Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 E 28/20
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen
Gründe:
1Die gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG und §§ 146 Abs. 1, 147 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtswegbeschwerde des Klägers gegen den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
2Zu Recht hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss für das Begehren des Klägers gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG den Verwaltungsrechtsweg nicht für eröffnet erachtet und das Verfahren an das Arbeitsgericht E. verwiesen.
3Eine Streitigkeit im Sinne der aufdrängenden Sonderzuweisung des § 54 Abs. 1 BeamtStG ist nicht gegeben. Nach letztgenannter Vorschrift ist für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Bei dem Kläger handelte und handelt es sich nicht um einen Beamten. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die insoweit konstitutive Ernennung zum Beamten im Wege der Aushändigung der Ernennungsurkunde (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BeamtStG, § 16 Abs. 3 LBG NRW), die das privatrechtliche Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn zum Erlöschen gebracht hätte (§ 16 Abs. 4 LBG NRW), nicht erfolgt ist.
4Vgl. auch Werres in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht - Kommentar, 21. UPD Februar 2020, 2 Personaler Geltungsbereich Rn. 13.
5Maßgeblich ist auch nach dem Vortrag des Klägers selbst vielmehr der zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits geschlossene Vertrag vom 26. Januar 2005, nach dessen § 1 Satz 2 der Kläger im Angestelltenverhältnis beschäftigt wurde. Dass eine Ernennung zum Beamten nicht erfolgt ist, sondern der Kläger lediglich wie ein Beamter behandelt werden sollte, verdeutlicht gerade die Bestimmung des § 2 des genannten Vertrages, wonach sich die beiderseitigen Rechte und Pflichten sinngemäß (Hervorhebung nur hier) nach den jeweils geltenden Vorschriften des LBG NRW bestimmen und dem Kläger alle Ansprüche zugesichert werden, die einem vergleichbaren Beamten zustehen.
6Daran führt entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht vorbei, dass der Beklagte nach seiner Satzung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist und damit Beklagter in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren sein kann, und auch nicht, dass der Beklagte nach § 14 Abs. 1 der Verbandssatzung zur Erledigung seiner Aufgaben neben tariflich Beschäftigten hauptamtlich tätige Beamtinnen bzw. Beamte einstellen kann. Abs. 3 der genannten Bestimmung hebt vielmehr zu Recht hervor, dass für die Begründung des Beamtenverhältnisses nach geltendem Recht die Aushändigung einer Ernennungsurkunde erforderlich ist, an der es im Fall des Klägers fehlt.
7Bereits aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass entgegen der Auffassung des Klägers der Verwaltungsrechtsweg auch nicht nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet ist. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist nicht gegeben; insbesondere haben die Beteiligten - anders, als der Kläger meint - unter dem 26. Januar 2005 keinen Vertrag auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts geschlossen.
8Die Qualifizierung eines Vertrages als öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich hängt nicht von seiner formalen Bezeichnung oder dem subjektiven Willen der Vertragschließenden ab, weil ihnen insoweit die Dispositionsbefugnis fehlt. Die Abgrenzung richtet sich ausschließlich nach objektiven Kriterien. Dabei macht allein die Beteiligung einer Behörde am Vertrag diesen noch nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, weil sich Behörden zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben sowohl öffentlich-rechtlicher als auch zivilrechtlicher Handlungsformen bedienen können. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Abgrenzung ist stattdessen der Vertragsgegenstand. Ob dieser öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, ist anhand der allgemeinen, im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Anwendung kommenden Kriterien zur Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht zu ermitteln. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt dabei dann vor, wenn die Parteien über Rechtsfolgen oder Rechtsverhältnisse streiten, die dem Privatrecht angehören. So liegt es hier. Die Beteiligten haben, wie erwähnt, in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausweislich § 1 Satz 2 des Vertrages die Beschäftigung des Klägers im Angestelltenverhältnis geregelt. Sie haben damit Vereinbarungen auf dem Gebiet des Privatrechts getroffen, wenn diese auch die - erstaunlich weitgehende - sinngemäße Anwendung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen umfassen. In vergleichbarer Weise wird bei Dienstordnungsangestellten angenommen, dass sie in einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis stehen, auch wenn für sie weitgehend eine entsprechende Anwendung der beamten- und besoldungsrechtlichen Vorschriften vorgesehen ist.
