Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 C 11407/10
Tenor
Die von der Antragsgegnerin am 16.09.2010 beschlossene Satzung zur „Verlängerung der Veränderungssperre im Bereich der in Aufstellung befindlichen Änderungen der Bebauungspläne Nr. ..., ..., ..., ... (Industriegebiet W.../K...)“ wird für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Veränderungssperre.
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Die Antragstellerin betreibt eine nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz - BImschG - genehmigte Anlage zur Lagerung und Aufbereitung von Erdaushub und Bauschutt (Bauschuttaufbereitungsanlage) auf den Grundstücken der Gemarkung W..., Flur ..., Flurstücke .../...-..., ..., ...-..., ... und ... an der S... Straße in Koblenz. Die Betriebsgrundstücke sind durch den Bebauungsplan Nr. ... „Industriegebiet W.../K...“ als Gewerbegebiete ü;berplant. Am 18.05.2009 beantragte die Antragstellerin eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImschG zur Erweiterung der Jahresdurchsatzleistung, Änderung der Lagerflächenbelegung, Erweiterung der Betriebsfläche, Änderung einer Siebanlage und Zulassung der Verwertung von Rostasche.
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Bereits am 05.05.2003 hatte der Stadtrat der Antragsgegnerin die Aufstellung zur Änderung verschiedener Bebauungspläne (Nr. ..., ..., ..., ... - jeweils Industriegebiet W.../K... -) beschlossen. Als Planungsziel wurde angegeben, dass durch entsprechende textliche Festsetzungen planungsrechtlich gesichert werden solle, dass Luftverunreinigungen durch bestimmte Stoffgruppen vermieden würden, die ihrerseits die Produktion hochwertiger Materialien verhindern bzw. gefährden könnten. Außerdem sollten damit die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gesichert werden. Im weiteren Bebauungsplanverfahren solle gutachterlich nachgewiesen werden, um welche Stoffe es sich konkret handele und wie deren Ausbreitung sei. Diese würden sodann in eine Liste aufgeführt, die Bestandteil der Satzung werden solle.
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Unter dem 12.03.2004 erfolgte eine Beschlussvorlage der Verwaltung betreffend die Konzeption zur Änderung und Erweiterung der vorgenannten Bebauungspläne (sog. Konzeptionsbeschluss), der vom Fachbereichsausschuss am 20.03.2004 angenommen wurde. Dieser Beschluss sah hinsichtlich der Festsetzungen eine grobe Eingrenzung der auszuschließenden Stoffe vor. Hiernach sollten nur Anlagen zulässig sein, bei deren Betrieb keine anorganischen oder organischen laugenbildenden Stoffe oder Laugen, welche pH-Werte > 10 verursachen bzw. anorganische oder organische säurebildenden Stoffe oder Säuren, welche pH-Werte < 3 verursachen können, emittiert werden. Die mögliche Festsetzung stütze sich dabei auf § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB. In den städtebaulichen Gründen wird hinsichtlich des Erfordernisses nach § 1 Abs. 3 BauGB insbesondere auf das Gebot der Konfliktbewältigung, den Schutz von Gewerbegebieten mit immissionsempfindlichen Anlagen und die Sicherung von Arbeitsplätzen (§§ 1 Abs. 6, 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB) hingewiesen. Insgesamt solle mit dem Ausschluss bestimmter säure- und laugenbildenden Stoffe der durch die bisherigen Bebauungspläne geschaffenen Konfliktsituation nachgekommen werden.
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Unter dem 09.06.2004 äußerte die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord erhebliche rechtliche Bedenken gegen die geplanten Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB. Verwendungsverbote bzw. Verwendungsbeschränkungen hinsichtlich luftverunreinigender Stoffe im Sinne der Nr. 23 müssten hinreichend bestimmt bzw. ausreichend normativ in der Festsetzung bezeichnet werden. Zudem müsse geprüft werden, ob der geplante Schutzzweck nicht auch betriebsintern und damit nicht zu Lasten anderer vorhandener produzierender Betriebe erreicht werden könnte. Daraufhin wurde die Planung zunächst nicht nach außen hin weiterverfolgt.
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Nach Wiederaufnahme des Verfahrens beschlossen der Stadtrat in seiner Sitzung am 19.12.2008 die Satzung über den Erlass einer Veränderungssperre zur Sicherung der Bauleitplanung beschlossen, die am 16.01.2009 in Kraft trat. In der Folgezeit ließ die Antragsgegnerin durch die Arbeitsgemeinschaft „X.. – X/Y“ (Im Folgenden auch: X/Y) untersuchen, welche bauleitplanerischen Mittel zur Verfügung stünden, um über eine Änderung der Bebauungspläne in der Umgebung des Aluminiumwerks einen ausreichenden Schutz der dortigen Produktion von nachteiligen Auswirkungen durch weitere Ansiedlungen auf anderen Flächen zu gewährleisten, ohne die übrigen vorhandenen Nutzungen in unangemessener Weise einzuschränken.
