Urteil vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 Bf 96/14

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2014 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Bewilligung höheren Wohngelds.

2

Der Kläger, der seinerzeit Rechtsreferendar im Land Niedersachsen war, beantragte erstmals am 15. März 2012 bei der Beklagten per E-Mail die Bewilligung von Wohngeld. Nachdem die Beklagte ihn aufgefordert hatte, seinen Antrag erneut auf nicht-elektronischem Wege zu stellen, gingen die Antragsunterlagen bei der Beklagten am 12. April 2012 per Post ein. Den Antragsunterlagen beigefügt war u.a. ein ausgefülltes Formular „Erklärung zum Antrag auf Wohngeld“, in dem auf die Frage „Haben Sie erhöhte Werbungskosten?“ das Kästchen mit der Antwort „nein“ angekreuzt war.

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Mit Bewilligungsbescheid vom 26. April 2012 bewilligte die Beklagte für den in dem Bescheid ausdrücklich genannten Zeitraum 1. März 2012 bis 28. Februar 2013 Wohngeld in Höhe von monatlich 64,-- Euro. Dabei legte sie monatliche Werbungskosten in Höhe von 83,33 Euro (1/12 der jährlichen Werbungskostenpauschale in Höhe von 1.000,-- Euro gemäß § 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a] EStG) zugrunde. In der Akte befindet sich ein Vermerk „abgesandt“, der mit dem Datum 26. April 2012 gestempelt ist und das Handzeichen des Sachbearbeiters enthält.

4

Mit E-Mail vom 8. Januar 2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen „Antrag auf Bewilligung von Wohngeld nach dem 28.02.2013“. Dem Antrag beigefügt waren die bereits dem Erstantrag beigefügten Unterlagen. Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 10. Januar 2013 auf, ergänzende Unterlagen vorzulegen. U.a. forderte sie die Übermittlung der Gehaltsabrechnungen April 2012 bis Dezember 2012. Mit Schreiben vom 11. Januar 2013 legte der Kläger unter dem Betreff „Weitergewährungsantrag Wohngeld“ ergänzende Unterlagen vor. Ferner gab er an, im Jahr 2012 hohe Werbungskosten, insbesondere aufgrund langer Fahrtwege, gehabt zu haben, und zwar in Höhe von 4.689,-- Euro. Diesen Betrag habe er in seiner Steuererklärung für das Jahr 2012 geltend gemacht.

5

Mit Schreiben vom 12. Januar 2013 bat der Kläger die Beklagte zu prüfen, „ob angesichts der hohen Werbungskosten in 2012 eine Anpassung des Wohngeldes gemäß § 27 WoGG für die Zukunft und auch rückwirkend für den Bewilligungszeitraum möglich“ sei. Bei der Berechnung des Wohngeldes für den laufenden Bewilligungszeitraum sei seines Wissens die Werbungskostenpauschale in Höhe von 1.000,-- Euro zugrunde gelegt worden. Auf dem Schreiben vom 12. Januar 2013 befindet sich in der Akte ein handschriftlicher Vermerk des Sachbearbeiters vom 15. Januar 2013 wie folgt: „Die Werbungskosten sind ggf. auch für den zurückliegenden Zeitraum zu berücksichtigen!“. Mit Schreiben vom 15. Januar 2013 forderte die Beklagte den Kläger u.a. auf, die Steuererklärung für das Jahr 2012 bzw. Nachweise und Belege über die Werbungskosten vorzulegen. Unter dem 22. Januar 2013 schrieb die Beklagte an den Kläger: „Bitte reichen Sie den Steuerbescheid 2012 hier ein. Den anerkannten Werbungskosten vom Finanzamt können wir folgen (…)“.

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Unter dem 12. April 2013 bzw. unter dem 27. April 2013 legte der Kläger den Steuerbescheid für das Jahr 2013 vor, in dem Werbungskosten in Höhe von 4.689,-- Euro berücksichtigt sind. Mit Schreiben vom 17. Mai 2013 bat der Kläger erneut darum, dass das Wohngeld für den Bewilligungszeitraum März 2012 bis Februar 2013 gemäß § 27 WoGG neu bewilligt werden möge.

7

Mit Änderungsbescheid vom 21. Mai 2013 bewilligte die Beklagte Wohngeld für den Zeitraum Januar 2013 bis Februar 2013 in Höhe von 189,-- Euro monatlich. Mit einem weiteren Bescheid vom 21. Mai 2013 teilte die Beklagte mit, dass eine Neuberechnung des Wohngeldes für die Zeit von März 2012 bis Dezember 2012 nicht möglich sei, da eine Neuberechnung grundsätzlich nur ab Antragstellung erfolgen könne und der Kläger bei seinem Erstantrag erhöhte Werbungskosten nicht geltend gemacht habe. Zur Begründung verwies die Beklagte auf § 27 Abs. 1 WoGG und auf die dazugehörige Verwaltungsvorschrift. Auch auf der Grundlage von § 44 SGB X sei eine Neuberechnung nicht möglich.

