Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 L 154/10

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin – 6. Kammer – vom 23. April 2010 wird teilweise geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 16.01.2007 wird auch aufgehoben, soweit ein Betrag in Höhe von 22.725,46 Euro betroffen ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für die zweite Instanz auf 22.725,46 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Es geht um einen Bescheid des Beklagten, durch den ein Zuwendungsbescheid teilweise widerrufen und ein Teil der ausgezahlten Beträge zurückgefordert sowie Zinsen in Höhe von 22.725,46 Euro für „vorfristigen Mittelabruf“ geltend gemacht wurden. Diese Zinsforderungen beziehen sich nach der Anlage zu dem Bescheid auf Ausgaben, die in der Zeit bis (spätestens) April 2000 getätigt worden waren.

2

Das Verwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben; insoweit ist das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten worden. Bezüglich der genannten Zinsforderungen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

3

Dem von der Klägerin gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat durch Beschluss vom 15.06.2011 entsprochen.

4

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

5

die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 16.01.2007 auch aufzuheben, soweit ein Betrag in Höhe von 22.725,46 Euro betroffen ist.

6

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

7

die Berufung zurückzuweisen.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

10

Der Senat entscheidet über sie gemäß § 130 a VwGO durch Beschluss, da er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

11

Der angefochtene Bescheid ist auch rechtswidrig, soweit das Verwaltungsgericht ihn nicht aufgehoben hat; auch insoweit ist die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in dem Bescheid vom 16.01.2007 geltend gemachten und im Berufungsverfahren nur noch streitigen Zinsforderungen sind verjährt.

12

Die Verjährung richtet sich nach den vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 geltenden Bestimmungen. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 4 des Art. 229 EG BGB, der folgendermaßen lautet:

13

Ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung kürzer als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, so wird die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet. Läuft jedoch die im Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmte längere Frist früher als die im Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit diesem Tag geltenden Fassung bestimmten Frist ab, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der im Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmten Frist vollendet.

14

Im vorliegenden Verfahren ist der zweite Satz der zitierten Regelung einschlägig.

15

Zinsansprüche aus § 49 a Abs. 4 VwVfG M-V verjähren nach neuem Recht gemäß § 195 BGB in 3 Jahren. Nach dieser Vorschrift beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Eine Bestimmung, die eine davon abweichende (spezielle) Regelung treffen würde, ist hier nicht in Betracht zu ziehen. Insoweit bedarf es keiner weiteren Ausführungen, da auch der Beklagte ersichtlich von einer 3-jährigen Verjährungsfrist ausgeht (siehe Schriftsatz vom 16.11.2011). Nach altem Recht verjährten Zinsansprüche aus § 49 a Abs. 4 VwVfG M-V demgegenüber gemäß § 197 BGB a.F. in vier Jahren (vgl. Urt. des Senats vom 9.02.2005 - 2 L 66/03 -, Rn. 20 ff., zit. nach juris). An dieser Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten im Schriftsatz vom 16.03.2011 angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fest, in der es jedoch nicht um die Verjährungsfrist bei Zinsforderungen, sondern etwa um die Rückforderung von überzahlter Besoldung (2 C 14/81) bzw. um Beiträge zum Absatzfonds (2 C 86/82) geht.

16

Der Beginn der Verjährung richtete sich nach altem Recht nach § 198 Satz 1 BGB a.F. Danach beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs. Der Verjährungsbeginn im Sinne dieser Vorschrift knüpft nur an die objektive Entstehung des Anspruchs an und hängt nicht davon ab, dass der Berechtigte vom Bestehen des Anspruchs Kenntnis hat oder haben konnte (vgl. BGH, Urt. vom 1.02.1994 - VI ZR 229/92 -, Rn. 21 m.w.N., zit. nach juris).

17

Im vorliegenden Fall begann demzufolge die 4-jährige Verjährungsfrist spätestens mit dem Schluss des Jahres (vgl. § 201 BGB a.F.) 2000, so dass sie (spätestens) Ende 2004 abgelaufen war.

18

Die Klägerin hat sich auch auf Verjährung berufen.

19

Dies ist bereits vorprozessual geschehen, nämlich mit Schreiben vom 2.11.2006, in dem es am Ende folgendermaßen heißt:

20

„Wir weisen daher insgesamt die korrigierte Zinsberechnung sowie die Veränderung der gesamten Erstattungsbeträge ausdrücklich zurück. Jedwede Ansprüche aus der verwaltungsmäßigen Prüfung des Verwendungsnachweises sind verjährt.“

21

Wenn der Beklagte mit Schriftsatz vom 25.10.2010 die Auffassung vertritt, die Formulierung der Klägerin sei zu „unpräzise“, um auch auf Ansprüche nach § 49 a Abs. 4 VwVfG M-V bezogen zu werden, so trifft dies nicht zu. In dem Schreiben der Klägerin sowie in dem Schreiben des Beklagten vom 28.09.2006, auf das die Klägerin reagiert hat, ging es auch und insbesondere um die vom Beklagten geltend gemachten Zinsansprüche. Der Beklagte gibt auch keine plausible Erklärung dafür, warum die Klägerin die Verjährungseinrede nur partiell hätte erheben sollen. Dass die schon damals anwaltlich vertretene Klägerin sich lediglich verschrieben und tatsächlich nur den Ablauf der Jahresfrist nach §§ 49 Abs. 3, 48 Abs. 4 VwVfG gemeint hätte, kann nicht unterstellt werden. In dem Schreiben vom 2.11.2006 geht es zwar auch um die Jahresfrist, insoweit verwendet die Klägerin aber den Begriff „Verfristung.“

22

Außerdem hat die Klägerin sich in zweiter Instanz auf Verjährung berufen. Es ist nicht ersichtlich, dass sie die Einrede jetzt nicht mehr erheben können sollte.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 711 ZPO und die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 3 GKG.

24

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen