Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 D 103/20.NE
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin i. H. v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Antragsteller wendet sich gegen einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, mit dem ein parkartig angelegtes und mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück einer neuen, verdichteten wohnbaulichen Entwicklung mit drei Mehrfamilienhäusern zugeführt werden soll.
3Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung G. , Flur 2, Flurstück 000 mit der Anschrift L.------ 01 in C. . Dieses ca. 750 m² große Grundstück liegt unmittelbar südwestlich des Plangebiets. Es ist mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebaut.
4Das Plangebiet liegt im Ortsteil I. des Stadtbezirks C. -C1. H. im Bereich des Bestandsgebäudes mit der Anschrift L.------ 00 und umfasst die Flurstücke 317/1, 318/2, 1064, 1516 und 1991 der Flur 2 in der Gemarkung G. . Es wird im Norden durch die N. -H1. -Straße, im Osten durch das Nachbargrundstück Gemarkung G. , Flur 2, Flurstück 2361, im Süden durch die L.------ und im Westen durch die Flurstücke 1515, 2223 und 911 der Flur 2 in der Gemarkung G. begrenzt.
5Im Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin ist das Plangebiet als Wohnbaufläche dargestellt. Der am 14.11.1967 in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. 8018-48 „L.------ “, in dessen Geltungsbereich sich auch das Grundstück des Antragstellers befindet, setzt für das Plangebiet ein reines bzw. allgemeines Wohngebiet fest. Zulässig ist eine offene, zwingend zweigeschossige Bebauung entlang der L.------ sowie der N. -H1. -Straße. Die Straßenfront wird jeweils durch Baulinien definiert. Die Grundflächenzahl wird mit 0,4 und die Geschossflächenzahl mit 0,7 bestimmt.
6Der angegriffene Bebauungsplan setzt auf einer Fläche von circa 4.900 m² ein allgemeines Wohngebiet fest; nach § 4 BauNVO ausnahmsweise zulässige Nutzungen sind dort ausgeschlossen. Für die Bebauung mit drei Mehrfamilienhäusern mit circa 75 Wohneinheiten sind drei Baufenster (A bis C) sowie zusätzlich eine Fläche für eine Tiefgarage und deren Zufahrten festgesetzt, die Einfahrt zur Tiefgarage ist an der L.------ vorgesehen, die Ausfahrt an der N. -H1. -Straße. Zugleich wird eine Bebauung mit drei (B und C) bzw. vier (A) Vollgeschossen als Höchstgrenze sowie eine maximale Gebäudehöhe für die einzelnen Baufenster festgesetzt. Nach Ziffer 3 der textlichen Festsetzungen dürfen Balkone, Dachvorsprünge und Fluchttreppen die festgesetzten Baugrenzen um bis zu 2,5 m überschreiten, Terrassen bis zu 3 m. Die Grundflächenzahl beträgt 0,4 und die Geschossflächenzahl 1,2; die Grundflächenzahl darf durch Stellplätze mit ihren Zufahrten und Nebenanlagen sowie Tiefgaragen bis zu einer Grundflächenzahl von 0,8 überschritten werden. Als Dachform ist „Flachdach“ vorgegeben. Als Maßnahme zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft enthält der Plan textliche Festsetzungen (Ziffer 7.1 und 7.2), wonach Flachdächer - mit Ausnahme von Lichtkuppeln, Glasdächern, Terrassen sowie technischen Aufbauten und soweit brandschutztechnische Bestimmungen nicht entgegenstehen - nach Maßgabe näherer Bestimmungen zu begrünen sind. Ferner enthält der Bebauungsplan den Hinweis, dass für ein 30-jähriges Regenereignis ein Rückhaltevolumen von 70 m³ einzurichten und ein entsprechender Nachweis im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens vorzulegen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Festsetzungen wird auf die Planurkunde Bezug genommen.
