Urteil vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - 3 L 159/03

Tenor

Auf die Berufung des Klägers zu 2. wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06.02.2003 geändert:

Auf die Klage des Klägers zu 2. werden der Bescheid der Beklagten vom 30.04.1997 und der Widerspruchsbescheid vom 01.07.1998 aufgehoben. Die Klage der Klägerin zu1. wird abgewiesen.

Die Klägerin zu 1. trägt die Gerichtskosten der 1. Instanz zu 1/2 und ihre außergerichtlichen Kosten, die übrigen Gerichtskosten die Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Mit der Berufung wendet sich der Kläger zu 2. gegen die Ausübung eines denkmalschutzrechtlichen Vorkaufsrechts betreffend den in der Denkmalliste des Landkreises B. vom 06.02.1996 unter Nr. X erfassten, in der Gemeinde C. belegenen (Schloss-)Park von D. durch die Gemeinde C.

2

Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.12.1996 verkaufte die Klägerin zu 1. (auch für die BvS) u.a. die streitgegenständlichen Flächen an den Kläger zu 2.. Der Veräußerung wurden die Bestimmungen des Ausgleichsleistungsgesetzes - AusglLeistG - und der Flächenerwerbsverordnung - FlErwV - zugrunde gelegt. Nach dem Vertrag hat der Käufer den Kaufgegenstand für die Zeit des Bestehens des Veräußerungsverbotes ordnungsgemäß i.S.d. Bundes- und Landeswaldgesetzes und nach Maßgabe des vorgelegten forstwirtschaftlichen Betriebskonzepts zu bewirtschaften; bei Abweichung von der Zweckbindung besteht ein Rücktrittsrecht für die Verkäuferin (§ 9 des Vertrages).

3

Mit Schreiben vom 07.03.1997, eingegangen bei der Beklagten am 10.03.1997, fragte die Notarin unter Übersendung einer Ablichtung des Kaufvertrages bei der Gemeinde an, ob ein gesetzliches Vorkaufsrecht bestehe und ausgeübt werde. Auf eine Beschlussvorlage für eine Eilentscheidung beschloss der Haupt- und Finanzausschuss der Gemeindevertretung der Gemeinde C. am 20.03.1997 mehrheitlich die Ausübung des Vorkaufsrechts bezüglich der streitgegenständlichen Flächen mit der Begründung, es handele sich um den D. Park, der unter Denkmalschutz stehe und durch die Gemeinde mit seinem forstbotanischen Bestand und Obstgarten mit Genreserven erhalten werden solle. Es würden sich ebenfalls Kriegsgräber auf der Fläche befinden. Mit Bescheid vom 30.04.1997 übte das beklagte Amt für die Gemeinde das Vorkaufsrecht gem. § 24 Denkmalschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern i.d.F. v. 30.11.1993 (GVOBl. S. 975) - DSchG M-V a.F. - gegenüber der Klägerin zu 1. aus.

4

Unter dem 21.05.1997 genehmigte die Gemeindevertretung der Gemeinde C. den Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses vom 20.03.1997 über die Ausübung des Vorkaufsrechts nach §24 DSchG M-V (a.F.).

5

Hiergegen legten die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 22.05.1997 und der Kläger zu 2. mit anwaltlichem Schreiben vom 28.05.1997 Widerspruch ein.

6

Mit Widerspruchsbescheiden vom 14.08.1997 wies das beklagte Amt die Widersprüche der Kläger ohne weitere Begründung zurück.

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Hiergegen haben die Klägerin zu 1. am 13.09.1997 Klage zum Aktenzeichen 1 A 1655/97 und der Kläger zu 2. unter dem 16.09.1997 Klage zum Aktenzeichen 1 A 1682/97 erhoben. Nachdem das Verwaltungsgericht auf die fehlende Begründung des Widerspruchsbescheides hingewiesen hatte, hob das beklagte Amt den Widerspruchsbescheid vom 14.08.1997 mit Bescheid vom 16.10.1997 auf und wies die Widersprüche der Kläger zu 1. und 2. gemeinsam mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.1998 zurück. Das Verfahren 1 A 1682/97 wurde nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten eingestellt. Am 31.07.1998 hat der Kläger zu 2. Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 01.07.1998 unter dem Aktenzeichen 1 A 1438/98 erhoben. Dieses und das Verfahren 1 A 1655/97 wurden mit Beschluss vom 22.11.2002 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

