Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 3d A 2395/17.O
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 18. April 1962 geborene Beklagte schloss im Jahre 1978 die gymnasiale Ausbildung mit Erlangung der Fachoberschulreife ab. Er trat am 2. Oktober 1978 als Polizeiwachtmeister unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in den mittleren Polizeivollzugsdienst des Klägers ein. Am 2. Oktober 1979 wurde er unter Ernennung zum Polizeioberwachtmeister in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Die Ernennung zum Polizeihauptwachtmeister (Besoldungsgruppe A6) erfolgte mit Wirkung vom 1. April 1981. Am 29. April 1983 wurde der Beklagte zum Polizeimeister (Besoldungsgruppe A7) und am 21. Januar 1988 zum Polizeiobermeister (Besoldungsgruppe A8) ernannt. In das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit wurde er am 19. April 1989 übernommen. Seine Ernennung zum Polizeihauptmeister erfolgte am 6. März 1995, diejenige zum Polizeikommissar (beides jeweils Besoldungsgruppe A9) am 15. April 1996. Am 31. Januar 2000 wurde er zum Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10) ernannt.
3Nach verschiedenen Verwendungen im Wach- und Wechseldienst versah der Beklagte seit dem 1. April 1993 bis zu seiner Suspendierung Dienst bei der Autobahnpolizeiwache in Mönchengladbach, seit dem 1. September 2003 reduziert auf die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.
4In den in dieser Zeit erfolgten dienstlichen Beurteilungen wurden dem Beklagten u.a. Gesamtleistungen über dem Durchschnitt und vor seiner letzten Beförderung die Anforderungen in besonderem Maße übertreffend attestiert. Im Jahre 1999 wurde ihm eine Leistungsprämie in Höhe von 2.000,00 DM gewährt und am 21. März 2000 erhielt er eine Belobigung. Die letzte dienstliche Beurteilung des Beklagten aus dem Jahre 2003 endet mit dem Ergebnis, dass Leistung und Befähigung voll den Anforderungen entsprechen.
5Aus der im Jahre 1988 geschlossenen und zwischenzeitlich geschiedenen Ehe des Beklagten ist eine im gleichen Jahre geborene Tochter hervorgegangen. Die Trennung der Eheleute erfolgte im Jahre 2001. Durch einstweilige Anordnung des Amtsgerichts – Familiengericht – N. –S. (Az. 16 F 169/02) wurde der Beklagte am 16. Juli 2002 verpflichtet, für die gemeinsame Tochter 381,00 € Kindesunterhalt und 907,00 € Trennungsunterhalt an die Ehefrau zu zahlen. Insoweit wurde sein Gehalt gepfändet. Im weiteren Verlauf des familiengerichtlichen Verfahrens legte er ein Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie B. –N1. vom 11. April 2003 vor, bei dem er sich seit dem 28. Februar 2003 in Behandlung befand. Darin wurde dem Beklagten attestiert, an einer reaktiven depressiven Störung mit ausgeprägten Schlafstörungen, innerer Unruhe, Nervosität und deutlich verminderter Belastbarkeit zu leiden. Gründe der Erkrankung seien mit großer Wahrscheinlichkeit eine Überforderung auf dem Arbeitsplatz (Konfrontation mit schwierigen Fällen, Nachtschicht etc.) sowie massive familiäre Probleme. Einer polizeiärztlichen Untersuchung unterzog sich der Beklagte insoweit nicht. Auf die mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 2003 hielt das Familiengericht die einstweilige Anordnung hinsichtlich des Kindesunterhalts aufrecht und hob seine Entscheidung in Bezug auf den Trennungsunterhalt auf, da Anhaltspunkte für Schwarzeinnahmen der Ehefrau, ein Zusammenleben mit einem Lebensgefährten und eine Trennungszeit von zwei Jahren bestünden. Während des laufenden Ehescheidungsverfahrens wurden die zwei Immobilien des Beklagten und seiner damaligen Ehefrau zwangsversteigert. Zudem hatte der Beklagte im Oktober 2003 die eidesstattliche Versicherung abgeben müssen.
6Zuvor, nämlich unter dem 23. Juni 2003 hatte der Beklagte einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung gestellt, wobei er die gewünschte Reduzierung auf eine halbe Stelle mit der Erziehung seiner Tochter begründete. Diesem Antrag war ab dem 1. September 2003 zunächst bis zum 31. August 2004 entsprochen worden; die Teilzeitbeschäftigung wurde später bis zum 31. August 2005 verlängert.
7Tatsächlich beabsichtigte der Beklagte allerdings die Ausübung einer Nebentätigkeit neben seiner Beamtentätigkeit, weshalb er im Jahre 2003 eine Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schalten ließ, wonach er als Polizeibeamter eine Nebentätigkeit suche. Auf diese Anzeige meldete sich das von den Herren L. und M. betriebene Inkassounternehmen „XXX." mit Sitz in T. beim Beklagten. Die vereinbarte Zusammenarbeit gestaltete sich ab September 2003 so, dass der Beklagte – zum Teil mit Hilfe seiner neuen Lebensgefährtin – gegen Entgelt Rechercheaufgaben für XXX ausführte. Dabei bediente er sich zunächst im Internet allgemein zugänglicher Quellen wie „klicktel“. Die Nebentätigkeit meldete er nicht und beantragte auch keine Nebentätigkeitsgenehmigung. Die Entgeltzahlungen in Höhe von jeweils 500,00 € in den Monaten Oktober bis Dezember 2003 wurden direkt auf ein Konto seiner Lebensgefährtin überwiesen. Nachdem der Rechercheaufwand immer aufwändiger wurde, nutzte der Beklagte das polizeiliche Informationssystem INPOL, das aus dem Polizeiauskunftssystem POLAS hervorgegangen ist und auch Direktanfragen an das Zentrale Verkehrsinformationssystem ZEVIS ermöglicht, für seine Recherchetätigkeit und teilte die gewonnenen Erkenntnisse dem Inkassounternehmen mit. Die Angaben leitete er unter dem Pseudonym L1. X. weiter.
8Daneben übernahm er ab Anfang 2004 auch die Kundenakquise für die Fa. XXX. für den Bereich Nordrhein–Westfalen und stellte zudem mehrere Trupps bestehend aus 3 bis 4 Männern zusammen, die potentielle Schuldner persönlich aufsuchen und sogenannte „Vollstreckungsaufträge“ der Firma XXX. überreichen sollten. Nachdem die Firma XXX. mit der Vergütung seiner Tätigkeiten längere Zeit in Rückstand geriet, stellte der Beklagte sämtliche Aktivitäten für die Firma im Juni 2004 ein.
9Nachdem mehrere „Schuldner“ der Firma XXX. Strafanzeige eingereicht hatten, führten die Ermittlungen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu Hinweisen auf den Beklagten.
10Nach Durchsuchung seiner Wohnung und seines Arbeitsplatzes am 1. Februar 2005 erfolgten mehrere Beschuldigtenvernehmungen des Beklagten durch die Polizei. In diesen räumte er die ihm vorgeworfenen Taten ein.
11Mit Verfügung vom 28. April 2005 wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet sowie eine vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen. Das Disziplinarverfahren wurde mit Verfügung vom 23. Juni 2005 im Hinblick auf das sachgleiche Strafverfahren ausgesetzt.
12Nach Ende der Teilzeitbeschäftigung wurden mit Verfügung vom 17. August 2005 45 % der Dienstbezüge des Beklagten einbehalten. Sein Antrag auf Aussetzung der verfügten Einbehaltung der Dienstbezüge wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Dezember 2005 (Az. 35 K 4502/05.O VG Düsseldorf) abgelehnt.
13Der Beklagte ist abgesehen von den hier in Rede stehenden Vorwürfen straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
14Das Amtsgericht – Schöffengericht – N. verurteilte den Beklagten nach einer Höchststrafenvereinbarung mit Urteil vom 17. Juni 2008 wegen Bestechlichkeit in 47 Fällen (§§ 332, 53, 73 StGB) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Im Urteil wurde ihm Folgendes zur Last gelegt:
15„Die gesondert verfolgten Angeklagten L. und M. , deren Verfahren von demjenigen gegen den Angeklagten U. abgetrennt wurde, betrieben unter der Bezeichnung „XXX., N2. /C. /T. /E. /I. –L., Geschäftsstelle P. : G. –K. –Straße 12, A–5020 T. (P. ), Servicestelle: G1.------straße 18–20, A–5020 T. (P. )" ein Inkasso–Unternehmen.
16Der Angeklagte U. war Polizeibeamter bei der Autobahnpolizeiwache N. , BAB 61, N. –S. . Seit dem 01.09.2003 versah er aus gesundheitlichen Gründen und auf eigenen Wunsch seinen Dienst nur noch zu 50 % und erhielt eine entsprechend geminderte Besoldung. Noch im September 2003 schaltete er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Anzeige, in der er als Polizeibeamter eine Nebentätigkeit suchte.
17Daraufhin meldeten sich L. und M. bei ihm. Es wurde zwischen allen drei Personen vereinbart, dass der Angeklagte U. im Auftrag der Firma XXX. diverse Daten, u.a. den Aufenthaltsort von säumigen Schuldnern, ermittelt. L. und M. waren jedoch insbesondere auch an Informationen aus polizeilichen Systemen, z.B. Vorstrafen, Kraftfahrzeuge, etc., interessiert. Der Angeklagte U. wurde diesbezüglich gezielt von ihnen ausgesucht. Allen drei Beteiligten war klar, dass der Angeklagte U. bei seinen Schuldnerrecherchen auch auf Informationen aus den – nur für dienstliche Zwecke zur Verfügung stehenden – polizeilichen Recherchesystemen POLAS und ZEVIS sowie aus EMA–Anfragen zurückgreifen und diese L. und M. bzw. weiteren Mitarbeitern der Firma XXX. entsprechend mitteilen sollte.
18„POLAS" steht als Abkürzung für das Polizeiliche Auskunftssystem, welches in Nordrhein–Westfalen landesweit 26.000 Polizeirechner in über 450 Dienststellen miteinander verbindet. Gespeichert werden alle Daten, welche im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen über eine Person erfasst werden. Durch Web–Internet–Technik kann jeder Polizeibeamte Datenauskünfte an seinem eigenen PC abfragen.