7Das Aufstellungsverfahren verlief im Wesentlichen wie folgt: Nachdem die Beigeladene mit Schreiben vom 28.4.2016 bei der Antragsgegnerin die Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens beantragt hatte, beschloss der Ausschuss für Planung, Verkehr und Denkmalschutz in seiner Sitzung am 28.9.2016 auf der Grundlage des von der Beigeladenen vorgelegten Plankonzepts (Vorhaben- und Erschließungsplan) die Aufstellung des Bebauungsplans. Die Aufstellung erfolgte im beschleunigten Verfahren. Die frühzeitige Öffentlichkeits- bzw. Behördenbeteiligung fand im Zeitraum vom 16.1.2018 bis zum 15.2.2018 bzw. vom 31.1.2018 bis zum 15.2.2018 statt. Am 30.10.2019 beschloss die Antragsgegnerin die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung in der Zeit vom 21.11.2019 bis einschließlich 20.12.2019. Der Beschluss wurde am 13.11.2019 öffentlich bekannt gemacht mit dem Hinweis, dass der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung aufgestellt werde. In dem genannten Zeitraum lag der Planentwurf mit zugehörigen Unterlagen öffentlich aus. Während der Offenlage nahm der Antragsteller zu dem Planentwurf mit Schreiben vom 16.12.2019 Stellung. Der Hauptausschuss der Antragsgegnerin fasste den Satzungsbeschluss anstelle des Rates am 7.5.2020. Zugleich beschloss er über die eingereichten Stellungnahmen. Am 15.5.2020 wurde die Planurkunde ausgefertigt. Der Satzungsbeschluss wurde im Amtsblatt am 27.5.2020 öffentlich bekannt gemacht.
8Der Antragsteller hat am 9.6.2020 Antrag auf Normenkontrolle gestellt.
9Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Antrag sei zulässig. Er sei antragsbefugt. Sein Nachbargrundstück sei durch den Bebauungsplan unmittelbar betroffen. Die Bebauung werde bis unmittelbar an die Grundstücksgrenze gehen. Der Antrag sei auch begründet. Der Hauptausschuss habe anstelle des Rates den Satzungsbeschluss gefasst, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorgelegen hätten. Auch sei die Aufstellung des Bebauungsplans rechtswidrig im beschleunigten Verfahren erfolgt. Es handele sich nämlich um eine Planung, die in engem sachlichen, zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Bebauungsplan Nr. 6918-1 „M. -F. - “ stehe und erhebliche Umweltauswirkungen mit sich bringe. Die Antragsgegnerin habe zudem keine sachgerechte Abwägung vorgenommen. So beruhe der Überflutungsnachweis auf den Regendaten von 1951 bis 2010 und arbeite nicht mit aktuellen Daten. Ebenso sei die Artenschutzprüfung fehlerhaft, die von einem Richtlinienstatus der schutzwürdigen Brutvögel von 2010 ausgehe, obwohl es seit 2016 eine neue Richtlinie gebe. Das Gutachten bleibe den Nachweis schuldig, dass die ökologische Funktion der von dem Eingriff betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt würden. In dem „Fachbeitrag Verkehr“ seien die erwartbare Belastung des Straßenverkehrs durch die Neubaumaßnahmen im Bereich L.------ 62 bis 70 und der M. -F. - wie auch andere Veränderungen des Straßenverkehrs unberücksichtigt geblieben. Es reiche nicht aus, eine Verkehrsbeurteilung ohne empirische Messungen vor Ort zu machen. Durch die Ausschachtungen für den Bau der überdimensionierten Tiefgarage würden sein Grundstück abrutschen und die Vegetation absterben. Zudem verursache die geplante Bebauung Beeinträchtigungen aller Nachbargrundstücke durch Lärmimmissionen und Einsichtnahmemöglichkeiten.
10Der Antragsteller beantragt,
11den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 0000 -2 der Bundesstadt C. für ungültig zu erklären.
12Die Antragsgegnerin beantragt,
13den Antrag abzulehnen.
14Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Der Antragsteller sei schon nicht antragsbefugt. Eine abwägungsrelevante Beeinträchtigung ergebe sich insbesondere weder aus seinen Einwänden gegen den Überflutungsnachweis noch aus den Rügen der Verkehrsbelastung bzw. der Lärmimmissionen sowie den Belangen der Belichtung, Belüftung und eines ausreichenden Sozialabstandes. Der Antrag sei aber auch unbegründet. Der Hauptausschuss sei nach den kommunalrechtlichen Vorschriften entscheidungsbefugt gewesen. Der Bebauungsplan sei ordnungsgemäß im beschleunigten Verfahren aufgestellt worden. Es bestehe kein enger sachlicher, räumlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit dem Bebauungsplan Nr. 0000-1 oder einem sonstigen Bebauungsplan. Da das Plangebiet bereits vor 1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche Kanalisation angeschlossen gewesen sei, bestehe keine Verpflichtung, das Niederschlagswasser ortsnah zu versickern, zu verrieseln oder über eine Kanalisation ohne Vermischung in ein Gewässer einzuleiten. Die Flachdächer der Neubebauung würden aus Gründen des Wasserhaushalts begrünt ausgeführt. Die verwendeten Regendaten im Rahmen des Überflutungsnachweises entsprächen den methodischen Vorgaben. Der konkrete Nachweis über Vorkehrungen für Starkregenereignisse erfolge im späteren baurechtlichen Genehmigungsverfahren. Es seien Artenschutzprüfungen der Stufen 1 und 2 durchgeführt worden. Die Methodik der Ausarbeitung habe sich nach den in Nordrhein-Westfalen einschlägigen Vorschriften gerichtet. Auch das Baumgutachten sei methodengerecht angefertigt worden. Das Verkehrsgutachten prognostiziere geringe zusätzliche Verkehrsbelastungen, die die Qualitätsstufen der untersuchten Knotenpunkte nicht veränderten. Die geplante Tiefgaragenerschließung sei danach ebenfalls sehr gut abzuwickeln. Auch unter Berücksichtigung anderer Bauvorhaben werde der Verkehrsfluss auf der L.------ nicht beeinträchtigt. Schäden, die im Zuge der Baumaßnahmen an vorhandenen Baukörpern oder vorhandener Vegetation entstünden, seien nicht Gegenstand des Bebauungsplanverfahrens. Unzumutbare Lärmimmissionen ergäben sich ebenfalls nicht.
15Die Beigeladene beantragt,
16den Antrag abzulehnen.
17Sie trägt im Wesentlichen vor: Der Antrag sei bereits unzulässig. Die vom Antragsteller geltend gemachten Beeinträchtigungen seien nicht abwägungsbeachtlich. Der Antrag sei aber auch unbegründet. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 20.12.2020 einschließlich der dazugehörigen ergänzenden Stellungnahmen verwiesen.
18Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 20.1.2022 besichtigt. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die dazu gefertigte Terminsniederschrift Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Aufstellungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20Der Antrag hat keinen Erfolg.
21A. Der Antrag ist allerdings zulässig.
22Der Antragsteller ist insbesondere - anders als die Antragsgegnerin und die Beigeladene geltend machen - antragsbefugt.
23Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht nur, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts auch aus einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Antragsbefugt kann in einem solchen Fall derjenige sein, der sich auf einen abwägungserheblichen Belang berufen kann. Macht ein Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks eine Verletzung des Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB geltend, muss er einen eigenen Belang benennen, der nach Lage der Dinge von der planenden Gemeinde bei der Abwägung zu beachten war. Nicht jeder Belang ist in der Abwägung zu beachten, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Im Weiteren können alle betroffenen Interessen unbeachtet bleiben, die entweder objektiv geringwertig oder aber, sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang, nicht schutzwürdig sind.
24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.2.2020
25- 7 D 40/18.NE -, juris, m. w. N.
26Führt die Änderung eines Bebauungsplans dazu, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise als bisher genutzt werden dürfen, so gehören die Interessen der Nachbarn an der Beibehaltung der geltenden Festsetzungen grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial. Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf Fortbestand eines Bebauungsplans und schließt auch Änderungen des Plans nicht aus. Die ortsrechtlichen Festsetzungen begründen aber regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. Ein solches Interesse ist nicht nur dann gegeben, wenn der Bebauungsplan in seiner ursprünglichen Fassung ein subjektives öffentliches Recht begründet hat. Abwägungsrelevant ist vielmehr jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung, auch wenn es auf einer einen Nachbarn nur tatsächlich begünstigenden Festsetzung beruht. Ob diese Interessen Gegenstand der Abwägung waren und dabei hinreichend berücksichtigt worden sind, kann der Betroffene im Wege der Normenkontrolle überprüfen lassen. Abweichendes ergibt sich bei nur geringfügigen Änderungen sowie bei solchen Änderungen, die sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können.
27Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.9.2021 - 4 BN 17.21 -, juris, und vom 15.6.2020 - 4 BN 51.19 -, BRS 88 Nr. 169 = juris, m. w. N.
