Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (8. Senat) - 8 A 10688/16

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Tenor

Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. Mai 2016 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz bleibt unverändert. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Wohngebäuden mit insgesamt 17 Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage. Die nachfolgende Visualisierung veranschaulicht das Bauvorhaben.

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Der Kläger ist Eigentümer des Anwesens in der Z. Straße 5… in T., das mit einem zweigeschossigen Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoss bebaut ist. Es weist entlang der Straße eine Breite von 11 m und eine Tiefe von 10,20 m auf und besteht aus drei Wohnungen. Das Gebäude liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans … „A. Z. Straße“ aus dem Jahr 1991. Dieser Plan hat das aus Z. Straße, R. Straße, P.-Straße und S. Straße gebildete Karree überplant, wobei die Baufenster entlang dieser Straßen mit dem dort vorhandenen Baubestand übereinstimmen und lediglich im Blockinnenbereich die Errichtung von Mehrfamilienhäusern vorgesehen ist. Das Gebäude des Klägers grenzte früher an ein ähnlich großes Gebäude auf dem Nachbargrundstück Z. Straße … an. Nachdem die dort vorhandene Gärtnerei aufgegeben worden war, entschloss sich die Beklagte, die auf diesen Gärtnereibetrieb abgestimmte Bauleitplanung abzuändern und dort Wohnraum durch Nachverdichtung zu schaffen. Nach dem der Planung zugrundeliegenden städtebaulichen Konzept sollten zwei Wohngebäude in erster und zweiter Reihe mit einer dazwischen gelegenen Tiefgarage ermöglicht werden (siehe die unten wiedergegebene Planzeichnung). Der Bebauungsplan … 1. Änderung „A. Z. Straße“ wurde am 22. Juli 2014 beschlossen. Den hiergegen von dem Kläger gestellten Normenkontrollantrag lehnte der Senat mit Urteil vom 6. Mai 2015 – 8 C 10974/14.OVG –, juris, ab. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2016 – 4 BN 26.15 – (BauR 2016, 790) zurückgewiesen.

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Im Oktober 2014 stellte die Beigeladene den Antrag auf Errichtung einer Wohnanlage auf dem Grundstück Z. Straße … und …, mittlerweile vereinigt zum Flurstück Nr. … . Nach den beigefügten Bauplänen soll es sich zum einen um ein zweigeschossiges Mehrfamilienwohnhaus mit 8 Wohneinheiten („Haus 1“) handeln, das mit einer Breite von 24,53 m und einer Tiefe von 13,85 m an das Haus des Klägers angebaut werden soll. Zum anderen ist im rückwärtigen Grundstücksbereich ein freistehendes dreigeschossiges Mehrfamilienhaus mit 7 Wohneinheiten sowie einem zweigeschossigen Vorbau mit zwei Wohneinheiten („Haus 2“) geplant und schließlich ein einheitliches Keller- und Tiefgaragengeschoss unter und zwischen den beiden Häusern; die Bautiefe der Wohnanlage insgesamt beträgt ca. 57 m.

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Mit Bescheid vom 18. März 2015 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Zuvor hatten die Stadtwerke T. AöR erklärt, dass die Erschließung hinsichtlich der Grundstücksentwässerung gesichert sei und entwässerungstechnische Auflagen verlangt, die als Auflagen Nrn. 11 bis 16 in die Baugenehmigung übernommen wurden. Ferner war Anfang Februar 2015 von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung wegen der Lage des Bauplatzes im gesetzlich festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Mosel erteilt und der Beigeladenen zusammen mit der Baugenehmigung zugestellt worden.

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Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger vor allem geltend, dass der genehmigte Anbau von Haus 1 mit der Festsetzung im Bebauungsplan zur offenen Bauweise nicht vereinbar sei. Aufgrund seines Volumens könne dieses Haus nicht als Doppelhaushälfte zu seinem Anwesen angesehen werden. Zudem sei fraglich, ob bezüglich „Haus 2“ die erforderliche Abstandsfläche eingehalten worden sei.

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Am 27. Mai 2015 wurde eine erste Nachtragsbaugenehmigung hinsichtlich beantragter Änderungen innerhalb des Dachgeschosses von „Haus 2“ sowie der Raumnummern in der Tiefgarage erteilt. Eine zweite Nachtragsgenehmigung erging am 23. November 2015 und betraf Änderungen im Bereich der Giebelwand von „Haus 2“ und den daraufhin geänderten Nachweis zur Einhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers.

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Nachdem über den Widerspruch nicht entschieden worden war, erhob der Kläger bereits im Juli 2015 Klage und beantragte im November 2015 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Nachdem das Verwaltungsgericht den Eilantrag mit der Begründung abgelehnt hatte, auch „Haus 1“ sei mit der Festsetzung zur „offenen Bauweise“ vereinbar, weil es bei Gesamtwürdigung noch als Teil eines Doppelhauses angesehen werden könne, gab der Senat dem Eilantrag durch Beschluss vom 28. Januar 2016 – 8 B 11203/15.OVG – (BauR 2016, 791 und juris) insoweit statt, als er den Vollzug der Baugenehmigung hinsichtlich der Errichtung des Erd-, Ober- und Dachgeschosses von „Haus 1“ einstweilen aussetzte. Zur Begründung führte der Senat aus, dass „Haus 1“ mit der Festsetzung zur „offenen Bauweise“ nicht vereinbar sein dürfte. Bei diesem Haus handele es sich aller Voraussicht nach nicht um den Teil eines zusammen mit dem Anwesen des Klägers gebildeten Doppelhauses, weil es an der hierfür erforderlichen Einheit im Sinne eines Aneinanderbauens in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise fehle. Aufgrund der mehr als doppelt so breiten Straßenfront und des mehr als viermal so großen oberirdischen Brutto-Raumvolumens liege eine deutliche Disproportionalität der beiden Haushälften vor, was die Annahme eines Doppelhauses ausschließe. „Haus 1“ stelle sich aller Voraussicht nach auch nicht als Teil einer in der offenen Bauweise ebenfalls zulässigen Hausgruppe dar. Zwar habe die Beigeladene durch die Gliederung des Baukörpers von „Haus 1“ versucht, den Eindruck eigenständiger Gebäude zu erwecken. Indes fehle es an den für die Gebäude einer Hausgruppe notwendigen eigenen Eingängen und Treppenhäusern und außerdem an separaten Grundstücken. Hinsichtlich der im Übrigen genehmigten Gebäudeteile sei hingegen eine Rechtsverletzung des Klägers nicht ersichtlich. Dies gelte vor allem für die unterirdisch gelegene Tiefgarage, die abstandsflächenrechtlich unerheblich sei.

