Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 2162/12
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der 1972 geborene Kläger steht seit dem 1. April 2008 als Polizeiarzt im Dienst des beklagten Landes, wo er beim Polizeipräsidium (PP) L. eingesetzt wird. Am 11. September 2008 wurde seine Tochter H. geboren. Zum 2. April 2009 erfolgte die Ernennung auf Lebenszeit im Amt eines Regierungsmedizinalrats. Für den Zeitraum 11. August 2009 bis 28. Februar 2010 wurde dem Kläger auf seine Anträge Elternzeit bewilligt. Am 12. Juli 2010 kam seine zweite Tochter D. zur Welt. Wiederum bewilligte das PP L. antragsgemäß Elternzeit, nun für den Zeitraum vom 11. Juli 2011 bis einschließlich 10. Juli 2013. Mit Urkunde vom 19. August 2011 wurde der Kläger zum Oberregierungsmedizinalrat ernannt.
3Das Innenministerium NRW bat das PP L. mit Schreiben vom 19. Oktober 2011 unter Bezugnahme auf ein früheres Schreiben vom 17. August 2011, die Besetzung der Stelle eines Polizeiarztes beim PP L. mit Herrn Dr. T. als Regierungsmedizinalrat unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum 1. März 2012 einzuleiten und Dr. T. für den Monat März 2012 vom PP L. zum Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP), Außenstelle Polizeiärztlicher Dienst E. , abzuordnen. Nach den Angaben des Innenministeriums hatte sich Dr. T. auf eine Stellenausschreibung im Deutschen Ärzteblatt beworben, das Auswahlverfahren durchlaufen und nach dessen erfolgreichem Abschluss eine Einstellungszusage erhalten (Schreiben vom 22. Dezember 2011).
4Ebenfalls mit Schreiben vom 19. Oktober 2011 beantragte der Kläger während eines stationären Krankenhausaufenthalts beim PP L. , die Zustimmung zur vorzeitigen Beendigung der Elternzeit zu erteilen. Er machte geltend, die Betreuungsarbeit sei ihm wegen des Eintritts einer schweren Krankheit nicht möglich; eine ärztliche Bescheinigung hierüber reiche er in Kürze nach.
5Diesen Antrag lehnte das PP L. mit Schreiben vom 10. November 2011 unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 (richtig: Abs. 3) Satz 1 der Elternzeitverordnung NRW vom 1. April 2008 (GV. NRW. S. 370, im Folgenden: EZVO) ab: Es komme nicht darauf an, ob die Voraussetzungen eines Härtefalles im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 3 BEEG (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BEEG a.F.) gegeben seien, denn jedenfalls lägen dringende dienstliche Gründe vor, aus denen die vorzeitige Beendigung der Elternzeit abgelehnt werden könne. Dringende dienstliche Gründe in diesem Sinne stellten beispielsweise personalwirtschaftliche oder fiskalische Belange dar. Mit Blick auf die Dauer der Elternzeit bis zum 10. Juli 2013 seien zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes beim örtlichen polizeilichen Dienst Dispositionen getroffen worden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Es sei bereits eine verbindliche Einstellungszusage erteilt worden, um den Personalausfall durch die Elternzeit des Klägers auszugleichen. Eine weitere Verwendungsmöglichkeit für einen Arzt stehe nicht zur Verfügung.
6Am 11. November 2011 ging beim PP L. eine ärztliche Bescheinigung des Universitätsklinikums L. vom 8. November 2011 ein, nach der der Kläger sich dort vom 11. bis 22. Oktober 2011 in stationärer Behandlung der Klinik II für Innere Medizin befunden habe. Wegen seiner Erkrankung sei es ihm nicht möglich, die Betreuung seiner Kinder zu gewährleisten oder die Elternzeit wahrzunehmen. Weitere Angaben enthielt die Bescheinigung nicht.
7Weiter wurde für den Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Erstbescheinigung - für den Zeitraum 25. Oktober 2011 bis 11. November 2011 ausgestellt. Der Grund für die Arbeitsunfähigkeit war darin nicht genannt.
8Am 9. Dezember 2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er zunächst die Neubescheidung seines Antrages vom 19. Oktober 2011 auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erstrebt hat.
9Mit der Klageschrift hat er einen vorläufigen Arztbrief der Uniklinik L. - Klinik II für Innere Medizin - vom 21. November 2011 vorgelegt. Danach habe er sich mit einem klinisch schwer einzuordnenden Beschwerdebild präsentiert. Bei Entlassung hätten folgende Beschwerden im Vordergrund gestanden: Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Phasen der Adynamie (Abgeschlagenheit, Schläfrigkeit, verminderte körperliche Belastbarkeit).
10Beigefügt war ein namentlich nicht gezeichneter „Vermerk“, wonach „ein Härtefall im Sinne des Gesetzes“ vorliege, da eine Kinderbetreuung aufgrund sechs im Einzelnen benannter Erkrankungen nicht zu leisten sei. Zusammenfassend sprächen diese Befunde für ein sehr wahrscheinlich bereits länger bestehendes Burn-Out-Syndrom, welches durch einen Virusinfekt zur Dekompensation geführt habe. Die stationäre Aufnahme am 11. Oktober 2011 sei über den Rettungsdienst im Zustand der psycho-vegetativen Erschöpfung erfolgt.
11Ergänzend hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Innere Medizin Priv.-Dozent Dr. B. (Uniklinik L. ) vom 13. Februar 2012 vorgelegt, nach der zwischen Juli und Dezember 2011 Symptome einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (ICD 10: F 32.2) unter einem vorwiegend agitierten, angstgestörten Bild vorgelegen hätten. Am 9. Februar „2011“ (richtig offenbar: 2012) habe der Kläger geschildert, dass sich seine Symptomatik in den letzten 14 Tagen deutlich zurückgebildet habe, so dass er wahrscheinlich ab Anfang März (2012) seinen Aufgaben und Pflichten als Vater im Rahmen der Elternzeit wieder nachkommen könne.
12Tatsächlich hat der Kläger nach seinen Angaben jedenfalls ab April 2012 wieder die Betreuung seiner Kinder übernommen.
13In rechtlicher Hinsicht hat der Kläger vorgetragen, seinem Begehren auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit stehe ein dienstliches Bedürfnis nicht entgegen. Dr. T. sei nicht zu seiner Vertretung während der Elternzeit eingestellt worden, sondern erst ab März 2012 unter Besetzung einer freien Planstelle, die keinen Bezug zu der Elternzeit aufweise. Dies gehe schon daraus hervor, dass diese bereits am 12. (richtig: 11.) Juli 2011 begonnen habe. Zur Vertretung habe das PP L. bereits ab 15. August 2011 einen befristeten Vertretervertrag mit dem niedergelassenen Arzt Dr. C. abgeschlossen.
14In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger die Klage mit Blick auf die von ihm inzwischen tatsächlich wieder wahrgenommene Kinderbetreuung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt und beantragt,
15festzustellen, dass die im Bescheid des Polizeipräsidiums L. vom 10. November 2011 vorgenommene Ablehnung seines Antrags vom 19. Oktober 2011 auf vorzeitige Beendigung der für den Zeitraum 12. Juli 2011 bis 12. Juli 2013 (richtig: 11. Juli 2011 bis 10. Juli 2013) bewilligten Elternzeit rechtswidrig war.
16Das beklagte Land hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Es hat vorgetragen, aus dem vom Kläger vorgelegten vorläufigen Arztbrief sei eine schwere Erkrankung nicht abzuleiten. Die dortigen Diagnosen bewegten sich im Bereich von banalen gesundheitlichen Störungen oder Normveränderungen ohne Krankheitswert, die in wesentlichen Anteilen als nicht akut behandlungsbedürftig beurteilt würden. Selbst wenn aber eine schwere Erkrankung und damit ein besonderer Härtefall im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 3 BEEG (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BEEG a.F.) unterstellt werde, überwiege das Interesse des Beklagten an der Ablehnung des Antrags. Der vorzeitigen Beendigung der Elternzeit stünden dringende dienstliche Gründe entgegen. Mit Blick auf den durch die Elternzeit bedingten Ausfall des Klägers sei Dr. T. eine Einstellungszusage zum 1. März 2012 erteilt worden. Die entsprechende Planstelle wäre nicht bereits zu diesem Datum ausgebracht worden, wenn nicht durch die Elternzeit des Klägers die fiskalischen Mittel hierfür zur Verfügung gestanden hätten. Zutreffend sei allerdings, dass zur Unterstützung des Polizeiärztlichen Dienstes regelmäßig sog. Vertragsärzte herangezogen würden, die aber lediglich bestimmte Dienstleistungen erbrächten, die nach den einschlägigen Gebührenordnungen abgerechnet würden. Den Aufgabenkreis eines Polizeiarztes könne dieser Personenkreis nicht abdecken. Dr. C. sei im Zeitraum 15. August 2011 bis 29. Februar 2012 auf der Grundlage einer durch das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW erteilten Ausnahmegenehmigung ausschließlich für die Durchführung von Kraftfahrzeugtauglichkeitsuntersuchungen (KTU) herangezogen worden. Obwohl Anlass für seine vertragliche Verpflichtung auch der Ausfall des Klägers gewesen sei, habe er diesen nicht vertreten, vielmehr seien dessen Aufgaben bis zur Einstellung von Dr. T. von den weiteren Polizeiärzten wahrgenommen worden. Bis zum vorgesehenen Ende der Elternzeit des Klägers zum 10. Juli 2013 sei im gesamten polizeiärztlichen Dienst des Landes NRW keine vakante Stelle als Polizeiarzt vorhanden. Angesichts der überwiegenden dienstlichen Gründe sei das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden.
19Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. August 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig. Das ursprüngliche Klagebegehren habe sich durch die Gesundung des Klägers und die wieder eröffnete Möglichkeit, seine Kinder in vollem Umfang zu betreuen, erledigt. Das besondere Feststellungsinteresse bestehe. Hierfür reiche das Vorbringen des Klägers aus, er wolle durch eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit jedenfalls für den Zeitraum seiner Erkrankung wieder volle Dienstbezüge erhalten. Zwar dürfte es nicht zulässig sein, lediglich die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheides zu verlangen. Lege man das Begehren im Sinne eines Feststellungsantrags aus, dass das PP L. verpflichtet war, die beantragte Zustimmung zu einer vorzeitigen Beendigung der Elternzeit zu erteilen, sei die Klage unbegründet, da die einschlägige Vorschrift des § 3 Abs. 3 EZVO Ermessen einräume. Mit der Fortsetzungsfeststellungsklage könne der Kläger daher nur die Feststellung erreichen, dass die Ablehnung seines Antrages auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit rechtswidrig gewesen und zum Zeitpunkt der Erledigung ein Anspruch auf Neubescheidung bestanden habe. Ein solcher Anspruch habe ihm indessen nicht zugestanden. Er habe schon nicht substantiiert dargelegt und belegt, dass bei ihm „schwerwiegende Gründe“ - etwa im Sinne eines „besonderen Härtefalls“ gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 EZVO - vorlägen. Solche Gründe für einen besonderen Härtefall könnten nur endgültige Ereignisse im Sinne einer Unumkehrbarkeit sein. Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Ereignisse, die es dem Kläger auf Dauer nicht mehr möglich machten, seine Elternzeit fortzuführen, seien seinem Vorbringen und den von ihm vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund sei die Ermessensentscheidung des PP L. nicht zu beanstanden. Es habe eingehend und nachvollziehbar erläutert, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Elternzeit des Klägers bereits personalwirtschaftliche Dispositionen getroffen gewesen seien, die nicht mehr hätten rückgängig gemacht werden können.
20Das Urteil wurde den früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. August 2012 zugestellt. Am 20. September 2012 hat er die Zulassung der Berufung beantragt. Die Begründung des Zulassungsantrages ist am 23. Oktober 2012 eingegangen.
21Mit der vom Senat zugelassenen und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Kläger - mit einer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgenommenen Klarstellung - sein ursprüngliches Klagebegehren weiter. Von der Umstellung auf den Fortsetzungsfeststellungsantrag, die nach seinem Vortrag aufgrund des ausdrücklichen Hinweises und der Aufforderung des erkennenden Richters des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung erfolgt war, ist er wieder abgerückt.
22Er ist der Auffassung, dass ihm die Rückkehr zu dem ursprünglichen Antrag nicht verwehrt sei.
