Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 O 39/11
Tenor
Auf die Beschwerde und Erinnerung der Antragstellerin werden der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 21. März 2011 – 3 B 749/09 – geändert, der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 09. Juni 2010 – 3 B 749/09 – aufgehoben und der Kostenfestsetzungsantrag des Antragsgegners zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin hat am 09. Oktober 2009 auf dem Postweg beim Verwaltungsgericht Schwerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem sie die Zulassung zum Studium der Zahnmedizin an der Universität Rostock zum Wintersemester 2009/2010 verfolgt hat. Noch am selben Tag – um 11.18 Uhr – ist per Telefax der Schriftsatz der Antragstellerin beim Verwaltungsgericht eingegangen, mit dem sie die Rücknahme ihres Antrages erklärt hat. Eine Eingangsverfügung des Gerichts ist in der Gerichtsakte nicht enthalten, eine Zustellung der Antragsschrift nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Eine gerichtliche Verfügung betreffend die Übersendung des Einstellungsbeschlusses an die Beteiligten enthält die Gerichtsakte nicht.
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Veranlasst durch krankheitsbedingte Personalengpässe und mehrere Hundert NC-Verfahrenseingänge binnen weniger Wochen ist es auf der Serviceeinheit bzw. Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts zu einem Bearbeitungsstau gekommen. Aus diesem Grund sind Antragsschrift, Rücknahmeerklärung und Einstellungsbeschluss erst unter dem 12. April 2010 an den Antragsgegner übersandt worden.
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Bereits zuvor ist der Kammervorsitzende beim Verwaltungsgericht – ausweislich des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 21. März 2011 – mit der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners „übereingekommen, ihr vorab einen Ausdruck der NC-Verfahrenseingänge aus dem Prozessregister des Gerichts zur Verfügung zu stellen“. In diese Liste waren zwischenzeitliche Antragsrücknahmen mangels Bearbeitung in der Serviceeinheit nicht eingetragen. Ein Ausdruck der Liste befindet sich nicht bei der Gerichtsakte bzw. Generalakte. Mit einer bei der Generalakte befindlichen ausgedruckten E-Mail vom 18. November 2009 hat sich die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners für die Übersendung der Liste bedankt. Mit am 04. Dezember 2009 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners dessen Vertretung angezeigt und die Zurückweisung des Antrags beantragt.
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Am 07. Mai 2010 hat die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners beim Verwaltungsgericht einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt und den festzusetzenden Betrag mit 489,45 EUR beziffert. Entsprechend hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09. Juni 2010 die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten festgesetzt. Nach Zustellung des Beschlusses am 15. Juni 2010 hat die Antragstellerin am 18. Juni 2010 Erinnerung gegen denselben eingelegt. Mit dem vorliegend angefochtenen Beschluss vom 21. März 2011 hat das Verwaltungsgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Der Beschluss ist der Antragstellerin am 04. April 2011 zugestellt worden. Am 06. April 2011 hat sie gegen ihn Beschwerde eingelegt.
II.
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Die Beschwerde, über die der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern entscheidet (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 09.11.2007 – 1 O 121/07 –, juris; VGH Mannheim, Beschl. v. 06.11.2008 – NC 9 S 2614/08 –, juris, m. w. N.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.06.2007 – 2 OA 433/07 –, NVwZ-RR 2007, 816 – zitiert nach juris), hat Erfolg. Sie ist ebenso zulässig und begründet wie die mit ihr weiter verfolgte Erinnerung; infolgedessen ist der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts aufzuheben sowie der Kostenfestsetzungsantrag des Antragsgegners zurückzuweisen.
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Die fristgerecht erhobene Beschwerde (§§ 146, 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 21. März 2011 ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist der Beschwerdewert von 200 EURO (§ 146 Abs. 3 VwGO) erreicht. Auch wenn insoweit in der Beschwerdebegründung teilweise missverständliche Ausführungen enthalten sind, ist unzweifelhafter Gegenstand des Beschwerde- und Erinnerungsverfahrens der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09. Juni 2010 und nicht etwa die unanfechtbare (vgl. § 158 Abs. 2 VwGO) Kostenentscheidung im Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2009.