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Auf Antrag der Beigeladenen erließ die Beklagte am 3. Mai 2016 eine dritte Nachtragsbaugenehmigung, in der sie Befreiung von der Festsetzung der „offenen Bauweise“ für „Haus 1“ erteilte. Der daraufhin von der Beigeladenen gestellte Antrag auf Abänderung der Eilrechtsschutzentscheidung des Senats vom 28. Januar 2016 wurde sowohl vom Verwaltungsgericht als auch vom Senat abgelehnt. Nach den Ausführungen des Senats im Beschluss vom 27. Juni 2016 – 8 B 10519/16.OVG – scheitere eine Befreiung daran, dass es sich bei der Festsetzung der „offenen Bauweise“ um einen Grundzug der Bauleitplanung handele; eine Abweichung komme daher nur aufgrund eines Planänderungsverfahrens in Betracht.

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Bereits mit Urteil vom 11. Mai 2016 hat das Verwaltungsgericht die angefochtene Baugenehmigung vom 18. März 2016 in Gestalt der drei Nachtragsbaugenehmigungen insoweit aufgehoben, als diese die Errichtung des Erd-, Ober- und Dachgeschosses von „Haus 1“ zum Gegenstand hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Anschluss an den Beschluss des Senats vom 28. Januar 2016 ausgeführt, dass die Errichtung von „Haus 1“ nicht mit der Festsetzung zur offenen Bauweise vereinbar sei. Hinsichtlich der übrigen genehmigten Teile des Bauvorhabens („Haus 2“ und Tiefgarage nebst Keller) sei die Verletzung subjektiver Rechte des Klägers nicht erkennbar. Der ursprünglich geltend gemachte Abstandsflächenverstoß hinsichtlich der Giebelwand von „Haus 2“ sei nach Erteilung der zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 23. November 2015 nicht mehr gegeben. Die Aufhebung könne auf den oberirdischen Bereich von „Haus 1“ beschränkt werden, da „Haus 2“ sowie die Tiefgarage nebst Keller ohne Änderung der jeweiligen baulichen Konstruktion unabhängig vom Erd-, Ober- und Dachgeschoss von „Haus 1“ errichtet werden könnten.

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Am 19. Juli 2016 trat die 2. Änderung des Bebauungsplans in Kraft. Sie setzt für den Bereich des vorderen Baufensters entlang der Z. Straße, das auf das Grundstück des Klägers noch erstreckt und gegenüber der Vorplanung erweitert wird (siehe die unten abgedruckte Planzeichnung), eine „abweichende Bauweise“ nach § 22 Abs. 4 BauNVO mit folgendem Inhalt fest:

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„Gebäude sind innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche ohne seitlichen Grenzabstand zu errichten.“

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Dem auf diese Änderung des Bebauungsplans gestützten zweiten Antrag auf Abänderung der Eilentscheidung des Senats vom 28. Januar 2016 gab der Senat mit Beschluss vom 1. August 2016 – 8 B 10637/16.OVG – (BauR 2016, 2050) statt und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Interessenabwägung falle nunmehr zugunsten der Beigeladenen aus. Nach summarischer Prüfung spreche viel dafür, dass die im Beschluss vom 28. Januar 2016 festgestellten Verstöße gegen Bauplanungsrecht nicht mehr bestünden. Nach anerkannter Rechtsprechung seien im Rahmen einer Nachbarklage nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen. Nach der zwischenzeitlich erfolgten Festsetzung einer „abweichenden Bauweise“ sei das genehmigte Bauvorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar. Diese Planänderung sei auch aller Voraussicht nach inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens bestehe keine Notwendigkeit, die Vollziehung der angefochtenen Baugenehmigung auszusetzen. Die aufgezeigten möglichen Verstöße gegen das Abstandsflächenrecht rechtfertigten nach der Rechtsprechung des Senats in vergleichbaren Fällen nicht, den Vollzug der Baugenehmigung weiterhin auszusetzen. Es verblieben sachgerechte anderweitige Möglichkeiten, das Bauvorhaben – unter eventueller Abänderung der angefochtenen Baugenehmigung – so auszugestalten, dass es mit der Abstandsflächenvorschrift des § 8 LBauO in Einklang stehe.

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Mit Nachtrag vom 12./22. Dezember 2016 beantragte die Beigeladene – auch im Hinblick auf Streitigkeiten über die Einhaltung des Abstandsflächenrechts mit Anwohnern in der R. Straße – die Geländeoberfläche für das Baugrundstück auf 130,50 m über N.N. festzusetzen. Dieses Begehren wiederholte sie noch einmal mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Januar 2017 und beantragte vorsorglich die Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Abstandsflächenrechts auf der Seite zum Anwesen des Klägers. Die Abweichung sei zulässig, weil sich das von dem Kläger gerügte Hinausragen des Tiefgaragengebäudes aus dem Erdreich – wenn überhaupt – im Bagatellbereich bewege und die Zwecke des Abstandsflächenrechts (ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung des nachbarlichen Grundstücks) nicht beeinträchtigt würden. Mit Schreiben vom 6. Februar 2017 gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Abweichungsantrag binnen zwei Wochen. Mit der vierten Nachtragsbaugenehmigung vom 13. Februar 2017 erteilte die Beklagte die beantragte Zulassung zur Abweichung von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts, weil die hiervon geschützten Belange nicht tangiert würden und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei.

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Der Kläger begründet die vom Senat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassene Berufung im Wesentlichen wie folgt: Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Sie sei in Gestalt der bisher vorliegenden Nachtragsgenehmigungen aufzuheben.

18

Die Genehmigung von „Haus 1“ sei weiterhin wegen des Verstoßes gegen die Festsetzung zur „offenen Bauweise“ rechtswidrig. Allein diese Rechtswidrigkeit müsse zur vollständigen Aufhebung der Baugenehmigung führen, weil die Genehmigung von „Haus 1“, „Haus 2“ und der Tiefgarage nebst Keller eine Einheit bilde und nicht teilbar sei. Der Bebauungsplan zur 2. Änderung sei unwirksam. Es fehle bereits das Planungserfordernis. Die Festsetzung zur „abweichenden Bauweise“ sei nur im Interesse der Beigeladenen erfolgt, um ihr aufwendige Umplanungen zu ersparen. Wenn die 2. Planänderung mit dem bereits ursprünglich verfolgten Konzept zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses entlang der Straße begründet werde, sei unverständlich, warum es sich hier nicht um einen allein vorhabenbezogenen Bebauungsplan, sondern einen Angebotsplan handeln solle. Darüber hinaus könne die getroffene Festsetzung nicht auf § 22 Abs. 4 BauNVO gestützt werden. Ein Gebrauchmachen von dieser Ermächtigung komme nur in Betracht, wenn eine Abweichung hinsichtlich des seitlichen Grenzanbaus oder hinsichtlich der in § 22 Abs. 2 BauNVO vorgegebenen Längenbegrenzung erfolge. In beiderlei Hinsicht bleibe die Festsetzung indes gegenüber der bisherigen Fassung unverändert. Abgewichen werde lediglich von den Anforderungen an die Einheitlichkeit der Gebäude beim Doppelhaus und der Hausgruppe. Für diese Umgehung des § 22 Abs. 2 BauNVO biete § 22 Abs. 4 BauNVO keine Ermächtigung. Der 2. Änderungsplan sei jedenfalls abwägungsfehlerhaft. In formell-rechtlicher Hinsicht sei schon zu beanstanden, dass die Mitglieder des Stadtrats der Beklagten über den Gegenstand der Beschlussfassung getäuscht worden seien. Ihnen gegenüber sei der Eindruck erweckt worden, dass es sich um die nachträgliche Klarstellung eines bereits ursprünglich allein vorhabenbezogenen Bebauungsplans handele. Ferner sei der falsche Eindruck erweckt worden, dass es sich bereits um ein „im Bau befindliches Mehrfamilienhaus“ handele. Außerdem sei die 2. Änderung zu Unrecht mit der Heilung eines bloßen Formfehlers begründet worden. Darüber hinaus sei bei der Abwägung sein Interesse am Fortbestand der bisherigen planungsrechtlichen Situation (Doppelhausbebauung) nicht mit dem notwendigen Gewicht berücksichtigt worden. Fehlerhaft sei auch die Annahme, „Haus 1“ füge sich „zwanglos“ in die nähere Umgebung ein. Im Ergebnis der Abwägung sei verkannt worden, dass ein grenzständiger Anbau in „harmonische Beziehung“ zum vorhandenen Bestand treten müsse. Insofern habe der Senat im Beschluss vom 28. Januar 2016 zutreffend festgestellt, dass das genehmigte „Haus 1“ disproportional zu seinem Anwesen sei.

19

„Haus 2“ sei bauplanungsrechtlich deshalb unzulässig, weil es zur Übereinstimmung mit der Festsetzung zur „offenen Bauweise“ auf einer eigenen Grundstücksparzelle hätte errichtet werden müssen.

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Die Tiefgarage verstoße ebenfalls gegen die Festsetzung zur „offenen Bauweise“, weil sie aus dem Boden herausrage und deshalb nicht als Nebenanlage gewertet werden könne, was in der Begründung zum 1. Änderungsplan (S. 11) zutreffend festgestellt werde. Der Rechtsverstoß ergebe sich schon aus der Länge der Tiefgarage von 57,30 m, die über die Längenbegrenzung in § 22 Abs. 2 BauNVO (50 m) hinausgehe.

21

Das Tiefgaragengebäude sei aber auch bauordnungsrechtlich unzulässig. Aus der zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Lage- und Höhenaufnahme des Büros G. Plan vom Februar 2013 ergebe sich, dass die Oberkante des Tiefgaragengebäudes über die natürliche Geländeoberfläche an der Grenze zu seinem Grundstück (129,83 m in Höhe des Schnitts 2-2) hinausrage, und zwar bereits ohne Berücksichtigung der auf dem Tiefgaragendach aufgebrachten Dämmung, Erdauflage und der Umwehrung (Höhe 60 cm) entlang der Grundstücksgrenze, die aber ebenfalls Teil des Tiefgaragengebäudes seien.

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Ferner sei die Baugenehmigung deshalb rechtswidrig, weil eine Entwässerungsplanung entgegen § 6 BauuntPrüfVO nicht vorgelegt und daher auch nicht zum Gegenstand der bauaufsichtsbehördlichen Kontrolle gemacht worden sei. Die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen Nrn. 11 bis 16 seien unzureichend. Es sei nicht gewährleistet, dass es – etwa bei Starkregen – zum Abfluss von Oberflächenwasser auf sein Grundstück komme.

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Schließlich sei die Baugenehmigung rechtswidrig, weil ihr keine rechtmäßige wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung zugrunde liege. Die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 6. Februar 2015 sei wegen nachträglicher Änderungen der Bauunterlagen überholt. Ferner sei sie aufgrund seines Widerspruchs vom 22. September 2016 nicht vollziehbar. [Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord hat den Widerspruch des Klägers vom 22. September 2016 mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2017 zurückgewiesen und die sofortige Vollziehung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 6. Februar 2015 angeordnet.

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In den nachgelassenen Schriftsätzen wird ergänzt: Die Abweichungszulassung vom 13. Februar 2017 sei rechtswidrig. Dies ergebe sich schon aus der Verletzung seines Anhörungsrechts. Die 4. Nachtragsbaugenehmigung sei ferner zu unbestimmt. Im Übrigen lägen auch in der Sache die Voraussetzungen für die Abweichung nicht vor. Es liege keine besondere Situation vor, die sich vom gesetzlichen Regelfall unterscheide. Der Beigeladenen wäre es ohne weiteres möglich gewesen, eine vollständig unterirdische Tiefgarage zu planen. Bei dem Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht handele es sich auch nicht um eine bloße Bagatelle. Durch die mit dem 4. Nachtragsantrag vorgelegte Umplanung (Verzicht auf die Umwehrung und stattdessen Abböschung der Erdauflage) werde die Gefahr des Abflusses von Oberflächenwasser auf sein Grundstück verschärft; diese Planung entspreche nicht den Regeln der Technik.

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Der Kläger beantragt,

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unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. Mai 2016 die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. März 2015 in Gestalt sämtlicher (4) Nachtragsbaugenehmigungen vollständig aufzuheben sowie die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen;

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hilfsweise stellt er die Beweisanträge aus der Berufungsbegründungsschrift vom 9. Oktober 2016 sowie aus dem Schriftsatz vom 5. Februar 2017 und dem Schriftsatz vom 14. Februar 2017 sowie aus der Antragsschrift vom 5. Januar 2017 im Verfahren 8 B 10065/17.OVG.

28

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

29

Nach ihrer Auffassung ist die zweite Änderung des Bebauungsplans wirksam, insbesondere seien die Stadtratsmitglieder vor ihrer Beschlussfassung nicht getäuscht worden. Die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung sei für die Bauaufsichtsbehörde bindend. Über den Stand der Bescheidung des Entwässerungsantrags durch die Stadtwerke T. AöR sei die Bauaufsicht nicht unterrichtet. Im Übrigen könne die Haus- und Grundstücksentwässerung immer einer technischen Lösung zugeführt werden. Die Oberkante der Tiefgarage rage an einer Stelle in der Tat ca. 20 bis 50 cm über das Geländeniveau hinaus. Über den Abweichungsantrag habe trotz der noch laufenden Anhörungsfrist am 13. Februar 2017 entschieden werden dürfen, weil der Standpunkt des Klägers aufgrund seiner vielfachen Eingaben bekannt gewesen sei.