8

Mit seinem gegen die Ablehnung einer rückwirkenden Neuberechnung gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend: Die Begründung des Bescheides genüge nicht den Anforderungen des § 39 VwVfG. Auch fehle es an einer ordnungsgemäßen Anhörung i.S.v. § 28 VwVfG. Zur Sache machte er geltend: Er habe bereits anlässlich seiner Erstantragstellung erhöhte Werbungskosten geltend gemacht. Der Sachbearbeiter habe ihm seinerzeit gesagt, er solle zunächst nur die Werbungskostenpauschale angeben. Nach Vorlage des Steuerbescheides für das Jahr 2012 könne dann eine rückwirkende Neuberechnung erfolgen. Dies habe der Sachbearbeiter auch anlässlich des Weiterbewilligungsantrags erneut versichert. Für den ersten Bewilligungszeitraum habe er – der Kläger – im Übrigen keinen Bescheid erhalten. Die Voraussetzungen der Bekanntgabefiktion nach § 37 Abs. 2 SGB X seien nicht erfüllt. Er bitte daher um Bescheidung unter Berücksichtigung der erhöhten Werbungskosten. Hilfsweise werde auch gegen den Bewilligungsbescheid vom 26. April 2012 Widerspruch erhoben.

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Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2013

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– nach Erhebung der vorliegenden Klage – zurück: Einer nachträglichen Wohngelderhöhung stehe § 27 Abs. 1 WoGG entgegen, der bei einer Minderung des Gesamteinkommens während des laufenden Bewilligungszeitraums eine nachträgliche Wohngelderhöhung nur für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit vorsehe. Der Kläger habe seinen Antrag auf Wohngelderhöhung und die erhöhten Werbungskosten erst im Januar 2013 gestellt bzw. geltend gemacht. Bei seinem Erstantrag habe er angegeben, keine erhöhten Werbungskosten gehabt zu haben, obwohl er schon damals habe absehen können, dass auf ihn erhöhte Fahrtkosten zukommen würden. Eine anderslautende Zusicherung habe sie – die Beklagte – ihm nicht gegeben. Insoweit fehle es schon an der erforderlichen Schriftlichkeit. Es lasse sich aber auch unabhängig davon anhand der Akten nicht nachvollziehen, dass dem Kläger in der Vergangenheit gesagt worden sei, dass eine rückwirkende Neuberechnung erfolgen könne. Eine Rücknahme des Erstbescheids vom 26. April 2012 und eine rückwirkende Neuberechnung könne auch nicht auf der Grundlage des § 44 SGB X erfolgen, denn der Bescheid beruhe auf den Angaben des Klägers. Schließlich könne der Kläger auch nicht zulässigerweise Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. April 2012 erheben, denn dieser sei verfristet. Der Bescheid vom 26. April 2012 sei dem Kläger mit Blick auf § 37 Abs. 2 SGB X ordnungsgemäß bekanntgegeben worden.

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Mit seiner am 29. August 2013 zunächst als Untätigkeitsklage im Wege eines Computerfaxes erhobenen und mit einer eingescannten Unterschrift versehenen Klage hat der Kläger insbesondere ergänzend geltend gemacht: Er habe das bei der Erstantragstellung ausgefüllte Formular zu den Werbungskosten nach den Vorgaben des Sachbearbeiters ausgefüllt, nachdem er darauf hingewiesen habe, dass er erhöhte Werbungskosten erwarte. Es sei auch nicht erwiesen, dass er – der Kläger – das entsprechende Kreuz gesetzt habe, sondern es sei auch möglich, dass dies vom Sachbearbeiter selbst stamme. Eine (schriftliche) Zusicherung liege in den Aktenvermerken des Sachbearbeiters zur Möglichkeit einer rückwirkenden Neuberechnung. Jedenfalls habe er – der Kläger – eine entsprechende mündliche Zusage erhalten. Die Beklagte habe ihre Beratungspflicht verletzt. Den Bescheid vom 26. April 2012 habe er nicht erhalten.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2013 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum 1. März 2012 bis 31. Dezember 2012 ein monatliches Wohngeld in Höhe von 189,-- Euro zu bewilligen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat ihre Ausführungen aus dem angefochtenen Widerspruchsbescheid ergänzt und vertieft. Insbesondere sei nicht zweifelhaft, dass der Kläger den Bescheid vom 26. April 2012 erhalten habe.

17

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2014 stattgegeben: Der geltend gemachte Anspruch des Klägers sei auf der Grundlage des § 24 Abs. 2 Satz 2 HS 2 WoGG begründet. Die im Januar 2013 geltend gemachten erhöhten Werbungskosten seien jedenfalls deshalb im gesamten Bewilligungszeitraum zu berücksichtigen, weil die Beklagte den Erstantrag des Klägers vorher noch nicht beschieden habe. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger den Bescheid vom 26. April 2012 tatsächlich erhalten habe. Die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X greife nicht ein, denn es lägen Zweifel am Zugang des Bescheides beim Kläger i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor und die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass der Kläger den Bescheid erhalten habe. Insoweit reiche ein einfaches Bestreiten des Klägers am Zugang des Bescheides vom 26. April 2012 aus, denn es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diesen Bescheid entgegen seiner Behauptung erhalten habe.

18

Mit Beschluss vom 26. August 2015 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2014 zugelassen.