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Auf der Grundlage des unter dem 17.03.2010 vorgelegten Gutachtens der Arbeitsgemeinschaft wurden die Ergebnisse in der Unterrichtungsvorlage der Antragsgegnerin vom 27.04.2010 (Bl. 28ff VA) wie folgt zusammengefasst:
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„Im Industriegebiet W.../K... können potenziell Stickstoffdioxidbelastungen auftreten, die den Jahresmittelwert der 22. BlmSchV überschreiten. Weitere Belastungen an Luftverunreinigungen, mit denen Immissions- bzw. Depositionsgrenzwerte der TA Luft bzw. der 22. BlmSchV ausgeschöpft oder überschritten werden, sind nicht bekannt. Eine erhöhte Stickstoffdioxidbelastung führt nicht unmittelbar zu einer Deposition von laugen- und säure bildenden Stoffen bzw. von Laugen und Säuren, die einen pH-Wert > 10 bzw. < 3 verursachen können. Stoffe der Stoffgruppe I der A...-Liste werden von mindestens 3 Nutzungen im Industriegebiet gehandhabt, davon kann bei zwei Nutzungen ein Ausstoß von entsprechenden Luftverunreinigungen nicht ausgeschlossen werden. Handhabung und Ausstoß dieser Luftverunreinigungen wird durch aktuelle Genehmigungen nach dem Immissionsschutz und dem Abfallrecht abgedeckt. Außerhalb des Industriegebietes können potenziell durch neue Feststofffeuerungen in Wohnhäusern Luftverunreinigungen der Stoffgruppe I der A...-Liste in für die Firma A... A... K... GmbH relevanten Massenströmen emittiert werden.“
Das Ergebnis der juristischen Betrachtungen wurde wie folgt zusammengefasst (Bl. 29 VA):
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„Weder eine Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB noch nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 1 Abs. 5 kann mit hinreichender Gerichtsfestigkeit empfohlen werden. Aufgrund der dargelegten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der städtebaulichen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 3 BauGB, die für beide Arten der Festsetzung unabdingbar ist, sowie insbesondere der Problematik bezüglich der Bestimmbarkeit und Bestimmtheit der emittierenden Stoffe, bestehen erhebliche Zweifel an einer rechtmäßigen Umsetzbarkeit… Herr Dr. Y empfehle daher aus juristischer Sicht, die Planung einzustellen.“
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Ausweislich der Unterrichtungsvorlage wurde jedoch als Alternative eine sog. „kleine Lösung“ vorgeschlagen und eine Festsetzung nach § 1 Abs. 9 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO als eine mögliche rechtliche Grundlage zum Erreichen der Planziele genannt. Eine solche Vorgehensweise löse die Probleme für A... nicht vollständig und erfülle die gestellten Anforderungen nicht umfassend; allerdings ließe sich hierdurch jedoch ein Teilerfolg erzielen, da bestimmte konkrete Betriebe, denen A... eine Negativwirkung zuschreibe (wie z.B. das Biomasseheizkraftwerk oder das Zementmahlwerk) ausgeschlossen werden könnten. Am 16.09.2010 beschloss daher der Stadtrat der Antragsgegnerin eine Satzung zur Verlängerung der Veränderungssperre um ein weiteres Jahr, die am 29.11.2010 öffentlich bekannt gemacht wurde, sodass nunmehr der Ablauf der Veränderungssperre am 15.01.2012 erfolgt. Im Oktober 2010 gelangte eine umfangreiche Liste der X.. GmbH zu den Planakten (Bl. 36ff VA) hinsichtlich „Anlagen, die Luftverunreinigung in Form von laugen- oder säurebildenden Stoffen bzw. in Form von Laugen oder Säuren emittieren können.“
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Mit Schreiben vom 21.10.2010 äußerte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord erneut rechtliche Bedenken hinsichtlich der Planungen. Die in Aussicht gestellten Regelungen widersprächen dem bestehenden Genehmigungsbescheid der Antragstellerin, die im Bereich des Bebauungsplans Nr. ... eine überregionale bedeutsame Anlage zur Lagerung und Aufbereitung von Erdaushub und Bauschutt betreibe. Dabei dürfe diese laut Genehmigungsbescheid Bodenaushub und Bauschutt größer Z1.1 der LAGA M 20 annehmen und behandeln. Bisher habe es auch während der langjährigen Koexistenz der Firmen A... und H... keine Beschwerden gegeben. Die geplanten Regelungen der Untersagung sämtlicher möglicher relevanter Emissionen reichten daher weit über das gesetzlich vorgegebene Immissionsschutzziel hinaus und verhinderten sowohl wirtschaftlich sinnvolle als auch aus Umweltsicht wichtige Maßnahmen und Vorhaben.