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Die Beigeladene beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. Mai 2016 die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

32

Zur Begründung ihrer Berufung führt sie im Wesentlichen aus: Aufgrund der zweiten Änderung des Bebauungsplans sei „Haus 1“ mittlerweile mit der Festsetzung zur Bauweise vereinbar. Diese Änderung sei im Rahmen der Nachbarklage zu berücksichtigen. Der zweite Änderungsplan sei auch wirksam. Das Interesse des Klägers an der Beibehaltung der bisherigen planungsrechtlichen Situation sei berücksichtigt und letztlich auch fehlerfrei abgewogen worden. Insbesondere komme dem „Haus 1“ keine erdrückende Wirkung für das Anwesen des Klägers zu. Das Tiefgaragengebäude befinde sich vollständig unterhalb der Geländeoberfläche, jedenfalls sei insofern zutreffend eine Abweichung vom Abstandsflächenrecht zugelassen worden. Der Entwässerungsantrag, der von den Stadtwerken T. AöR geprüft und genehmigt worden sei, sei für die Rechtmäßigkeit der hier allein im Streit stehenden Baugenehmigung unerheblich. Drittschützende Positionen stünden dem Kläger insofern nicht zu. Details zur Oberflächenentwässerung dürften der Ausführungsplanung überlassen bleiben. Die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Behördenakten und Planaufstellungsunterlagen sowie auf die Gerichtsakten in den Eilrechtsschutzverfahren 8 B 10637/16.OVG sowie 8 B 10065/17.OVG verwiesen. Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Beigeladenen ist begründet.

35

Aufgrund der im Berufungsverfahren eingetretenen Änderungen der Sach- und Rechtslage ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. Mai 2016 abzuändern und die Nachbarklage des Klägers unter Zurückweisung seiner Berufung, einschließlich der hilfsweise gestellten Beweisanträge, abzuweisen.

36

Die Anfechtungsklage des Klägers ist zulässig. Sie richtet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. März 2015 in Gestalt der vier Nachtragsgenehmigungen vom 27. Mai 2015, 23. November 2015, 3. Mai 2016 und 13. Februar 2017. Die Anfechtungsklage ist ohne abschließende Durchführung eines Vorverfahrens als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Hinsichtlich der Nachtragsgenehmigungen ist die Erhebung eines hierauf bezogenen Widerspruchs aus Gründen der Prozessökonomie entbehrlich (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 68 Rn. 34).

37

Die Anfechtungsklage des Klägers ist jedoch nicht begründet.

38

Der Kläger wird durch die angefochtene Baugenehmigung in Gestalt der vier Nachtragsgenehmigungen nicht derart in seinen Rechten verletzt, dass er deren Aufhebung beanspruchen könnte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 46 VwVfG).

39

Die Feststellung der fehlenden Verletzung von Rechten des Klägers durch die angefochtene Baugenehmigung und des fehlenden Aufhebungsanspruch bezieht sich auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats. Zwar ist für Baunachbarklagen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblich, weshalb nachträgliche Änderungen zu Lasten des Bauherrn außer Betracht zu bleiben haben. Nachträgliche Änderungen zu Gunsten des Bauherrn sind dagegen nach ständiger Rechtsprechung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40.98 –, NVwZ 1998, 1179 und juris, Rn. 3).

I.

40

Die Baugenehmigung verletzt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht keine Rechte des Klägers.

41

1. Insbesondere steht das genehmigte Bauvorhaben mit den Festsetzungen im Bebauungsplan … „A. Z. Straße“ zur Bauweise in Einklang.

42

a) Dies gilt zunächst für die Genehmigung zur Errichtung von „Haus 1“.

43

Zwar ist die Baugenehmigung unvereinbar mit der Festsetzung der „offenen Bauweise“ im Bebauungsplan … „A. Z. Straße“, 1. Änderung vom 22. Juli 2014, wie das Verwaltungsgericht im Urteil vom 11. Mai 2016 im Anschluss an den Beschluss des Senats vom 28. Januar 2016 – 8 B 11203/15.OVG – zutreffend festgestellt hat.

44

Die Baugenehmigung erweist sich indes als vereinbar mit der Festsetzung der „abweichenden Bauweise“ in der am 14. Juli 2016 beschlossenen und am 19. Juli 2016 in Kraft getretenen 2. Änderung des Bebauungsplans. Danach gilt für den straßennahen Bereich der Flurstücke Nr. … (Beigeladene) und Nrn. … und … (Kläger), dass „Gebäude … innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche ohne seitlichen Grenzabstand zu errichten [sind]“. Diesen Anforderungen genügt das genehmigte Gebäude „Haus 1“, da es an die Grenze zum Anwesen des Klägers angebaut werden soll. Diese für den Bauherrn günstige Änderung der Rechtslage ist – wie ausgeführt – im Rahmen der Nachbarklage zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998, a.a.O.).

45

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Plan zur 2. Änderung des Bebauungsplans … wirksam. Der Senat hält nach nochmaliger Überprüfung an der im Beschluss vom 1. August 2016 – 8 B 10637/16.OVG – (BauR 2016, 2050) dargelegten Rechtsauffassung fest. Hierzu kann weitgehend auf die Gründe im Beschluss vom 1. August 2016 verwiesen werden. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen wird ergänzend ausgeführt:

46

(1) Der 2. Änderungsplan ist mit § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (Planerfordernis) vereinbar.

47

Danach dürfen die Gemeinden Bauleitpläne nur aufstellen, soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Diese Vorschrift setzt der Bauleitplanung eine erste Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle städtebauliche Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2013 – 4 C 13.11 –, BauR 2013, 1399, LS; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 –, BauR 2015, 968 und juris, Rn. 16). Was im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB „erforderlich“ ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 BN 15.99 –, NVwZ 1999, 1338). Eine Bauleitplanung ist dann nicht durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt, wenn sie bloß das Ziel verfolgt, planwidrige Zustände im ausschließlich privaten Interesse der betroffenen Bauherren zu legalisieren (vgl. OVG RP, Urteil vom 9. November 2005 – 8 C 10964/05.OVG –, ESOVGRP, LS).

48

Diesen Anforderungen wird der 2. Änderungsplan zum Bebauungsplan … gerecht.

49

Bereits bei Erlass des 1. Änderungsplans zum Bebauungsplan … war klar, dass die Vorstellungen der Beigeladenen zur Bebauung des ehemaligen Gärtnereigeländes Gegenstand der Abwägung waren. Diese Vorstellungen hatte sich die Beklagte als „städtebauliches Konzept“ für eine Nachverdichtung in diesem Bereich zu Eigen gemacht. Die Nachverdichtung sollte durch „die Schaffung von zwei Wohngebäuden in erster und zweiter Reihe“ nebst Tiefgarage erreicht werden (vgl. Ziffer 5.2 sowie Ziffer 1.1 der Begründung des Bebauungsplans … 1. Änderung). Wenn der Kläger geltend macht, die Ausnutzung des entlang der Z. Straße festgesetzten Baufensters für das Flurstück Nr. … sei auch ohne Änderung der Festsetzung zur Bauweise möglich, wenn nur die Beigeladene ihre Planung entsprechend abändere, so macht dies die 2. Änderungsplanung nicht rechtswidrig. Denn insoweit kommt der Beklagten ein planerisches Ermessen zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999, a.a.O.), das sie hier dahingehend ausgeübt hat, dass sie entlang der Straße ein Mehrfamilienhaus mit 8 Wohneinheiten verwirklicht sehen will, anstelle von zwei oder drei selbstständigen Gebäuden einer Hausgruppe, die auch im Rahmen der offenen Bauweise realisierbar wären.