19Der Ausdruck "ZEVIS" steht für ein Zentrales Verkehrsinformationssystem, mit dessen Hilfe Halter– und Fahrzeugdaten ermittelt werden können. Auch zu dieser Recherchedatenbank hat jeder einzelne Polizeibeamte umfassenden Zugang.
20Alle drei Beteiligten wussten, dass die Nutzung der Recherchesysteme – auch eine EMA–Anfrage – für private oder gar gewerbliche Zwecke nicht erlaubt ist.
21Auf den spätestens seit dem 08.02.2004 von den Beteiligten verwendeten Vordrucken für die Ermittlungsberichte bzw. –aufträge war für den Schuldner stets u.a die Rubrik „Informationen / Delikte / Vorstrafen / Augenblickliche Tätigkeiten" aufgeführt. Auch wurde auf diesem Formular ausdrücklich erfragt bzw. später ermittelt, ob der Schuldner Kraftfahrzeuge besitzt.
22Der Angeklagte U. nahm seine Recherchetätigkeiten spätestens im November 2003 auf und suchte gezielt nach den seitens L. und M. erbetenen Informationen. Seit Anfang 2004 übernahm er für die Firma XXX. auch die Betreuung und persönliche Beratung von Gläubigern.
23Zum Teil bekam der Angeklagte U. für seine Tätigkeiten von L. und M. pauschal mehrere hundert Euro in bar, zum Teil forderte und erhielt der Angeklagte U. 30 % des seitens der Gläubiger an die Firma XXX. gezahlten Betrages als Provision, zum Teil rechnete er seine Tätigkeiten – auch die Recherchen – individuell ab. Zwischen dem Angeklagten U. und den anderen Tatbeteiligten war vereinbart, dass U. insoweit jeweils 30,– Euro pro Recherche erhalten sollte.
24Auf eine entsprechende Abrechnung erhielt er auch einen Abschlag von 1.000,00 Euro.
25Das o.a. auf die Erlangung von illegalen Informationen aus den polizeilichen Datenbanken (Vorstrafen, Kraftfahrzeuge, etc.) abzielende Ermittlungsersuchen wurde seitens L. und M. an den Angeklagten U. in der Regel per Fax übermittelt. Der Angeklagte U. nutzte spätestens ab dem 08.02.2004 in vielen Fällen dementsprechend das polizeiinterne und nur für dienstliche Zwecke zur Verfügung stehende ADV–System zwecks Personenüberprüfungen und Halterabfragen (POLAS / ZEVIS) in Absprache mit L. und M. .
26Er gab diese Informationen sodann unter dem Pseudonym „L1. X. " an L. und M. erstmalig am 10.02.2004 weiter. Dieses Pseudonym verwendete der Angeklagte U. von diesem Zeitpunkt an ständig“.
27Die Strafverfolgungsbehörden konnten insgesamt 47 Einzelfälle konkretisieren, in denen der Beklagte im Auftrag der Firma XXX. illegale – weil ausschließlich für außerdienstliche Zwecke vorgenommene und verwertete – und entsprechend bezahlte Recherchen vornahm. Diese wurden vom Beklagten sowohl im Ermittlungs- als auch im Strafverfahren uneingeschränkt zugestanden.
28Mit Verfügung vom 3. Februar 2009 wurde nach Abschluss des Strafverfahrens das Disziplinarverfahren fortgesetzt und auf die Feststellungen des Schöffengerichts sowie die daraus resultierende Verletzung der Pflicht zur Uneigennützigkeit ausgedehnt und beschränkt sowie dem Beklagten Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
29Über seinen Prozessbevollmächtigten räumte er mit Schriftsatz vom 28. April 2009 die Vorwürfe ein und ließ sich dahin ein, mit der Frage der Auskünfte und der Entgegennahme von Geld den Tatbestand der Bestechlichkeit nicht auch nur ansatzweise assoziiert zu haben. Erst durch das Verfahren sei ihm dies bewusst geworden. Insofern handele sich um eine persönlichkeitsfremde Tat, was zwei seiner Arbeitskollegen bestätigen könnten. Die beantragte Vernehmung der Arbeitskollegen im behördlichen Disziplinarverfahren erfolgte nicht.
30Anfang Mai 2009 wurde der Personalrat durch den Ermittlungsführer beteiligt. Dieser stimmte in seiner Sitzung vom 12. Mai 2009 der Erhebung der Disziplinarklage zu.
31Mit Urteil vom 27. Mai 2009 sprach das Amtsgericht – Schöffengericht – N. die ehemaligen Mitangeklagten des Beklagten L. und M. vom Vorwurf der Bestechung frei. Zur Begründung führte es aus, die Tatvorwürfe seien den Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung hinreichenden Sicherheit nachzuweisen. Insbesondere sei die für eine Verurteilung wegen Bestechung erforderliche Unrechtsvereinbarung nicht mit hinreichender Sicherheit beleg– bzw. beweisbar. So habe der als Zeuge vernommene Beklagte eine konkrete Aufforderung durch die Angeklagten an ihn, die polizeilichen Informationssysteme zu nutzen, nicht erinnern können. Seine frühere Angabe, im Frühjahr 2004 sei bei einem Treffen mit beiden Angeklagten in T. ausdrücklich besprochen worden, dass er nunmehr auf polizeiinterne Informationssysteme zugreifen würde, habe der Beklagte so nicht mehr bestätigt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Strafurteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – N. vom 27. Mai 2009 im Verfahren 90 Ls–502 Js 1030/04–91/06 Bezug genommen.
32Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Im Termin vor dem Landgericht N. am 14. Februar 2012 wurde das Verfahren gegen die Angeklagten L. und M. mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft, der Angeklagten und ihrer Verteidiger gem. § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.
33Zuvor, nämlich mit Schreiben vom 25. Juni 2009 war dem Beklagten das Ergebnis der Ermittlungen vom 22. Juni 2009 übersandt und ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden, von der er mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. August 2009 Gebrauch gemacht hatte.
34Der Kläger hat am 3. März 2017 die vorliegende Disziplinarklage erhoben. Er wirft dem Beklagten unter Zugrundelegung des Urteils des Schöffengerichts N. , dessen Feststellungen im Wortlaut wiedergegeben werden, vor, sich in 47 Fällen der Bestechlichkeit gem. § 332 StGB schuldig gemacht, dadurch schuldhaft gegen seine Pflicht aus § 34 Sätze 1 und 2 BeamtStG zum vollen persönlichen Einsatz verstoßen und damit ein schwerwiegendes Dienstvergehen i.S.d. § 47 BeamtStG begangen zu haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Disziplinarklageschrift Bezug genommen.
35Der Kläger hat beantragt,
36den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
37Der Beklagte hat beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Er hat die Ansicht vertreten, das behördliche Disziplinarverfahren leide an erheblichen Mängeln. So sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Trotz erteilter Zustimmung habe eine erneute Beteiligung des Personalrats erfolgen müssen. Dies ergebe sich bereits aus dem Zeitablauf von fast 8 Jahren zwischen Bekanntgabe des Ermittlungsergebnisses und Klageerhebung sowie dem Umstand, dass die „Bestecher“ L. und M. im Strafverfahren erster Instanz freigesprochen worden seien bzw. deren Verfahren in zweiter Instanz gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei.
40Verfahrensfehlerhaft seien im Disziplinarverfahren nicht die zum Vorliegen einer persönlichkeitsfremden Tat des Beklagten benannten Zeugen vernommen worden.
41Die Disziplinarklageschrift genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie – was unstreitig ist – keinerlei Angaben zum Verfahrensausgang bezüglich L. und M. enthalte und sich auch nicht mit den Folgen dieses Ergebnisses für das vorliegende Disziplinarverfahren auseinandersetze.
42Von den Feststellungen des gegen den Beklagten ergangenen Strafurteils müsse man sich lösen. Aus der Feststellung des Schöffengerichts im Verfahren gegen L. und M. im Urteil vom 27. Mai 2009 zur fehlenden Unrechtsvereinbarung sei der zwingende Schluss zu ziehen, das eine Bestechlichkeit bei ihm nicht habe vorliegen können.
43Der Kläger habe sein Recht zur Erhebung der Disziplinarklage verwirkt, da er
44– unter Verletzung des Beschleunigungsgebots – im Disziplinarverfahren 7 ½ Jahre untätig geblieben sei. Dies mache die Maßnahme jedenfalls unverhältnismäßig.
45Er, der Beklagte, sei bei Begehung der Tat schuldunfähig, jedenfalls in der Schuldfähigkeit gemindert gewesen. Das ergebe sich aus dem vorgelegten ärztlichen Attest vom 11. April 2003 wonach er im Tatzeitraum offensichtlich stark psychisch krank gewesen sei.
46Eine Dienstpflichtverletzung könne zudem bereits deshalb nicht vorliegen, weil L. und M. bzw. die Firma XXX. nach einem Bericht des „Stern“ seit Ende 2004 auch für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet hätten.
47Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit dem angegriffenen Urteil aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
48Dem behördlichen Disziplinarverfahren hafte kein wesentlicher Mangel im Sinne vom § 54 LDG NRW an. Eine Verpflichtung, den Personalrat bei langer Verfahrensdauer erneut zu beteiligen, sehe das Gesetz nicht vor. Zudem gehe es um ein Dienstvergehen des Beklagten, weshalb der Ausgang von Strafverfahren gegen Dritte unerheblich sei. Dementsprechend seien auch keine weiteren Ermittlungen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW zu tätigen gewesen, da der Beklagte auf der Grundlage seines Geständnisses rechtskräftig verurteilt worden sei und sein im Disziplinarverfahren wiederholtes Geständnis keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben habe. Das Verhalten Dritter und dessen strafrechtliche Bewertung sei für die Erhebung der Disziplinarklage nicht von Bedeutung. Deshalb verstoße der Inhalt der Klageschrift auch nicht gegen § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW, weil Angaben zum Verfahren gegen L. und M. nicht aufgenommen worden seien. Eine lange Verfahrensdauer könne einen Milderungsgrund darstellen, tangiere aber die Formalien der Klageerhebung nicht.
49Der Beklagte sei wegen eines schweren Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. In tatsächlicher Hinsicht sei von den Feststellungen des Amtsgerichts – Schöffengericht – N. vom 17. Juni 2008 auszugehen. Die Voraussetzungen für eine Lösung von den strafgerichtlichen Feststellungen lägen nicht vor. Die getroffenen Feststellungen seien nicht deshalb „offenkundig unrichtig“, weil in dem gegen L. und M. geführten Strafverfahren erstinstanzlich eine Bestechung durch die Angeklagten L. und M. nicht nachzuweisen gewesen bzw. zweitinstanzlich das Verfahren gegen beide nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Auch eine Pressenachricht sei nicht geeignet, die Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils in Frage zu stellen.