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Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 09. Juni 2010 zu Unrecht zurückgewiesen. Die nach den §§ 164, 165 und 151 VwGO zulässige – insbesondere fristgemäß erhobene – Erinnerung ist begründet, die geltend gemachte Verfahrensgebühr zuzüglich Nebenkosten und Steuern vorliegend nicht erstattungsfähig.
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Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO – wie es auch § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für den Zivilprozess vorschreibt – sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Das Gesetz sieht weder nach seinem eindeutigen Wortlaut und seiner Systematik noch nach Sinn und Zweck der getroffenen Regelung vor, dass bei der Kostenfestsetzung die Notwendigkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts geprüft und zum Maßstab für die Erstattungsfähigkeit der Kosten gemacht wird. Nur für die Erstattungsfähigkeit von Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten im Vorverfahren sieht § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO eine Notwendigkeitsprüfung durch das Gericht vor. Diese Sonderstellung der Rechtsanwälte liegt begründet in dem Interesse der Rechtspflege an der Vertretung der Beteiligten durch die hierzu nach § 3 Abs. 1 BRAO besonders berufenen Personen. § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO gilt auch zu Gunsten von Behörden als Beteiligte eines Verwaltungsprozesses. Auch sie können sich im Prozess durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, dessen Gebühren und Auslagen dann ohne Weiteres erstattungsfähig sind. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Behörde selbst über eigene juristisch geschulte Bedienstete verfügt, die den Prozess für sie hätten führen können (vgl. zum Ganzen VGH Mannheim, Beschl. v. 02.08.2006 – NC 9 S 76/06 –, NVwZ 2006, 1300 – zitiert nach juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 01.02.2006 – OVG 1 K 72.05 –, NVwZ 2006, 713 – zitiert nach juris; VG Sigmaringen, Beschl. v. 17.04.2008 – 6 K 151/08 –, juris; Beschl. v. 19.04.2006 – NC 6 K 715/05 –, juris; VG Hannover, Beschl. v. 26.11.2007 – 8 C 4505/07 –, juris).
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Nur in restriktiv zu behandelnden Ausnahmefällen findet trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts eine Kostenerstattung nicht statt. Dies gilt etwa bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten (Verstoß gegen Treu und Glauben) sowie bei einem offensichtlichen Verstoß gegen den das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, und wird von der Rechtsprechung insbesondere auch für den Fall angenommen, dass die anwaltliche Vertretung für die Partei in dem konkreten Verfahren offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen, etwa wenn die Vertretungsanzeige erst nach unstreitig eingetretener objektiver Erledigung der Hauptsache erfolgt, obwohl nur noch die Abgabe entsprechender prozessualer Erklärungen durch die hinsichtlich der zu erwartenden Kostenentscheidung kundigen Beteiligten aussteht (vgl. zum Ganzen VGH Mannheim, Beschl. v. 02.08.2006 – NC 9 S 76/06 –, a. a. O.; Beschl. v. 28.02.1991 – NC 9 S 98/90 –, NVwZ 1992, 388 – zitiert nach juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.09.2009 – 2 OA 302/09 –, juris; Beschl. v. 15.08.2003 – 2 OA 117/03 –, NVwZ-RR 2004, 155 – zitiert nach juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.03.2010 – OVG 1 K 8.10 –, juris; Beschl. v. 24.04.2009 – OVG 1 K 17.08 –, juris; Beschl. v. 01.02.2006 – OVG 1 K 72.05 –, NVwZ 2006, 713 – zitiert nach juris; OVG A-Stadt, Beschl. v. 12.06.2007 – 3 So 173/05 –, NVwZ-RR 2007, 825 – zitiert nach juris; VG Sigmaringen, Beschl. v. 17.04.2008 – 6 K 151/08 –, juris; VG Berlin, Beschl. v. 16.06.2010 – 14 KE 2.05 –, juris; Beschl. v. 28.06.2005 – 14 KE 29.05 –, juris). Insoweit fließt auch der Aspekt der Notwendigkeit im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO in die Auslegung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO wieder mit ein (OVG Berlin, Beschl. v. 07.02.2001 – 3 K 17/00 –, NVwZ-RR 2001, 613; Beschl. v. 04.01.2001 – 3 K 9/00 –, NVwZ-RR 2001, 614; VG Sigmaringen, Beschl. v. 17.04.2008 – 6 K 151/08 –, juris; Beschl. v. 19.04.2006 – NC 6 K 715/05 –, juris).