50

Dass der starke Projektbezug der Bauleitplanung nicht dazu zwingt, sich des Planungsinstruments des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu bedienen, hat der Senat bereits im Beschluss vom 1. August 2016 ausgeführt; auf die nachfolgend abgedruckte Passage wird verwiesen:

51

„Auch für den 2. Änderungsplan bestand kein Zwang zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Die Antragsgegnerin war daher auch angesichts des von dem Beigeladenen verfolgten Bauprojekts befugt, die Planung durch Aufstellung eines Angebotsbebauungsplans zu realisieren (sog. „projektbezogener Angebotsbebauungsplan“). Sie muss sich dann allerdings der Unterschiede der beiden Planungsvarianten bewusst sein. Diese bestehen darin, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan nur das zugrunde liegende Projekt zulässt, während es in dem anderen Fall auch zugelassen wird.

52

Der Senat hat in seinem Urteil vom 6. Mai 2015 – 8 C 10974/14.OVG – zur Normenkontrolle des Bebauungsplans „BN .../1, 1. Änderung“ hierzu ausgeführt:

53

„Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB dürfen die Gemeinden Bauleitpläne nur aufstellen, soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.

54

Die Änderungsplanung verfolgt mit der Schaffung zusätzlicher Wohnbauflächen in der Innenstadt eine städtebauliche Zielrichtung. Auch wenn die Planung auf die Vorstellungen eines privaten Vorhabenträgers zurückgeht, handelt es sich nicht um eine bauplanungsrechtlich unzulässige bloße Gefälligkeitsplanung in ausschließlich privatem Interesse eines Bauherrn (vgl. hierzu: OVG RP, Urteil vom 9. November 2005 – 8 C 10964/05.OVG –, OVG NRW, Urteil vom 13. September 2012 – 2 D 38/11.NE –, BauR 2013, 1408 und juris, Rn. 52). Es ist legitim, wenn eine städtische Planung auch Wünsche Privater aufnimmt und diese Anstoß für die Planung geben, solange sie zugleich städtebauliche Interessen verfolgt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2011 – 2 D 36/09.NE –, BauR 2012, 210). Letzteres ist hier der Fall, weil die Antragsgegnerin mit der Planung die Schaffung von Wohnbauflächen durch Nachverdichtung sowie die Schließung der Baulücke an der Z. Straße anstrebt. Dabei kommt der Antragsgegnerin bei der Frage, welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt, ein planerischer Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 BN 15.99 –, NVwZ 1999, 1338).

55

Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt auch keine bauplanungsrechtlich unzulässige Vermischung von angebots- und vorhabenbezogener Planung vor.

56

Die Gemeinde ist bei der Wahl des Planungsinstruments, mit dem sie ihre städtebaulichen Ziele erreichen will, weitestgehend frei. Auch wenn die Gemeinde mit dem Bebauungsplan das Vorhaben eines bestimmten Vorhabenträgers planungsrechtlich ermöglichen will, ist sie aufgrund von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht gezwungen, einen mit einer Durchführungsverpflichtung des Vorhabenträgers nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB gekoppelten vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. September 2012 – 2 D 38/11.NE –, BauR 2013, 1408 und juris, Rn. 55; OVG Nds., Urteil vom 4. Januar 2011 – 1 MN 130/10 –, BauR 2011, 805 und juris, Rn. 77; auch: BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5/14 - [„projektbezogener Angebotsbebauungsplan“]). Ein Angebotsbebauungsplan ist im Vergleich zu dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan das flexiblere Planungsinstrument. Er lässt innerhalb des gesetzten Rahmens Änderungswünsche des Vorhabenträgers ohne Weiteres zu und vermeidet, einen allein auf das ursprüngliche Konzept bezogenen Bebauungsplan zuvor nebst dem Durchführungsvertrag ändern zu müssen. Darüber hinaus kann ein (projektbezogener) Angebotsbebauungsplan aufrechterhalten werden, auch wenn das Projekt des ursprünglichen Vorhabenträgers nicht zustande kommt.“

57

An diesen Ausführungen ist weiterhin festzuhalten.

58

(2) Für die getroffene Festsetzung kann sich die Beklagte auch auf die gesetzliche Ermächtigung in §§ 9 Abs. 1, 9a BauGB i.V.m. § 22 Abs. 4 BauNVO berufen.

59

Die Festsetzung zur Bauweise betrifft die Art und Weise, in der (Haupt-) Gebäude in Bezug auf die seitlichen Nachbargrenzen angeordnet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 1995 – 4 NB 48.93 –, NVwZ 1995, 696 und juris, Rn. 22; OVG SH, Urteil vom 12. März 2009 – 1 KN 12/08 –, NuR 2009, 498 und juris, Rn. 73; Determann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22, Rn. 1; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 122. EL 2016, § 22 BauNVO, Rn. 1).

60

§ 22 Abs. 4 BauNVO ermächtigt die Gemeinde, „von dem Festsetzungsmuster des Abs. 1 abzuweichen und Varianten der offenen oder geschlossenen Bauweise zu schaffen“ (so: BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1995 – 4 NB 40.95 –, ZfBR 1996, 224 und juris, Rn. 4). Zur Festsetzung einer solchen abweichenden Bauweise kann sich die Gemeinde auch des Festsetzungsmittels zur „überbaubaren Grundstücksfläche“ bedienen; entscheidend kommt es immer darauf an, die getroffene Festsetzung sachgerecht auszulegen (vgl. BVerwG, ebenda). § 22 Abs. 4 BauNVO eröffnet den Gemeinden eine „Weite der planerischen Gestaltungsmöglichkeiten“ (vgl. Blechschmidt, a.a.O., § 22 BauNVO, Rn. 43; Determann/Stühler, a.a.O., § 22, Rn. 10).

61

Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte hier rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Sie hat die von der ursprünglichen Festsetzung der „offenen Bauweise“ umfasste Zulassung der Errichtung von Doppelhäusern oder Hausgruppen modifiziert, indem sie die dafür geltenden Voraussetzungen an die bauliche Einheit der Doppelhaushälften bzw. der Gebäude in der Hausgruppe (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom 28. Januar 2016 – 8 B 11203/15.OVG –, BauR 2016, 791 und juris, Rn. 10 und Rn. 15) nicht mehr zum Inhalt der Festsetzung gemacht hat.

