Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 M 31/11

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 6. Kammer - vom 8. März 2011 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 34.197,89 Euro festgesetzt.

Gründe

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Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen Versorgungsmitteilungen des Antragsgegners. Sie will im Wege einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass ihr als Versorgungsempfängerin ein monatlicher Betrag unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850 c ZPO in Höhe von 1.966,98 € (anstelle von bisher 1.297,20 €) verbleibt.

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Das Verwaltungsgericht hat die ursprünglichen Anträge mit Beschluss vom 8. März 2011 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein erstinstanzlich gestellter Antrag auf Aussetzung der Einbehaltung von November 2010 unzulässig sei, weil ein solcher Antrag nach § 63 Abs. 1 Satz 2 LDG M-V mangels disziplinarrechtlicher Maßnahmen gegen die Antragstellerin nicht einschlägig sei. Auch der Antrag, der Antragstellerin Ruhegehalt im Rahmen der Pfändungsfreigrenze nach § 850 c ZPO zu belassen, sei bereits unzulässig. Es seien damit widersprüchliche Anträge gestellt, die nicht in ein Haupt- bzw. Hilfsverhältnis zueinander gebracht worden seien. Im Übrigen scheitere auch bei unterstellter Zulässigkeit ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO in der Sache. Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund für die Zeit von November 2010 bis März 2011, weil eine Rückabwicklung auch noch im Hauptsacheverfahren erfolgen könne. Schließlich fehle es - so das Verwaltungsgericht - an einem Anordnungsanspruch, weil keine überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache glaubhaft gemacht seien. Der Antragsgegner dürfe gemäß § 51 Abs. 2 BeamtVG gegenüber dem Anspruch der Antragstellerin auf Versorgungsbezüge mit dem durch Bescheid vom 13. Oktober 2010 festgestellten Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung, einem Zahlungsanspruch in Höhe von 68.395,77 Euro, aufrechnen. § 850 c ZPO sei nicht anwendbar, sondern lediglich die Regelungen über den unpfändbaren Betrag nach § 850 d Abs. 1 Satz 2, § 850 f Abs. 2 ZPO.

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Die dagegen gerichtete fristgerecht eingelegte und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde hat keinen Erfolg. Auch wenn die Antragstellerin zutreffend bemängelt, dass das erstinstanzliche Gericht die von ihm selbst gesetzte Anhörungsfrist zur Unzulässigkeit der ursprünglichen Antragstellung nicht eingehalten, sondern vorzeitig entschieden hat, dringt die Antragstellerin weder mit dem Vorbringen im Schriftsatz vom 9. März 2011, noch mit ihrer Beschwerdebegründung durch.

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Im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der obergerichtlichen Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe zu überprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschluss des Senats vom 16.04.2010 – 2 M 1/10 -, zit. nach juris Rn. 3 m.w.N.).

5

Die Zulässigkeit der teils unbestimmten, teils unvollständig formulierten und teils auf Bescheidsaufhebung gerichteten Beschwerdeanträge (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) kann dahingestellt bleiben. Die Beschwerde ist jedenfalls nach dem oben ausgeführten Maßstab nicht begründet.

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Die Rechtsauffassung der Antragstellerin, Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 850 f Abs. 2 ZPO sei die rechtskräftige Feststellung einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, eine Verurteilung der Antragstellerin (wegen gewerbsmäßigen Betruges) sei aber bisher nicht erfolgt, kann nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht hat vom Ansatz her zutreffend darauf abgestellt, dass der Dienstherr aufgrund eines selbst durch Bescheid festgestellten Anspruchs auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung nach § 51 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG von den Beschränkungen des § 850 c ZPO befreit ist (§ 850 f Abs. 2 ZPO). Denn die Beamtengesetze enthalten selbständige Ermächtigungsgrundlagen für öffentlich-rechtliche Schadensersatzansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (vgl. § 48 BeamtStG, § 75 BBG). Diese sind wegen des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses in dem der Beamte zum Dienstherrn steht, spezieller als die §§ 823 ff. BGB oder andere Rechtsgrundsätze des bürgerlichen Rechts (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. Juli 2001 - 2 C 42.00 -, zit. nach juris Rn. 12; BVerwG, Urt. v. 15. Juni 2006 - 2 C 10.05 -, zit. nach juris Rn. 14 f. m.w.N.; BGH, Beschl. v. 9. April 2009 - III ZR 200/08 -, zit. nach juris Rn. 3; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7. September 2006 - 4 B 8/04 -, zit. nach juris Rn. 22 m.w.N.). Diese öffentlich-rechtlichen Schadensersatzansprüche sind dementsprechend auch durch Bescheid des Dienstherrn feststellbar (vgl. Schütz/Maiwald, BeamtR, Stand: Juni 2011, Teil C Vor. §§ 1, 2 Rn. 158). Insofern bedarf es auch keiner rechtskräftigen Bestätigung eines solchen Schadensersatzanspruchs; ausreichend nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen ist die Vollziehbarkeit eines solchen Bescheides (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht, 7. Aufl. 2011, § 8 Rn. 56 f.) wie sie durch die Anordnung der Sofortvollzugsanordnung - wie hier im Bescheid des Antragsgegners vom 13. Oktober 2010 - gewährleistet ist. Nichts anderes lässt sich der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2005 (- VII ZB 17/05 -, zit. nach juris) entnehmen. Das nach § 51 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG grundsätzlich bestehende Aufrechnungsverbot für den unpfändbaren Teil der Bezüge tritt daher aufgrund der - von der Antragstellerin nicht weiter beanstandeten - Feststellung des Verwaltungsgerichts, mit dem Bescheid vom 13. Oktober 2010 liege ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung vor, zurück (§ 51 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben, nach dem die Berufung auf das Verbot der Aufrechnung gegen eine unpfändbare Forderung insbesondere dann ausgeschlossen ist, wenn die Gegenforderung aus einer im Rahmen desselben Rechtsverhältnisses begangenen vorsätzlichen unerlaubten Handlung stammt (vgl. Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2011, § 51 BeamtVG Rn. 21 m.w.N.).