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Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 22.12.2010 macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend:
Der zulässige Antrag sei begründet, weil die Veränderungssperre nicht zur Sicherung der Planung erforderlich und schon daher rechtswidrig sei. Die Realisierung der Planung sei aus mehreren Gründen rechtlich unmöglich, es handele sich insbesondere um eine reine Gefälligkeitsplanung zugunsten eines Unternehmens und es stünden für das vorgegebene Planungsziel keine geeigneten rechtlichen Instrumentarien zur Verfügung. Mit der SGD Nord und insbesondere dem eigenen Gutachten der Antragsgegnerin sei davon auszugehen, dass Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB sowie nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO vorliegend nicht möglich seien. Darüber hinaus seien Festsetzungen nach § 1 Abs. 9 i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO schon deshalb nicht möglich, da entgegen der allgemeinen Zweckbestimmung Hauptnutzungen des Industriegebietes ausgeschlossen würden. Die Planung diene nicht städtebaulichen, sondern ausschließlich wirtschaftspolitischen Zielen zugunsten eines Unternehmens. Damit seien jegliche Erweiterungsmöglichkeiten von bereits bestehenden Unternehmen ausgeschlossen, was bereits jetzt einen unheilbaren Abwägungsmangel im Hinblick auf die noch abzuschließende Bauleitplanung darstelle. Die Planung erweise sich auch als unmöglich, weil durch Regen und andere Niederschläge Immissionen auf das Betriebsgelände der Firma A... gelangen könnten, die durch eine Bauleitplanung nicht auszuschließend wären. Dies beträfe insbesondere Immissionsbelastungen, die aus Anlagen außerhalb des Geltungsbereichs der streitgegenständlichen Bebauungspläne herrührten sowie allgemeinen Verkehrsbelastungen, wozu auch der Rheinhafen zu zählen sei. Insgesamt sei eine Planung allein zur Standortsicherung einer chemischen Fabrik durch § 1 Abs. 9 BauNVO nicht gedeckt. Weder das Arbeitsplatzargument noch die Luftreinhaltung könnten die Planung rechtfertigen, zumal die Luftqualität für ein derartiges Gebiet erstaunlich gut sei. Mit den geforderten Maßgaben zur Luftreinhaltung würden entgegen den Gebietsfestsetzungen Anforderungen entsprechend einem „Luftkurort“ gestellt. Die Unmöglichkeit der Planung ergebe sich auch daraus, dass die von der Firma A... geforderten Grenzwerte schon bei wenigen Feuerungsanlagen in den angrenzenden Wohngebieten überschritten sein dürften.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die Satzung vom 16.09.2010 der Antragsgegnerin zur Verlängerung der Veränderungssperre im Bereich der in Aufstellung befindlichen Änderungen der Bebauungspläne Nrn. ..., ..., ..., ... (Industriegebiet W.../K...) für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Normenkontrollantrag abzulehnen.
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Sie tritt dem Normenkontrollantrag umfassend entgegen. Die Veränderungssperre sei formell rechtmäßig zustande gekommen und beziehe sich auf den nach wie vor gültigen Planaufstellungsbeschluss vom 05.03.2003. Die Anforderungen an die inhaltliche Konkretisierung einer zu sichernden Planung seien bei der Veränderungssperre regelmäßig sehr niedrig anzusetzen. Das dort geforderte Mindestmaß an Konkretisierung sei im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Planung ausreichend. Einzelheiten der Planung stünden unter dem Vorbehalt späterer Änderungen, sodass eine detaillierte bauliche Nutzung nicht dargelegt werden müsse. Es reiche aus, dass die zukünftige Nutzung des Gebiets der Art nach im Wesentlichen festgelegt sei.
- 20
Vorliegend stehe aber gerade die Art der baulichen Nutzung insbesondere auch für den hier wohl maßgeblichen Bebauungsplan Nr. ... fest; es handele sich um ein Industriegebiet, was auch künftig so bleiben solle. Bestandskräftige Genehmigungen würden beachtet, ebenso die vorhandenen Nutzungsstrukturen. Es solle jedoch durch entsprechende textliche Festsetzungen zukünftig planungsrechtlich gesichert werden, dass Luftverunreinigungen aus bestimmten Stoffgruppen vermieden würden. Darüber hinaus sollten hierdurch die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gesichert werden.
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Aus diesem Grund sei von dem Büro X.. eine 5-seitige Tabelle mit den Anlagen erstellt worden, die Luftverunreinigungen in Form von laugen- oder säurebildenden Stoffen bzw. in Form von Laugen oder Säuren beinhalteten. Dies sei für die inhaltliche Konkretisierung absolut ausreichend. Dem Nutzungskonzept liege auch in der vom Stadtrat der Antragsgegnerin eingeleiteten Planung eine positive planerische Konzeption zugrunde, wobei bestimmte negative Festsetzungen nicht ausgeschlossen seien. Die Rechtmäßigkeit der Planung dürfe hingegen nur in äußerst engen Grenzen mit der Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre in Verbindung gebracht werden. Ob die beabsichtigte Planung einer Überprüfung im Normenkontrollverfahren standhalten werde, sei im Verfahren gegen die Veränderungssperre irrelevant. Eine antizipierte Normenkontrolle des künftigen Bebauungsplanes finde somit grundsätzlich nicht statt. Dies sei auch der Grund gewesen, dass das Gutachten X.. X/Y nicht in Verfahren zum Erlass der Veränderungssperre vorgelegt worden sei.
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Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB auf die Veränderungssperre keine Anwendung finde. Die Frage, ob der Bebauungsplan ordnungsgemäß abgewogen worden sei, lasse sich abschließend ohnehin erst nach und aufgrund des Satzungsbeschlusses beurteilen. Im Übrigen könne auch von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Planung nicht ausgegangen werden. Vielmehr könne das von der Antragsgegnerin angestrebte Ziel, eine Festsetzung nach § 1 Abs. 9 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO durchaus realisiert werden. Diese sogenannte „Feinsteuerung“ innerhalb eines Plangebietes lasse ohne weiteres Differenzierungen in Bezug auf bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zu. Es sei etwa möglich, die Vorhaben, die von einem Baugebiet ferngehalten werden sollten, durch eine abschließende Aufzählung der Betriebe zu bestimmen, die ausdrücklich für zulässig erklärt würden. Nach alledem sei die beabsichtigte Planung weder offensichtlich rechtswidrig noch nicht vollziehbar und folglich sei der Normenkontrollantrag abzulehnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Satzungsaufstellungsunterlagen der Antragsgegnerin (1 Aktenordner). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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A.