62

Soweit der Kläger vorträgt, eine „abweichende Bauweise“ i.S.v. § 22 Abs. 4 BauNVO könne nur dann angenommen werden, wenn sie im Vergleich zu den Festsetzungsmustern nach § 22 Abs. 1 BauNVO eine Änderung zum seitlichen Grenzanbau und/oder zur Längenbegrenzung (nach § 22 Abs. 2 BauNVO) vorsehe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das von ihm zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 12. März 2009 – 1 KN 12/08 – (NuR 2009, 498) kann hierfür nicht als Beleg angeführt werden, weil es sich auf eine atypische „höhenabgestufte Bauweise“ für einen Multifunktionshügel in einem Freizeitzentrum bezogen hat. Die dort beanstandete Festsetzung hatte gerade keinerlei Bezug zur seitlichen Grundstücksgrenze und zur Längenbegrenzung, was das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein in dem vom Kläger zitierten Satz noch einmal hervorgehoben hat. Der vom Kläger aus dem herausgegriffenen Zitat hergeleitete Rechtssatz, eine „abweichende Bauweise“ liege nur bei Änderungen zum seitlichen Grenzanbau und/oder zur Längenbegrenzung vor, kann dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein nicht entnommen werden. Denn mit der hier entscheidungserheblichen Frage, ob § 22 Abs. 4 BauNVO auch eine Abweichung hinsichtlich der Anforderungen der offenen Bauweise an die Einheitlichkeit der Baukörper erlaubt, hat sich das Urteil nicht befasst. Insofern hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass eine „Variante der offenen oder geschlossenen Bauweise“ in Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 29. Dezember 1995, a.a.O.) auch dann vorliegt, wenn der für Doppelhäuser und Hausgruppen vorgesehene seitliche Grenzanbau und auch deren Seitenlänge (festgelegt durch die Festsetzung des Baufensters) beibehalten, hingegen die weiteren Voraussetzungen für diese Bauweisen geändert werden. Ergänzend kann auf die nachfolgend abgedruckten Ausführungen im Beschluss vom 1. August 2016 verwiesen werden:

63

„[Nach § 22 Abs. 4 BauNVO] kann eine von § 22 Abs. 1 BauNVO abweichende Bauweise festgesetzt werden. Diese Ermächtigung erlaubt es der Gemeinde, beliebige Kombinationen und Varianten der offenen und geschlossenen Bauweise zu schaffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1995 – 4 NB 40.95 –, NVwZ-RR 1996, 629 und juris, Rn. 4; Determann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 10). Dies ist hier geschehen, indem im Bereich der benachbarten Flurstücke Nr. .../57 und Nr. .../1 eine Grenzbebauung vorgeschrieben, die Festsetzung der „offenen Bauweise“ aber aufgehoben wurde, um die Bauvorhaben nicht den im Beschluss des Senats vom 28. Januar 2016 erläuterten strengen Anforderungen an die Proportionalität der Gebäude in der offenen Bauweise zu unterwerfen.

64

Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich hierbei nicht um eine unzulässige Umgehung der gesetzlichen Festsetzungsmöglichkeiten. Das Festsetzungsmerkmal der „Bauweise“ betrifft allein die Anordnung der Gebäude auf einem Baugrundstück im Verhältnis zu den Nachbargrundstücken und dabei insbesondere zu den seitlichen Grundstücksgrenzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 1995 – 4 NB 48.93 –, NVwZ 1995, 696 und juris, Rn. 22). Für die in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Regelformen der Bauweise ist diese Regelung zur Anordnung der Gebäude dergestalt getroffen worden, dass in der geschlossenen Bauweise die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden (§ 22 Abs. 3 BauNVO) und in der offenen Bauweise grundsätzlich mit seitlichem Grenzabstand (§ 22 Abs. 2 BauNVO). Die Regelung zur offenen Bauweise hat darüber hinaus eine „Modifikation“ insofern erfahren, als danach nicht nur Einzelhäuser mit jeweils seitlichem Grenzabstand errichtet werden dürfen, sondern auch Doppelhäuser und Hausgruppen, die nur an ihren jeweiligen Enden einen Grenzabstand zu wahren haben, an der gemeinsamen Grundstücksgrenze (der beiden Grundstücke beim Doppelhaus und der mehreren Grundstücke bei der Hausgruppe) hingegen ohne Grenzabstand errichtet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 C 12.98 –, BVerwGE 110, 355 und juris, Rn. 17). Diese Modifikation der offenen Bauweise unterliegt allerdings besonderen Voraussetzungen. Sie ist nur dann zulässig, wenn der Gesamtbaukörper eine bauliche Einheit bildet. Die im Einzelnen hieran zu stellenden Anforderungen waren Gegenstand des Beschlusses des Senats vom 28. Januar 2016.

65

Wenn nun § 22 Abs. 4 BauNVO erlaubt, im Bebauungsplan auch eine von der offenen oder geschlossenen Bauweise abweichende Bauweise festzusetzen, eröffnet dies der Gemeinde eine „Weite der planerischen Gestaltungsmöglichkeiten“ (vgl. Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 120. EL 2016, § 22 BauNVO, Rn. 43), sofern es sich nur um eine Regelung zum Abstand der Gebäude zur Grundstücksgrenze handelt (vgl. Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, 97. Lieferung 2016, § 22 BauNVO, Rn. 100). Eine solche Regelung ist hier getroffen worden.

66

Sofern der Antragsteller aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 12. März 2009 – 1 KN 12/08 – (NuR 2009, 498) einschränkende Anforderungen an den Inhalt einer möglichen Abweichung herleitet, kann dem nicht gefolgt werden. Gegenstand des Verfahrens des OVG Schleswig-Holstein war ein Bebauungsplan zur Errichtung eines Ferien- und Freizeitzentrums mit dem zentralen Element eines multifunktionalen Freizeithügels. Das Gericht hat den Plan wegen fehlerhafter Abwägung der Auswirkungen des Multifunktionshügels auf das Landschaftsbild beanstandet (a.a.O., juris, Rn. 72). Hierzu hat es gerügt, die Gemeinde sei zu Unrecht davon ausgegangen, der Multifunktionshügel werde in höhenabgestufter Bauweise errichtet. Durch die vorgesehenen Festsetzungen werde eine solche höhenabgestufte Bauweise gerade nicht gesichert. In diesem Zusammenhang führt das Gericht aus, dass die Festsetzung „abweichende Bauweise: Hügel“ nicht auf § 22 Abs. 4 BauNVO gestützt werden könne; denn der Begriff „Hügel“ bezeichne keine Bauweise im Sinne dieser Vorschrift. Sodann heißt es:

67

„Der Begriff der Bauweise wird definiert als die Art und Weise, in der (Haupt-)Gebäude auf einem Grundstück im Verhältnis zu den Nachbargrundstücken und deren Grenzen angeordnet werden. Auch bei der abweichenden Bauweise muss es sich um eine Regelung der Bauweise handeln, d.h. um eine solche, die im Hinblick auf den seitlichen Grenzanbau und auf die Längenbegrenzung von den in § 22 Abs. 2 und 3 BauNVO definierten Bauweisen … abweicht. Auf andere Merkmale kann sich die Abweichung nicht beziehen. Zu dem so definierten Begriff der (abweichenden) Bauweise steht die Festsetzung 'Hügel' in keiner Beziehung, sie knüpft an keines der angeführten Merkmale an.“ (a.a.O., juris, Rn. 73).