23Zur Begründetheit führt er aus, es habe ein besonderer Härtefall in Form seiner schweren Krankheit vorgelegen. Daher sei der Anspruch auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit gegeben, weil dem Begehren keine dringenden dienstlichen Gründe entgegengestanden hätten. Er sei in der Zeit von Juli 2011 bis März 2012 so schwer erkrankt gewesen, dass er nicht in der Lage gewesen sei, seine Kinder zu betreuen. Bei Antragstellung im Oktober 2011 seien die Dauer der Erkrankung und der Zeitpunkt einer Genesung nicht bestimmt vorhersehbar, jedenfalls aber noch für längere Zeit ausgeschlossen gewesen. Er und seine Familie hätten im Hinblick auf den Betreuungsausfall umdisponieren müssen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts müsse die den besonderen Härtefall begründende Krankheit nur „schwer“ sein, nicht aber die Fortsetzung der Elternzeit „endgültig unmöglich“ machen. Vielmehr reiche es aus, wenn dem betreuenden Elternteil aufgrund einer Erkrankung die Betreuung seiner Kinder für eine erhebliche Zeit seiner Elternzeit unmöglich sei, die Intention der Elternzeit also nicht verwirklicht werden könne. Hiervon gehe auch wie selbstverständlich die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erlassene Richtlinie zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz aus. Bei der gegebenen besonderen Härte habe der Dienstherr den Antrag nur aus dringenden dienstlichen Gründen ablehnen dürfen. Solche Gründe hätten nicht vorgelegen. Es sei fragwürdig, ob die vorgetragene personalwirtschaftliche Entscheidung einen hinreichenden Bezug zu seinem Begehren (des Klägers) aufweise. Letztlich könne sich der Beklagte nur auf fiskalische Gründe stützen, die ihm (dem Kläger) im Rahmen einer Interessenabwägung aber nicht zum Nachteil gereichen könnten. Der Dienstherr könne sich nicht darauf berufen, dass seine personalwirtschaftliche Disposition nicht habe rückgängig gemacht werden können. Diesem hätte die vertragliche Möglichkeit offen gestanden, das Arbeits- oder Dienstverhältnis mit einer Ersatzkraft zu befristen und ggf. zu kündigen.
24Der Kläger beantragt,
25das angefochtene Urteil zu ändern und das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums L. vom 10. November 2011 zu verpflichten, über seinen Antrag vom 19. Oktober 2011 auf vorzeitige Beendigung der für den Zeitraum 11. Juli 2011 bis 10. Juli 2013 bewilligten Elternzeit in Gestalt seiner in der mündlichen Verhandlung erster Instanz vom 1. August 2012 abgegebenen Erklärung, dass er ab April 2012 seine Kinder wieder im Rahmen der bewilligten Elternzeit betreue, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
26Das beklagte Land beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Es ist der Auffassung, der Kläger könne von dem erstinstanzlich gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht zum Verpflichtungsantrag zurückkehren, da dieser über den Feststellungsantrag hinausgehe. Es handele sich um eine Klageänderung, der ausdrücklich widersprochen werde. Im Übrigen sei die Berufung auch nicht begründet, da der vorzeitigen Beendigung der Elternzeit dringende dienstliche Gründe entgegengestanden hätten. Zudem habe der Kläger nach wie vor nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass er infolge seiner Erkrankung nicht imstande gewesen sei, die Elternzeit in Anspruch zu nehmen.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Personalakten des beklagten Landes Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe:
31Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
32I. Die Verpflichtungsklage ist als Bescheidungsklage zulässig.
331. Der Kläger ist an der Weiterverfolgung seines ursprünglichen Verpflichtungsbegehrens nicht deshalb gehindert, weil er die Klage im Verfahren des ersten Rechtszugs auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt hat.
34a) Eine - nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässige - Klageänderung liegt hierin nicht.
35Der Kläger kann - sogar noch im Revisionsverfahren - von einem Fortsetzungsfeststellungsantrag zu seinem ursprünglichen Antrag zurückkehren, ohne dass darin eine Klageänderung liegt, da der Klagegrund derselbe bleibt.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1980 - 6 C 39.80 -, BVerwGE 61, 45, 51; Urteil vom 2. Juli 1982 - 8 C 101.81 -, BVerwGE 66, 75.
37Etwas anderes gilt nur, wenn die Rückkehr zum Verpflichtungsantrag eine wesentliche Erweiterung des zuletzt verfolgten Rechtsschutzziels sowie des sachlichen Streitstoffs und damit eine Klageänderung bedeutet.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1987- 2 C 41.87 -, ZBR 1988, 222.