9Vgl. dazu etwa BAG, Urteil vom 16. Mai 1955 ‑ 2 AZR 22/53 -, BAGE 2, 81 = juris Rn. 13 ff.; BGH, Urteil vom 14. Februar 1985 - IX ZR 145/83 -, BGHZ 94, 18 = juris Rn. 20; Werres in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht - Kommentar, a. a. O. Rn. 27; v. Roetteken in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 18. Update Februar 2020, 1. Beschränkung auf Beamtinnen und Beamte, Rn. 9 m. w. N.
10Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen angenommen. Diese sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Dieser Vorschrift liegt der allgemeine nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde. Eine nähere Begriffsbestimmung enthält die Norm nicht, so dass auf den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsrechts zurückzugreifen ist, wie er sich aus der gesetzlichen Definition des Arbeitsvertrags in § 611a Abs. 1 BGB ergibt. Nach § 611a Abs. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen, wobei der objektive Geschäftsinhalt den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen ist. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Damit hat der Gesetzgeber die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Abgrenzungskriterien übernommen.
11Vgl. BAG, Urteile vom 21. November 2017 - 9 AZR 117/17 -, NZA 2018, 448 = juris Rn. 23, und vom 27. Juni 2017 - 9 AZR 851/16 -, NZA 2017, 1463 = juris Rn. 17.
12Der Kläger war nach § 1 Satz 2 des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrages im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Die Gesamtwürdigung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls bestätigt diese vertraglich vorgenommene Einordnung. Maßgeblich sind insoweit, da es sich bei dem Beklagten um einen Zweckverband im Sinne des Dritten Teils des GKG NRW handelt, neben den Regelungen des zwischen Beteiligten geschlossenen Vertrages vom 26. Januar 2005 die Bestimmungen des GKG NRW sowie der Verbandssatzung. Daraus ergibt sich, dass der Kläger zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit verpflichtet war. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 GKG NRW, § 9 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Verbandssatzung führt die Verbandsvorsteherin/der Verbandsvorsteher die laufenden Geschäfte sowie nach Maßgabe der Gesetze, der Verbandssatzung und der Beschlüsse der Verbandsversammlung die übrige Verwaltung des Zweckverbandes und vertritt den Zweckverband gerichtlich und außergerichtlich. Sie bzw. er ist nach § 16 Abs. 2 Satz 2 GKG NRW Dienstvorgesetzte bzw. Dienstvorgesetzter der Dienstkräfte des Zweckverbandes. Sie/er bedient sich (lediglich) nach § 9 Abs. 3 Satz 3 der Verbandssatzung bei der Durchführung ihrer/seiner Aufgaben der Geschäftsleitung, deren Einstellung § 16 Abs. 3 GKG NRW nicht gebietet, sondern nur ermöglicht, und ist insofern dieser gegenüber weisungsbefugt. (Nur) diese Geschäftsleitung war dem Kläger übertragen worden; dass er nach dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag (§ 1 Satz) als "Geschäftsführer" bestellt worden war, ändert daran nichts. Da sich gemäß § 3 Satz 2 des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrages die beiderseitigen Rechte und Pflichten sinngemäß nach den jeweils geltenden Vorschriften des LBG NRW bestimmten, unterlag der Kläger (auch) danach den Weisungen des Verbandsvorstehers.
13Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist auch nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gelten als Arbeitnehmer nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind. Denn ihre Fiktionswirkung greift nach ständiger Rechtsprechung des BAG ausgehend von ihrer Zweckrichtung, Arbeitsgerichtsprozesse im "Arbeitgeberlager" zu vermeiden, nach dem Ende der Organstellung nicht mehr ein.
14Vgl. nur BAG, Beschlüsse vom 8. September 2015 ‑ 9 AZB 21/15 -, NZA 2015, 1342 = juris Rn. 17, und vom 23. August 2011 - 10 AZB 51/10 -, BAGE 139, 63 = juris Rn. 12 f. m. w. N.
15Im Streitfall war diese spätestens mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30. Juni 2019 nicht mehr gegeben.
16Örtlich zuständig ist das Arbeitsgericht E. . Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 29 Abs. 1 ZPO, wonach für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, sowie aus § 48 Abs. 1a Satz 1 ArbGG, wonach unter anderem für Streitigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 auch das Arbeitsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Der Erfüllungsort bzw. der gewöhnliche Arbeitsort war hier M......, das in den Zuständigkeitsbezirk des für den Kreis........ zuständigen Arbeitsgerichts E. fällt.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
18Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht. Für Verfahren der vorliegenden Art sieht Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr von 60,00 Euro vor.
19Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG) liegen nicht vor, da der Senat nicht von der Entscheidung eines Obersten Bundesgerichts abweicht und eine Frage grundsätzlicher Bedeutung nicht erkennbar ist.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 17a Abs. 4 Satz 4 GKG).
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