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- 24
Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig.
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Die Antragstellerin ist insbesondere gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 VwGO antragsbefugt, weil nach der Abgrenzung des künftigen Bebauungsplangebietes und des Geltungsbereiches der Veränderungssperre die Betriebsflächen der Antragstellerin (Flur ..., Flurst252;cke ...-..., ..., ...-..., ... und ...) in den Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplanes einbezogen werden sollen und demgemäß im Geltungsbereich der Veränderungssperre liegen. Der am 18.05.2009 gestellte Antrag auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung nach § 16 BImschG zur Erweiterung des Betriebes wurde bisher aufgrund der wirksamen Veränderungssperre nicht beschieden, eine Ausnahmegenehmigung nach § 14 Abs. 2 BauGB folglich gerade nicht erteilt.
B.
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Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre (vgl. etwa Urteile des Senats vom 27.01.2010, 1 A 10779/09; vom 02.08.2011, 1 C 10184/01 und vom 18.05.2000, 1 C 10758/99, jeweils veröffentlicht in esovgrp.de) sind nicht erfüllt. Die Veränderungssperre ist rechtswidrig und daher für unwirksam zu erklären.
I.
- 28
Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen, sobald ein Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans gefasst und gemäß § 2 Abs. S. 2 BauGB ortsüblich bekannt gemacht worden ist (BVerwG, Beschluss vom 15.04.1988, Buchholz 406.11 § 10 BBauG Nr 16; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/-Krautzberger, 100. EL 2011, BauGB § 214 Rn. 206).
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Der Stadtrat der Antragsgegnerin hat am 19.12.2008 die Satzung über den Erlass einer Veränderungssperre beschlossen, die am 16.01.2009 öffentlich bekannt gemacht worden ist. Bereits am 09.04.2003 hat der Stadtrat einen Beschluss über die Aufstellung zur Änderung verschiedener Bebauungspläne (Nr. ..., ..., ..., ... - jeweils Industriegebiet W.../K...) gefasst und am 20.10.2003 öffentlich bekannt gemacht. Demgemäß konnte die Antragsgegnerin gemäß § 14 Abs. 1 BauGB zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich grundsätzlich eine Veränderungssperre beschließen.
II.
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Die Veränderungssperre erweist sich aber als materiell rechtswidrig.
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1. Die von der Antragsgegnerin beschlossene Veränderungssperre erreicht schon nicht den notwendigen Grad der Bestimmtheit für dieses Instrument der Bauleitplanung. Eine Veränderungssperre dient der Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich. Hiernach setzt deren Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats eine hinreichend konkrete Planung zum Zeitpunkt ihres Erlasses voraus. Diese Planung muss naturgemäß nicht bereits in ihren Einzelheiten vorliegen, jedoch einen Stand erreicht haben, der ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplanes sein soll (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 10.09.1976, BVerwGE 51, 121, 128; Beschluss vom 15.08.2000, BRS 64 Nr. 109; s.a. Urteile des Senats vom 28.03.1996, 1 C 10510/95, esovgrp.de und vom 18.05.2000, BauR 2000, 1308). Die Sperre kann damit vor dem Hintergrund der nicht unerheblichen Belastung bestehender Baurechte auf der Grundlage des Art. 14 Abs. 1 GG ihre Sicherungsfunktion rechtmäßig nur erfüllen, wenn die in Aussicht genommene Planung so hinreichend deutliche Konturen erlangt hat, dass sie als Maßstab zur Beurteilung möglicherweise entgegenstehender Vorhaben auch tatsächlich in einem vertretbaren Maß taugt (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB 100. EL 2011, § 14 Rn. 43).
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2. Diesen Anforderungen wird die vorliegende Veränderungssperre nicht gerecht. In der Begründung des Aufstellungsbeschlusses vom 11.12.2008 ist das Folgende festgehalten:
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„Durch entsprechende textliche Festsetzungen soll planungsrechtlich gesichert werden, dass Luftverunreinigungen aus bestimmten Stoffgruppen vermieden werden, die ihrerseits die Produktion hochwertiger Materialien verhindern bzw. gefährden. Außerdem sollen damit die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gesichert werden. (…) Im weiteren Bebauungsplanverfahren ist gutachterlich nachzuweisen, um welche Stoffe es sich konkret handelt und wie deren Ausbreitung ist. Diese werden in einer Liste aufgeführt, die Bestandteil der Satzung (Anlage zum Text) wird.“
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Bereits hieraus wird deutlich, dass die Anforderungen an die künftige Bauleitplanung im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses derartig allgemein gehalten worden sind, dass auf dieser Grundlage kaum eine Festsetzung vorstellbar scheint, dieses Ziel rechtmäßig umzusetzen. Deutlicher wird dieser Befund durch die Einbeziehung des Konzeptionsentwurfs vom 12.03.2004, wonach im gesamten Plangebiet Anlagen zulässig sein sollen, „bei deren Betrieb keine anorganischen oder organischen laugenbildenden Stoffe oder Laugen, welche pH-Werte >°10 verursachen können oder anorganischen oder organischen säurebildenden Stoffe oder Säuren, welche pH-Werte <°3 verursachen können, emittiert werden.“
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Eine derartige Festsetzung ist in Bebauungsplänen – soweit ersichtlich – bisher ohne Vorbild geblieben. Es ist auch bereits nicht erkennbar, wie ein solches Konzept in tatsächlicher Hinsicht wirkungsvoll umzusetzen wäre. Zudem wurden die Ziele dieses Konzeptionsentwurfs auch nach der Vorlage des differenzierten Gutachtens der Arbeitsgemeinschaft „X.. – X/Y“ nie förmlich seitens der Antragsgegnerin aufgegeben, so dass diese Inhalte nach wie vor für die rechtliche Beurteilung maßgeblich sind. Das Umschwenken auf die sog. „kleine Lösung“ (Nr. 3.4.2 des Gutachtens X… X/Y) nach Vorlage dieser Ausarbeitung beinhaltet hingegen nur die Absicht eingeschränkter Festsetzungen unter Beibehaltung der bisherigen Ziele und nicht die Festlegung neuer Ziele.