50Indem der Beklagte sich in 47 Fällen habe bestechen lassen, habe er gegen die beamtenrechtlichen Gebote zur uneigennützigen Amtswahrnehmung (§ 57 Satz 2 LBG NRW a.F.), zu achtungs– und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 57 Satz 3 LBG NRW a.F.) sowie gegen das Verbot der unerlaubten Vorteilsnahme (§ 76 Abs 1 Satz 1 LBG NRW a.F.) verstoßen. Aufgrund der Bindungswirkung, die das gegen den Beklagten ergangene Strafurteil entfalte, stehe auch fest, dass er schuldhaft gehandelt habe.
51Dieses innerdienstliche Dienstvergehen wiege so schwer, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sei. Er habe im Kernbereich seiner Dienstpflichten gefehlt und dadurch das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Wegen des Eindrucks der Käuflichkeit habe der Beklagte – auch im Hinblick auf den Umfang der angenommenen Vorteile – einen schweren Pflichtenverstoß begangen, der das unverzichtbare Vertrauen in die strikte Bindung des Verwaltungshandelns an Recht und Gesetz und damit die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung beschädigt habe. Auch die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen, der Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsehe, zeige die Schwere der Dienstpflichtverletzung auf, weshalb die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis reiche.
52Es lägen weder für sich allein genommen noch in der Gesamtschau Milderungsgründe von solchem Gewicht vor, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könne. Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten zur Tatzeit sei nicht gegeben gewesen. Seine Handlungsweise vor, bei und nach Begehung der Taten sowie seine eigenen Angaben machten deutlich, dass er sehr wohl das Unrecht in seine Tat eingesehen habe und auch in der Lage gewesen sei, danach zu handeln. Der Milderungsgrund einer freiwilligen Offenbarung des Dienstvergehens sei im Hinblick auf die zuvor erfolgte Durchsuchung nicht erfüllt. Das Dienstvergehen lasse sich auch nicht als einmaliges unbedachtes und persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer besonderen Versuchungssituation charakterisieren. Der Beklagte sei bei Ausführung der Taten über mehrere Monate hinweg sowie sowohl im Vor- als auch im Nachtatverhalten planvoll vorgegangen. Eine besondere Versuchungssituation habe bei der routinemäßigen Datenabfrage für den Beklagten ebenfalls nicht vorgelegen. Ob der Beklagte ein guter Beamter gewesen sei, wofür die Kollegen von ihm als Zeugen benannt worden waren, könne dahinstehen, da er in den ihm vorgeworfenen 47 Fällen versagt habe. Der Beklagte habe sich zur Tatzeit auch nicht unverschuldet in einer ausweglos erscheinenden wirtschaftlichen Notlage befunden, was mildernd zu berücksichtigen gewesen wäre. Denn er habe über einen längeren Zeitraum neben seinem Gehalt eine weitere Einkommensquelle verwertet.
53Da das zerstörte Vertrauen nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden könne, sei in der Verfahrensdauer kein durchgreifender Milderungsgrund zu sehen und komme der Gesichtspunkt der Verwirkung nicht zum Tragen.
54Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 1. September 2017 zugestellt worden. Mit am 27. September 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat er Berufung eingelegt und diese gleichzeitig unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages begründet. Ein Lösungsbeschluss sei erforderlich gewesen, da aufgrund der Nichterweisbarkeit einer Unrechtsvereinbarung im Strafverfahren gegen L. und M. nicht erweisbar sein könne, dass der Beklagte sich der Bestechlichkeit schuldig gemacht habe. Die Bestechlichkeit setze die Bestechung denknotwendig voraus. Das tatsächliche Vorliegen einer Bestechung müsse deshalb durch die Vernehmung der als Zeugen benannten L. und M. aufgeklärt werden.
55Der Personalrat habe erneut beteiligt werden müssen. Dieser sei entgegen § 65 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW nicht umfassend informiert gewesen, da zum Zeitpunkt seiner Entscheidung der Ausgang des Strafverfahrens gegen L. und M. nicht bekannt gewesen sei. Zudem widerspreche die unterlassene erneute Befassung des Personalrates evident § 71 LPVG NRW, weil die Maßnahme, der zugestimmt worden ist, nicht unverzüglich durchgeführt worden sei. Aus diesen Gründen habe dem Beklagten auch die Möglichkeit gegeben werden müssen, erneut den Antrag auf Beteiligung des Personalrates zu stellen.
56Die Disziplinarklageschrift genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der Ausgang des Strafverfahrens gegen L. und M. nicht erwähnt werde und nicht in die Bewertung des Dienstvergehens eingeflossen sei.
57Die Disziplinarklagebefugnis sei auch verwirkt. Das Umstandsmoment liege bereits deshalb vor, weil das Beschleunigungsgebot nicht eingehalten worden sei. Das Zeitmoment sei bei einer 7 ½-jährigen Untätigkeit ebenfalls gegeben. Die evidente Verletzung des Beschleunigungsgebots stelle einen so wesentlichen Verfahrensverstoß dar, dass die Maßnahme unverhältnismäßig sei. Von einem Vertrauensverlust könne deshalb nicht gesprochen werden. Ansonsten wäre das Beschleunigungsgebot für das Disziplinarverfahren, das „erzieherische Zwecke“ verfolge, völlig überflüssig.
58Der Beklagte habe im Zustand der Schuldunfähigkeit, jedenfalls aber der verminderten Schuldfähigkeit gehandelt. Aus dem vorgelegten ärztlichen Attest ergebe sich, dass er zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich „stark psychisch krank“ gewesen sei, weshalb der benannte Psychiater als sachverständiger Zeuge habe geladen werden müssen. Dieser könne jedenfalls bekunden, dass sich der Beklagte in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe, die persönlichkeitsfremden Charakter gehabt habe. Hierzu hätten auch die als Zeugen benannten Kollegen vernommen werden müssen.
59Der Beklagte beantragt,
60das angefochtene Urteil zu ändern und die Disziplinarklage abzuweisen,
61hilfsweise,
62auf eine geringere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
63Der Kläger beantragt,
64die Berufung zurückzuweisen.
65Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
66Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung im einzelnen bezeichneten Beiakten, wie sie dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.
67E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
68Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
69Ein wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens, der dem Senat Veranlassung gibt, dem Kläger zur Behebung eine Frist gemäß den §§ 65 Abs. 1, 54 Abs. 3 LDG NRW zu setzen, ist nicht gegeben (I.). Der Beklagte hat insgesamt 47 Dienstpflichtverletzungen begangen, die ein einheitlich zu beurteilendes innerdienstliches schwerwiegendes Dienstvergehen darstellen (II.), das nach umfassender Würdigung aller Aspekte nur den Schluss zulässt, dass er das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (III.).
70I.
71Das behördliche Disziplinarverfahren weist keine wesentlichen Mängel auf. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht davon abgesehen, dem Kläger zur Behebung wesentlicher Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens gemäß § 54 Abs. 3 S. 1 LDG NRW eine Frist zu setzen. Auch der Senat sieht hierzu keine Veranlassung, § 65 Abs. 1 S. 1 LDG NRW.
721.
73Das behördliche Disziplinarverfahren leidet im Hinblick auf die erfolgte Beteiligung des Personalrats nicht an einem wesentlichen Mangel. Der Kläger hat den Personalrat vor Erhebung der Disziplinarklage ordnungsgemäß nach § 73 Nr. 4 LPVG NRW in der vom 17. Oktober 2007 bis zum 15. Juli 2011 geltenden Fassung (LPVG NRW a.F.) beteiligt. Im Zuge dessen hat der Personalrat der Erhebung der Disziplinarklage am 12. Mai 2009 zugestimmt. Entgegen der Auffassung des Beklagten war diese Entscheidung auch noch im Zeitpunkt der Erhebung der Disziplinarklage am 3. März 2017 rechtlich existent.
74a)
75Die Information des Personalrates beruhte nicht auf einer falschen Erkenntnisgrundlage, weil ihm bei Mitteilung der Absicht, Disziplinarklage zu erheben, nicht das Ergebnis des Strafverfahrens gegen L. und M. mitgeteilt worden war. Dieses Ergebnis war im Zeitpunkt der Beteiligung des Personalrats noch nicht bekannt. Das Strafurteil des Schöffengerichts erging am 27. Mai 2009. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte sogar erst am 14. Februar 2012.
76b)
77Der Kläger war nicht gehalten, vor Erhebung der Disziplinarklage den Personalrat erneut zu beteiligen bzw. dem Beklagten gemäß § 73 Ziff. 6 LPVG NRW die Möglichkeit zu geben, den Antrag zu stellen, die Personalvertretung erneut zu beteiligen. Hierfür gibt es im Personalvertretungsrecht keine gesetzliche Grundlage, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Abgesehen davon ist der Personalrat ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Maßnahme unterbreitet hat.
78Vgl. BAG, Urteil vom 09.06.2011 – 2 AZR 323/10 –, NZA 2011, 1342 = juris Rn. 45 zu § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG
79Diese Voraussetzungen waren sowohl im Zeitpunkt der Beteiligung des Personalrates wie auch im Zeitpunkt der Erhebung der Disziplinarklage gegeben, da aus
80– wie sich aus dem Folgenden ergibt: zutreffender – Sicht des Klägers der Ausgang des Verfahrens gegen L. und M. keine Bedeutung für das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten hatte.
81Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom Beklagten zitierten Entscheidung des OVG Hamburg.
82Vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 29.11.2011 – 8 Bf 95/11.PVL –, juris Rn. 33.
83Dort hatte der Personalrat im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens geltend gemacht, keine vollständigen Auskünfte zum Bewerberfeld erhalten zu haben, insbesondere nicht über die fachlichen und persönlichen Verhältnisse der nicht berücksichtigten Bewerber unterrichtet worden zu sein. So liegt der Fall des Beklagten hier nicht. Im Streitfall hatte der Kläger, wie ausgeführt, alle Informationen, die ihn veranlasst haben, gegen den Beklagten eine Disziplinarklage zu erheben, dem Personalrat vorgelegt.