68

Anders als die Festsetzung „Hügel“ knüpft die hier zu beurteilende Festsetzung in Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen im Bebauungsplan „BN .../1, 2. Änderung“ ausdrücklich an das Merkmal des seitlichen Grenzanbaus an, indem er diesen vorschreibt, die Art und Weise der Zusammenfügung der beiden grenzständigen Gebäude jedoch nicht von den Voraussetzungen für Doppelhäuser oder Hausgruppen abhängig macht. Weitergehende Anforderungen an die Verträglichkeit der abweichend nach § 22 Abs. 4 BauNVO geregelten Bauweise können nicht der Ermächtigungsgrundlage, sondern allenfalls dem Abwägungsgebot in § 1 Abs. 7 BauGB entnommen werden.“

69

(3) Der Bebauungsplan „BN .../1, 2. Änderung“ genügt auch den Anforderungen an eine fehlerfreie Abwägung.

70

Diese Anforderungen betreffen zum einen das – nunmehr als Verfahrensnorm ausgestaltete – Gebot zur ordnungsgemäßen Ermittlung und zutreffenden Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB), zum anderen die inhaltlichen Vorgaben des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB zum angemessenen Ausgleich der gegenläufigen Belange (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2008 – 4 CN 1.07 –, BauR 2008, 1268, Rn. 18; OVG RP, Urteil vom 3. November 2010 – 8 C 10550/10.OVG –; OVG Nds., Urteil vom 22. April 2015 – 1 KN 126/13 –, BauR 2015, 1304 und juris, Rn. 21).

71

(a) Soweit der Antragsteller geltend macht, der Abwägungsvorgang sei schon deshalb fehlerhaft, weil die Ratsmitglieder falsch informiert worden bzw. von falschen Annahmen ausgegangen seien, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar ist ein Bebauungsplan dann abwägungsfehlerhaft, wenn das hierfür berufene Gemeindeorgan (Stadtrat) bei seiner Abwägung von falschen oder unzureichenden Grundlagen ausgegangen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 4 BN 23.13 –, juris, Rn. 8; OVG RP, Urteil vom 15. November 2011 – 8 C 10906/11.OVG –, DVBl. 2012, 376, LS 1;). Solche Abwägungsfehler sind hier indes nicht dargetan.

72

(aa) Zunächst ist bei den Ratsmitgliedern nicht dadurch ein falscher Eindruck erweckt worden, dass es in der Sitzungsvorlage vom 3. Juni 2016 heißt, „die Realisierung eines zweigeschossigen Mehrfamilienhauses an der Z. Straße mit einer Frontlänge von 24,5 m [sei] ausdrücklich Ziel der vom Stadtrat beschlossenen 1. Änderung des Bebauungsplans [gewesen]“ (vgl. Bl. 47 der Planaufstellungsunterlagen). Denn diese Information des Stadtrats entspricht den Tatsachen. So heißt es unter Ziffer 5.2 der Begründung zur 1. Änderung des Bebauungsplans BN .../1 ausdrücklich, dass das städtebauliche Konzept die Schaffung von zwei Wohngebäuden in erster und zweiter Reihe, also die Schaffung von einem Wohngebäude entlang der Z. Straße vorsehe. Diese Aussage ist nicht deshalb unrichtig, weil es sich bei dem 1. Änderungsplan – ebenso wie bei dem 2. Änderungsplan – um eine Angebotsplanung handelt. Gerade bei einem sog. projektbezogenen Angebotsbebauungsplan – wie hier – hat der Plangeber ein konkretes Projekt vor Augen, unterliegt bei seinen Festsetzungen dann aber nicht den Freiheiten nach § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB und muss sich ferner im Klaren sein, dass er planerische Grundlagen nicht „nur“, sondern „auch“ für dieses Projekt schafft. Auch dieser Unterschied zwischen einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan und einem projektbezogenen Angebotsplan ist den Stadtratsmitgliedern in der zur Stadtratssitzung vorgelegten Abwägungstabelle unter Nr. 1.2 erläutert worden.

73

(bb) Wenn es in der Sitzungsvorlage vom 3. Juni 2016 heißt, dass das Mehrfamilienhaus „bereits im Bau befindlich“ sei, wird bei den Ratsmitgliedern auch dadurch kein falscher und einen unzulässigen Druck auf eine Änderungsplanung auslösender Eindruck vermittelt. Denn unstreitig war mit dem Aushub der Baugrube gerade auch im Bereich von „Haus 1“ bereits begonnen worden, was dem Senat aus dem Verfahren betreffend die Baueinstellungsverfügung gegen die Beigeladene vom 23./24. Mai 2016 – 8 B 10520/16.OVG – bekannt ist. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 LBauO darf der Aushub der Baugrube als Baubeginn bezeichnet werden. Auf die von dem Beklagten im Schriftsatz vom 6. Februar 2017 im Eilrechtsschutzverfahren 8 B 10065/17.OVG vorgelegten vier Luftbilder zur aktuellen Situation auf dem Baugrundstück kommt es daher nicht an, weshalb die in dem Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 14. Februar 2017 (S. 4, Bl. 923 der Gerichtsakte [GA]) formulierte Beweisfrage, alle vier Luftbilder seien retuschiert, unerheblich ist.

74

(cc) Wenn schließlich – laut Pressemitteilungen – gegenüber dem Ortsbeirat T.-Nord lediglich von „Formfehlern bei Erlass des Bebauungsplans …, 1. Änderung“ die Rede gewesen ist, so führt dies nicht zu einer Fehlinformation der Mitglieder des Stadtrates. Denn aus der ihnen vorliegenden Begründung zum Bebauungsplan geht eindeutig hervor, dass die Beanstandung des Bauvorhabens im Beschluss des Senats vom 28. Januar 2016 und im Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. Mai 2016 auf die inhaltliche Festsetzung im 1. Änderungsplan zur „offenen Bauweise“ zurückzuführen ist.

75

(dd) Soweit der Kläger eine Befragung der Mitglieder des Stadtrats begehrt, ist dies für die hier anzustellende rechtliche Beurteilung unerheblich. Denn Mängel der Abwägung allgemein sind ebenso wie Mängel bei der Ermittlung und Bewertung der abwägungsbeachtlichen Belange nach den Regelungen im Baugesetzbuch nur beachtlich, wenn sie offensichtlich sind (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB). Offensichtlichkeit in diesem Sinne bedeutet, dass sich der Fehler aus den Planaufstellungsvorgängen und aus sonstigen objektiven Umständen ergibt; eine Motivforschung hinsichtlich der persönlichen Vorstellungen der an der Abwägung beteiligten Entscheidungsträger soll nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich vermieden werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 – 4 C 57.80 –, BVerwGE 64, 33 und juris, Rn. 24 f.). Den dahingehenden Beweisanträgen der Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 9. Oktober 2016 (S. 14, 16 und 17 [Bl. 696, 698 und 699 GA]) sowie im Schriftsatz vom 5. Februar 2017 (S. 6 [Bl. 807 GA]) brauchte daher nicht nachgegangen zu werden.