19

Mit ihrer am 8. September 2015 eingegangenen Berufungsbegründung macht die Beklagte geltend: Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Bescheid vom 26. April 2012 erhalten habe. Denn er habe die Weiterbewilligung von Wohngeld ausdrücklich „nach dem 28.02.2013“ beantragt. Dieses Datum habe ihm nur aus dem Bescheid vom 26. April 2012 bekannt gewesen sein können. Sein Weiterbewilligungsantrag sei daher nicht vor Erlass dieses Bescheides i.S.v. § 24 Abs. 2 Satz 2 HS 2 WoGG gestellt worden. Im Übrigen sei der Verwaltungsakt jedenfalls durch konkludentes Handeln erlassen worden und der Widerspruch hiergegen auch unter Berücksichtigung der Jahresfrist unzulässig. Es sei schließlich auch zweifelhaft, ob im Hinblick auf die erhöhten Werbungskosten von einer Änderung der Verhältnisse auszugehen sei. Denn der Kläger habe bei Antragstellung keine erhöhten Werbungskosten geltend gemacht, obwohl er seinerzeit damit habe rechnen müssen.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

24

Der Kläger macht geltend, dass sich der Bewilligungszeitraum aus dem Gesetz (§ 25 Abs.1 und 2 WoGG) ergebe. Dass er den Bescheid vom 26. April 2012 nicht gekannt habe, zeige sich auch daran, dass er sich bereits im Januar 2013 an die Beklagte gewandt und an die rückwirkende Neuberechnung seines Wohngeldes erinnert habe. In der Auszahlung des Geldes könne der konkludente Erlass eines Verwaltungsaktes nicht gesehen werden. Selbst dann müsse bereits sein Schreiben vom 9. Januar 2013 als Widerspruch bewertet werden. Die – ggf. nicht von ihm selbst stammende – Angabe in dem Formular, keine erhöhten Werbungskosten zu haben, könne ihm nicht angelastet werden, zumal das Formular unklar sei.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die Sachakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht mit seinem Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2014 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der entgegen stehenden Bescheide verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum März 2012 bis Dezember 2012 ein monatliches Wohngeld in Höhe von 189,-- Euro zu bewilligen. Denn die Klage des Klägers ist zwar zulässig (hierzu I.), aber unbegründet (hierzu II.).

I.

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Die Klage ist zulässig. Das Schriftformerfordernis aus § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist gewahrt. Zwar enthält die als Computerfax durch Nutzung der Faxfunktion seines e-post-Kontos von dem Kläger selbst übermittelte Klage nicht seine eigenhändige Unterschrift, sondern nur eine eingescannte Unterschrift. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber geklärt, dass das Schriftformerfordernis des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch gewahrt wird, wenn die Klageerhebung per Computerfax erfolgt und hierbei ein Dokument übermittelt wird, das eine eingescannte Unterschrift trägt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.3.2006, 8 B 8.06, NJW 2006, 1989, juris Rn. 4 ff., im Anschluss an GmS-OGB, Beschl. v. 5.4.2000, GmS-OGB 1/98, NJW 2000, 2340, juris Rn. 9 ff., der im Leitsatz allerdings eine Beschränkung auf Prozesse mit Vertretungszwang vornimmt, vgl. auch BGH, Beschl. v. 10.10.2006, XI ZB 40/05, NJW 2006, 3784, juris Rn. 8; ohne eine derartige Beschränkung: OVG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2014, 4 So 47/14, BA S. 5 f.).

II.

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Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2013 sind, anders als das Verwaltungsgericht in seinem Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2014 angenommen hat, nicht rechtswidrig i.S.v. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Zu Recht hat die Beklagte mit diesen Bescheiden den Antrag des Klägers auf Bewilligung erhöhten Wohngeldes für den Zeitraum März 2012 bis Dezember 2012 abgelehnt, weil der Kläger hierauf keinen Anspruch hat. Der geltend gemachte Anspruch folgt weder aus § 24 Abs. 2 Satz 2 WoGG (hierzu 1.), noch aus § 27 Abs. 1 WoGG (hierzu 2.). Auch aus § 44 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 3 ff. WoGG (hierzu 3.) oder aus § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X i.V.m. §§ 3 ff. WoGG (hierzu 4.) kann der Kläger keinen Anspruch ableiten. Schließlich folgt der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (hierzu 5.) oder aus einer entsprechenden Zusicherung der Beklagten (hierzu 6.).

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1. Der Kläger kann einen Anspruch auf die Bewilligung erhöhten Wohngeldes nicht mit Erfolg auf § 24 Abs. 2 Satz 2 WoGG stützen.

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Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 WoGG sind bei der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Wohngeld grundsätzlich die Verhältnisse im Bewilligungszeitraum, die im Zeitpunkt der Antragstellung zu erwarten sind, zu Grunde zu legen. Dies gilt auch und insbesondere für die Ermittlung des Jahreseinkommens, denn gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG ist bei der Ermittlung des Jahreseinkommens das Einkommen zu Grunde zu legen, das im Zeitpunkt der Antragstellung im Bewilligungszeitraum zu erwarten ist. Als im Bewilligungszeitraum zu erwartende Einkünfte und Einnahmen sind solche anzusehen, die aufgrund der im Zeitpunkt der Antragstellung bekannten Daten verlässlich prognostiziert werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.1.1990, 8 C 58.89, BVerwGE 84, 278, juris Rn. 21; vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 2.4.2014, 12 A 298/14, juris Rn. 5 ff.).