84c)
85Ein Verfahrensmangel ergibt sich auch nicht aus § 71 Abs. 2 LPVG NRW. Die Zustimmung des Personalrats zu einer beabsichtigten Maßnahme führt nicht zu einer Verpflichtung, die Maßnahme auch durchzuführen. Sie schafft vielmehr lediglich die Voraussetzung dafür, dass eine solche Maßnahme getroffen werden kann. Eine Verpflichtung zum Vollzug ist § 71 Abs. 1 LPVG NRW nicht zu entnehmen.
86Vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, Stand: Dezember 2011, § 71 Rn. 12.
87Soweit der Kläger gegen die in § 71 Abs. 2 LPVG NRW vorgesehene Pflicht zur Unterrichtung des Personalrats bei nicht unverzüglichem Vollzug der gebilligten Maßnahme verstoßen haben sollte, wie der Beklagte geltend macht, führte auch dies zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn danach läge allenfalls ein Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit vor, der keinerlei Bezug zur Rechtsposition des Beklagten aufweist.
88Vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O. Rn. 15.
892.
90Ein Verfahrensfehler im behördlichen Disziplinarverfahren ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil nach Abschluss des Strafverfahrens gegen L. und M. keine weiteren Ermittlungen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW durchgeführt worden sind. Hierzu bestand keine Berechtigung und auch kein Anlass, weil der vom Kläger im Rahmen der Disziplinarklage zugrunde gelegte Sachverhalt aufgrund der tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen gegen den Beklagten ergangenen Strafurteil mit Bindungswirkung für den Kläger feststand (§ 23 Abs. 1 LDG NRW). Eine Möglichkeit zur Lösung von den bindenden Feststellungen eines Strafurteils sieht das Gesetz allein für das gerichtliche Disziplinarverfahren vor. Im Übrigen hatte der Beklagte auch im Disziplinarverfahren sämtliche Dienstpflichtverletzungen eingestanden.
913.
92Die Disziplinarklage leidet ebenfalls nicht an einem Mangel, insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW vor. Nach dieser Vorschrift muss die Klageschrift den persönlichen und beruflichen Werdegang des Beamten, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens, die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen.
93Diese Voraussetzungen erfüllt die Disziplinarklage. Durch die Wiedergabe des gegen den Beklagten ergangenen Strafurteils wird der vorgeworfene Sachverhalt im Einzelnen substantiiert dargestellt. Sein persönlicher und beruflicher Werdegang, soweit er für die disziplinare Würdigung, Bewertung und Maßnahmebemessung erforderlich sein könnte, wird ebenso dargelegt wie der Gang des Disziplinarverfahrens sowie die Tatsachen, die nach Ansicht des Klägers das Dienstvergehen begründen. Der Ausgang des Strafverfahrens gegen L. und M. stellt auch keine „andere Tatsache“ dar, die für die Entscheidung im Streitfall bedeutsam ist.
94Das Verhalten Dritter und dessen strafrechtliche Bewertung ist für die Erhebung der Disziplinarklage nicht von Bedeutung. Die inhaltlichen Vorgaben des § 52 Abs. 1 2 LDG NRW tragen dem Umstand Rechnung, dass die Klageschrift Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt und nur eine inhaltlich derart bestimmte Klageschrift dem beklagten Beamten eine sachgerechte Verteidigung gegen die disziplinarischen Vorwürfe ermöglicht.
95Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2007 – 2 A 3.05 –, juris Rn. 27 f. m.w.N.
96In diesem Zusammenhang kommt dem Verhalten Dritter und der diesbezüglichen strafrechtlichen Bewertung keine Bedeutung zu.
97Selbst wenn man in der Nichtangabe des Ergebnisses des gegen L. und M. geführten Strafverfahrens einen wesentlichen Mangel sehen wollte, wäre eine Fristsetzung nach § 54 Abs. 3 LDG NRW durch das Verwaltungsgericht nicht geboten gewesen. Da auch diese Vorschrift Ausdruck des Beschleunigungsgrundsatzes nach § 4 LDG NRW ist, macht das Verwaltungsgericht von dieser Möglichkeit ermessensgerecht nur dann Gebrauch, wenn es den gerügten Mangel nicht selbst schneller beheben kann.
98Vgl. Urban/Wittkowski, a.a.O., § 55 Rn. 19.
99So liegt der Fall hier. Das Verwaltungsgericht hat den Ausgang des Strafverfahrens gegen L. und M. , der vom Beklagten in das Verfahren eingeführt worden war und allen Verfahrensbeteiligten bekannt war, im Rahmen seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt. Eine zuvor bewirkte Ergänzung der Disziplinarklageschrift durch den Kläger um das Ergebnis des Strafverfahrens gegen die ursprünglich Mitangeklagten des Beklagten hätte nur zu einer weiteren Verzögerung geführt. Auch der Senat hätte im Hinblick darauf, dass der Ausgang des Strafverfahrens gegen die Mitangeklagten L. und M. umfassend in das Disziplinarverfahren eingeführt worden ist und dem Beklagten, der Zeuge in diesem Verfahren war, dieses Ergebnis auch hinlänglich bekannt ist, keine Veranlassung, dem Kläger gem. den §§ 65 Abs. 1, 54 Abs. 3 S. 1 LDG NRW eine Frist zur Beseitigung dieses – vermeintlichen – Mangels zu setzen.
1004.
101Entgegen der Auffassung des Beklagten hat der Kläger seine Befugnis, Disziplinarklage zu erheben, nicht verwirkt.
102In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der allgemeine Rechtsgrundsatz der Verwirkung auf die Ausübung der Disziplinarbefugnis keine Anwendung findet. Die disziplinarische Verfolgung von Dienstvergehen kann nicht durch Verwirkung oder durch Verzicht seitens des Dienstherrn ausgeschlossen werden. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zu Grunde, dass der Zweck der Disziplinarbefugnis nicht darin liegt, begangenes Unrecht zu vergelten. Vielmehr geht es darum, unter Beachtung des Schuldprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Integrität des Berufsbeamtentums und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes aufrechtzuerhalten. Für eine Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung ist neben den gesetzlichen Regelungen über Disziplinarmaßnahmeverbote wegen Zeitablaufs und Verwertungsverbote kein Raum.
103Vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 10.10.2014
104– 2 B 66.14 –, juris Rn. 11 und vom 16.05.2012
105– 2 B 3.12 –, juris Rn. 5.
106II.
107Der Beklagte hat ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen begangen.
1081.
109In tatsächlicher Hinsicht legt der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht die Feststellungen zugrunde, auf denen das gegen den Beklagten wegen des hier streitigen Vorwurfs ergangene rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – N. vom 17. Juni 2008 im Verfahren 90 Ls/502 Js 1030/04–91/06, beruht. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt er insoweit auf das angefochtene Urteil Bezug.
1102.
111Diese Feststellungen sind für den Senat nach §§ 65 Abs. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW bindend. Es besteht kein Anlass, sich hiervon nach den §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 65 Abs. 1 LDG NRW zu lösen.
112a)
113Der Bindung unterliegen die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts, die den objektiven und subjektiven Tatbestand der verletzten Strafnorm, die Rechtswidrigkeit der Tat, das Unrechtsbewusstsein (§ 17 StGB) sowie die Frage der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB betreffen. Hierzu gehören nicht nur die äußeren Aspekte des Tathergangs, sondern auch die Elemente des inneren Tatbestands, wie etwa Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie Zueignungs– oder Bereicherungsabsicht.
114Vgl. BayVGH, Urteil vom 11.05.2016 – 16a D 13.1540 –, juris, Rn. 51 m.w.N.
115b)
116Diese Bindungswirkung entfällt nicht deshalb, weil das gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Strafurteil sich hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen auf die Wiedergabe der Vorwürfe aus der Anklageschrift beschränkt.
117aa)Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nehmen an der gesetzlich vorgeschriebenen Bindungswirkung auch Strafurteile teil, die in abgekürzter Fassung abgesetzt worden sind.
118Vgl. BVerwG, Urteile vom 24.02.1999 – 1 D 31.98 –, juris, Rn. 12 zu § 18 Abs. 1 S. 1 BDO, und vom 27.03.2012 – 2 WD 16.11 –, juris, Rn. 20 zu § 84 WDO.
119Dies gilt selbst für den – hier nicht vorliegenden – Fall, dass zur Begründung lediglich auf den zugelassenen Anklagesatz der Anklageschrift gemäß § 267 Abs. 4 Satz 1, 2. HS StPO verwiesen wird.
120Vgl. BVerwG, Urteil vom 04.03.1998 – 1 D 52.96 –, juris, Rn. 30 m.w.N.
121Denn auch bei einem abgekürzten Urteil sind als Mindestinhalt die erwiesenen Tatsachen anzugeben, die den gesetzlichen Tatbestand erfüllen.
122Vgl. BGH, Urteil vom 15.04.2013 – 3 StR 35/13 –, juris, Rn. 7 = NStZ 2014, 53.
123bb)Vorliegend beschränkt sich das Strafurteil nicht auf die Wiedergabe der Vorwürfe aus der Anklageschrift, sondern enthält die Subsumtion der in 47 Fällen festgestellten konkreten Taten unter die Strafvorschrift der Bestechlichkeit, § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB, sowie die – im Ergebnis verneinte – Prüfung eines besonders schweren Falles im Sinne des § 335 Abs. 1 Nr. 1 a), Abs. 2 Nr. 2 und 3 StGB und die Feststellung, dass der Beklagte bei seinen Taten rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat.
124c)
125Es besteht keine Veranlassung, sich gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW von den Feststellungen des Strafurteils zu lösen.
126Hiernach hat das Disziplinargericht die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die „offenkundig unrichtig" sind. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung nur ausnahmsweise und unter eng begrenzten Voraussetzungen der Fall. Die Bindungswirkung soll verhindern, dass zu ein- und demselben Sachverhalt unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Der Gesetzgeber hat die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts ebenso wie die Würdigung des Sachverhalts und der Beweise primär den Strafgerichten überlassen. Daher haben die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ihrer Entscheidung ungeprüft zugrunde zu legen, soweit die Bindungswirkung reicht. Sie sind insoweit weder berechtigt noch verpflichtet, eigene Feststellungen zu treffen. Die Bindungswirkung entfällt nur, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen offenkundig unrichtig sind. Eine Lösung kann daher nur erfolgen, wenn das Disziplinargericht ansonsten gezwungen wäre, quasi „sehenden Auges" auf der Grundlage eines aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts oder offenkundig bzw. inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden.
