Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 4243/18.A
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt D. aus L. wird abgelehnt.
Das Verfahren wird eingestellt.
Das auf die mündliche Verhandlung vom 28.9.2018 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen (6 K 1572/18.A) ist wirkungslos.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Instanzen tragen die Kläger.
1
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist jedenfalls deshalb abzulehnen, weil der Zulassungsantrag der Kläger aus den nachstehenden Gründen zu keinem Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
2Nachdem der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist das Verfahren durch die Berichterstatterin in entsprechender Anwendung der §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 87a Abs. 1 und 3, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Das angefochtene Urteil ist für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).
inks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 2 Satz 1, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO. Billigem Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO entspricht es, die Kosten des Verfahrens beider Instanzen den Klägern aufzuerlegen.</p>
4 In der Regel entspricht es billigem Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, gemäß dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussichtlich unterlegen wäre. Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage, die sich im Verfahren auf Zulassung der Berufung befand, ist darauf abzustellen, ob die Berufung zuzulassen gewesen wäre und ob und in welchem Umfang die Berufung im Falle ihrer Zulassung Erfolg gehabt hätte. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6.7.2017 ‒ 4 A 1811/15.A ‒, juris, Rn. 4 f., m. w. N. Die Berufung wäre vorliegend nicht zuzulassen gewesen.
Dass die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung gehabt hätte (Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), haben die Kläger in ihrem Zulassungsantrag nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Nr. 4 AsylG entsprechend dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.7.2018 – 4 A 2573/18.A –, juris, Rn. 2 f., m. w. N.
9Es ist nicht aufgezeigt, dass die von den Klägern aufgeworfene Frage,
10ob minderjährige Kinder sich religiös betätigen können und ob das Gericht ohne eine Anhörung der Kinder eine Entscheidung treffen kann,
11im Streitfall sowie allgemein klärungsbedürftig ist. Zum einen ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil nicht davon ausgegangen, dass minderjährige Kinder sich nicht religiös betätigen können, sondern hat ausschließlich angenommen, dass eine eigenständige Glaubensbetätigung ohnehin schon aufgrund des Alters der Kläger zu 2. und 3. (3 bzw. 1 Jahr alt) ausscheide. Zum anderen fehlt es hinsichtlich der Frage der Anhörung der Kinder an jeglicher Auseinandersetzung mit der einschlägigen Gesetzeslage (vgl. einerseits § 62 Abs. 1 VwGO, andererseits §§ 24 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 2 AsylG jeweils in Verbindung mit §§ 1626, 1629 Abs. 1 BGB). Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, inwieweit hinsichtlich des zweiten Teils der aufgeworfenen Frage ein grundsätzlicher Klärungsbedarf bestehen soll. Auch hinsichtlich der weiter aufgeworfenen Frage,
12ob und wieweit die Gerichte aufgrund ihrer Amtsermittlung der Frage der religiösen Identität und der öffentlich wahrnehmbaren Religionsausübung nachgehen müssen,
13fehlt die Klärungsbedürftigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 20.2.2013,
14‒ 10 C 23.12 ‒, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 31 ff.,
15klargestellt, welche Ermittlungen die Tatsachengerichte zur Feststellung der religiösen Identität eines Asylbewerbers vorzunehmen haben. Dass sich über diese Klarstellung hinaus weitere grundsätzlich bedeutsame Fragen in diesem Zusammenhang stellen, haben die Kläger nicht dargelegt.
16Die Berufung wäre auch nicht wegen der geltend gemachte Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) zuzulassen gewesen. Die Kläger behaupten lediglich, das angegriffene Urteil weiche von einer Vielzahl ober- und höchstgerichtlichen Entscheidungen ab. Sie benennen jedoch nicht ‒ wie erforderlich – einen inhaltlich bestimmten, die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz, mit dem die Vorinstanz einem in der übergeordneten Rechtsprechung in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat. Die Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechtssätze ist zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge unverzichtbar.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.6.2015 ‒ 4 A 361/15.A ‒, juris, Rn. 2 f., m. w. N.
18Insbesondere ist das Verwaltungsgericht entgegen der Ansicht der Kläger im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
19‒ 10 C 23.12 ‒, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 31,
20davon ausgegangen, dass auch hinsichtlich eines Asylbewerbers, der seinen Glauben in Deutschland in einer Weise praktiziert, die ihn in Pakistan der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde, weiter zu prüfen sei, ob diese Form der Glaubensausübung für den Asylbewerber zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist und nicht etwa nur deshalb erfolgt, um die Anerkennung als Flüchtling zu erreichen. Diese Prüfung hat das Verwaltungsgericht vorgenommen und festgestellt, dass die Glaubensausübung für die Klägerin zu 1. zwar Teil ihrer Identität sein mag, sich ihr Interesse für den Glauben aber in Grenzen halte und es ihr letztlich auch nichts ausmache, sich den äußeren Umständen anzupassen (Urteilsabdruck Seite 14, erster Absatz). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob das Verwaltungsgericht hö;chstrichterlich aufgestellte Rechtssätze zutreffend angewandt hat. Denn das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die ein übergeordnetes Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, begründet keine Divergenz.
>21St. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 14.8.2018 ‒ 9 B 18.17 ‒, juris, Rn. 12, m. w. N.
22"absatzLinks">Soweit die Kläger die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts in Zweifel gezogen haben, ergäbe sich schon deshalb kein Zulassungsgrund, weil diese dem sachlichen Recht zuzuordnen ist und von vornherein nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG rechtfertigt. Auch ein etwaiger Aufklärungsmangel begründet grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß, noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 VwGO.
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2016 – 4 A 904/15.A –, juris, Rn. 8 ff., m. w. N.
24Die erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe einen Gehörsverstoß im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO begangen, indem es weder den Klägern zu 2. und 3. selbst noch der Klägerin zu 1. oder dem Prozessbevollmächtigten Gelegenheit zum Vortrag für die Kläger zu 2. und 3. gegeben habe, hätte gleichfalls nicht auf die Zulassung der Berufung geführt. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass das Verwaltungsgericht seiner Pflicht nicht nachgekommen wäre, die Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung anzuhören und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Vielmehr ist die Klägerin zu 1. zu den Asylgründen auch der von ihr gesetzlich vertretenen Kläger zu 2. und 3. in der mündlichen Verhandlung angehört worden und sowohl sie als auch ihr Prozessbevollmächtigter hatten Gelegenheit zur Begründung der Anträge und zur Stellungnahme (Protokollabdruck Seite 2 und 3).
25Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
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