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Treten nach dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wohngeldbescheides Änderungen der Verhältnisse im Bewilligungszeitraum ein, so sind sie gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 HS 1 WoGG zwar grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Abweichend hiervon sollen allerdings Änderungen i.S.v. § 27 Abs. 1 WoGG, wozu auch eine relevante Verringerung des zugrunde zu legenden Einkommens gehört (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WoGG), gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 HS 2 WoGG berücksichtigt werden. Danach sind für die nach § 24 Abs. 2 Satz 1 und 2 WoGG zu treffende Einkommensprognoseentscheidung im Ergebnis nicht nur die bei der Antragstellung bekannten Daten, sondern auch diejenigen Erkenntnisse bzw. Prognosetatsachen zugrunde zu legen, die der Behörde innerhalb des sog. Prognoseermittlungszeitraums – d.h. zwischen dem Antrag auf Bewilligung von Wohngeld und dem Erlass des Bewilligungsbescheids – bekannt werden (vgl. hierzu VGH München, Beschl. v. 5.5.2014, 12 ZB 14.701, juris Rn. 14; siehe auch Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, Stand: 3/2015, § 24 Rn. 35).

32

Die Beklagte ging, als sie das Wohngeld für den Bewilligungszeitraum März 2012 bis Februar 2013 mit dem Bescheid vom 26. April 2012 bewilligte, auf der Grundlage der von dem Kläger selbst gemachten Angaben davon aus, dass dieser keine erhöhten – über die Werbungskostenpauschale aus § 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a) EStG hinausgehenden – Werbungskosten hatte. Anlässlich der Beantragung von Wohngeld im März/April 2012 hatte der Kläger ausdrücklich angegeben, dass er keine erhöhten Werbungskosten habe. Auf dem Formular „Erklärung zum Antrag auf Wohngeld“ hatte er auf die Frage „Haben Sie erhöhte Werbungskosten?“ das Kästchen mit der Antwort „nein“ angekreuzt. Dass – wie er andeutet – der Kläger das betreffende Kreuz auf dem Formular nicht selbst angebracht hat, ist nicht anzunehmen. Im Gegenteil: Mit seiner zweiten E-Mail hatte der Kläger das Formular eingescannt übersandt. Dieses eingescannte Formular enthielt bereits das Kreuz bei der Frage zu den erhöhten Werbungskosten.

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Sonstige bzw. anderslautende Informationen über die Höhe der bei dem Kläger zu berücksichtigenden Werbungskosten hatte die Beklagte bis zum Erlass des Bewilligungsbescheides nicht. Hiervon ist der erkennende Senat überzeugt. Es gibt entgegen der Darstellung des Klägers keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Zuge der erstmaligen Beantragung von Wohngeld im Frühjahr 2012 bis zum Erlass des Bewilligungsbescheides vom 26. April 2012 Anlass für die Annahme hatte, der Kläger könne im Bewilligungszeitraum, d.h. grundsätzlich im Jahr nach der Antragstellung (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 WoGG), höhere Werbungskosten und damit ein niedrigeres zu berücksichtigendes Einkommen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG i.V.m. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 9 EStG) haben. Aus der Akte ist nicht ersichtlich, dass es im Jahr 2012 überhaupt einen persönlichen Kontakt zwischen dem Kläger und dem Sachbearbeiter im Fachamt der Beklagten gegeben hat. Der Kläger hatte seinen Wohngeldantrag zunächst zweimal per E-Mail an die Beklagte übermittelt und, nachdem diese ihn schriftlich gebeten hatte, den Antrag mit den Unterlagen nochmals auf nicht-elektronischem Wege zu übermitteln, den Antrag per Post übersandt. Kurz nach dem Posteingang bei der Beklagten hatte diese – auf der Grundlage der Angaben zum Einkommen, die der Kläger in den Antragsunterlagen gemacht hatte – bereits den Bewilligungsbescheid vom 26. April 2012 gefertigt und an den Kläger übersandt. Dafür, dass der Kläger vorher die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass ggf. in Kürze mit höheren Werbungskosten zu rechnen sei, ist nichts ersichtlich. Hierzu finden sich keine Vermerke oder Notizen in der Akte. Auch in seinen Schreiben an die Beklagte und in den Antragsunterlagen hatte der Kläger hierzu nichts vermerkt. Er hatte auch, als er gegenüber der Beklagten erstmals im Januar 2013 erhöhte Werbungskosten geltend machte, nicht auf bereits in der Vergangenheit diesbezüglich geführte Gespräche oder Absprachen im Vorjahr Bezug genommen. Die Formulierung im Schreiben des Klägers vom 12. Januar 2013 – „Prüfen Sie freundlicherweise, ob...“ – lässt vielmehr darauf schließen, dass er bei dieser Gelegenheit erstmals wegen der erhöhten Werbungskosten und ihrer Berücksichtigungsfähigkeit im ersten Bewilligungszeitraum (März 2012 bis Februar 2013) an die Beklagte herangetreten ist. Insgesamt hat sich angesichts der Vielzahl von Anhaltspunkten, die dafür sprechen und die Überzeugung des erkennenden Senats davon begründen, dass der Kläger die Beklagte anlässlich der Erstantragsstellung nicht darauf hingewiesen hat, in Zukunft erhöhte Werbungskosten zu haben, eine weitergehende diesbezügliche Sachverhaltsaufklärung, etwa durch Einvernahme des Sachbearbeiters bei der Beklagten als Zeuge, nicht aufgedrängt. Einen entsprechenden Beweisantrag hat der Kläger zudem nicht gestellt.