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Nimmt man die auf dieser Grundlage erstellte bereits erwähnte Liste von „Anlagen, die Luftverunreinigungen in Form von laugen- oder säurebildenden Stoffen bzw. in Form von Laugen oder Säuren emittieren können“ (Bl. 36 – 40 VA) hinzu, so wird deutlich – ohne dass es an dieser Stelle schon auf die äußerst zweifelhafte rechtliche Umsetzbarkeit ankäme – dass hieraus eine bestimmbare Form der Bauleitplanung praktisch nicht abzuleiten ist. Es ergibt sich lediglich, dass künftig eine ganz erhebliche Anzahl von Betriebstypen in den genannten Gebieten nicht mehr zulässig sein soll, was bereits der Eigenart von Industrie- bzw. Gewerbegebieten in einer Vielzahl von Fällen entgegenlaufen würde. Auch wenn nach den Empfehlungen von X..X/Y nunmehr eine kleine Lösung vorsichtig empfohlen bzw. - genauer - erwogen wird („alternativ könnte vorliegend jedoch eine sogenannte kleine Lösung in Betracht kommen8220;), ist es nicht so, dass allein hierdurch eine hinreichende Bestimmtheit der künftigen Planung erreicht würde. Sofern es als Teilerfolg dargestellt wird, „wenn konkrete Betriebe, denen A... eine Negativwirkung zuschreibt ausgeschlossen werden“ stellt sich hier neben der städtebaulichen Rechtfertigung (s.u.) noch immer der Frage der hinreichenden Bestimmtheit vor dem Hintergrund der genannten umfassenden Anlagenliste. Vorliegend ist es auch nicht so, dass die Planung näher skizziert oder gar im Einzelnen erläutert wird, etwa durch ein entsprechend zeichnerisch dargestelltes (Roh)-Entwicklungskonzept. Von der angeblichen Bestimmtheit bleibt nunmehr letztlich nur die erkennbare Intention, in Ermangelung von Alternativen die potentiell ̶2;störendsten Betriebe“ von der Aluminiumproduktion des genannten Unternehmens fernzuhalten. Ziel ist letztlich, ein lokales Emissions- und Immissionsrecht im Gewande der Bauleitplanung zu etablieren, wobei Mittel und Wege praktisch beliebig austauschbar sind, sofern nur eine solches Ziel erreicht oder auch nur gefördert würde. Eine solche – sinnbildlich gesprochene – „Schauen-wir-mal-Planung“, bei der ein vom Bauplanungsrecht so nicht vorgesehenes Ziel zunächst über den Weg eines umfassenden Ausschlusses von Stoffemissionen, sodann über die nicht näher belegte Gliederung der bereits bebauten Plangebiete vorgegeben wird und schließlich die etwaigen Wege der Verwirklichung in einem breiten Rahmen ohne jegliche Konkretisierung erwogen werden, hält der Senat nach Maßgabe der vorherigen Ausführungen für unzureichend. Im Ergebnis genügt diese Planung damit nicht den inhaltlichen Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit die Planung durch eine Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB gesichert werden kann.
- >37
3. Die Unwirksamkeit der Veränderungssperre folgt vor diesem Hintergrund auch aus einer fehlenden städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 14 BauGB Rn. 56). Schon die fachlich weitgehend ungeprüfte Übernahme von detaillierten Vorgaben eines Planbetroffenen erfüllt hier den Tatbestand der „Nichterforderlichkeit“.
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a. Ob ein Bauleitplan erforderlich ist, richtet sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde, der insoweit grundsätzlich ein weites Planungsermessen zukommt, innerhalb dessen sie ermächtigt ist, eine "Städtebaupolitik" entsprechend ihren städtebaulichen Vorstellungen zu betreiben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.05.1999, NVwZ 1999, 1338). Die Gemeinde ist demnach planungsbefugt, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche allgemeine Belange ins Feld führen kann. Was die städtebauliche Entwicklung und Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 4 BauGB erfordert, ist nicht allein aus räumlichen Vorgegebenheiten sowie nach allgemeinen Grundsätzen oder sonstigen abstrakten Vorgaben zu bestimmen. Vielmehr legt die Gemeinde kraft ihrer Planungshoheit und planerischen Gestaltungsfreiheit selbst fest, welche städtebauliche Konzeption mit der Planung verfolgt wird; der Begriff der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung wird durch die politische Willensentscheidung der Gemeinde ausgefüllt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1999, NVwZ 2000, 813). Insoweit besitzt die Gemeinde im Bereich der städtebaulichen Erforderlichkeit im Grundsatz ein weites planerisches Ermessen (BVerwG, Beschlüsse vom 14.08.1995, Buchholz 406.11, § 1 BauGB Nr. 86 und vom 20.11.1995, NVwZ 1996, 888).
