist darauf, dass im hiesigen Verfahren weder ein Vergleich abgeschlossen wurde noch ein Gerichtstermin stattgefunden hat.
Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde insgesamt nicht abgeholfen, obwohl auch ihrer Ansicht nach der Zinsbeginn zu korrigieren ist, und hat die Sache daher vollumfänglich dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 11 Abs. 2 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff ZPO statthafte, fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist lediglich hinsichtlich des Zinsbeginns begründet. Im Übrigen hat sie in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der Zinsbeginn war gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2, 105 Abs. 3 ZPO zu korrigieren, nachdem die Rechtspflegerin insoweit ihrer Pflicht zur Abhilfe nach §§ 11 Abs. 2, 572 Abs. 1 ZPO nicht nachgekommen ist.
2.
10 
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist im vorliegenden Verfahren weder eine Termins- noch eine Einigungsgebühr festzusetzen.
a)
11 
Im Ansatz zutreffend weist der Beklagtenvertreter darauf hin, dass gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 RVG-VV eine Terminsgebühr auch dann entsteht, wenn der Rechtsanwalt an Besprechungen mitwirkt, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind, sofern es sich nicht nur um eine Besprechung mit dem eigenen Auftraggeber handelt. Da es sich jedoch um eine Vergütung im Rahmen eines Anwaltsauftrags handelt - siehe Vorbemerkung 3 Abs. 1 RVG-VV -, setzt das Entstehen dieser Gebühr voraus, dass der Rechtsanwalt in der Besprechung eben diese Partei auch vertritt und nicht für einen Dritten handelt. Ausweislich des vorliegenden Verhandlungsprotokolls ist der Beklagtenvertreter in dem Gerichtstermin vor dem Amtsgericht Ulm nicht für die hiesige, sondern für die dortige Beklagte, eine andere juristische Person, aufgetreten. Er hat weder Erklärungen im Namen der hiesigen Beklagten abgegeben noch ist die hiesige Beklagte in den Vergleichsabschluss einbezogen worden: sie ist weder dem Rechtsstreit noch dem Vergleich beigetreten, auch hat niemand als ihr Vertreter in ihrem Namen irgendeine Verpflichtung übernommen. Vielmehr sind die Regelungen des Vergleichs so ausgestaltet, dass sie ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien des amtsgerichtlichen Verfahrens betreffen und regeln.
12 
Im Übrigen ist im hiesigen Verfahren eine Terminsgebühr auch deshalb nicht festzusetzen, weil dies dem gesetzgeberischen Willen widerspricht, zu verhindern, dass bei einer gemeinsamen Besprechung mehrerer Angelegenheiten in einem Termin Terminsgebühren in mehr als einem Verfahren anfallen, sofern die Terminsgebühr in dem Verfahren über die in den Vergleich einbezogenen Ansprüche nicht aus anderen Gründen bereits angefallen ist oder später noch anfällt, vgl. BAG Beschluss vom 17.02.2014 - 10 AZB 81/13; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 24. Auflage 2019, RVG VV 3104 Rn 95f m.w.N.. Dieser Wille wird besonders deutlich in der Regelung der Nr. 3104 Abs. 2 RVG-VV: wäre nämlich vorliegend bereits verhandelt worden und damit eine Terminsgebühr bereits entstanden, so wäre auf die hier entstandene Gebühr die anteilige Terminsgebühr des amtsgerichtlichen Verfahrens anzurechnen, da es sich insoweit um dieselbe Angelegenheit handelt. Mit dieser Anrechnung wird zum einen der Regelung des § 15 Abs. 2 RVG Rechnung getragen, derzufolge der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit nur einmal die Gebühren verdienen kann, zum anderen wird vom Gesetzgeber vorgegeben, wie genau die Anrechnung zu erfolgen hat.
13 
Schließlich ist festzustellen, dass der Gesetzgeber in der Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV zwar das generelle Entstehen einer Terminsgebühr geregelt, aber keine Aussage darüber getroffen hat, in welchem Verfahren diese Gebühr entsteht.
b)
14 
Entsprechendes gilt für die geltend gemachte Einigungsgebühr:
15 
Zunächst ist festzuhalten, dass der Vergleich nicht zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits abgeschlossen worden ist, die Beklagte ist dem amtsgerichtlichen Verfahren und dem dort geschlossenen Vergleich nicht beigetreten, sie war auch nicht durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten, denn dieser hat für die hiesige Beklagte keinerlei Erklärungen abgegeben.
16 
Der Rechtsstreit ist auch nicht durch den Vergleich beendet worden, sondern durch eine Klagerücknahme. Da der Kläger die Verpflichtung zur Klagerücknahme nicht gegenüber der hiesigen Beklagten übernommen hat, sondern gegenüber einer rechtlich selbständigen anderen Prozesspartei, konnte der Vergleich sowohl materiell-rechtlich wie auch prozessual ausschließlich Rechtswirkungen im Verhältnis der Prozessparteien des amtsgerichtlichen Verfahrens entfalten und war nicht geeignet, eine Verfahrensbeendigung des landgerichtlichen Rechtsstreits zu bewirken.
17 
Im Übrigen entsteht im Falle einer einheitlichen Vergleichsvereinbarung auch nur eine einheitliche Einigungsgebühr nach Nr. 1000 ff RVG-VV. Dabei ist es rechtlich irrelevant, ob die einzelnen Gegenstände der einheitlichen Regelung verschiedene Angelegenheiten beinhalten oder nicht, ob bzgl. einzelner Gegenstände anderweitig Gerichtsverfahren anhängig sind oder ob sie teilweise gar nicht anhängig sind. Durch ihre einheitliche Regelung bringen die Parteien nämlich zum Ausdruck, dass sie das Gesamtpaket ihrer Regelungen dieses hinsichtlich der Einigung und damit hinsichtlich der Einigungsgebühr als eine einheitliche Angelegenheit betrachten und behandeln wollen, vgl. OLG Düsseldorf Beschluss vom 04.03.2009 - 10 WF 36/08; OLG Stuttgart Beschluss vom 10.03.2005 - 8 W 89/05; Müller-Rabe aaO RVG VV 1003 Rn 71. Soweit die Einigungsgebühr hinsichtlich der Gebührenhöhe bei den einzelnen Gegenständen des Vergleichs bei isolierter Betrachtungsweise unterschiedlich hoch ausfallen würde, gibt § 15 Abs. 3 RVG die Berechnung der tatsächlichen Höhe der einheitlichen Gebühr vor.
3.
18 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 analog, 97 Abs. 1 ZPO. Auf Nr. 1812 des KV zum GKG wird hingewiesen. Es besteht angesichts des minimalen Erfolgs der Beschwerde keine Veranlassung, die Gerichtsgebühr zu ermäßigen.
19 
Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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