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Es ist dabei für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit nicht maßgeblich, ob der Prozessgegner oder das Gericht die Tätigkeit des bevollmächtigten Anwalts für nutzlos halten, sondern ob sie für die von ihm vertretene Partei in dem konkreten Verfahren von Nutzen ist. Letzteres wird zur Vermeidung eines unangemessenen und vom Gesetz für den Regelfall nicht vorgesehenen Eindringens in das Vertretungsverhältnis vermutet und kann nur dann zur Verhinderung einer rechtsmissbräuchlichen Kostenverursachung verneint werden, wenn nach den äußeren Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem Stand des Streitverfahrens, das Gegenteil offen zutage tritt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.09.2009 – 2 OA 302/09 –, juris; OVG A-Stadt, Beschl. v. 12.06.2007 – 3 So 173/05 –, NVwZ-RR 2007, 825 – zitiert nach juris; VG Sigmaringen, Beschl. v. 17.04.2008 – 6 K 151/08 –, juris; Beschl. v. 19.04.2006 – NC 6 K 715/05 –, juris).
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Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist nach Überzeugung des Senats vorliegend ein Ausnahmefall gegeben, in dem die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners gegen den das Kostenrecht beherrschenden Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, verstoßen hat und für ihn offensichtlich nutzlos sowie objektiv nur dazu angetan war, dem Gegner Kosten zu verursachen. Zu dieser Schlussfolgerung führen den Senat folgende Erwägungen: Die Antragsschrift und der die Antragsrücknahme enthaltende Schriftsatz sind am selben Tag beim Verwaltungsgericht eingegangen, wobei letzterer bereits am Vormittag dort vorgelegen hat. Bei der nach der Prozessordnung (§§ 85 Satz 1, 86 Abs. 4 Satz 3 VwGO; die Vorschriften gelten grundsätzlich auch für das Anordnungsverfahren, vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 123 Rn. 122) vorgesehenen Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts wären beide Schriftsätze deshalb (ebenso wie vermutlich der Einstellungsbeschluss) im ordentlichen Geschäftsgang gleichzeitig alsbald nach ihrem Eingang (bzw. der Beschlussfassung) an die mit einer alle Hochschulzulassungsstreitigkeiten betreffend Human- und Zahnmedizin im Studienjahr 2009/2010 Generalprozessvollmacht – deren Wirksamkeit hier keiner weiteren Erörterung bedarf – ausgestattete Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners zugestellt bzw. übermittelt worden. Dann wäre es für den Antragsgegner bzw. seine Prozessbevollmächtigte offensichtlich gewesen, dass im Verhältnis zur Antragstellerin eine anwaltliche Vertretung objektiv für ihn bzw. ihren Mandanten keinen Nutzen mehr bringen konnte und in dem Verfahren – wenn er nicht ohnehin bereits mit übersandt worden wäre – lediglich noch ein gerichtlicher Einstellungsbeschluss zu erwarten gewesen wäre. Wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter – anders als im Regelfall – gleichzeitig mit der Kenntniserlangung von der Einlegung eines Rechtsbehelfs wusste oder hätte wissen müssen, dass der Rechtsbehelf zurückgenommen worden ist, liegt es auf der Hand bzw. tritt nach den äußeren Umständen des Einzelfalls offen zutage, dass prozessbezogene Tätigkeiten objektiv nicht mehr erforderlich sind und die anwaltliche Vertretung für die Partei in dem betreffenden Verfahren offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan wäre, dem Gegner Kosten zu verursachen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.08.2003 – 2 OA 117/03 –, a. a. O., juris Rn. 7).