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b. Die Gemeinde darf auch hinreichend gewichtige private Belange zum Anlass für die Aufstellung eines Bebauungsplans nehmen und sich dabei auch an den Wünschen eines künftigen Vorhabenbetreibers orientieren, solange sie damit zugleich auch städtebauliche Belange und Zielsetzungen verfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.08.1987, NVwZ 1988, 351; OVG RP, Urteil vom 08.06.2011, 1 C 11239/10, esovgrp.de; Urteil vom 20.01.2010, BauR 2010, 1539). Lediglich wenn die Gemeinde mit ihrer Bauleitplanung allein private Interessen verfolgt, setzt sie das ihr zur Verfügung stehende Planungsinstrumentarium des Baugesetzbuches in zweckwidriger Art und Weise ein mit der Folge der Unzulässigkeit einer solchen „Gefälligkeitsplanung“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.05.1999, BauR 1999, 1136).
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Vorliegend ist auf der Grundlage der vorhandenen Planakten und Gutachten ein solcher Fall der Planung zugunsten Dritter ohne zu erkennende städtebauliche Rechtfertigung gegeben. In dem Gutachten der Arbeitsgemeinschaft „X.. – X/Y“ vom 17.03.2010 wird ausgeführt, das A... aus den „Qualitätsansprüchen ihrer Kunden folgende, dem Untersuchungsbericht Nr. 31-08/2003 der UMEG Karlsruhe entnommene Anforderungen zum Schutz ihrer Produkte entwickelt“ habe, welche die Antragsgegnerin nunmehr beabsichtige umzusetzen. Schon in dem Beschluss der Antragsgegnerin vom 09.04.2003 wird festgelegt, dass durch „entsprechende textliche Festsetzungen planungsrechtlich gesichert“ werden solle, „dass Luftverunreinigungen durch bestimmte Stoffgruppen vermieden werden, die ihrerseits die Produktion hochwertiger Materialien verhindern bzw. gefährden.“ Dabei hätte es insofern der Vorlage des Gutachtens der Arbeitsgemeinschaft „X.. – X/Y“ im gerichtlichen Verfahren auch nicht bedurft, denn in den Verwaltungsakten sind bereits entsprechende Zitate enthalten. So heißt es dort u.a. (s. (Bl. 29-30 VA):
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Daraus folgt, dass beide Möglichkeiten der "großen Lösung", die eine nahezu vollständige Regelung der Konfliktlage für A... bedeutet hätte, ein aus fachgutachtlicher und juristischer Sicht zu großes Risiko der Unwirksamkeit der Festsetzung in sich bergen. (…)
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Da entsprechende Festsetzungen im vorliegenden Fall aber ausschließlich der Standortsicherung von A... - und damit einem einzelnen Betrieb - dienen sollen, liegt auch bei dieser Festsetzungsvariante (Anm.: gemeint ist die kleine Lösung) das Problem in der städtebaulichen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 3 BauGB.
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Auf dieser Grundlage werden im Gutachten X..X/Y sodann die zu behandelnden Stoffgruppen I (Luftverunreinigungen in Form von säurebildenden Stoffen oder Säuren sowie laugenbildenden Stoffe oder Laugen) und Stoffgruppe II (Beschränkung von Metallsalzen und Metallstäuben) näher behandelt. Unter 2.2.4 des Gutachtens X..X/Y folgt sodann der „Vergleich der Anforderungen der A... A... K... GmbH mit den Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie der nachgeordneten Verordnungen und Verwaltungsvorschriften“. Es wird u.a. ausgeführt, Luftverunreinigungen der A...-Stoffgruppe I fänden sich im Staubniederschlag (nicht gefährdender Staub), wobei der Grenzwert der TA Luft den Grenzwert von A... um ein Vielfaches 2;berschreite. Hiernach dürfte es sich daher tatsächlich auch um eine Art Wirtschaftsförderung im Gewande des Umweltschutzes handeln, sodass im Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan zusätzlich die Frage einer städtebaulich missbilligten Falschetikettierung (vgl. Urteil des Senats vom 21.10.2009, 1 C 10150/09, esovgrp.de) näher zu beleuchten wäre. Im Übrigen könnte eine solche Immissionsschutzplanung für einen einzelnen Betrieb – sofern überhaupt – nur unter strengen Voraussetzungen zugelassen werden. Dazu gehört jedenfalls die Unabweisbarkeit der Forderung des Investors im öffentlichen Interesse, etwa zur Standort- und Arbeitsplatzsicherung. Unabweisbarkeit bedeutet aber zugleich, dass es keine betriebsinternen Alternativen zur Sicherung der Ziele gibt, so etwa durch Nachrüstung von Filteranlagen zum Schutz der Produktion, was im Verfahren nachzuweisen ist. Des weiteren ist Voraussetzungen, dass die Anforderungen hinreichend wissenschaftlich gesichert sind, zumindest nachweisbar einen solchen Grad an Plausibilität erreichen, dass sie nachfolgend eine hinreichend sichere Grundlage für einen derartige Planung und den damit verbundenen erheblichen Aufwand sein können.