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Soweit die Antragstellerin weiter vorträgt, es bestehe seit der Hinterlegung einer Geldsumme in Höhe von 66.832,79 Euro am 5. Januar 2011 aufgrund des Arrestbeschlusses des Amtsgerichts Traunstein (Az.: ER 5 GS 882/10) keine Aufrechnungslage mehr, weil hierdurch die Antragstellerin i.S. der §§ 362, 372 BGB die Ansprüche des Antragsgegners erfüllt habe, verhilft dies der Beschwerde gleichfalls nicht zum Erfolg. Denn nach der aus dem Verwaltungsvorgang des Antragsgegners ersichtlichen Mitteilung der Staatsanwaltschaft Traunstein vom 14. Juni 2010 dürfte der Hinterlegung ein strafverfahrensrechtlicher Arrest zugrunde liegen.

8

Zwar kann nach den §§ 111 d, 111 b Abs. 2 StPO i.V.m. § 73, 73 a StGB der dingliche Arrest auch zur Sicherung von Ansprüchen des Geschädigten angeordnet werden; die Hinterlegung hemmt jedoch zunächst nur die Vollziehung des Arrests und lässt ihn nicht automatisch entfallen (vgl. Pfeiffer, StPO, 5. Aufl. 2005, § 111 d Rn. 5). Dass ggf. auf Antrag der Antragstellerin zwischenzeitlich die Zwangssicherungshypothek gelöscht sein dürfte, ist aber auch unerheblich. Soweit die Antragstellerin eine schuldbefreiende Wirkung der erfolgten Hinterlegung i.S. des § 378 BGB behauptet, tritt diese Wirkung hier schon deshalb nicht ein, weil § 378 BGB sich nur auf die rechtmäßige Hinterlegung unter den Voraussetzungen des § 372 BGB bezieht (vgl. Wenzel, in: MüKo, 5. Aufl. 2007, § 378 Rn. 1). Dass diese Voraussetzungen - wie etwa der Annahmeverzug - jedoch nicht gegeben sind, liegt auf der Hand. Die Hinterlegung nach dinglichem Arrest dient ersichtlich anderen Zwecken (vgl. Wenzel, in: MüKo- § 372 Rn. 23).

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Hinzu kommt, dass zumindest Zweifel angebracht sind, ob die künftige Vollstreckung, die aufgrund des dinglichen Arrests gesichert werden sollte (§ 111 d Abs. 2 StPO i.V.m. § 917 ZPO), sich auch auf öffentlich-rechtliche Schadensersatzforderungen erstrecken kann. Denn der strafrechtliche - wie auch der zivilrechtliche Arrest - dienen grundsätzlich der Sicherung einer künftigen Vollstreckung aufgrund des zu erwartenden Urteils (vgl. § 111 d Abs. 2 StPO i.V.m. § 917 ZPO). Dass damit der hier vom Verwaltungsgericht angenommene Rückforderungsanspruch des Antragsgegners aus dem Bescheid vom 13. Oktober 2010 erfasst sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Darüber hinaus stehen ausweislich der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners auch Vermögensdelikte gegen die private Krankenversicherung der Antragstellerin (wohl in Höhe eines Schadens von 25.405,93 Euro) in Rede, so dass das Vorbringen der Antragstellerin, der hinterlegte Betrag diene „augenscheinlich“ zur Sicherung der Ansprüche des Antragsgegners auch mit Blick auf die Höhe der Forderung aus dem Bescheid vom 13. Oktober 2010 (68.295,77 Euro) nicht plausibel ist, da der hinterlegte Betrag weder ausreicht, die Forderung des Antragsgegners noch ggf. weitergehende Ansprüche Dritter vollständig zu befriedigen. Jedenfalls insoweit ist das Gericht im Eilverfahren auch mit Rücksicht auf das Darlegungsgebot (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet. Im Übrigen ist die von der Antragstellerin vertretene Rechtsauffassung, dass eine Aufrechnungslage hier nicht (mehr) bestand, auch deshalb unzutreffend, weil die hier maßgebliche Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG dem Dienstherrn ohne weiteres gegenüber Ansprüchen auf Versorgungsbezügen ein Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht eröffnet. Es wird nicht einmal ein Rückforderungsbescheid vorausgesetzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. August 2005 – 2 B 2.05 -, zit. nach juris Rn. 19 m.w.N., Schnellenbach, a.a.O. Rn. 60 f.).

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Weitere Ausführungen des Senats erübrigen sich, weil die Prüfung in dem zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren auf die von der Antragstellerin dargelegten Gründe beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG und § 53 Abs. 2 GKG.

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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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