39Dies ist hier nicht der Fall. Die Feststellung, dass die Ablehnung des Antrages auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit rechtswidrig gewesen sei, und die Verpflichtung zur Neubescheidung dieses Antrages beziehen sich auf denselben sachlichen Streitstoff.
40b) Davon abgesehen wäre eine in der Rückkehr zum ursprünglichen Antrag liegende Klageänderung vorliegend unbeschadet der hierzu nicht erteilten Zustimmung des Beklagten zulässig.
41Eine im Berufungsverfahren ohne Zustimmung der Gegenseite vorgenommene Klageänderung ist zulässig, wenn das Berufungsgericht sie für sachdienlich hält (§ 91 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist hier der Fall.
42Der Senat lässt sich insoweit von folgenden Erwägungen leiten: Die Klage bezieht sich unabhängig von der Fassung des Antrages als Verpflichtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsantrag, wie schon erwähnt, auf denselben Streitstoff. Der mit diesem Streitstoff geführte Rechtsstreit ist auch mit dem Verpflichtungsbegehren entscheidungsreif; mit der gerichtlichen Entscheidung kann der Streit abschließend gewürdigt und damit bereinigt werden. Zudem darf dem Kläger die Verfolgung seines Rechtsschutzzieles nicht dadurch im Ergebnis unmöglich gemacht werden, dass er - wie er unwidersprochen vorgetragen hat - in der mündlichen Verhandlung erster Instanz einem Hinweis des damaligen Einzelrichters gefolgt ist und die Klage daraufhin umgestellt hat.
432. Das Verpflichtungsbegehren selbst ist ebenfalls zulässig. Eine Erledigung der Hauptsache ist nicht eingetreten. Die Verpflichtung des beklagten Landes zur Beendigung der Elternzeit des Klägers oder - wie nunmehr begehrt - zur Neubescheidung seines Antrages ist nach wie vor möglich. Dem steht nicht entgegen, dass der Zweck der Elternzeit, also die Kinderbetreuung unter Freistellung vom Dienst, jedenfalls teilweise nachträglich nicht mehr verwirklicht werden kann. Denn nach dem maßgeblichen Rechtsschutzziel des Klägers geht es nicht um die Nachholung der Kinderbetreuung; vielmehr möchte er (mittelbar) die mit der Elternzeit verbundenen finanziellen Nachteile rückgängig machen, insbesondere die Zahlung eines niedrigeren monatlichen Betrages anstelle der aktiven Dienstbezüge (vgl. § 2 Abs. 1 EZVO, § 2 Abs. 1 BEEG) revidieren. Dies ist auch nach dem Ende der ursprünglich bewilligten Elternzeit uneingeschränkt möglich, indem die Entscheidung über deren Aufhebung nachträglich, also mit Wirkung für die Vergangenheit, getroffen wird.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 A 2282/06 -, juris, Rn. 27 f., m.w.N. zum Widerruf einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge.
45Ausgehend von der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärten Präzisierung des Klagebegehrens müsste das PP L. bei einer erneuten Ausübung seines Ermessens in Betracht ziehen, die Aufhebung der Elternzeit nur für einen Teil des Bewilligungszeitraums auszusprechen. Für die Zeit ab April 2012, in der der Kläger wieder zur Betreuung seiner Kinder in der Lage war und diese tatsächlich betreut hat, wäre die Bewilligung der Elternzeit aufrecht zu erhalten. Die finanziellen Folgen der Elternzeit würden dann nur für den Zeitraum ab der Antragstellung bis Ende März 2012 zu beseitigen sein.
46II. Die Klage ist aber auch mit dem so präzisierten Inhalt nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit, da die bereits getroffene (ablehnende) Entscheidung vom 10. November 2011 rechtmäßig ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO.
471. Auszugehen ist von § 3 Abs. 3 Satz 2 EZVO in der Fassung vom 1. April 2008. Er ermöglichte dem Dienstherrn eine Ablehnung des Antrages auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen eines besonderen Härtefalles gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 BEEG a.F. (in der vom 24. Januar 2009 bis 17. September 2012 gültigen Fassung: § 7 Abs. 2 Satz 3 BEEG) nur dann, wenn der Dienstvorgesetzte diese innerhalb von vier Wochen aus dringenden dienstlichen Gründen schriftlich aussprach.