8

Mit Urteil vom 06.02.2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es auf die Rechtmäßigkeit der Widerspruchsbescheide vom 01.07.1998 einschließlich der Frage der Zuständigkeit des Beklagten für deren Erlass nicht ankomme, weil die Widerspruchsbescheide den Ausgangsbescheid nicht aufgehoben hätten und auch nicht nach § 79 Abs. 2 VwGO isoliert angefochten worden seien. Für die Entscheidung der Gemeinde über die Ausübung des Vorkaufsrechts reiche der binnen der zweimonatigen Frist des § 24 Abs. 2 Satz 1 DSchG M-V a.F. erfolgte Beschluss des Hauptausschusses aus, auch wenn dieser erst nach Ablauf der Frist am 21.05.1997 von der Gemeindevertretung genehmigt worden sei. Zwar sei grundsätzlich für die Entscheidung nach § 22 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern - KV M-V - 1994 die Gemeindevertretung zuständig. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts handele es sich um eine wichtige Angelegenheit der Gemeinde und nicht um eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung. Der Hauptausschuss habe aber nach § 35 Abs. 2 Satz 4 KV M-V 1994 eine Eilentscheidung treffen können, die zur Einhaltung der Frist erforderlich gewesen sei. Die erst nach Ablauf der Frist erfolgte Genehmigung durch die Gemeindevertretung sei unschädlich. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts solle die dauernde Erhaltung des Schlossparks als Denkmal ermöglicht werden, ohne dass es darauf ankäme, dass andere Erhaltungsmöglichkeiten fehlten. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei auch nicht nach § 24 Abs. 2 Satz 2 DSchG M-V 1993 i.V.m. § 507 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung ausgeschlossen. Bei dem Schlosspark handele es sich nicht um forstwirtschaftliche Flächen; auf diese sei das Ausgleichsleistungsgesetz nicht anwendbar und es stellte sich die Frage der Normenkonkurrenz mit der FlErwV nicht.

9

Zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 20.12.2005 zugelassenen Berufung macht der (unter Anzeige des Todes des ursprünglichen Klägers zu 2. und nach Rechtsnachfolge nunmehrige) Kläger zu 2. geltend, der angefochtene Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts erweise sich bereits deshalb als rechtswidrig, weil innerhalb der Ausübungsfrist eine Dringlichkeitssitzung der Gemeindevertretung habe einberufen werden können und eine Eilentscheidung des Hauptausschusses deshalb nicht ausreichend gewesen sei. Für die Ausübung des Vorkaufsrechts reiche auch nicht die bloße Absicht der Denkmalerhaltung durch die Gemeinde. Zudem handele es sich um einen Flächenerwerb nach dem AusglLeistG i.V.m. der FlErwV und die Gemeinde gehöre nicht zum normbegünstigten Adressatenkreis. Die streitgegenständlichen Flächen könnten auch nicht - wie vom Verwaltungsgericht - isoliert betrachtet und deshalb den Vorschriften von AusglLeistG und FlErwV entzogen werden. Die Gemeinde habe bei der Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts ein Ermessen erkennbar nicht ausgeübt.

10

Die Klägerin zu 1. wendet sich ebenfalls gegen das erstinstanzliche Urteil, ohne selbst einen fristgerechten Zulassungsantrag gestellt zu haben. Sie tritt der Argumentation des Klägers zu 2. bei.

