Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 11 B 789/14.A
Tenor
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 11. September 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Die von der Antragsgegnerin nach den §§ 165, 151 VwGO beantragte Entscheidung des Gerichts (Kostenerinnerung), über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hat, nachdem er auch die dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde liegende Kostenentscheidung in entsprechender Besetzung getroffen hatte,
3vgl. hierzu etwa Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 20. Auflage 2014, § 165 Rn. 3, m. w. N.,
4hat keinen Erfolg.
51. Die Erinnerung ist statthaft. Sie ist nicht gemäß § 80 AsylVfG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift können Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Dieser Rechtsmittelausschluss erfasst sämtliche unselbständigen und selbständigen Nebenverfahren.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. September 2014 - 11 E 909/14.A -, juris, m. w. N.
7Dies gilt aber nicht für das Erinnerungsverfahren. Zwar schließt nach dem Willen des Gesetzgebers § 80 AsylVfG „die Beschwerde gegen Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz generell aus; ausgenommen bleibt lediglich die revisionsrechtliche Nichtzulassungsbeschwerde. Der Rechtsmittelausschluß erstreckt sich auf sämtliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, aber auch sonstige Nebenverfahren (z. B. Prozeßkostenhilfe, Kostenangelegenheiten)“.
8Vgl. zum Entwurf des § 78 AsylVfG-E - später § 80 AsylVfG -: BT-Drucks. 10/2062, S. 42.
9Unbeschadet des Umstandes, dass hiernach auch in „Kostenangelegenheiten“ die Beschwerde ausgeschlossen sein soll, handelt es sich bei der vorliegenden Kostenerinnerung schon nicht um eine „Beschwerde“ im Rechtssinn, weil § 165 Satz 2 VwGO über die Verweisung auf § 151 VwGO und die dort in Satz 1 geregelte Möglichkeit, eine Entscheidung des Gerichts zu beantragen, und die in Satz 3 der vorgenannten Norm angeordnete entsprechende Geltung der für Beschwerden maßgeblichen Bestimmungen §§ 147 bis 149 VwGO nur die analoge Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Beschwerderechts regelt.
10Zudem ist mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Bestimmung des § 80 AsylVfG nur deshalb verfassungsgemäß, weil sich bereits eine gerichtliche Instanz mit der Sache befasst, eine Sachentscheidung getroffen hat und ein Instanzenzug von Art. 19 Abs. 4 GG nicht gefordert wird.
11Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2001 ‑ 2 BvR 2967/00 -, juris, Rn. 3 f.
12Die Kostenerinnerung richtet sich aber nicht gegen eine richterliche Sachentscheidung, sondern gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, der vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle getroffen worden ist. Eine richterliche Entscheidung liegt also insoweit (noch) gar nicht vor. Daher bezieht sich der Ausschluss nicht auf Erinnerungsverfahren gegen die nichtrichterlichen Entscheidungen des Urkundsbeamten.
13Vgl. hierzu auch Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetzes (GK - AsylVfG), Loseblattkommentar, Band 3, Stand: Juni 2014, § 80 Rn. 11, m. w. N.; a. A. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25. November 1993 - A 16 S 2045/92 -, juris; VG Würzburg, Beschluss vom 5. Juni 2000 – W 2 K 98.30767 -, juris; Reinhard Marx, AsylVfG, Kommentar, 7. Auflage 2009, § 80 Rn. 11.
142. Der zulässige, insbesondere nach den §§ 165 Satz 2, 151 Satz 1 VwGO fristgemäß gestellte Antrag der Antragsgegnerin ist unbegründet.
15Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auf dessen Antrag zu Recht auf 354,92 Euro festgesetzt. Diese geltend gemachten Gebühren und Auslagen des für den Antragsteller im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO tätigen Prozessbevollmächtigten sind erstattungsfähig.
16a) Die §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG stehen der Geltendmachung der Kosten nicht entgegen. Danach kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern (§ 15 Abs. 2 RVG); dieselbe Angelegenheit sind das Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und das Verfahren auf dessen Abänderung (§ 16 Nr. 5 RVG). Die Antragsgegnerin geht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
17- vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 31. März 2014 ‑ 2 MC 310/13 -, unter Hinweis auf Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, Kommentar, 21. Auflage 2013, § 15 Rn. 21 -
18selbst davon aus, dass dem Gebührenanspruch des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, der für diesen im Abänderungsverfahren erstmals tätig geworden ist, § 15 Abs. 2 RVG nicht entgegensteht, sondern dieser vielmehr grundsätzlich als „neuer“ Rechtsanwalt dieselben Gebühren und Auslagen (nochmals) fordern kann, die der den Antragsteller in derselben Angelegenheit im Sinne des § 16 Nr. 5 RVG, nämlich im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO, vertretende Anwalt gefordert hat bzw. hätte fordern können.