28In Anwendung dieser Grundsätze ist der Antragsteller antragsbefugt. Er hat sich hinreichend darauf berufen, dass der in Streit stehende Bebauungsplan gemessen an den Festsetzungen des Vorgängerplans zu einer wesentlichen Intensivierung der baulichen Nutzung auch in jenen Bereichen des Vorhabengrundstücks führt, die an sein Grundstück angrenzen. Dabei ist nicht zu ersehen, dass sich diese die Geringfügigkeitsgrenze ersichtlich überschreitende Nutzungsintensivierung etwa im Hinblick auf die festgesetzten Grenzabstände auf das Grundstück des Antragstellers nur unwesentlich auswirken könnte. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die - unter anderem an der dem Antragsteller zugewandten Südwestseite des an der L.------ gelegenen Gebäudes nach Ziffer 3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans mit einer Tiefe von 2,5 m zugelassenen - Balkone den sich nach § 6 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 Buchst. b BauO NRW ergebenden gesetzlichen Mindestabstand von 3 m voll ausschöpfen.
29B. Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.
30Der angegriffene Bebauungsplan leidet nicht an beachtlichen Mängeln.
31I. Beachtliche formelle Mängel sind weder aufgezeigt noch ersichtlich.
321. Der Hauptausschuss war für die abschließende Entscheidung über den Be-bauungsplan am 7.5.2020 nach § 60 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GO NRW in der Fassung des Gesetzes zur konsequenten und solidarischen Bewältigung der COVID-19-Pandemie in Nordrhein-Westfalen und zur Anpassung des Landesrechts im Hinblick auf die Auswirkungen einer Pandemie vom 14.4.2020 (GVBl. NRW Seite 227b; GO NRW a. F.) zuständig. Einer Genehmigung durch den Rat nach § 60 Abs. 1 Satz 5 GO NRW a. F. bedurfte es nicht. Dies hat der Gesetzgeber mit der nunmehrigen Verortung von § 60 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GO NRW a. F. in § 60 Abs. 2 GO NRW klargestellt.
33Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Gesetz zur Isolierung der aus der COVID-19-Pandemie folgenden Belastungen in den kommunalen Haushalten und zur Sicherung der kommunalen Handlungsfähigkeit sowie zur Anpassung weiterer landesrechtlicher Vorschriften, Landtags-Drucksache 17/9829, Seite 38.
342. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens nach § 13a Abs. 1 BauGB liegen vor. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Antragstellers der in § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB bestimmte Schwellenwert von 20.000 m² eingehalten. Die Grundfläche des Bebauungsplans Nr. 6918-1 „M. -F. - “ ist hier nicht mitzurechnen. Dazu hat die Beigeladene in der Antragserwiderung vom 21.12.2020 zutreffend darauf hingewiesen, dass es schon an einem - für eine Mitrechnung u. a. erforderlichen - sachlichen Zusammenhang fehlt; denn dieser Plan hat das Ziel, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung eines Büro- und Verwaltungsgebäudes zu schaffen, das den Anforderungen des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnik gerecht wird.
35II. Ebenso wenig sind beachtliche materielle Mängel festzustellen. Der Plan leidet insbesondere nicht an durchgreifenden Abwägungsmängeln.
361. Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot umfasst als Verfahrensnorm das Gebot zur Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (vgl. § 2 Abs. 3 BauGB), inhaltlich stellt es Anforderungen an den Abwägungsvorgang und an das Abwägungsergebnis.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.4.2008 - 4 CN 1.07 -, BRS 73 Nr. 31 = BauR 2008, 1268.
38Über die verfahrensrechtliche Verpflichtung hinaus erweist sich die Abwägung aus materiell-rechtlichen Gründen insbesondere dann als fehlerhaft, wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis jedoch genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet.
39Vgl. dazu allg. BVerwG, Urteil vom 5.5.2015 - 4 CN 4.14 -, BRS 83 Nr. 8 = BauR 2015, 1620.
402. Die Abwägung ist nicht hinsichtlich des Aspekts der planbedingten Zunahme von abzuführendem Oberflächenwasser mangelhaft. Die Antragsgegnerin konnte die abschließende Bewältigung dieses Aspekts in das nachfolgende Genehmigungsverfahren verlagern.
41Vgl. zur Verlagerung der abschließenden Konfliktbewältigung in das Baugenehmigungsverfahren OVG NRW, Urteile vom 15.12.2021 - 7 D 45/19.NE - juris, und vom 30.6.2021 - 7 D 62/19.NE -, juris, m. w. N.