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Aus alledem wird deutlich, dass es – entsprechend der ursprünglichen Beschlusslage (keine Emissionen von laugen- und säure bildenden Stoffen bzw. von Laugen und Säuren, die einen pH-Wert > 10 bzw. < 3) verursachen können – darum geht, ein gesondertes lokales Immissionsschutzrecht zugunsten eines bestimmen Betriebes festzulegen. Diesem fehlt derzeit nicht nur die Bestimmtheit, sondern auch die städtebauliche Erforderlichkeit.
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>3. Auf die Rechtmäßigkeit der künftigen Bauleitplanung kommt es vorliegend daher wegen fehlender Bestimmtheit und nicht erwiesener Erforderlichkeit nicht mehr maßgeblich an. Die Wirksamkeit der Veränderungssperre darf grundsätzlich auch nur in engen Grenzen davon abhängig gemacht werden, ob Überlegungen über bestimmte Festsetzungen im späteren Bebauungsplan letztlich rechtmäßig getroffen werden könnten. Daher kommt eine umfassende antizipierte Normenkontrolle nicht in Betracht (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, 100. EL 2011, § 14 BauGB, Rn. 53; OVG Berlin, Urteil vom 28.07.1989; BRS 49 Nr. 110; NdsOVG, Beschluss vom 24.11.2003, ZfBR 2004, 281).
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a. Gem28;ß § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen Gebiete festgesetzt werden, in denen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutz-gesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen. Die Festsetzungen nach dieser Vorschrift beziehen sich allein auf die Verwendung bestimmter luftverunreinigender Stoffe. Nach Nr. 23a ist es daher nicht möglich, technische oder bauliche Anforderungen der Anlagen festzusetzen, etwa bezogen auf die bei ihrem Betrieb auftretenden Abgasverluste und den Ausstoß bestimmter Schadstoffkonzentrationen.
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Verwendungsverbote und Verwendungsbeschränkungen im Sinne der Nr. 23a müssen ausreichend normativ in der Festsetzung bezeichnet werden (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, 100. EL 2011, BauGB § 9 Rn. 189), was vorliegend gerade nicht gewährleistet werden kann. Vielmehr besteht ein praktisch unlösbares Problem der Bestimmbarkeit der (nicht) zu emittierenden Stoffe. Die von der X..-GmbH aufgestellte bereits genannte Liste von Anlagen (Bl. 36ff VA), die potentiell schädliche Luftverunreinigungen (laugen- oder säurebildenden Stoffen bzw. Laugen oder Säuren) emittieren, dürfte bei einer systematischen Erfassung mehrere Hundert Betriebsarten umfassen und wäre damit derartig weitreichend, dass die ausreichend normative Festsetzung nach dieser Bestimmung offensichtlich ausgeschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist mit der SGD Nord davon auszugehen, dass § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB für die Planungsziele der Antragsgegnerin (Ausschluss einer unüberschaubaren Vielzahl von Stoffgruppen in einem Industriegebiet) keine Ermächtigungsgrundlage darstellt.
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b. Auch ist eine Planung nach § 1 Abs. 4 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO nicht absehbar. Nach § 1 Abs. 4 BauNVO können die in der Vorschrift genannten Baugebiete (§§ 4 bis 9 BauNVO), beziehungsweise gemäß § 1 Abs. 8 BauNVO Teile von ihnen nach der Art der zulässigen Nutzung oder nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften gegliedert werden. § 1 Abs. 4 BauNVO erlaubt damit in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen (Typisierung von Baugebieten ohne Standortfestlegung) nach bestimmten Kriterien eine räumliche Zuordnung bestimmter Nutzungen in dem Baugebiet vorzunehmen, was auch als horizontale Gliederung bezeichnet werden kann. Die in § 1 Abs. 4 Satz 1 BauNVO genannte Art der zulässigen Nutzung sowie die gleichfalls genannte Art der Betriebe und Anlagen und deren besondere Bedürfnisse und Eigenschaften sind auf allgemeine Betriebs- und Anlagetypen bezogen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, 100. EL 2011. § 1 BauNVO, Rn. 45).
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Auch bei Gliederungen nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 BauNVO muss die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleiben (BVerwG, Beschluss vom 22.12.1989, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 7). Die Gliederung darf folglich nicht dazu führen, dass im gesamten Baugebiet bestimmte Anlagen, die nach der Baugebietsvorschrift allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, ausgeschlossen werden. Bei differenzierenden Festsetzungen nach § 1 Abs. 4 BauNVO ist das Vorliegen städtebaulicher Gründe und eine positive städtebauliche Zielsetzung von besonderer Bedeutung, weil sie sich in Ihren positiven wie negative Auswirkungen auf einzelne Nutzungen und Anlagen beziehen (BVerwG, Beschluss vom 06.05.1996, BRS 58 Nr 23 (1996). Dadurch wird weiter vermieden, dass die differenzierenden Festsetzungen unzulässiger Weise z. B. aus wettbewerblichen Gründen oder zur bloßen Verhinderung sonst nach der Baugebietsvorschrift zulässigen Nutzung im Sinne einer „Negativplanung“ erfolgen (BVerwG, Urteil vom 16.12.1988, BVerwGE 81, 111).