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Auf § 24 Abs. 2 Satz 2 WoGG kann sich der Kläger auch nicht mit Blick darauf stützen, dass er anlässlich seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Mai 2013 (hilfsweise) auch gegen den Bescheid vom 26. April 2012 Widerspruch erhoben hat. Zwar wird die Auffassung vertreten, der Prognoseermittlungszeitraum reiche bis zur Bekanntgabe eines etwaigen Widerspruchsbescheides (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, Stand: 3/2015, § 24 Rn. 42; offen gelassen von OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5.3.2015, OVG 6 M 6.15, juris Rn. 5). Jedoch ist der Bescheid vom 26. April 2012 bestandskräftig geworden, weil er dem Kläger noch im April 2012 bekannt gegeben worden ist (hierzu sogleich), mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen war und der Kläger nicht binnen der Monatsfrist aus § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO Widerspruch erhoben hat. Dementsprechend hat die Beklagte, wenngleich sie dies nicht ausdrücklich tenoriert hat, in ihrem Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2013 unter II. 4. auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. April 2012 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Eine Erweiterung des Prognoseermittlungszeitraums auf das Vorverfahren kann aber überhaupt nur dort in Betracht kommen, wo der Widerspruch gegen einen Bewilligungsbescheid rechtzeitig innerhalb der Widerspruchsfrist erhoben wird (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 8.6.2015, 4 K 364/15, juris Rn. 10). Andernfalls könnte der Wohngeldberechtigte die Regelungen des §§ 24 Abs. 2, 27 Abs. 1 WoGG zur Maßgeblichkeit der Einkommensprognose dadurch umgehen, dass er ohne Rücksicht auf die bereits eingetretene Bestandskraft eines Bewilligungsbescheides Widerspruch erhebt und damit die Voraussetzungen dafür schafft, neue Prognosetatsachen mit Rückwirkung in das Verwaltungsverfahren einführen zu können.

35

Die später – im Jahr 2013 – geltend gemachten erhöhten Werbungskosten können schließlich auch nicht deshalb zugunsten des Klägers gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 WoGG berücksichtigt werden, weil der Bescheid vom 26. April 2012 dem Kläger nicht i.S.v. § 37 Abs. 1 SGB X bekannt gegeben worden ist. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2014 hatte die Beklagte bereits wirksam mit dem Bescheid vom 26. April 2012 über den Wohngeldantrag für den Zeitraum März 2012 bis Dezember 2012 entschieden, als der Kläger erstmals im Januar 2013 erhöhte Werbungskosten geltend gemacht hat.

36

Da der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2012 ausweislich der Akte und des darin vorhandenen Absendevermerks am 26. April 2012 zur Post aufgegeben worden ist, gilt er als am 29. April 2012 bekannt gegeben. Dies folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, der wegen § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. §§ 26, 68 Nr. 10 SGB I im Wohngeldrecht Anwendung findet. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

37

Die Bekanntgabefiktion aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt allerdings gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3 HS 1 SGB X nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; dabei hat im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen, § 37 Abs. 1 Satz 3 HS 2 SGB X. Das bedeutet, dass die gesetzliche Zugangsfiktion aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X dann nicht eingreift, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, dass im konkreten Fall die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen drei Tagen erreicht, zutrifft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.4.1987, 5 B 132.86, juris Rn. 2; zu § 41 Abs. 2 VwVfG: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.11.2014, OVG 10 N 27.12, juris Rn. 5, m.w.N.). Vorliegend bestehen derartige berechtigte Zweifel am Zugang des Bescheids der Beklagten vom 26. April 2012 aber nicht. Zwar bestreitet der Kläger, den Bescheid erhalten zu haben. Der erkennende Senat ist indes davon überzeugt, dass der Kläger den Bescheid erhalten hat.