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Blendet man im Weiteren nun zunächst aus, dass der Antragsgegner bzw. seine Prozessbevollmächtigte – auf einem von der Prozessordnung nicht vorgesehenen Weg – zwischenzeitlich Kenntnis von dem Eingang des vorliegenden Verfahrens erhalten hat, wäre die Sachlage nicht anders gewesen. Dann hätte der Antragsgegner erstmalig und gleichzeitig – genau wie vorstehend durch die an sich seitens des Gerichts zu erwartende Vorgehensweise, die lediglich durch die damals schwierigen Bedingungen auf der Geschäftsstelle zunächst verhindert worden ist – aufgrund des gerichtlichen Übersendungsschreibens vom 12. April 2010 von Antragstellung und Antragsrücknahme (sowie vom Einstellungsbeschluss) Kenntnis erlangt. Auch zu diesem Zeitpunkt wäre im Sinne der vorstehenden Ausführungen davon auszugehen gewesen, dass eine anwaltliche Vertretung für den Antragsgegner im Verhältnis zur Antragstellerin offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan gewesen wäre, der Gegnerin Kosten zu verursachen.
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Nicht anders verhält es sich unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners seitens des Gerichts nach Absprache mit dem Kammervorsitzenden eine Liste der bis zu dem betreffenden Zeitpunkt – Mitte November – eingegangenen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung übermittelt worden ist, sie dadurch auch Kenntnis vom Eingang des Verfahrens der Antragstellerin erlangt und unter Vertretungsanzeige mit am 04. Dezember 2009 eingegangenem Schriftsatz einen Zurückweisungsantrag gestellt hat. Dieser Sachverhalt rechtfertigt gegenüber dem normalen, vorstehend erörterten Verfahrensgang ebenfalls keinen Kostenerstattungsanspruch des Antragsgegners gegen die Antragstellerin.
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Die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hat sich die entsprechende Kenntnis vom Eingang des Verfahrens nämlich auf einem von der Prozessordnung nicht vorgesehenen Weg verschafft. Die Übersendung eines Ausdrucks der NC-Verfahrenseingänge aus dem Prozessregister des Gerichts kann offensichtlich nicht der Antragszustellung nach Maßgabe von § 85 Satz 1 VwGO gleichgestellt bzw. zugerechnet werden. Da sich die betreffende Liste auf die Dokumentation des Eingangs der einzelnen Verfahren beschränkte, waren ihr keine Informationen zum Fortgang der Verfahren nach dem Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht zu entnehmen. Insbesondere mussten ihr dabei bereits vorliegende Antragsrücknahmen – wie hier – verborgen bleiben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erstellung der Liste – Mitte November 2009 – etwa wegen zwischenzeitlich im Nachrückverfahren vergebener Studienplätze eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit bestand, dass es zumindest schon vereinzelt zu Antragsrücknahmen gekommen war. Wenn die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners in dieser Situation ausschließlich gestützt auf die übermittelte, den Verfahrensstand nicht dokumentierende Eingangsliste flächendeckend in allen Verfahren schriftsätzliche Vertretungsanzeigen und Zurückweisungsanträge an das Verwaltungsgericht übersandt hat, musste sie folglich Gefahr laufen, dies auch in Verfahren zu tun, in denen hierfür – wie vorliegend – objektiv wegen zwischenzeitlicher Antragsrücknahme keine Veranlassung bestand, bzw. dies für den Antragsgegner bei objektiver Betrachtung nutzlos war. Dieses Risiko kann nicht der Antragstellerin zugerechnet werden, die für diesen Verfahrensverlauf keine Veranlassung gegeben hat. Das Risiko der objektiv nutzlosen anwaltlichen Vertretung fällt vielmehr unter den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls in die Sphäre des Antragsgegners. Dessen Prozessbevollmächtigte hat sich für die Beurteilung der Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung auf eine Verfahrenseingangsliste verlassen, die von der maßgeblichen Prozessordnung schon nicht vorgesehen ist und diese Beurteilung gerade nicht in allen Verfahren in hinreichender Weise ermöglichte. Sie hat gewissermaßen den „normalen Verfahrensweg“ wie vorstehend beschrieben ohne beachtlichen Grund „verlassen“. Das aus einer flächendeckend erfolgten Vertretungsanzeige samt Zurückweisungsantrag folgende Risiko, auch einzelne Verfahren zu erfassen, in denen insoweit keinerlei entsprechende Notwendigkeit bestand bzw. anzuerkennen war, hat die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners nach Lage der Dinge offensichtlich billigend in Kauf genommen bzw. auch in diesen Fällen die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung gewissermaßen „ins Blaue hinein“ bejaht. Diesem Risiko hätte sie im Sinne einer Obliegenheit ohne Weiteres entgehen können, wenn sie ausdrücklich nach etwaigen zwischenzeitlichen Antragsrücknahmen gefragt hätte.