127Um einen Lösungsbeschluss zu erwirken, müssen ein dem Strafgericht unterlaufener schwerwiegender Verfahrensfehler oder tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich eine offenkundige Unrichtigkeit im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW ergeben kann.
128Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26.08.2010 – 2 B 43.10 –, juris, Rn. 4 ff., vom 28.12.2011 – 2 B 74.11 –, juris, Rn. 13, vom 25.02.2016 – 2 B 1.15 –, juris, Rn. 7, und vom 13.11.2017 – 2 B 21.17 –, juris, Rn. 8 f.
129Diese Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss liegen nicht vor. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die strafgerichtlichen Feststellungen offenkundig unrichtig sind.
130aa)
131Der Ausgang des Strafverfahrens gegen die Mitangeklagten L. und M. führt nicht zu erheblichen Zweifeln an den Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts im Urteil gegen den Beklagten im oben beschriebenen Sinne.
132Das gegen die früheren Mitangeklagten L. und M. ergangene Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – N. vermag in formaler Hinsicht bereits deshalb keine ernstlichen Zweifel an dem Urteil gegen den Beklagten zu wecken, weil es nicht rechtskräftig geworden ist. Nach Einlegung der Berufung durch die Staatsanwaltschaft und Einstellung des Strafverfahrens gegen L. und M. im Berufungsrechtszug durch das Landgericht N. gemäß § 153 Abs. 2 StPO entfaltet dieses Urteil keinerlei Rechtswirkungen mehr. Schon das steht einem Durchbrechen der Bindungswirkung entgegen.
133Auch inhaltlich steht das Urteil des Amtsgerichts N. gegen L. und M. im Übrigen nicht im Widerspruch zu dem gegen den Beklagten ergangenen Urteil, das Rechtskraft erlangt hat.
134Das Amtsgericht N. hat die Verurteilung des Beklagten wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB insbesondere auf dessen geständige Einlassung sowie den Akteninhalt gestützt und auf die Vernehmung weiterer Zeugen – auch mit Zustimmung des Beklagten – verzichtet. Aufgrund der geständigen Einlassung des Beklagten war es insbesondere von einer Vereinbarung mit den Mitangeklagten L. und M. dahingehend überzeugt, dass er für seine dienstpflichtwidrigen Recherchen individuell vergütet werden sollte.
135Demgegenüber beruhte die Nichtverurteilung der Mitangeklagten L. und M. in erster Instanz wegen Bestechung (§ 334 StGB) darauf, dass das erstinstanzliche Schöffengericht im Hinblick auf die dort durchgeführte Beweisaufnahme insbesondere eine Unrechtsvereinbarung als nicht mit hinreichender Sicherheit beleg- bzw. beweisbar angesehen hat (Seite 43 des Urteilsabdrucks). Maßgebend war insoweit, dass der dort als Zeuge vernommene Beklagte sein Einlassungsverhalten nicht kontinuierlich durchgehalten hatte und die übrigen Zeugen sowie die vorliegenden Unterlagen aus Sicht des Gerichts nicht ausreichten, um eine Unrechtsvereinbarung als bewiesen ansehen zu können, zumal die Angeklagten L. und M. – anders als der Beklagte – gerade kein Geständnis abgelegt hatten.
136Die dem Urteil gegen L. und M. zugrundeliegende Nichterweislichkeit einer Unrechtsvereinbarung zwischen diesen und dem Beklagten im Lichte des Grundsatzes "in dubio pro reo" ist nicht etwa gleichbedeutend mit dem Beweis des Gegenteils, d.h. des Fehlens einer solchen Unrechtsvereinbarung. Demzufolge gibt das Urteil gegen L. und M. auch inhaltlich keinen Anlass, an der Richtigkeit des gegen den Beklagen ergangenen Urteils zu zweifeln.
137bb)
138Daraus, dass das Verfahren gegen die Mitangeklagten L. und M. in zweiter Instanz nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, ergibt sich nichts Abweichendes. Denn diese Einstellung setzt gerade voraus, dass für die Schuld des Täters eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht und bei Durchführung des Verfahrens ein Freispruch unwahrscheinlich wäre.
139Vgl. Meyer–Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 62. Aufl. 2019, § 153 Rn. 3.
140Folglich sind in zweiter Instanz Gericht und Staatsanwaltschaft von der Möglichkeit einer Verurteilung wegen Bestechung und damit der Existenz einer Unrechtsvereinbarung ausgegangen.
141cc)
142Für einen dem Amtsgericht – Schöffengericht – Möchengladbach bei der Verurteilung unterlaufenen schwerwiegenden Verfahrensverstoß, der eine Lösung von dessen Feststellungen nach sich ziehen könnte, bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte. Insbesondere handelt es sich bei dem Geständnis des Beklagten, auf das die Verurteilung gestützt ist, nicht um ein bloßes inhaltsleeres Formalgeständnis.
143Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 05.04.2017 – 3d A 932/14.O –, juris, Rn. 44 f.
144Der Beklagte hatte sich während des gesamten Strafverfahrens geständig eingelassen. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht hatte er einleitend erklärt, die in der Anklageschrift erhobenen Vorwürfe zu Recherchen träfen "allesamt wie verlesen zu" und in der Folge konkrete Angaben zur Sache gemacht, insbesondere zu einem Gespräch mit beiden Mitangeklagten in T. , in dem Thema gewesen sei, dass er "klar auf die polizeiinternen Maßnahmen zurückgreife" und er seine Geschäftspartner aufgefordert habe, bei den Gläubigern die Geburtsdaten zu erfragen, um die "illegale[ ] Adressenermittlung" zu beschleunigen. Auch im Disziplinarverfahren hatte er die Berechtigung der im Strafverfahren erhobenen Vorwürfe zunächst eingeräumt.
145dd)
146Dass sich aus dem Bericht des „Stern“ vom 2. Dezember 2008, wonach die Mitarbeiter der Firma XXX. International Limited L. und M. auch für den BND gearbeitet haben sollen, eine offenkundige Unrichtigkeit des gegen den Beklagten ergangenen Strafurteils vom 17. Juni 2008 ergäbe, macht der Beklagte im Hinblick auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Berufungsverfahren zu Recht nicht mehr geltend.
147d)
148Bestehen demzufolge keine Gründe, sich von den Feststellungen des Amtsgerichts – Schöffengericht – N. im gegen den Beklagten ergangenen Strafurteil zu lösen, so war die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung beantragte Beweiserhebung durch Vernehmung der früheren Mitangeklagten des Beklagten L. und M. zur Existenz einer Unrechtsvereinbarung, die das Amtsgericht mit Bindungswirkung für den Senat gemäß nach §§ 65 Abs. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW festgestellt hat, unzulässig.
149Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 07.11.2014 – 2 B 45.14 –, juris, Rn. 13, und vom 09.10.2014 – 2 B 60/14 –, juris, Rn. 10 m.w.N.
1503.
151Auf der Grundlage des zuvor beschriebenen Sachverhalts hat der Beklagte ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a.F. begangen, der mangels einer für den Beklagten günstigeren zwischenzeitlichen Regelung (vgl. jetzt § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) Anwendung findet.
152Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 2 C 5.10 –, juris, Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2012 – 3d A 317/11.O –, juris, Rn. 39 und Urteil vom 22. Juni 2016 – 3d A 711/14.O –, Seite 11 des Urteilsabdrucks.
153Nach dieser Vorschrift begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt.
154a)
155Durch das festgestellte Verhalten hat sich der Beklagte wegen Bestechlichkeit in 47 Fällen strafbar gemacht, §§ 332 Abs. 1 Satz 1, 53 StGB. Der Senat teilt insoweit die rechtliche Bewertung des Amtsgerichts – Schöffengericht – N. im Urteil vom 17. Juli 2008 – S. 40 f. des Urteilsabdrucks – und verweist hierauf. Der Beklagte hat damit gegen das beamtenrechtliche Gebot zur uneigennützigen Amtswahrnehmung gem. § 57 Satz 2 LBG NRW a.F., das Gebot zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 57 Satz 3 LBG NRW a.F. sowie gegen das Verbot der unerlaubten Vorteilsnahme gemäß § 76 Abs 1 Satz 1 LBG NRW a.F. verstoßen.
156b)
157Wie schon das Verwaltungsgericht geht auch der Senat von einem innerdienstlichen Dienstvergehen aus. Für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit.
158Vgl. BVerwG, Urteile vom 20.02.2001 – 1 D 55.99 –, juris, Rn. 57, vom 19.08.2010 – 2 C 5.10 –, juris, Rn. 9, und vom 18.06.2015 – 2 C 9.14 –, juris, Rn. 10.
159Der Pflichtenverstoß des Beklagten stellt ein innerdienstliches Dienstvergehen dar. Das den Gegenstand der Bestechung bildende pflichtwidrige Verhalten des Beklagten in Form der Weitergabe von Informationen aus polizeiinternen Datenbanksystemen war in sein Amt und seine dienstlichen Pflichten eingebunden.
160Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2015 – 2 C 6.14 –, juris, Rn. 11.
161c)
162Der Beklagte handelte vorsätzlich und schuldhaft. Dies steht aufgrund des amtsgerichtlichen Strafurteils mit Bindungswirkung für den Senat fest. Der Bindung unterliegen die den objektiven und subjektiven Tatbestand der verletzten Strafnorm, die Rechtswidrigkeit der Tat, das Unrechtsbewusstsein (§ 17 StGB) sowie die Frage der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB betreffende Feststellungen des Strafgerichts.
163Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2014
164– 2 B 60.14 –, juris, Rn. 11 und vom 11. März 2012 – 2 B 120.11 –, juris, Rn 13.
165Die Bindung umfasst deshalb auch die ausdrückliche Feststellung des Amtsgerichts – Schöffengericht – N. , dass der Beklagte die Taten nicht im Zustand der Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB begangen hat.
166III.
167Nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Gesichtspunkte ist der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Er hat durch das einheitliche Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW).
1681.
169Die Auswahl der im Einzelfall erforderlichen Disziplinarmaßnahme im Sinne des § 5 Abs. 1 LDG NRW richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Sätze 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes und des Umfangs der Vertrauensbeeinträchtigung. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen zunächst nach seiner Schwere einer der in § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten.