38

Die Überzeugung des Senats beruht zunächst darauf, dass sich ein Ab-Vermerk in der Akte befindet und der – korrekt adressierte – Bescheid auch nicht rückläufig war. Der Kläger hatte, obwohl er seine wohngeldrechtlichen Angelegenheiten stets mit besonderer Sorgfalt betrieben und – unstreitig – im Jahr 2012 Wohngeld erhalten hat, auch nicht gerügt, keinen Bescheid erhalten zu haben. Vielmehr hatte er dies erstmals mit seinem Widerspruch vom 24. Mai 2013 geltend gemacht, nachdem ihn die Beklagte mit dem Schreiben vom 21. Mai 2013 darauf hingewiesen hatte, dass die von ihm gewünschte rückwirkende Wohngelderhöhung nicht möglich sei. Für einen tatsächlichen Zugang des Bescheides bei dem Kläger spricht weiter und insbesondere, dass er mit seinem Weiterbewilligungsantrag vom 8. Januar 2013 ausdrücklich die „Weiterbewilligung“ von Wohngeld nach dem Ende des Bewilligungszeitraums, der in dem Erstbescheid vom 26. April 2012 angegeben war, beantragt hat. Alles andere als die Annahme, der Kläger habe die Dauer und insbesondere das Ende des Bewilligungszeitraums aus dem Bescheid vom 26. April 2012 gekannt, ist nach Einschätzung des erkennenden Senats fernliegend. Zwar verweist der Kläger darauf, dass sich die Dauer des Bewilligungszeitraums aus dem Gesetz ergebe, denn gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 WoGG soll das Wohngeld für zwölf Monate bewilligt werden. Jedoch handelt es sich hierbei nicht um eine zwingende Bestimmung, sondern kommt eine Verlängerung oder Verkürzung des Bewilligungszeitraums grundsätzlich in Frage. Auch konnte der Kläger nicht sicher davon ausgehen, dass die Beklagte Wohngeld ab März 2012 bewilligen würde. Zwar beginnt der Bewilligungszeitraum gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 WoGG am Ersten des Monats, in dem der Wohngeldantrag gestellt worden ist, und hatte der Kläger seinen Antrag auf Wohngeld bereits im März 2012 per E-Mail an die Beklagte geschickt. Die Beklagte hatte jedoch diese Antragstellungen nicht akzeptiert und den Kläger aufgefordert, einen unterschriebenen Wohngeldantrag auf nicht-elektronischem Wege zu übermitteln. Dem ist der Kläger nachgekommen, allerdings ist sein per Post übersandter Antrag erst im April 2012 bei der Beklagten eingegangen. Schließlich spricht dafür, dass der Kläger den Bescheid vom 26. April 2012 gekannt haben und dieser ihm also zugegangen sein muss, dass er – noch bevor er erstmals mit seinem Widerspruch vom 24. Mai 2013 den angeblich unterbliebenen Zugang des Bescheides gerügt hat – wiederholt eine rückwirkende Erhöhung des Wohngeldes auf der Grundlage des hierbei ausdrücklich genannten § 27 WoGG begehrt hatte, nämlich in seinen Schreiben an die Beklagte vom 12. Januar 2013 und vom 12. April 2013. Da § 27 WoGG voraussetzt, dass es bereits einen Bewilligungszeitraum gibt und dies wiederum einen entsprechenden Bescheid voraussetzt, ging der – rechtskundige – Kläger offenbar selbst von der Existenz eines entsprechenden Bescheides aus. Auch was den Zugang des Bescheids der Beklagten vom 26. April 2012 anbelangt, hat danach für den erkennenden Senat aufgrund der Vielzahl der hierfür sprechenden Anhaltspunkte kein Anlass für eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung bestanden. Der Kläger hat zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht einen diesbezüglichen Beweisantrag ebenfalls nicht gestellt. Seinen im erstinstanzlichen Verfahren in dem Schriftsatz vom 10. Mai 2014 angekündigten Beweisantrag, der allerdings ohnehin nur auf die nicht streitige Behauptung gerichtet war, dass er in dem hier relevanten Zeitraum durchgängig in seiner Wohnung in Hamburg gewohnt habe, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht wiederholt.

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2. Der Kläger kann einen Anspruch auf die Bewilligung erhöhten Wohngeldes nicht mit Erfolg auf § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WoGG stützen.

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Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WoGG ist das Wohngeld auf Antrag neu zu bewilligen, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum das Gesamteinkommen um mehr als 15 Prozent verringert und sich dadurch das Wohngeld erhöht. Aus § 27 Abs. 1 Satz 2 WoGG folgt dabei im Umkehrschluss, dass eine Verringerung des Gesamteinkommens im laufenden Bewilligungszeitraum – d.h. das Vorliegen bzw. Bekanntwerden von Umständen, aus denen sich ergibt, dass die nach §§ 15 Abs. 1, 24 Abs. 2 WoGG vorgenommene Einkommensprognose zum Nachteil des Wohngeldempfängers unzutreffend ist – nicht zu einer rückwirkenden Änderung der Bewilligung führen kann, sondern nur zukunftsbezogen vom Zeitpunkt des Antrags auf Neubewilligung berücksichtigt werden kann, auch wenn ein erhöhter Wohngeldanspruch wegen des geringeren Einkommens schon zu einem früheren Zeitpunkt bestanden haben mag (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, Stand: 3/2015, § 27 Rn. 8, 12).

41

Der Kläger hat erstmals im Januar 2013 darauf verwiesen, dass er erhöhte Werbungskosten habe und auch schon bislang gehabt habe. Dafür, dass er hierauf bereits bei der Erstantragstellung hingewiesen hatte, gibt es ebenso wenig Anhaltspunkte (s.o. unter 1.) wie dafür, dass er nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 26. April 2012 und vor seinem Weiterbewilligungsantrag im Januar 2013 an die Beklagte herangetreten ist und erhöhte Werbungskosten oder auch nur die Möglichkeit, solche zu haben, geltend gemacht hat. Dementsprechend hat die Beklagte die begehrte Änderung mit Bescheid vom 21. Mai 2013 nur zukunftsbezogen ab Januar 2013 – dem Monat, in dem der Kläger den Antrag auf Neubewilligung gestellt hat – auf der Grundlage von § 27 Abs. 1 WoGG vorgenommen. Für die mit der vorliegenden Klage begehrte rückwirkende Neubewilligung bietet § 27 Abs. 1 WoGG demgegenüber keine Grundlage.