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Die vom Senat vorgenommene Risikozuweisung findet ihre Rechtfertigung zudem auch in folgenden Überlegungen: Auch wenn nachvollzogen werden kann, dass die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners die damalige Situation im Verwaltungsgericht als misslich empfunden haben mag, ist doch in keiner Weise ersichtlich, dass der Antragsgegner oder seine Prozessbevollmächtigte zur Rechtswahrung, sei es in materieller oder in prozessualer Hinsicht, auf die mit dem Gericht vereinbarte Übersendung einer Verfahrenseingangsliste angewiesen gewesen wäre. Weder ist insoweit für den Antragsgegner ein beachtlicher rechtlicher Vorteil erkennbar noch gar ein rechtlicher Nachteil oder gar Rechtsverlust zu befürchten gewesen (vgl. zur Beachtlichkeit dieses Gesichtspunktes VG Sigmaringen, Beschl. v. 19.04.2006 – NC 6 K 715/05 –, juris), wenn er die später dann im normalen Geschäftsgang erfolgte Übersendung der Antragsschrift zugleich mit der Antragsrücknahme abgewartet hätte. Dies gilt etwa für seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Auf der Basis der betreffenden Liste war ihm zudem auch keine auf den Antragstellervortrag in den einzelnen Verfahren bezogene differenzierte Stellungnahme möglich. Anhaltspunkte für ein Bedürfnis des Antragsgegners zur vorsorglichen Wahrnehmung von Rechten mit Hilfe anwaltlicher Vertretung bestehen im Verhältnis zur Antragstellerin nicht.
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Demzufolge bleibt als plausible Erklärung für die auf die übersandte Liste gestützte Vertretungsanzeige und den Zurückweisungsantrag nur die Annahme, dass die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners damit Gebühreninteressen verfolgt hat, was letztlich in den Verfahren, in denen später die Antragszustellung erfolgte und der jeweilige Antrag aufrecht erhalten oder eine Antragsrücknahme erst nach erfolgter Zustellung erklärt worden ist, grundsätzlich legitim war, im vorliegenden Verfahren jedoch ausnahmsweise nicht.