170Vgl. BVerwG, Urteile vom 28.02.2013 – 2 C 62.11 –, juris Rn. 36 ff. = NVwZ–RR 2013, 693, 696, vom 19.08.2010 – 2 C 13.10 –, juris Rn. 22 ff. = NVwZ 2011, 299, 301, vom 03.05.2007 – 2 C 9.06 –, juris Rn. 12 ff. = NVwZ–RR 2007, 695, 696, und vom 20.10.2005 – 2 C 12.04 –, juris Rn. 28 ff. = NVwZ 2006, 469, 472.
171Dazu sind die genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Entscheidung einzustellen, um dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) zu genügen. Die Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be– und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
172Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 13 m.w.N. = BVerwGE 147, 229 (zu § 13 BDG).
173Setzt sich ein Dienstvergehen – wie hier – aus verschiedenen Pflichtverletzungen zusammen, so bemisst sich die Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach dem schwerwiegendsten Pflichtenverstoß. Da vorliegend allerdings die Pflichtverletzungen in ihrer Schwere keine Unterschiede aufweisen, ist bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme auf sämtliche Pflichtverletzungen abzustellen.
1742.
175Das Dienstvergehen des Beklagten wiegt sehr schwer.
176a)
177Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine von einem Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist in einer ersten Stufe auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen zurückzugreifen. Denn der Gesetzgeber hat mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Diese Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
178vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2015 – 2 C 6.14 –, juris Rn. 19, 17 = BVerwGE 154, 10,
179der sich der Senat angeschlossen hat, namentlich auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen, die zugleich einen Straftatbestand erfüllen, geboten, weil auch bei diesen Dienstvergehen die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von Dienstvergehen gewährleistet.
180Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2015 – 2 C 6.14 –, juris, Rn. 19 m.w.N. = BVerwGE 154, 10.
181Mit der Anknüpfung an die Strafandrohung werde zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimme, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
182Dies folgt zunächst aus § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, der direkt und ausschließlich an den Strafausspruch der Strafgerichte anknüpft. Unterhalb der in dieser Vorschrift genannten Schwelle kommt der strafgerichtlichen Aburteilung zwar keine unmittelbare Verbindlichkeit für die disziplinarrechtliche Beurteilung zu. Auch bei weniger gravierenden Verurteilungen kann der Ausspruch der Strafverfolgungsorgane aber als Indiz für die Schwere einer begangenen Straftat und für Abstufungen innerhalb des Orientierungsrahmens herangezogen werden.
183Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2015 – 2 C 6.14 –, juris Rn. 19, 17; Beschlüsse vom 14.05.2012 – 2 B 146.11 –, juris Rn. 10 = NVwZ–RR 2012, 658 und vom 25.05.2012 – 2 B 133.11 –, juris Rn. 10 = NVwZ–RR 2012, 607, jeweils a.E.
184Unbeschadet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kommt in dem Strafausspruch die Schwere und Vorwerfbarkeit der begangenen Handlung zum Ausdruck, die auch für die disziplinarrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung ist.
185Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen – wie hier – kommt allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weder dem ausgeurteilten Strafmaß noch einer Einstellungsentscheidung bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme eine indizielle oder präjudizielle Bedeutung zu, weil der Beamte nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist.
186Vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.07.2016 – 2 B 24.16 –, juris Rn. 15, m.w.N.
187Der Strafrahmen der Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB lag zum Tatzeitpunkt sowie heute nach der Gesetzesänderung durch das 18. Strafrechtsänderungsgesetz und das Korruptionsbekämpfungsgesetz bei einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Damit ist auf der ersten Prüfungsstufe die Ahndung bis hin zur disziplinaren Höchstmaßnahme eröffnet.
188Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2015 – 2 C 50.13 –, juris, Rn. 22 = NVwZ–RR 2016, 421.
189b)
190Zusätzlich zu dieser allein in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung erfolgten Bewertung des Gewichtes des Pflichtenverstoßes ist zu berücksichtigen, dass dem Verbot der Vorteilsannahme in Bezug auf das Amt als Bestandteil der Dienstpflicht zur uneigennützigen Amtsführung herausragende Bedeutung zukommt. Ein Beamter, der hiergegen verstößt, zerstört regelmäßig das Vertrauen, das für eine weitere Tätigkeit als Beamter, d.h. als Organ des Staates, erforderlich ist. Eine rechtsstaatliche Verwaltung ist auf die berufliche Integrität des Berufsbeamtentums zwingend angewiesen. Jeder Eindruck, ein Beamter sei für Gefälligkeiten offen oder käuflich, beschädigt das unverzichtbare Vertrauen in die strikte Bindung des Verwaltungshandelns an Recht und Gesetz und damit die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Diese kann ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn kein Zweifel daran aufkommt, dass es bei der Aufgabenwahrnehmung mit rechten Dingen zugeht. Aus der herausragenden Bedeutung des Verbots der Vorteilsannahme folgt, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis jedenfalls dann indiziert ist, wenn sich der Beamte wegen Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat. Im Falle der Bestechlichkeit wird das Verbot der Vorteilsannahme in besonders schwerer Weise missachtet. Der Beamte erklärt sich bereit, als Gegenleistung für einen Vorteil eine rechtswidrige Diensthandlung vorzunehmen. Der besonders schwere Unrechtsgehalt der Bestechlichkeit wird neben dem Strafrahmen des § 332 Abs. 1 StGB von bis zu fünf Jahren auch durch die Entscheidung des Gesetzgebers belegt, das Beamtenverhältnis nach der – hier allerdings nicht anwendbaren, weil zur Tatzeit noch nicht geltenden – Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG in der zum 1. April 2009 in Kraft getretenen Fassung bereits dann kraft Gesetzes zu beenden, wenn ein Beamter wegen Bestechlichkeit in Bezug auf eine Diensthandlung im Hauptamt rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird.
191Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.02.2013 – 2 C 52.11 –, juris, Rn. 41 ff., BVerwG Beschlüsse vom 20.12.2013 –2 B 44.12 – juris, Rn. 10 ff. und vom 20.01.2014 – 2 B 89.13 –, juris, Rn. 10 ff., je m.w.N.
192c)Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt allerdings nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Dazu bedarf es regelmäßig einer Würdigung der Einzelfallumstände. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens – nach oben wie nach unten – unter Berücksichtigung aller be– und entlastenden Umstände offen sein. Dies gilt auch im Falle einer Regeleinstufung wie bei Fällen der Bestechlichkeit. Derartige Regeleinstufungen dürfen nicht schematisch angewandt werden. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Schuldprinzip folgt, dass es im Einzelfall stets möglich sein muss, die von einer Regeleinstufung ausgehende Indizwirkung zu entkräften.
193Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2013 – 2 B 44.12 – juris, Rn.9.
194Aus den konkreten Umständen der Pflichtverletzung des Beklagten ergeben sich keine Gründe, wegen derer von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen wäre. Das Gegenteil ist der Fall.
195aa)
196Die Schwere des Vergehens des Beklagten im Streitfall dokumentiert zunächst, dass das Strafgericht mit der ausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten nur knapp unter der Jahresgrenze des § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW a.F. geblieben ist.
197bb)
198Das Gewicht der Pflichtverletzung des Beklagten zeigt sich auch im Blick auf den Umfang der angenommenen Vorteile und der Häufigkeit der Verstöße. Er hat Geldzahlungen von mehreren tausend Euro für seine Auskünfte und sonstigen Tätigkeiten für die Firma HCI – letztere spielen vorliegend keine Rolle – angenommen und dabei über einen Zeitraum von mehreren Monaten in nachweislich 47 Fällen interne Informationen aus den polizeilichen Datensystemen an die Firma XXX. weitergeleitet. Dass es bei diesen – nachweisbaren – 47 Fällen verblieb, beruhte zudem nicht auf der Einsicht des Beklagten, sondern allein darauf, dass die Firma XXX. ihren Zahlungsverpflichtungen ihm gegenüber nicht nachkam.
199cc)
200Insgesamt ist das Dienstvergehen nach Dauer, Anzahl und Intensität der Pflichtverletzungen von solchem Gewicht, dass die Verhängung der Höchstmaßnahme indiziert ist.
2013.
202Ausgehend von dieser durch die Schwere des Dienstvergehens indizierten Disziplinarmaßnahme kommt es für die Bestimmung der im konkreten Einzelfall zu verhängenden Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 2 S. 2 und 3 LDG NRW derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist.
203Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris, Rn. 17 m.w.N = BVerwGE 147, 229, sowie Beschluss vom 01.03.2012 – 2 B 140.11 –, = juris, Rn. 9 = USK 2012, 164.
204Hiernach besteht kein Anlass, das Dienstvergehen mit einer anderen Maßnahme als einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu ahnden. Im Gegenteil bestätigen beide Zumessungskriterien, dass allein die disziplinare Höchstmaßnahme in Betracht kommt.
205Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder ob es etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.
206Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2013 – 2 B 35.13 –, juris, Rn. 6 = NVwZ–RR 2014, 314.
207Je schwerwiegender das Dienstvergehen oder die mit ihm einhergehende Vertrauensbeeinträchtigung ist, umso gewichtiger müssen sich eventuell aus dem Persönlichkeitsbild ergebende mildernde Umstände sein, um gleichwohl eine andere Maßnahme zu rechtfertigen.
208Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 18 m.w.N.
209a)
210Von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte persönlichkeitsbezogene Milderungsgründe, die regelmäßig zu einer Herabsetzung der an sich indizierten Disziplinarmaßnahme führen, liegen nicht vor.
211Diese Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung.
212Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.05.2007 – 2 C 25.06 –, juris, Rn. 21.
213aa)
214Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, im Tatzeitraum vermindert schuldfähig im Sinne von § 21 StGB gewesen zu sein.
215(1)
216Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei der Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Hat der Beamte zum Tatzeitpunkt an einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten (oder hat ein anderes der dort genannten Merkmale vorgelegen) oder kann eine solche Störung nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden und ist die Verminderung der Schuldfähigkeit des Beamten erheblich, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen. Bei einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit kann die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden.
217Vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.07.2013 – 2 B 76.12 –, juris, Rn. 19 m.w.N.
218Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Fähigkeit des Beamten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB erheblich gemindert war, sind die Verwaltungsgerichte folglich gehalten, die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufzuklären.
219Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.01.2015 – 2 B 15.14 –, juris Rn. 18.