48Ein besonderer Härtefall i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 3 BEEG a.F. liegt insbesondere bei Eintritt einer schweren Krankheit vor. Mit der Bezugnahme auf seine Erkrankung sowie deren stationäre Behandlung hatte der Kläger einen solchen Härtefall geltend gemacht. Gleichwohl konnte das beklagte Land seiner Entscheidung das Vorliegen eines besonderen Härtefalls nicht zugrunde legen.
49a) Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 2 EZVO i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 3 BEEG a.F. vorliegen, ist auf die dem Dienstherrn innerhalb des Vierwochenzeitraums unterbreiteten Tatsachen und Härtefallgründe abzustellen.
50Das folgt daraus, dass dem Dienstherrn nur innerhalb dieser Frist eine Ablehnung rechtlich möglich war. Traf er bis zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung, so verlor er kraft Gesetzes die Möglichkeit, die vorzeitige Beendigung der Elternzeit abzulehnen, und zwar unabhängig davon, ob dringende dienstliche Gründe für die Ablehnung vorlagen oder nicht.
51Ebenso für § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG (damals noch BErzGG) BAG, Urteil vom 21. April 2009- 9 AZR 391/08 -, BAGE 130, 225 = juris, Rn. 25 und 35.
52Mit dieser zeitlichen Begrenzung der Ablehnungsmöglichkeit wollte die Regelung den Dienstherrn anhalten, die Entscheidung möglichst bald zu treffen. Eine rasche Entscheidung liegt im Interesse des Beamten, der die ihm bewilligte Elternzeit vorzeitig beenden will. Er benötigt baldmöglichst Klarheit, ob seinem Begehren entsprochen wird, damit er sich bei seinen weiteren Dispositionen hierauf einstellen kann.
53Der Pflicht des Dienstherrn zu einer kurzfristigen Entscheidung entspricht spiegelbildlich die Obliegenheit des Beamten, die Tatsachen, aus denen er das Vorliegen eines besonderen Härtefalls herleitet, rechtzeitig vor Ablauf der Vierwochenfrist so vorzutragen und zu belegen, dass der Dienstherr sie bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann. Denn anderenfalls würde diesem zugemutet, die Entscheidung auf einer ungewissen Tatsachengrundlage zu treffen. Er ginge dabei das Risiko ein, dass die Entscheidung einer späteren Überprüfung aufgrund neuer Belege nicht standhielte. Für eine solche einseitige Risikoüberbürdung auf den Dienstherrn bietet die Vorschrift keine Grundlage.
54b) Die Vierwochenfrist beginnt mit dem Eingang des Antrages in der Dienststelle des Dienstvorgesetzten.
55Vgl. zu § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG (BErzG) BAG, a.a.O., Rn. 31.
56Dieser in der Vorschrift nicht ausdrücklich genannte Zeitpunkt liegt schon deshalb nahe, weil die Antragstellung, die rechtlich mit dem Zugang des Antrages in der Dienststelle bewirkt ist (§ 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB), der einzige Anknüpfungspunkt innerhalb des auf die vorzeitige Beendigung der Elternzeit gerichteten Verwaltungsverfahrens ist, der sich eindeutig bestimmen lässt und auf den sich demzufolge alle Verfahrensbeteiligten einstellen können. Wollte man die Frist, wie von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zur Debatte gestellt, erst dann beginnen lassen, wenn die erforderlichen Tatsachen vorgetragen und belegt sind, so trüge dies eine Unsicherheit in das Verfahren, mit der keiner Seite gedient wäre.
57Nicht mit Sinn und Zweck der Vorschrift zu vereinbaren wäre es auch, die Frist erst beginnen zu lassen, nachdem der Dienstherr einen Fall besonderer Härte anerkennt hat, ihm also ab diesem Zeitpunkt weitere vier Wochen als Entscheidungsfrist einzuräumen. Ein solches Hinausschieben des Fristbeginns widerspräche insbesondere dem Interesse des antragstellenden Beamten, der rasch Klarheit benötigt, ob die Elternzeit vorzeitig beendet werden kann oder nicht.
58Wird auf die Antragstellung als Beginn der Frist abgestellt, kann dies allerdings dazu führen, dass der Beamte Schwierigkeiten hat, alle Unterlagen rechtzeitig beizubringen, von denen er sich eine positive Entscheidung über seinen Antrag verspricht. Das ist aber nicht überzubewerten. Denn es steht ihm frei, den Antrag zunächst zurückzustellen und erst in einem Zeitpunkt zu stellen, in dem er sich sicher ist, rechtzeitig in den Besitz der erforderlichen Bescheinigungen zu gelangen. Zudem bleibt es ihm unbenommen, einen zunächst abgelehnten Antrag zu wiederholen und bei der ersten Entscheidung nicht vorhandene Unterlagen nunmehr vorzulegen.