42

Dem Kläger kann im Hinblick darauf, dass er für die Monate März 2012 bis Dezember 2012 nicht rechtzeitig einen Neubewilligungsantrag nach § 27 Abs. 1 WoGG gestellt hat, auch nicht Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 27 SGB X gewährt werden. Zwar soll es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei den Antragsfristen für die Bewilligung von Wohngeld um materiell-rechtliche Ausschlussfristen handeln, bei deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand in Betracht kommen soll (vgl. BVerwG, Urteil v. 18.4.1997, 8 C 38.95, NJW 1997, 2966, juris Rn. 11 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll das nicht rechtzeitige Stellen eines (Neu-) Bewilligungsantrags danach unverschuldet im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften sein, wenn der Betroffene den rechtzeitigen Antrag aufgrund einer falschen Auskunft der zur richtigen Beratung verpflichteten zuständigen Wohngeldstelle unterlassen habe (vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 16). Ob dem zu folgen ist, kann offen bleiben. Denn für eine derartige Beratungspflichtverletzung in den vorliegend relevanten Monaten März 2012 bis Dezember 2012 ist vorliegend nichts erkennbar. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Beklagte bereits im Jahr 2012 auf erhöhte Werbungskosten hingewiesen hat. Dementsprechend hatte auch die Beklagte keine Veranlassung, den Kläger insoweit (falsch) zu beraten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen (unter 1.) Bezug genommen. Etwaige Beratungsfehler oder Falschinformationen auf Seiten der Beklagten im Jahr 2013 sind für das Versäumen von Antragsfristen im Jahr 2012 zumindest nicht ursächlich gewesen.

43

3. Der Kläger kann einen Anspruch auf die Bewilligung erhöhten Wohngeldes nicht mit Erfolg auf § 44 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 3 ff. WoGG stützen.

44

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der – wie sich aus § 31 Satz 2 WoGG im Rückschluss ergibt – im Wohngeldrecht grundsätzlich Anwendung findet, ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

45

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Dies beruht allerdings nicht schon darauf, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 26. April 2012 schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil es sich bei diesem Bescheid um einen begünstigenden – nämlich Wohngeld in Höhe von 64,-- Euro bewilligenden – Verwaltungsakt handelt, während § 44 SGB X die Rücknahme rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakte regelt (vgl. die amtliche Überschrift). Denn auch ein leistungsgewährender Verwaltungsakt ist insoweit nicht begünstigend, als er keine höhere Leistung gewährt. Dies gilt i.d.R. auch dann, wenn nur die gewährte Summe beantragt war, denn im Zweifel wird alles Zustehende begehrt (vgl. BSG, Urt. v. 28.9.1999, B 2 U 32/98 R, BSGE 84, 281, juris Rn. 28; vgl. ferner Steinwedel, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Loseblatt, Stand: Juni 2015, § 44 SGB X Rn. 12).

46

Der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist aber nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte, indem sie möglicherweise zu niedrige Werbungskosten zugrunde gelegt hat, i.S.v. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Denn selbst dann sind nicht „deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht“ worden. Nach der Systematik der wohngeldrechtlichen Vorschriften, insbesondere der §§ 15 Abs. 1, 24 Abs. 2, 27 Abs. 1 WoGG, kommt es für die Rechtmäßigkeit einer wohngeldrechtlichen (Bewilligungs- oder Versagungs-) Entscheidung maßgeblich auf die Fehlerfreiheit der vorzunehmenden Prognose an. Ist die Prognose korrekt zustande gekommen, bleibt sie auch dann rechtmäßig, wenn die angenommene Entwicklung nicht eintritt (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, Stand: 3/2015, § 24 Rn. 34 ff.; vgl. ferner VGH München, Beschl. v. 5.5.2014, 12 ZB 14.701, juris Rn. 16). Die Prognoseentscheidung in dem Bescheid vom 26. April 2012 ist aber auf der Grundlage der der Beklagten bei seinem Erlass vorliegenden Informationen nicht zu beanstanden (s.o. unter 1.). Deshalb erfolgte die Versagung weitergehender Wohngeldleistungen zu Recht.

47

4. Der Kläger kann einen Anspruch auf die Bewilligung erhöhten Wohngeldes nicht mit Erfolg auf § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X i.V.m. §§ 3 ff. WoGG stützen.

48

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt.

49

§ 48 Abs. 1 SGB X ist im Wohngeldrecht nicht anwendbar, soweit seine Anwendung eine Erweiterung der Möglichkeiten zur nachträglichen Korrektur „unrichtiger“ Prognoseentscheidungen i.S.v. § 24 Abs. 2 WoGG zur Konsequenz hat. Vielmehr handelt es sich bei § 27 WoGG um eine abschließende Sonderregelung, die den Rückgriff auf die allgemeine Aufhebungsvorschrift in § 48 SGB X ausschließt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.7.2012, 4 LA 316/10, juris Rn. 3; Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, Stand: 3/2015, § 28 Rn. 79; grundlegend zu § 29 WoGG a.F.: BVerwG, Urt. v. 21.3.2002, 5 C 4.01, BVerwGE 116, 161, juris Rn. 14 ff.). Für nachträgliche Änderungen zugunsten des Wohngeldempfängers kann dabei nichts anderes gelten wie für rückwirkende Änderungen zu seinen Lasten, die bereits mehrfach Gegenstand der Rechtsprechung waren (vgl. OVG Münster, Urt. v. 9.1.2008, 14 A 4640/06, NWVBl. 2008, 315, juris Rn. 22 ff.).

50

5. Den mit der Klage geltend gemachten Anspruch kann der Kläger auch nicht mit Erfolg aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ableiten.