220Insoweit ist zu klären, ob der Beamte im Tatzeitraum an einer Krankheit gelitten hat, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert hat. Hierzu bedarf es in der Regel besonderer medizinischer Sachkunde. Erst wenn die Erkrankung und ihr Umfang feststehen oder nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, kann beurteilt werden, ob die Voraussetzung für eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Denn von den Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten des Beamten hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ab. Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist dagegen eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung zu beantworten haben.
221Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.01.2012 – 2 B 78.11 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
222Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt. Diese Anforderungen sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist. Dabei ist in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Beamten und dessen Entwicklung zu bewerten, wobei auch Vorgeschichte, unmittelbarer Anlass und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind.
223Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 11. Januar 2012
224– 2 B 78.11 –, juris Rn. 6, und vom 20.02.2014
225– 2 WD 35.11 –, juris Rn. 64.
226Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist darauf einzugehen, ob der Beamte motivatorischen und situativen Tatanreizen wesentlich weniger Widerstand entgegensetzen konnte als ein Durchschnittsbürger.
227Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2014 – 2 WD 35.11 –, juris Rn. 64.
228(2)
229Gründe für die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten im Tatzeitraum im Sinne von § 21 StGB fehlen ebenso wie tatsächliche Anhaltspunkte, die dem Senat Veranlassung geben könnten, der Frage einer verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten im Zeitraum der Tatbegehung weiter nachzugehen. Der Beklagte trägt bereits nichts Substantielles dazu vor, dass und inwiefern bei ihm im Tatzeitraum eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB und damit ein Ansatzpunkt für die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB vorlag. Eine Verminderung seiner Einsichts- und / oder Steuerungsfähigkeit ist ebenfalls in keiner Weise erkennbar. Hierzu im Einzelnen:
230(a)
231Das ärztliche Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. –N1. vom 11. April 2003 ergibt weder, dass der Beklagte im Tatzeitraum in seiner Schuldfähigkeit eingeschräkt war, noch gibt es dem Senat Veranlassung, der Frage einer eingeschränkten Schuldfähigkeit weiter nachzugehen.
232Zunächst ist festzuhalten, dass das Attest zu einem Zeitpunkt ausgestellt wurde, der mehrere Monate vor dem ersten Kontakt des Beklagten mit den Herren L. und M. lag. Verlässliche Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Beklagten im Tatzeitraum können ihm schon aus diesem Grund nicht entnommen werden. Auffällig ist ferner, dass es sich hierbei um das einzige vom Beklagten im Verfahren vorgelegte Attest des Facharztes handelt. Dies deutet im Hinblick darauf, dass der Beklagte bei Dr. B. –N1. seit dem 28. Februar 2003 in Behandlung war, darauf hin, dass die geschilderten gesundheitlichen Probleme des Beklagten in der Folgezeit bewältigt wurden. Hierfür spricht auch, dass von ihm auch keine weiteren, geschweige denn aussagekräftige Unterlagen zu einer angeblichen Erkrankung, wie Arztbriefe, Entlassungsberichte etc. vorgelegt werden.
233Dem Attest ist auch inhaltlich nichts zu entnehmen, was für eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Beklagten in der Folgezeit, insbesondere im Zeitraum der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen spricht. Dr. B. –N1. attestierte dem Beklagten für einen Zeitpunkt, der mehr als ein halbes Jahr vor der ersten ihm vorgeworfenen Datenabfrage liegt, eine „reaktive depressive Störung mit ausgeprägten Schlafstörungen, innerer Unruhe, Nervosität und deutlich verminderter Belastbarkeit“. Hierzu führte er aus, dass „Grund der Erkrankung mit großer Wahrscheinlichkeit eine Überforderung auf dem Arbeitsplatz (Konfrontation mit schwierigen Fällen, Nachtschicht etc.) sowie massive familiäre Probleme“ sei. Um eine kontinuierliche Arbeitsunfähigkeit des Beklagten zu verhindern und die Behandlung erfolgreich abzuschließen, empfahl Dr. B. –N1. eine Reduzierung der Arbeitszeit sowie den Verzicht auf Nachtdienst für die Dauer von zunächst einem Jahr. Dem ist der Beklagte insoweit nachgekommen, als er unter dem 23. Juni 2003 einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung mit der Hälfte seiner Arbeitskraft gestellt hat. Mit dem Beginn dieser Teilzeitbeschäftigung am 1. September 2003 waren damit die vom Arzt angenommenen Grundlagen für die depressive Störung und die Gefahr einer kontinuierlichen Arbeitsunfähigkeit entfallen. Dass diese Beurteilung sich in der Folgezeit als fehlerhaft erwiesen hätte, wird weder vom Beklagten behauptet, noch lässt sich dies den vorliegenden Akten entnehmen. Vielmehr legt der Umstand, dass der Beklagte keine weiteren ärztlichen Unterlagen vorgelegt hat, nahe, dass vergleichbare gesundheitliche Probleme beim Beklagten in der Folgezeit ausgeblieben sind. Konkrete Angaben zu Beeinträchtigungen im Tatzeitraum hat der Beklagten zu keinem Zeitpunkt gemacht.
234(b)
235Auch aus dem tatsächlichen Verhalten des Beklagten, wie es in den Akten belegt ist, ergibt sich für den Senat kein Anhaltspunkt dafür, dass bei dem Beklagten eine Erkrankung, die eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB erfüllt, im Tatzeitraum vorgelegen haben könnte. Das Gegenteil ist der Fall.
236Der Beklagte hat sich nach eigenem Eingeständnis – obwohl er sich bei Dr. B. –N1. in Behandlung befand – zu keiner Zeit einer polizeiärztlichen Untersuchung unterzogen. Auch den Antrag auf Reduzierung seiner Arbeitszeit hat er – obwohl ihm zu dieser Zeit bereits das Attest des Dr. B. –N1. vorlag – nicht mit einer Erkrankung, sondern vielmehr mit der Erziehung seiner Tochter begründet obwohl er bereits im Jahre 2001 aus dem ehelichen Haushalt ausgezogen und zur Zahlung von Unterhalt für das bei seiner Ehefrau lebende Kind verpflichtet worden war.
237.
238Dagegen, dass die im April 2003 attestierte reaktive depressive Störung auch nach dem September desselben Jahres, im Tatzeitraum, bestand, spricht ferner, dass sich der Beklagte mit Beginn seiner Teilzeittätigkeit per Zeitungsanzeige um eine Nebentätigkeit bemühte und dann auch aufnahm. Dieses Verhalten widersprach dem ärztlichen Attest.
239Abgesehen hiervon wecken – ohne dass es für die Entscheidung des Senats hierauf ankäme – die aktenkundigen Abläufe Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Bescheinigung des Dr. B. –N1. . Der Beklagte hatte dessen Attest ursprünglich nur im Unterhaltsverfahren vorgelegt, seine Nebentätigkeit nicht angezeigt und die Entgelte für die Nebentätigkeit auf das Konto seiner Lebensgefährtin überweisen lassen. Dies gibt Anlass für die Vermutung, dass der Beklagte durch die allein gegenüber dem Familiengericht als krankheitsbedingt dargestellte Reduzierung seiner Arbeitszeit versucht haben könnte, seine Unterhaltspflichten zu reduzieren, gleichzeitig aber durch die Aufnahme der Nebentätigkeit die eingetretene Gehaltsreduzierung auszugleichen und diese Einnahmen vor den Unterhaltsgläubigern zu verheimlichen. Das Familiengericht hätte eine Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen der Versorgung und Erziehung der bei der Ehefrau lebenden Tochter unterhaltsrechtlich mutmaßlich nicht akzeptiert. Etwas anderes gilt hinsichtlich einer krankheitsbedingten Reduzierung der Arbeitszeit, die – wenn berechtigt – von den Unterhaltsgläubigern hinzunehmen ist.
240Vor dem Hintergrund des beschriebenen planvollen Vorgehens des Beklagten, der Nutzung der polizeilichen Datenbanken und Informationssysteme ab einem Zeitpunkt, zu dem ihm die Bearbeitung der beauftragten Anfragen auf anderem Wege zeitlich nicht mehr möglich war und die Verwendung eines Decknamens im Verkehr mit der Firma XXX. kann der Senat auch keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Beklagte in seiner Einsichts und/oder Steuerungsfähigkeit krankheitsbedingt eingeschränkt gewesen sein könnte. Sein gesamtes Verhalten im Rahmen der Informationsbeschaffung für Firma XXX., die zusätzliche Übernahme der Kundenaquise ab Mitte August 2004 mit etwa 40 Beratungsgesprächen und die Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit neben der dienstlichen Tätigkeit zeugt vielmehr davon, dass seine Steuerungsfähigkeit nicht beeinträchtigt war. Nach seinem eigenen Vorbringen verfügte der Beklagte auch über die Einsicht, sich dienstpflichtwidrig zu verhalten. Nach eigenem Bekunden nutzte er die polizeilichen Informationssysteme nicht sofort mit Beginn der Nebentätigkeit, sondern erst ab einem Zeitpunkt, als die Rechercheanfragen anders zeitlich nicht mehr zu erledigen waren. Dabei war ihm bewusst, dass seine Vorgehensweise nicht mit seinen Dienstpflichten im Einklang stand. Dies hat er im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 1. Februar 2005 selbst zum Ausdruck gebracht.
241bb)
242Der Beklagte kann sich auch nicht auf den Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung berufen.
243Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.05.2007 – 2 C 25.06 –, juris, Rn. 21.
244Zwar hat er die Taten sowohl im Straf– als auch im gesamten Disziplinarverfahren nahezu uneingeschränkt eingeräumt bzw. nicht in Abrede gestellt. Dies geschah aber insgesamt erst nach Tatendeckung und im Hinblick auf eine eindeutige Beweislage, nicht hingegen aus eigenem Antrieb vorbehaltlos und vollständig vor Tatentdeckung. Erst im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 1. Februar 2005, der die Durchsuchung seiner Privat- und Diensträume am gleichen Tage voraus gingen, räumte er sein dienstpflichtwidriges Verhalten ein.
245cc)
246Das Verhalten des Beklagten stellt sich ferner nicht als einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat im Zuge einer plötzlich entstandenen Versuchungssituation dar. Dies setzte voraus, dass die Dienstpflichtverletzung eine Kurzschlusshandlung darstellte, die durch eine spezifische Versuchungssituation hervorgerufen worden ist, und dass sich eine Wiederholung in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten ausschließen lässt. Das wiederum hängt davon ab, ob sich der Beamte zuvor dienstlich wie außerdienstlich tadellos verhalten hat, wobei Verfehlungen auf einem völlig anderen Gebiet außer Betracht bleiben. Es kommt darauf an, ob das Fehlverhalten nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit des Beamten eine einmalige Entgleisung darstellt.
247Vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.10.2014 – 2 B 60.14 –, juris, Rn. 29, m.w.N.
248Wie dargelegt, ging der Beklagte nicht unbedacht, sondern vielmehr planvoll vor. Das Tatverhalten, aber auch das Vor- sowie das Nachtatverhalten lassen mehrere in sich stimmige, aufeinanderfolgende Schritte zu erkennen, wie zum Beispiel die Benutzung eines Decknamens oder die Nutzung des Kontos der Lebensgefährtin. Die Annahme einer einmaligen Augenblickstat ist bei über einen Zeitraum von mehreren Monaten begangenen 47 Einzeltaten ausgeschlossen. Da der Zugriff auf polizeiinterne Dateien zum Tagesgeschäft des Beklagten gehörte, lag auch eine besondere Versuchungssituation nicht vor.
249Dieser Bewertung stünden etwaige Aussagen der vom Beklagten als Zeugen benannten Kollegen nicht entgegen, wonach er, der Beklagte, ein besonders guter Beamter gewesen sei. Es ist nicht ersichtlich, dass den benannten Zeugen das Fehlverhalten des Beklagten bekannt war. Zudem ist bei der Bewertung des Vertrauensverlustes ein objektiver Maßstab anzulegen. Die Einschätzung von Kollegen ist ohne Belang.
250dd)
251Der anerkannte Milderungsgrund des Handelns in einer unverschuldet entstandenen, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage liegt ebenfalls nicht vor. Er ist gegeben, wenn es sich um ein zeitlich begrenztes Fehlverhalten des Beamten handelt und dieser z.B. die veruntreuten Gelder oder Güter zur Milderung oder Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat. Dies erfordert, dass der Beamte ohne die pflichtwidrige Verwertung der Gelder oder Güter von den für den Lebensbedarf notwendigen Leistungen abgeschnitten wäre.
252Vgl. BVerwG, Urteile vom 05.10.1994 – 1 D 31.94 –, juris Rn. 18, vom 06.06.2007 – 1 D 2.06 –, juris Rn. 28 ff. und vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 –, juris, Rn. 34.
253Es kann unterstellt werden, dass die wirtschaftliche Lage des Beklagten im Tatzeitraum angespannt gewesen ist, weil er gegenüber seiner Frau (bis zum 22. Dezember 2003) und seiner damals minderjährigen Tochter noch unterhaltspflichtig war. Hieraus folgt aber schon deshalb nicht die Annahme einer unverschuldeten existenziellen wirtschaftlichen Notlage, die den Beklagten zu einem singulären persönlichkeitsfremden Verhalten veranlasst haben könnte, weil die Situation jedenfalls ab Beginn der Teilzeitbeschäftigung mit den damit einhergehenden Gehaltseinschränkungen vom Beklagten selbst herbeigeführt worden war. Insoweit fehlt es an der Konfliktsituation, in der der Beamte keinen anderen Ausweg als die Straftat sieht, um den Notbedarf der Familie zu decken. Zudem liegt der Milderungsgrund auch deshalb nicht vor, weil der Beklagte über einen längeren Zeitraum dienstpflichtwidrig gehandelt hat, um so eine weitere Einkunftsquelle zu verwerten.
254Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2012
255– 2 WD 9.11 –, juris, Rn. 20.
256b)
257Das Fehlen anerkannter Milderungsgründe besagt allerdings nicht zwangsläufig, dass gegen den Beklagten wegen des ihm zur Last fallenden Dienstvergehens die Höchstmaßnahme verhängt werden müsste. Unter Geltung der Bemessungsvorgaben gemäß § 13 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 LDG NRW kann mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht zukommen, wenn sie zum Erfüllen eines so genannten anerkannten Milderungsgrundes nicht ausreichen. Sie dürfen deshalb nicht außer Betracht bleiben.
258Die anerkannten Milderungsgründe bieten jedoch Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Tathandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt.
259Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 25.
260Dies zugrunde gelegt führt die prognostische Gesamtwürdigung sämtlicher be– und entlastender Gesichtspunkte des Streitfalls zu der Bewertung, dass es nicht möglich ist, von der durch die Schwere des dem Beklagten zur Last fallenden Delikts indizierten Höchstmaßnahme abzusehen.
261aa)
262Soweit der Beklagte unter Hinweis auf seine familiäre Situation, eine berufliche Überlastung und die reaktive depressive Störung den Milderungsgrund der negativen Lebensphase für sich reklamieren will, ist dem nicht zu folgen.
263Eine so genannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums, die je nach den Umständen des Einzelfalls mildernd berücksichtigt werden kann, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nämlich nicht erkennbar. Danach können außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt aus der Bahn geworfen haben, mildernd in Ansatz zu bringen sein. Voraussetzung hierfür sind außergewöhnlich belastende Umstände, die inzwischen überwunden sind.
264Vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.10.2014
265– 2 B 60.14 –, juris Rn. 32 = NVwZ–RR 2015, 50 ff., und Urteil vom 10.12.2015 – 2 C 6.14 –, juris Rn. 36 = NVwZ 2016, 772 ff.
266Hier sind bereits keine Anhaltspunkte für eine negative Lebensphase in diesem Sinne ersichtlich und werden vom Beklagten auch nicht vorgetragen. Nach seinem eigenen Vorbringen führten diese Umstände nicht dazu, ihn aus der Bahn zu werfen. Im Gegenteil hat er weiterhin seinen Dienst versehen und daneben seine Nebentätigkeit, die er auch noch ausgeweitet hat, ausgeübt. Unter diesen Voraussetzungen kann auch nicht von einer beruflichen Überforderung ausgegangen werden.
267Soweit der Beklagte geltend macht, der auf eigenen Wunsch erfolgte Wechsel in die Teilzeitstelle habe seiner Überlastungssituation Rechnung getragen, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Zum einen bestehen – wie dargelegt – erhebliche Bedenken hinsichtlich der Motivation des Beklagten für den Wechsel. Zum anderen zeigen die im zeitlichen Zusammenhang stehende Beurteilung des Beklagten vom 23. Februar 2003, die vorgeschobene Begründung für den Wechsel und die planmäßige Aufnahme einer ungenehmigten Nebentätigkeit, dass der Beklagte die Teilzeitstelle nicht wegen einer Überlastungssituation anstrebte.
268bb)
269Zu Gunsten des Beklagten hat der Senat berücksichtigt, dass er nicht einschlägig disziplinarisch vorbelastet ist. Ferner hat der Senat die sich in den Beurteilungen widerspiegelnde Erfüllung der an ihn gestellten Anforderungen berücksichtigt. Allerdings sind auch überdurchschnittliche Beurteilungen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Dienstpflichtverletzungen in einem durchgreifend milderen Licht erscheinen zu lassen. Jeder Beamte ist generell verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich achtungs– sowie vertrauenswürdig, insbesondere gesetzestreu zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten abgesenkt werden. Weder die langjährige Beachtung der Dienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen sind daher geeignet, schwere Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen.
270Im Rahmen der Gesamtabwägung hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Beklagte den Sachverhalt zwar nicht freiwillig vor Tatentdeckung, jedoch später im Straf- und Disziplinarverfahren vollumfänglich eingeräumt hat.
271cc)
272Diese mildernden Gesichtspunkte in seiner Person und seinen persönlichen Umständen bei der Tatbegehung haben auch in der Gesamtschau nicht das Gewicht, das einem anerkannten Milderungsgrund zukommt, so dass es an der für die Fortsetzung des gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses notwendigen Vertrauensgrundlage fehlt.
2734.
274Bei der gebotenen abschließenden Gesamtabwägung des Gewichts des dem Beklagten zur Last fallenden einheitlichen Dienstvergehens, der erörterten ihn be- und entlastenden Umstände seines Persönlichkeitsbildes sowie des erheblichen Ausmaßes der von ihm zu verantwortenden Vertrauensbeeinträchtigung gelangt das Gericht zu der Bewertung, dass als Sanktion für sein Fehlverhalten allein die Höchstmaßnahme angezeigt ist. Der Beklagte hat das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiderruflich zerstört. Durch sein als gravierendes Dienstvergehen zu bewertendes Verhalten hat er einerseits das für die Ausübung seines Berufs erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn, sein Ansehen, seine Autorität und Glaubwürdigkeit irreparabel zerstört sowie andererseits das Ansehen seiner gesamten Berufsgruppe erheblich beeinträchtigt. Durch das Dienstvergehen ist bei Dienstherrn und Allgemeinheit ein vollständiger Vertrauensverlust eingetreten. Die von dem Beklagten verursachte Ansehensschädigung ist bei seinem Verbleib im Beamtenverhältnis nicht wiedergutzumachen. Es ist dem Dienstherrn nicht zuzumuten und wäre der Allgemeinheit nicht verständlich zu machen, wenn der Beklagte weiterhin als Beamter tätig würde.
2755.
276Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Die Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst sein musste, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzte.
277Die lange Dauer des Disziplinarverfahrens ist ungeeignet, das vom Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen.
278Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.2014 – 2 B 66.14 –, juris Rn. 7 m.w.N., und Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 40 = NVwZ–RR 2014, 105 ff.
279Der vom Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Einwand der Verwirkung greift nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht durch. Dieses Rechtsinstitut ist dem Disziplinarrecht wesensfremd, dessen Aufgabe es ist, die Integrität des Berufsbeamtentums und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes aufrechtzuerhalten.
280Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.10.2014 – 2 B 66.14 –, juris Rn. 11, und vom 06.07.1984 – 1 DB 21.84 –, juris Rn. 6 ff.
281Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Bekanntgabe des Ermittlungsergebnisses an den Beklagten im Juni 2009 und die Erhebung der Disziplinarklage erst im März 2017 erfolgten. Dieser Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot, für den aus der Akte kein Grund ersichtlich ist, bleibt wegen des vorgenannten Zwecks des Disziplinarrechts ohne Folgen.
282IV.Zu einer Abänderung des Unterhaltsbeitrags (§ 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 LDG NRW) besteht kein Anlass.
283V.Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 2 VwGO.
284Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 3 Abs. 1 LDG NRW, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
285Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
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- § 71 LPVG 1x (nicht zugeordnet)
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- § 21 Abs. 1 Satz 1 LDG 2x (nicht zugeordnet)
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