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Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist auch insofern eine rechtmäßige Planung derzeit nicht ersichtlich. Problematisch ist insbesondere, dass die Gewerbegebiete bereits weitgehend überplant und bebaut sind. Eine horizontale Gliederung unter Berücksichtigung des Bestandsschutzes erscheint zunächst nahezu wirkungslos, würde aber künftig einer Mehrzahl von Unternehmen jegliche Entwicklungsmöglichkeiten nehmen. Die hieran zu stellenden strengen Anforderungen an die städtebauliche Rechtfertigung sind bisher nicht in Ansätzen dargelegt. Insbesondere fehlt es auch – wie ausgeführt – an einer Begründung dafür, dass für das durch die Planung begünstigte Unternehmen A... keine Maßnahmen des Selbstschutzes möglich seien. Es werden vielmehr praktisch ohne Hinterfragung die von „Kunden“ definierten Anforderungen aus dem Jahr 2003 für die künftige Planung eines ganzen Industriestadtteils übernommen.
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Äußerst fraglich ist auch, inwiefern durch den hier erwogenen indirekten Weg des § 1 Abs. 4 Satz 1 BauNVO überhaupt Immissionsgrenzwerte am Schutzobjekt und Emissionsgrenzwerte in Verbindung mit Anlagen bzw. Anlagetypen zu realisieren wären. Nimmt man die genannte umfängliche Anlagenliste vom Oktober 2010 in den Blick (Bl. 36ff VA), so wird auch hieraus deutlich, dass für die Planung eines Sondergebiets R22;immissionsempfindlicher Produktionsstätten“ oder auch eines Sondergebiets „Aluminiumproduktion“ in einem seit Jahrzehnten eingefahrenen und genutzten Baugebiet kaum noch Raum ist, zumal solche Überlegungen im Regelfall an den Anfang der Bauleitplanung gehören.
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c. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob eine Festsetzung gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO rechtlich zulässig wäre, da die Veränderungssperre schon aus den genannten anderen Gründen für unwirksam zu erklären ist.
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Gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen und zudem die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Die Antragsgegnerin sieht in dieser Festsetzungsvariante – ihrem Gutachten (S. 32) folgend – die Möglichkeit zur teilweisen Erreichung der vorgegebenen Ziele durch eine Feinsteuerung mit Differenzierungen in Bezug auf bestimmte Unterarten der innerhalb des Plangebiets allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen. „Eine solche Vorgehensweise“ – so die Gutachter der Antragsgegnerin – „würde zwar die Probleme für A... nicht vollständig lösen, zumindest aber ließe sich hierdurch ein Teilerfolg erzielen, da bestimmte konkrete Betriebe, denen A... eine Negativwirkung zuschreibt, ausgeschlossen werden könnten.“
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Grundsätzlich kann zwar auch zur Überzeugung des Senats eine Gliederung nach § 1 Abs. 9 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO nicht vollständig ausgeschlossen werden. Im vorliegenden Fall ist jedoch bereits ein nachvollziehbares Konzept auch für diese „Feingliederung“ bisher nicht zu erkennen. Deutlich sind lediglich die bereits beschriebenen hohen Anforderungen des genannten Unternehmens. Auch hier gilt, das letztlich die anderen in den betroffenen Industrie- und Gewerbegebieten ansässigen Unternehmen durch die hier vorgegebenen „Qualitätsansprüche“ der Kunden eines Unternehmens in Ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 GG eingeschränkt werden sollen, ohne dass zuvor die zwingende Notwendigkeit solcher Planungen geprüft worden wäre. Die Besonderheit dieser Planungen liegt auch gerade darin, dass der Aufstellungsbeschluss aus dem Jahr 2003 stammt, die Veränderungssperre jedoch bis in das Jahr 2012 und im Hinblick auf geplante Verlängerungen darüber hinaus Gültigkeit beanspruchen soll, ohne dass zu einem Zeitpunkt die zwingende Notwendigkeit einer solchen „Verhinderungsplanung“ eingehend geprüft worden wäre. Das Gutachten X.. X/Y prüft zwar die immissionstechnische und rechtliche Situation mit einem breiten Ansatz, setzt aber – auftragsgemäß – die „Qualitätsansprüche“ des Unternehmens gerade voraus, ohne deren Notwendigkeit zu hinterfragen. In dieser Form ist etwa 8 bis 9 Jahre nach Beginn der Planung derzeit auch eine städtebauliche Rechtfertigung für eine Planung nach § 1 Abs. 9 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO nicht absehbar, sofern auch hier die eigentliche Zielrichtung der Planung (Vermeidung vom Immissionen der sog. „Stoffgruppen I und II“) in den Blick genommen wird. Hieraus erwächst ein Forderungsumfang auch bei einer Gliederung nach § 1 Abs. 9 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO, zu dessen Umsetzung in einer etwaigen künftigen Bauleitplanung der Senat hier mangels Entscheidungserheblichkeit keine weiteren Feststellungen treffen musste.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
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Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungs-gerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327 ff.).
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Referenzen
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- §§ 1 Abs. 6, 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 4 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- 1 C 11239/10 1x (nicht zugeordnet)
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- BauNVO § 5 Dorfgebiete 1x
- VwGO § 47 2x
- VwGO § 167 1x
- 1 C 10758/99 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
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- BBauG § 10 Beschluss, Genehmigung und Inkrafttreten des Bebauungsplans 1x
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- 1 A 10779/09 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BauNVO § 9 Industriegebiete 1x
- § 14 Abs. 1 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
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- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 3 BauGB 4x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- BauNVO § 1 Allgemeine Vorschriften für Bauflächen und Baugebiete 27x
- BImSchG § 16 Wesentliche Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen 2x
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