59c) Im Falle des Klägers hätten danach spätestens am 30. November 2011 die erforderlichen Unterlagen beim PP L. vorliegen müssen. Denn sein Antrag ist dort ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Eingangsstempels spätestens am 2. November 2011 eingegangen. Einiges spricht sogar dafür, dass der Eingang bereits am 20. Oktober 2011 erfolgt ist; denn mit diesem Datum befindet sich auf dem Antragsschreiben die Paraphe „Wo“, die nach den Angaben der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einem Mitarbeiter X. des Polizeiärztlichen Dienstes des PP zuzuordnen ist. Indessen bedarf dies keiner Vertiefung, da es sich im Ergebnis nicht auswirkt.
60Am 30. November 2011 gab es für den Polizeipräsidenten keinen Grund, eine schwere Erkrankung des Klägers und damit einen besonderen Härtefall anzunehmen. Die im Klageverfahren eingereichten Unterlagen lagen damals noch nicht vor. Seiner am 10. November 2011 getroffenen Entscheidung konnte der Polizeipräsident allein das Schreiben des Klägers vom 19. Oktober 2011 zugrunde legen, in dem dieser ihn um Zustimmung zur vorzeitigen Beendigung der Elternzeit ersucht und mitgeteilt hatte, die Betreuungsarbeit sei ihm wegen Eintritts einer schweren Krankheit nicht möglich; eine Bescheinigung hierüber reiche er in Kürze nach. Aus diesem Schreiben ließen sich weder Art noch Schwere der Erkrankung entnehmen; somit war dem Polizeipräsidenten als Dienstvorgesetztem die Bejahung eines besonderen Härtefalls unter dem Gesichtspunkt einer schweren Krankheit nicht möglich.
61Nichts anderes ergibt sich, wenn man die von dem Kläger angekündigte ärztliche Bescheinigung in die Betrachtung einbezieht, die am 11. November 2011 eingegangen ist. Aus dieser geht lediglich hervor, der Kläger habe sich vom 11. bis 22. Oktober 2011 in stationärer Behandlung in einer Klinik für Innere Medizin befunden; wegen seiner Erkrankung sei es ihm nicht möglich, die Betreuung seiner Kinder zu gewährleisten oder die Elternzeit wahrzunehmen. Auch hier fehlte es an jeden Angaben über die Art der Erkrankung sowie deren voraussichtliche Dauer und an Darlegungen, inwiefern und für wie lange die Krankheit die Betreuung der Kinder voraussichtlich unmöglich mache. Entsprechendes gilt für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 25. Oktober 2011, die zudem nur bis zum 11. November 2011 reichte.
622. War danach eine besondere Härte zu verneinen, so war die Ermessensentscheidung nach dem Maßstab des § 3 Abs. 3 Satz 1 EZVO zu treffen. Nach dieser allgemeinen Regelung zur vorzeitigen Beendigung der Elternzeit sind keine dringenden dienstlichen Gründe erforderlich, um den Antrag rechtmäßig ablehnen zu können; vielmehr genügte im Rahmen der Ermessensausübung jede sachlich nachvollziehbare Erwägung. Eine solche hat der Polizeipräsident mit dem Hinweis auf die schon getroffenen personellen Dispositionen angestellt. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob die Elternzeit des Klägers Anlass für die Einstellung des Dr. T. war - wie es das beklagte Land vorträgt - oder (lediglich) für die Beauftragung des Vertragsarztes Dr. C. , wie es der Kläger geltend macht. Denn in beiden Fällen war das PP L. bereits Verpflichtungen eingegangen, die mit einer vorzeitigen Beendigung der Elternzeit des Klägers entwertet worden wären.
63Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
64Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO und des § 127 BRRG nicht gegeben sind.
65B e s c h l u s s :
66Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
67G r ü n d e :
68Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG.
69Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
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- 9 AZR 391/08 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- BEEG § 16 Inanspruchnahme der Elternzeit 2x
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- VwGO § 167 1x
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- BGB § 130 Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden 1x