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An dieser Beurteilung ändert schließlich auch der Sachverhalt nichts, dass die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners bereits im August 2009 beim Verwaltungsgericht eine allgemeine Prozessvollmacht zur Vertretung der Universität Rostock in sämtlichen Hochschulzulassungsstreitigkeiten betreffend die Studiengänge Humanmedizin und Zahnmedizin im Wintersemester 2009/2010 vorgelegt hat. Ungeachtet der Frage nach deren Wirksamkeit – bzw. Relevanz, da diese nach Maßgabe des Übersendungsschreibens vom 14. August 2009 von der „Universität Rostock“, nicht jedoch vom Antragsgegner erteilt worden ist – konnte insoweit nicht etwa eine Vorverlagerung der Entstehung der Kostenerstattungspflicht der jeweiligen Antragsteller/Antragstellerinnen vor den Zeitpunkt der individualisierten Kenntnisnahme des Antragsgegners vom Umstand der Rechtshängigkeit (vgl. § 90 Abs. 1 VwGO) und der damit einhergehenden Begründung eines Bedürfnisses, anwaltliche Hilfe zur Rechtsverteidigung in Anspruch nehmen zu wollen, bewirkt werden. Eine andere Sichtweise wäre mit dem kostenrechtlichen Grundsatz, die Kosten in dem jeweiligen (Verwaltungs-) Streitverfahren so niedrig wie möglich zu halten, nicht vereinbar. Die im Verhältnis zu den jeweiligen Antragstellern erforderliche individuelle objektive Beurteilung der Notwendigkeit der Rechtsverteidigung mit Hilfe einer Rechtsanwältin setzt die Kenntnis des Antragsgegners von der Rechtshängigkeit des betreffenden Anordnungsantrages voraus. Es liegt auf der Hand, dass der Antragsgegner sich ohne eine solche Kenntnis von der Rechtshängigkeit eines konkreten Anordnungsverfahrens die Frage nach der entsprechenden Notwendigkeit gar nicht stellen konnte. Anderenfalls liefe auch das Kostenminderungsgebot im Falle der Erteilung einer Generalprozessvollmacht wie im vorliegenden Fall leer.
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Welchen objektiven Nutzen die mit Generalprozessvollmacht erfolgte Beauftragung eine Rechtsanwalts in der vorliegenden Situation für den Antragsgegner aus der Sicht eines verständigen Beteiligten gehabt haben soll, ist nicht ersichtlich. Auch eine (organisatorische) „Entlastung“ der Hochschule tritt durch die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts nicht ein, weil nach der Antragsrücknahme keinerlei aktive Prozessführung oder ein sonstiges Tätigwerden durch den Antragsgegner erforderlich war. Zwar mögen durchaus außergerichtliche Kosten des Antragsgegners entstanden sein. Diese Kosten betreffen aber allein das Verhältnis zwischen ihm als Mandanten und der von ihm beauftragten Rechtsanwältin. Aus der Entstehung dieser Kosten kann nicht zugleich auf deren Erstattungsfähigkeit im Verhältnis zum Prozessgegner geschlossen werden. Es steht dem Antragsgegner zwar frei, der von ihm regelmäßig mandatierten Rechtsanwältin Generalprozessvollmacht zu erteilen und die Zustellung aller Eilanträge an diese zu erbitten, ggf. auch mit dem Ziel, jeglicher Befassung mit gerichtlichen Verfahren grundsätzlich enthoben zu sein. Jedoch trägt er in einem solchen Fall die Gefahr dafür, dass von der Generalbevollmächtigung auch Streitverfahren erfasst werden, die nur unter Verstoß gegen die Kostenminderungspflicht einem Anwalt übertragen werden können. Er kann sich seiner Verpflichtung zur Geringhaltung der Kosten im Einzelfall nicht dadurch entziehen, dass er vorab die Bearbeitung auch solcher Verfahren einer Anwältin überlässt, in denen kein Anlass zum Tätigwerden besteht (vgl. zum Ganzen VG Sigmaringen, Beschl. v. 19.04.2006 – NC 6 K 715/05 –, juris; OVG Berlin, Beschluss vom 04.01.2001 – 3 K 9/00 –, NVwZ-RR 2001, 614; vgl. auch VG Berlin, Beschl. v. 28.06.2005 – 14 KE 29.05 –, juris;).
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Im Ergebnis der vorstehenden Gesamtbetrachtung steht deshalb im Sinne einer besonderen Ausnahme die Bewertung, dass die anwaltliche Vertretung für den Antragsgegner durch seine Prozessbevollmächtigte im Verhältnis zur Antragstellerin insgesamt offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan gewesen ist, letzterer Kosten zu verursachen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Hinweis:
- 22
Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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