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Der Kläger zu 2. beantragt,

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auf seine Berufung das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06.02.2003 insoweit zu ändern, als es ihn betrifft, und den Bescheid der Beklagten vom 30.04.1997 und den Widerspruchsbescheid vom 01.07.1998 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und macht geltend, die Beschlussfassung im Vorfeld der Entscheidung zur Ausübung des Vorkaufsrecht führe nicht zu deren Unwirksamkeit. Ein etwaiger Verstoß gegen kommunalverfassungsrechtliche Vorschriften, die nicht zugunsten des Klägers zu 2. erlassen worden seien, würden sich auf die Wirksamkeit der Entscheidung nicht auswirken. Es handele sich lediglich um eine kommunalverfassungsrechtlich interne Kontrolle, die die Außenwirksamkeit nicht berühre. Der Dritte habe keine Möglichkeit, die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung zu prüfen. Schon aus Vertrauensschutzgesichtspunkten müsse von einer Wirksamkeit der Eilentscheidung ausgegangen werden. Zudem habe die Gemeindevertretung nachträglich der Eilentscheidung zugestimmt, so dass eine möglicherweise fehlende Dringlichkeit bei der Eilentscheidung geheilt sei. Die Nichteinhaltung der Formvorschriften führe nur zur schwebenden Unwirksamkeit der Handlung. Die Genehmigung nach § 35 Abs. 2 Satz 4 KV M-V berühre nicht die Wirksamkeit der Erklärung; auch eine nicht genehmigte Eilentscheidung bleibe wirksam.

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Die allein bestehende Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 2 DSchG M-V, dass die dauerhafte Erhaltung des Denkmals ermöglicht werden solle und diese nicht von vornherein aussichtslos sei, würde vorliegen. Der Kläger zu 2. habe nicht dargetan, welche konkreten und abwägungsrelevanten Belange bei der von der Gemeinde getroffenen Ermessensentscheidung unberücksichtigt geblieben seien.

17

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er nimmt zur Denkmaleigenschaft der streitgegenständlichen Flächen Stellung.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet.

20

Der angefochtene Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts vom 30.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.1998 erweist sich als rechtswidrig, verletzt den Kläger zu 2. in seinen Rechten und ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

21

Das für die Gemeinde ausgeübte Vorkaufsrecht findet seine Grundlage in der bei der vorliegenden Anfechtungssituation zum Zeitpunkt des Erlass des Widerspruchsbescheides maßgeblichen Vorschrift des § 22 Denkmalschutzgesetzes i.d.F. vom 06.01.1998 (GVOBl. M-V S. 12, - DSchG M-V 1998). Da die Vorschrift identisch mit der zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides maßgeblichen Regelung in § 24 DSchG M-V a.F. ist, ist es unschädlich, dass die Begründung des Widerspruchsbescheides allein auf § 24 DSchG M-V 1993 abstellt.

22

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 DSchG M-V 1998 steht der Gemeinde beim Kauf von Grundstücken, auf oder in denen sich Denkmale befinden, ein Vorkaufsrecht zu.

23

Die darauf gestützten angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtswidrig, weil die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nicht rechtmäßig innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrages (§ 22 Abs. 2 Satz 1 DSchG M-V 1998) ausgeübt hat und der Kläger zu 2. dies in der vorliegenden Anfechtungssituation geltend machen kann.

24

Die Entscheidung der Gemeinde über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist zunächst - jedenfalls gemessen an der Gemeindegröße einerseits, der aus dem Kaufpreis und vor allem den Erhaltung des Denkmals resultierenden Kosten andererseits, mithin also wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen - als wichtige Angelegenheit i.S.v. § 22 Abs. 2 Satz 1 und 2 KV M-V 1994 anzusehen, für die die Gemeindevertretung zuständig ist. Hiervon gehen sowohl das Verwaltungsgericht und offenbar auch die Gemeinde aus, indem ihre Gemeindevertretung unter dem 21.05.1997 die Entscheidung des Hauptausschusses vom 20.03.1997 gem. § 35 Abs. 2 Satz 5 KV M-V 1994 genehmigt hat. Insbesondere war nach der seinerzeit gültigen Hauptsatzung der Gemeinde C. vom 18.01.1995 die Entscheidungsbefugnis für derartige Angelegenheiten nicht gem. § 22 Abs. 2 Satz 1 KV M-V 1994 auf den Hauptausschuss übertragen.