42Die Antragsgegnerin hat zutreffend angenommen, dass die planbedingten Probleme der Niederschlagswasserbeseitigung, die über die bestehende Mischwasserkanalisation erfolgt, nicht sämtlich durch den Plan selbst bewältigt werden mussten, sondern dass die abschließende Bewältigung in das Baugenehmigungsverfahren verlagert werden konnte (vgl. Hinweis „Starkregen“ auf der Planurkunde, Planbegründung Abschnitt 3.4.5, Thematische Gesamtabwägung, Stichwort „Technische Erschließung“ sowie zur Dachbegrünung - auch der Tiefgaragendecke, zuzüglich einer Drainschicht - Ziffern 7.1 und 7.2 der textlichen Festsetzungen). Es erscheint auch hinreichend sicher, dass im Genehmigungsverfahren eine solche abschließende Bewältigung gelingen kann. Dies dokumentiert der Überflutungsnachweis durch das Ingenieurbüro E. + L1. GmbH vom 6.8.2018, auf den die Planbegründung Bezug nimmt; darin wird die Sicherheit gegen Überflutung bzw. einer kontrollierten schadlosen Überflutung nachgewiesen. Die dagegen gerichteten Rügen des Antragstellers greifen aus den von der Beigeladenen in ihrer Antragserwiderung vom 21.12.2020 unter Bezugnahme auf eine erläuternde gutachtliche Stellungnahme vom 27.11.2020 ausgeführten Gründen nicht durch.
433. Ein Abwägungsmangel ergibt sich auch nicht mit Blick auf die planbedingten verkehrlichen Auswirkungen. Abwägungsrelevant kann zwar auch eine planbedingte Überlastung einer Erschließungsstraße sein.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.11.2019 - 7 D 81/17.NE -, juris, m. w. N.
45Eine in diesem Zusammenhang vom Antragsteller befürchtete relevante Überlastung der L.------ ist aber nach den detaillierten Ausführungen des „Fachbeitrags Verkehr“ der J. Verkehrstechnik GmbH vom 14.9.2018, die sich die Antragsgegnerin im Rahmen der Gesamtabwägung (Stichwort „Verkehr“) zu eigen gemacht hat, nicht zu erkennen. Dieser Fachbeitrag hat die verkehrlichen und leistungstechnischen Auswirkungen der Planung auf das umliegende Straßennetz und insbesondere die unmittelbar benachbarten Knotenpunkte L.------ / M1. H2.----- und M1. H2.----- / N. -H1. -Straße ermittelt und dargestellt. Die prognostizierten Verkehrsbelastungen sind danach an beiden Knotenpunkten in sehr guter bis guter Qualität abwickelbar. Auch die geplante Tiefgaragenerschließung ist danach in einer sehr guten Qualität abwickelbar; kurzzeitige Wartezeiten für die Linkseinbieger in die Tiefgaragenzufahrt der L.------ sind in den Verkehrsspitzenstunden zwar nicht auszuschließen, aufgrund der sehr geringen Linkseinbiegerverkehre (Morgenspitze 4 Pkw/h; Nachmittagsspitze 7 Pkw/h) sind hieraus allerdings keine nennenswerten Beeinträchtigungen des Verkehrsflusses der L.------ abzuleiten.
46Mit ihrer erläuternden Stellungnahme vom 26.11.2020 ist die J. Verkehrstechnik GmbH zudem auf die vom Antragsteller in der Antragsbegründung ins Feld geführten „Neubaumaßnahmen“ im Bereich der L.------ 62 - 70 sowie der M. -F. - eingegangen und hat deren fehlende Relevanz noch einmal hervorgehoben.
474. Es lässt sich ferner kein Abwägungsmangel unter dem Aspekt einer planbedingten Zunahme der Verkehrslärmbelastung feststellen.
48Die Antragsgegnerin hat insbesondere den planbedingten Verkehrslärm mit Blick auf die umliegende Wohnbebauung hinreichend durch die „Gutachterliche Stellungnahme zur Geräuschsituation im Bereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 6918-2 ‚L.------ ‘ in C. “ vom 13.9.2018 ermittelt und ist in ihrer Bewertung zu dem nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt, dass im Rahmen der Umsetzung des Gesamtvorhabens keine immissionsschutzrechtlichen Konflikte an den benachbarten Wohnnutzungen zu erwarten sind, weil die maßgeblichen Richtwerte zur Tages- und Nachtzeit deutlich unterschritten werden (Planbegründung Abschnitt 3.4.1, Thematische Gesamtabwägung, Stichwort „Lärm“). Dabei ist auch für das Grundstück des Antragstellers (Immissionspunkt 6) eine eingehende Prüfung erfolgt.