19b) Dem danach entstandenen Erstattungsanspruch kann die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO entgegenhalten. Ob diese Vorschrift gemäß § 173 Satz 1 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechende Anwendung findet,
20vgl. zur entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO: Olbertz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblattkommentar, Band 2, Stand: März 2014, § 162 Rn. 53 f., m. w. N; an anderer Stelle wird allerdings wegen des in der Regelung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO zum Ausdruck gekommenen bewussten Verzichts des Gesetzgebers auf vergleichbare Beschränkungen im Verwaltungsprozess auf die Unanwendbarkeit des § 91 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ZPO hingewiesen: Meissner, in Schoch/Schneider/Bier, a. a. O., § 173 Rn. 127; vgl. zur Unanwendbarkeit des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO: BVerwG, Beschluss vom 11. September 2007 - 9 KSt 5.07 u. a. -, NJW 2007, 3656 = juris, Rn. 3,
21bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil der Gebührenanspruch des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auch bei entsprechender Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht verneint werden kann. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten mehrerer Anwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Allerdings stellt § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Erstattungsfähigkeit nur dann in Frage, wenn ein Anwaltswechsel innerprozessual vollzogen worden ist; nur in diesem Fall ist zu prüfen, ob die Beauftragung eines neuen Anwalts aus übergeordneten Gründen erforderlich war.
22Vgl. hierzu OLG Koblenz, Beschlüsse vom 17. Oktober 2008 - 14 W 625/08 -, juris, Rn. 8, und vom 20. August 2008 - 14 W 524/08 -, juris, Rn. 3; OLG München, Beschluss vom 25. November 2008 - 11 W 2558/08 -, NJW 2009, 1220 = juris, Rn. 8, m. w. N.; FG Köln, 7. August 2012 ‑ 10 Ko 3640/11 -, juris, Rn. 25, unter Hinweis auf die vorgenannte zivilrechtliche Rechtsprechung; SG Frankfurt, Beschluss vom 19. Juni 2013 - S 7 SF 185/13 E -, juris, Rn. 8, m. w. N.; Jasperen/Wache, in: BeckOK, ZPO, § 91 Rn. 177.
23An einem innerprozessualen Anwaltswechsel fehlt es hier. Der Antragsteller hat den Rechtsanwalt nicht im Laufe des Ausgangsverfahrens gewechselt, sondern erst vor Beginn des Abänderungsverfahrens. Das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist aber ein gegenüber dem Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung im Ausgangsverfahren, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft ist.
24Vgl. hierzu Kopp/Schenke, a. a. O., § 80 Rn. 199, m. w. N.; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, a. a. O., Band 1, § 80 Rn. 548, m. w. N.; Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 4. Auflage 2014, § 80 Rn. 183.
25Mit Blick darauf folgt der Senat auch der Rechtsauffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in der bereits oben zitierten und von der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Kostenerinnerung herangezogenen Entscheidung insoweit nicht. Die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zur Begründung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO herangezogene zivilrechtliche Rechtsprechung verhält sich nämlich insgesamt zu Sachverhalten, denen ‑ anders als hier - jeweils ein innerprozessualer Anwaltswechsel zugrunde lag.
26Vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 - XII ZB 183/11 -, MDR 2012, 1436 = juris, zu einem von einer Rechtsanwältin begonnenen Rechtsstreit, der nach der Rückgabe ihrer Zulassung von einem anderen Rechtsanwalt weitergeführt wurde; OLG Köln, Beschlüsse vom 10. Dezember 2012 - I-17 W 109/12 u. a. -, juris, zu einem Anwaltswechsel nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens und vor Durchführung des Hauptsacheverfahrens, wobei aber - anderes als in den Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 80 Abs. 7 VwGO - „über die Kosten einheitlich im Hauptsacheverfahren“ nach den §§ 91 ff. ZPO „zu entscheiden ist“, und vom 24. September 2010 - I-17 W 190/10 u. a ‑, juris, zu einem Anwaltswechsel während des Ruhens des Verfahrens gemäß § 251 ZPO.
27Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.
28Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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