25

Vorliegend hat innerhalb der Zweimonatsfrist indes (nur) der Haupt- und Finanzausschuss der Gemeinde am 20.03.1997 entschieden. Zwar kann der Hauptausschuss gem. § 35 Abs. 2 Satz 4 KV M-V 1994 in dringenden Angelegenheiten entscheiden, deren Erledigung nicht bis zu einer Dringlichkeitssitzung der Gemeindevertretung aufgeschoben werden kann. Die Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung des Hauptausschusses ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Gemeindevertretung noch rechtzeitig einberufen werden kann (vgl. hierzu insgesamt: Gentner in Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes M-V, 3. Aufl., § 35 Rn. 8; v.Mutius/Rentsch, Kommunalverfassung SH, Bd. 1, 6. Aufl., § 55 Rn. 13 a.E. zur Eilentscheidung des Bürgermeisters). Danach lagen die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung des Hauptausschusses objektiv nicht vor. Der Kaufvertrag war bei der Beklagten am 10.03.1997 eingegangen und es ist weder nach den Festlegungen der Hauptsatzung ersichtlich noch sonst vorgetragen, dass eine Dringlichkeitssitzung der Gemeindevertretung mit der gesetzlich vorgesehenen Ladungsfrist von mindestens 3 Tagen (vgl. § 29 Abs. 3 Satz 2 KV M-V 1994) innerhalb der zweimonatigen Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 22 Abs. 2 Satz 1 DSchG M-V 1998 nicht möglich gewesen wäre. Lagen danach die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung des Hauptausschusses nicht vor, verbleibt es bei der originären Zuständigkeit der Gemeindevertretung, so dass die vorliegend innerhalb der Zweimonatsfrist ergangene Entscheidung des Hauptausschusses an einem Rechtsmangel leidet.

26

Mangels Vorliegen der Voraussetzungen für eine Eilentscheidung des Hauptausschusses bestand auch kein Bedarf für die sonst nach § 35 Abs. 2 Satz 5 KV M-V 1994 erforderliche Genehmigung für eine derartige Entscheidung durch die Gemeindevertretung. Ungeachtet dessen würde die außerhalb der Frist erfolgte Genehmigung die Verfahrensfehlerhaftigkeit der Entscheidung des Hauptausschusses auch nicht heilen. Zwar entscheidet die Gemeindevertretung bei der Genehmigung nach § 35 Abs. 2 Satz 5 KV M-V 1994 nicht (mehr) über die Sachfrage als solche, sondern (nur noch) über die Genehmigung, also die Entlastung des Hauptausschusses bezüglich der Eilentscheidung. Zu berücksichtigen ist aber, dass es sich bei der Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts um eine Ausschlussfrist handelt, innerhalb derer sämtliche für die Ausübung des Vorkaufsrechts erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen. Dies gilt insbesondere auch für etwa erforderliche Genehmigungen, da nach Ablauf der Frist die rückwirkende Genehmigung einer Ausübungserklärung nicht mehr möglich ist (vgl. zum Vorkaufsrecht nach § 32 Abs. 1 DSchPflG R-P: OVG Koblenz, U. v. 17.12.1997 - 8 A 12998/96 -, NVwZ 1998, 655 m.w.N.; zur Frist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB: dass., U. v. 13.04.2006 - 1 A 11596/05 -, zit. n. juris). Aus dem gleichen Grunde kann die Entscheidung der Gemeindevertretung auch nicht als originäre Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts angesehen werden.

27

Die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung der Gemeinde begründet auch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Ausübungsbescheides der Beklagten vom 30.04.1997.

28

Sieht man den Fehler, dass der unzuständige Haupt- und Finanzausschuss über die Ausübung des Vorkaufsrechts entschieden hat, als Verletzung einer internen Zuständigkeitsregelung an, liegt hierin zwar kein Fall fehlender sachlicher Unzuständigkeit (so wohl VGH Mannheim, U. v. 12.09.1997 - 5 S 2498/95 - NJW-RR 1998, 877), weil diese die Zuständigkeit der Behörde bestimmt, die bei amtsangehörigen Gemeinden gem. § 127 Abs. 1 KV M-V bei dem Amt liegt. Es handelt sich aber um einen (sonstigen) Verfahrensfehler (vgl. OVG Koblenz, U. v. 13.04.2006 - 1 A 11596/05 -, zit. nach Juris).

29

Der Fehler kann auch als fehlerhafte Beteiligung eines Ausschusses gewertet werden, weil die an sich berufene Gemeindevertretung nicht beteiligt worden ist; in diesem Fall ist der Fehler für die Rechtmäßigkeit bedeutsam, wie sich aus §§ 44 Abs. 3 Nr. 3 und 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG M-V ergibt (in diesem Sinne etwa VGH München, U. v. 31.03.2003 - 4 B 00.2823 -, NVwZ-RR 2003, S. 819). Die nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG M-V grundsätzlich mögliche Heilung des Fehlers - etwa durch die nachträgliche Genehmigung der Gemeindevertretung als zuständiges Gemeindeorgan - kommt bei der Ausübung des streitgegenständlichen Vorkaufsrechts deshalb nicht in Betracht, weil sie nach obigen Ausführungen nicht innerhalb der Ausschlussfrist erfolgt ist.

30

Dieser Fehler ist auch im Sinne von § 46 VwVfG M-V relevant. Die Ausübung des Vorkaufsrechts stellt eine Ermessensentscheidung dar. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, nach denen es offensichtlich ist, dass die Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeit der Organe der Gemeinde die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Hierfür kann insbesondere nicht der Beschluss der Gemeindevertretung herangezogen werden, durch den der Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses vom 20.03.1997 genehmigt worden ist. Die Gemeindevertretung war nämlich bei dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass es sich um eine Genehmigung nach § 39 Abs. 3 Satz 3 KV M-V 1994 handelte. Gegenstand einer solchen Genehmigungsentscheidung ist nicht die originäre Sachentscheidung, sondern allein die Entscheidung darüber, ob der Bürgermeister - oder wie hier unzutreffenderweise der Finanz- und Haushaltsausschuss - zu Recht die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit angenommen hat (OVG Koblenz, a.a.O.). Sofern man davon ausgeht, dass es sich im vorliegenden Fall um den Verfahrensfehler einer fehlenden Zuständigkeit handelt, scheidet die Anwendung von § 46 VwVfG M-V ohnehin aus.

31

Dem kann nicht die unbeschränkte Vertretungsmacht des Bürgermeisters nach § 37 Abs. 2 Satz 1 KV M-V im Zusammenhang mit der Befugnis des Amts, gem. § 127 Abs. 1 KV M-V die Beschlüsse der Gemeinde auszuführen, entgegen gehalten werden. Zwar gilt nach herrschender Ansicht die Vertretungsmacht unbeschränkt, d. h. auch dann, wenn nach Kommunalverfassungsrecht ein Gremium der Gemeinde zuvor hätte entscheiden müssen (vgl. Gern, Sächs. Kommunalrecht, 2. Aufl., Rn. 473 m.w.N.; OVG Koblenz, U. v. 15.11.1972 - 2 A 42/72 -, DVBl. 1973, 319, 320 m.w.N.).

32

§ 37 Abs. 2 Satz 1 und § 39 Abs. 2 Satz 1 KV M-V 1994 betreffen indes nur Erklärungen, die unmittelbar Rechtswirkung entfalten (vgl. die Aufzählung bei Darsow in Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, a.a.O., § 38 Rn. 5), nicht aber Beschlüsse, die Grundlage des Erlasses eines Verwaltungsakts sind.

33

Die rechtswidrige Ausübung des Vorkaufsrechts verletzt den Kläger zu 2. auch in seinen Rechten, so dass der Ausübungsbescheid gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben ist. Denn durch die Ausübung des Vorkaufsrechts greift die Gemeinde als Trägerin öffentlicher Gewalt einseitig gestaltend in die durch den Kaufvertrag begründeten privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem Verpflichteten und dem Drittkäufer ein und schafft einseitig gestaltend neue privatrechtliche Beziehungen. Die damit verbundenen Belastungen für die Vertragspartner müssen diese nur hier hinnehmen, wenn die hoheitlich erfolgte Ausübung des Vorkaufsrechts einerseits den materiellen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 DSchG M-V 1998 entspricht, andererseits die Entscheidung auch von dem gesetzlich hierfür vorgesehenen Gemeindeorgan getroffen worden ist (vgl. VGH Mannheim, U. v. 12.09.1997 - 5 S 2498/95 -, NJW - RR 1998, 877). Daran fehlt es hier nach obigen Ausführungen.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beklagte die übrigen Gerichtskosten 1. Instanz zu tragen hat, umfassen diese auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2.. Der Beigeladene hat im Berufungsverfahren bislang keinen Antrag gestellt, so dass seine außergerichtlichen Kosten nicht erstattungsfähig sind (§§ 162 Abs. 3 und 154 Abs. 3 VwGO).

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

36

Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

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