495. Anhaltspunkte für eine unzureichende Ermittlung bzw. Bewertung der Belange des Naturschutzes (insbesondere des Artenschutzes einheimischer Vogel- und Fledermausarten und des Schutzes des Gehölz- und Baumbestands) sind mit Blick auf die in der Planbegründung enthaltenen Erwägungen (vgl. Abschnitt 3.4.2 der Planbegründung) nicht festzustellen. Dies bestätigt auch die ergänzende Stellungnahme des Büros für Umweltplanung zu den Artenschutzprüfungen vom 11.12.2020, in der die Einwände der Antragsbegründung abgehandelt werden. Die Antragsgegnerin hat sich im Rahmen der Gesamtabwägung unter dem Stichwort „Hecken“ auch fehlerfrei mit der Teilkompensation von Hecken seitens des Vorhabenträgers, soweit deren Fortbestand im Rahmen der Bauarbeiten nicht gesichert werden kann, und der verbindlichen Regelung einer Heckenpflanzung zu der Grundstücksgrenze des Antragstellers befasst.
506. Ein Abwägungsmangel ergibt sich auch nicht insoweit, als der Antragsteller einwendet, es sei zu befürchten, dass sein Grundstück bei den Ausschachtungsarbeiten für die in unmittelbarer Grenznähe gelegene Tiefgarage abrutschen und die vorhandene Vegetation zum Absterben gebracht werde.
51Dies ergibt sich schon daraus, dass die Antragsgegnerin zutreffend angenommen hat, die Planung lasse sich ohne eine Gefährdung des Grundstücks des Antragstellers und seiner Bäume realisieren; das bestätigt die ergänzende Stellungnahme des Dipl.-Geol. Z. vom 10.12.2020. Danach ist das Nachbargrundstück von der Baugrubenerstellung nicht direkt betroffen, weil für die Baugrube der Tiefgarage nach den Regeln der Technik ein Verbau mit 1,25 m Grenzabstand einzubauen ist.
527. Ferner vermag der Senat keinen Abwägungsmangel hinsichtlich der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) festzustellen, den der Antragsteller hier mit Blick auf die erfolgte Nachverdichtung unter den Aspekten „deutliche negative Veränderung der Luft- und Lichtverhältnisse“ sowie „Verletzung des Blickschutzes“ rügt.
53Die Antragsgegnerin hat diese Problematik ausweislich der Ausführungen in der Gesamtabwägung (dort Stichworte „Verdichtung“ und „Gebäudehöhen“) erkannt und dazu unter anderem erwogen, das geplante Bauvorhaben greife die vorhandene Bauweise im Wesentlichen auf und entwickle sie im Hinblick auf den in der Gesamtstadt C. bestehenden Wohnbedarf weiter. Das Konzept zeichne sich durch eine nach heutigen Maßstäben angemessene Verdichtung aus. Die Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken würden eingehalten. Daher sei auch nicht mit erheblichen Beeinträchtigungen der Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse zu rechnen. Die Planbegründung wiederholt die genannten Erwägungen (Abschnitt 1.3 „Planungsanlass“, Abschnitt 3.1 „Städtebauliche Auswirkungen“) und gelangt zu der Bewertung, für die bestehende Wohnbebauung seien untypische Belästigungen oder Störungen nicht zu erwarten. Diese Bewertungen sind - auch hinsichtlich der vom Antragsteller mit dem Hinweis auf eine Verletzung des Blickschutzes insbesondere bemängelten Schaffung von Möglichkeiten des Einblicks auf sein Grundstück - nicht zu beanstanden; denn eine Einsichtnahme auf ein benachbartes Grundstück ist nach der ständigen Rechtsprechung des OVG NRW in bebauten innerstädtischen Gebieten üblich und grundsätzlich hinzunehmen.
54Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 8.4.2020 - 10 A 352/19 -, juris, sowie vom 30.8.2012 - 2 D 81/11.NE -, juris, jeweils m. w. N.
558. Schließlich hat der von dem Antragsteller geltend gemachte Gesichtspunkt der Wertminderung seines Grundstücks nicht die Bedeutung eines eigenständigen Abwägungspostens.
56Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.8.1993 - 4 NB 25.93 -, juris.
57Nichts anderes hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Gesamtabwägung unter dem Stichwort „Wertminderung“ zum Ausdruck gebracht.
58Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
59Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
60Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht ersichtlich sind.
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Referenzen
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- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
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- § 60 Abs. 2 GO 1x (nicht zugeordnet)
- § 13a Abs. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
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- § 1 Abs. 7 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 132 1x
- 7 D 40/18 1x (nicht zugeordnet)
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