51

Der in der Rechtsprechung auch des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.6.2011, 3 C 36.10, BVerwGE 140, 103, juris Rn. 15 ff.; vgl. ferner OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.2015, 4 Bf 112/12, UA S. 14 ff.) Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist. Außerdem ist erforderlich, dass durch Vornahme einer zulässigen Amtshandlung der Zustand hergestellt werden kann, der bestehen würde, wenn die Behörde ihre Verpflichtungen gegenüber dem Berechtigten nicht verletzt hätte (vgl. BSG, Urt. v. 30.9.2009, B 9 VG 3/08 R, BSGE 104, 245, juris Rn. 41; Urt. v. 18.2.2004, B 10 EG 10/03 R, BSGE 92, 182, juris Rn. 33 f.).

52

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil v. 18.4.1997, 8 C 38.95, NJW 1997, 2966, juris Rn. 7 ff.) schließt die im Wohngeldverfahren bei schuldloser Versäumung der gesetzlichen Antragsfristen vorgesehene Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (dazu oben unter 2.) einen Herstellungsanspruch aufgrund unrichtiger behördlicher Auskunft, Belehrung oder Beratung bereits dem Grunde nach aus. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der richterrechtlich entwickelte Herstellungsanspruch mangels einer Regelungslücke voraussetzungsgemäß nicht gegeben sei, wenn der Gesetzgeber selbst die Rechtsfolgen einer Verletzung von Nebenpflichten des Sozialleistungsträgers in Richtung auf den Sozialleistungsanspruch des Betroffenen geregelt habe. An einer der Ausfüllung durch Richterrecht zugänglichen Regelungslücke fehle es namentlich dann, wenn das materielle Recht im Einzelnen bestimme, unter welchen Voraussetzungen die Behörde einen Leistungsantrag ausnahmsweise noch berücksichtigen dürfe, obwohl der Antragsteller die gesetzliche Antragsfrist versäumt habe. Eine solche gesetzliche Regelung, bei deren Anwendung auch ein Fehlverhalten der Behörde zu berücksichtigen sei, lasse keinen Raum für einen Herstellungsanspruch, der damit begründet werde, das Verhalten des Sozialleistungsträgers sei ursächlich oder mitursächlich dafür geworden, dass die Leistung nicht fristgerecht beantragt worden sei. Ob dem zu folgen ist, kann – erneut – offen bleiben. Denn es fehlt an einer Verletzung von Auskunfts- und Beratungspflichten im Jahr 2012 (hierzu 1.), die – seine Anwendbarkeit unterstellt – Voraussetzung für das Bestehen eines Herstellungsanspruchs wäre.

53

6. Schließlich kann der Kläger den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf eine (Neu-) Bewilligung erhöhten Wohngelds auch nicht aus einer von der Beklagten gegebenen Zusicherung i.S.v. § 34 SGB X ableiten.

54

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X bedarf eine Zusicherung zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Etwaige mündliche Zusagen der Beklagten kommen deshalb von vornherein nicht als Grundlage für den geltend gemachten Anspruch in Betracht.

55

Eine schriftliche Zusicherung hat die Beklagte nicht gegeben, und zwar weder ausdrücklich, noch der Sache nach: Soweit der Sachbearbeiter bei der Beklagten handschriftlich auf dem Schreiben des Klägers vom 12. Januar 2013 in der Akte vermerkt hat, dass die Werbungskosten „ggf.“ auch für den zurückliegenden Zeitraum zu berücksichtigen seien, ist dieser Vermerk dem Kläger nicht übermittelt worden. Insoweit fehlt es schon an der erforderlichen Bekanntgabe i.S.v. § 37 Abs. 1 SGB X. Soweit die Beklagte den Kläger mit ihrem Schreiben vom 15. Januar 2013 aufgefordert hat, Gehaltsabrechnungen für die Monate März 2012 und Dezember 2012 sowie die Steuererklärung 2012 bzw. Nachweise und Belege über die Werbungskosten vorzulegen, und soweit sie ferner dem Kläger mit ihrem Schreiben vom 22. Januar 2013 mitgeteilt hat, sie könne „den anerkannten Werbungskosten vom Finanzamt (...) folgen“, spricht dies zwar dafür, dass der hierbei handelnde Sachbearbeiter der Beklagten offenbar davon ausging, es könnten die erhöhten Werbungskosten auch für die Vergangenheit berücksichtigt werden. Eine Zusicherung i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X – und nicht nur ein Rechtsirrtum verbunden mit einer falschen Auskunft – kann hierin aber nicht gesehen werden, denn es fehlt zumindest am Vorliegen eines Rechtsbindungswillens (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 4.4.2012, 4 C 8.09 u.a., BVerwGE 142, 234, juris Rn. 39; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 38 Rn. 9). Nichts spricht dafür, dass die Beklagte dem Kläger außerhalb des Bewilligungsverfahrens gemäß §§ 22 ff. WoGG eine gesonderte Anspruchsgrundlage für die Bewilligung erhöhten Wohngeldes im Wege einer Zusicherung geben wollte. Die o.g. Schreiben vom 15. und 22. Januar 2013 enthielten im Übrigen – was ebenfalls gegen eine Zusicherung spricht, bei der es sich um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 38 Rn. 8) – keine Rechtsbehelfsbelehrung.

56

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

57

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in genannten § 132 Abs. 2 VwGO Gründe gegeben ist.

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