76

(b) Auch im Übrigen begegnen weder die Ermittlung und Bewertung der abwägungsbeachtlichen Belange noch das Abwägungsergebnis rechtlichen Bedenken. Auch insofern kann auf die nachfolgend abgedruckten Darlegungen aus dem Beschluss des Senats vom 1. August 2016 verwiesen werden:

77

„Auch die Ermittlung und Bewertung der in die Abwägung eingestellten Belange dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 1. Februar 2016 – 4 BN 26.15 – (BauR 2016, 790 und juris, Rn. 4) ausgeführt hat, ist bei der Festsetzung der Bauweise in einem Bereich mit noch teilweise vorhandener Grenzbebauung das private Interesse am Fortbestand der bisherigen planerischen Situation (hier dem Wunsch auf Beibehaltung der ursprünglichen Doppelhausbebauung) ein in der Abwägung zu berücksichtigender Belang. Die Antragsgegnerin hat indes sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Änderungsplanung das Bestandsinteresse des Antragstellers ausdrücklich berücksichtigt und das Ziel verfolgt, das neue Bauvorhaben in einer verträglichen Art und Weise mit dem vorhandenen Bestand zu verbinden.

78

Wenn der Antragsteller geltend macht, sein Bestandsinteresse sei nur dann zutreffend bewertet, wenn sich der durch die Bauleitplanung zugelassene Anbau an dem vorhandenen Grenzgebäude orientiere („maßstabsbildende Vorbelastung“), kann dem nicht gefolgt werden. Die in § 22 Abs. 4 BauNVO eröffnete Möglichkeit der Festsetzung einer „abweichenden Bauweise“ räumt der planenden Stadt einen im Vergleich zur Festsetzung der „offenen Bauweise“ mit den einschränkenden Anforderungen an Doppelhäuser und Hausgruppen weiten Gestaltungsspielraum ein (vgl. Blechschmidt, a.a.O., § 22 BauNVO, Rn. 43). Die Grenze der Abwägungsfehlerhaftigkeit wird daher erst dann überschritten, wenn das Nachbarinteresse am Fortbestand der bisherigen Planungssituation in einer nicht zu rechtfertigenden Art und Weise zurückgedrängt worden ist. Dies kann hier nicht angenommen werden. Wenn es des Weiteren unter Nr. 1.1 der Abwägungstabelle heißt, „bei der bisherigen Festsetzung einer offenen Bauweise war aufgrund der abweichenden Grundstückszuschnitte eine adäquate Ausnutzung im Sinne der städtebaulichen Zielsetzung nicht möglich“, liegt dem keine Fehleinschätzung bzw. Fehlgewichtung eines Belangs zugrunde. Denn wie sich aus dem – von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen – Beschluss des Senats vom 28. Januar 2016 ergibt, ließ sich auf dem vorhandenen Flurstück die in „offener Bauweise“ mögliche Hausgruppe nicht realisieren. Auch sofern die Antragsgegnerin in der Begründung zum Bebauungsplan auf die in der näheren Umgebung vorhandene Struktur der Bebauung hinweist, ist eine Fehlbewertung von Abwägungsbelangen nicht erkennbar. Insbesondere wird mit dem Hinweis auf das „in einer Entfernung von lediglich ca. 70 m [ebenfalls in abweichender Bauweise realisierte] grenzständige Einzelhaus mit einer Länge von ca. 43 m“ nicht deshalb ein untaugliches Vergleichsobjekt für die städtebauliche Verträglichkeit benannt, weil es sich bei diesem Gebäude nicht um ein Wohn-, sondern vielmehr um ein Bürogebäude handelt. Ferner weist es nicht auf einen Abwägungsfehler hin, wenn die Antragsgegnerin die vorhandenen Baustrukturen in der näheren Umgebung auch über den Geltungsbereich des Ursprungsbebauungsplans BN .../1 hinaus in den Blick genommen hat.

79

Auch hinsichtlich des Ergebnisses der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Abwägung dürfte der 2. Änderungsplan rechtlicher Überprüfung standhalten. Ist der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen worden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange nicht außer Verhältnis steht, so wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 – IV C 105.66 –, BVerwGE 34, 301 [309]; Urteil vom 5. Juli 1974 – IV C 50.72 –, BVerwGE 45, 309 [315]). Die Antragsgegnerin hat sich bei ihrer Planung gerade auch die Wirkung der durch den 2. Änderungsplan ermöglichten Bebauung auf das Bestandsgebäude des Antragstellers vor Augen geführt. Wenn sie dabei ausführt, dass nicht nur die Zahl der Vollgeschosse, sondern auch die Dachgestaltung übereinstimmt, hat sie damit zum Ausdruck gebracht, nicht nur die Situation unmittelbar an der Grundstücksgrenze zu bewerten, sondern die Gesamtwirkung der grenzständigen Bebauung in den Blick zu nehmen. Wenn auch die nunmehr durch die 2. Änderungsplanung auf dem Flurstück Nr. … zugelassene Grenzbebauung nicht den Anforderungen an eine Doppelhaushälfte bzw. eine Hausgruppe im Sinne der Rechtsprechung zur „offenen Bauweise“ genügt, so teilt der Senat dennoch die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die jetzt auf dem Flurstück Nr. … vorgesehene Bebauung durchaus verträglich mit dem Anwesen des Antragstellers ist. Jedenfalls erreichen die – von dem Antragsteller nicht näher erläuterten – „nachteiligen Auswirkungen“ nicht ein Maß, das als rücksichtslos bezeichnet werden müsste, etwa deshalb, weil der neue Grenzanbau erdrückende Wirkung auf das Bestandsgebäude des Antragstellers entfalten würde (vgl. zur erdrückenden Wirkung: OVG Rh-Pf, Urteil v. 2.5.2011- 8 C 11261/10-; Uechtritz, DVBl. 2016, 90 [91 ff m.w.N.]).“

80

b) Soweit der Kläger geltend macht, „Haus 2“ sei deshalb bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es nicht auf einem selbstständigen Flurstück errichtet sei, kann diese Rechtsfolge der hierfür in Anspruch genommenen Festsetzung der „offenen Bauweise“ im 1. Änderungsplan nicht entnommen werden. Denn die Zulassung von Einzelhäusern nach § 22 Abs. 2 BauNVO enthält keine Aussage über die Anzahl der zulässigen Gebäude. Soweit sie die erforderlichen seitlichen Grenzabstände einhalten, dürfen auf einem Baugrundstück auch mehrere „Einzelhäuser“ stehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 1995 – 4 NB 48.93 –, NVwZ 1995, 696 und juris, Rn. 22). Im Übrigen kann dem geltend gemachten Erfordernis eines selbstständigen Flurstücks eine nachbarschützende Wirkung zugunsten des Klägers nicht entnommen werden.

81

c) Soweit der Kläger vorträgt, das Tiefgaragengebäude sei bereits bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es unvereinbar sei mit der Festsetzung zur „offenen Bauweise“ im Bebauungsplan „…, 1. Änderung“, vermag der Senat auch diesem Vorbringen nicht zu folgen.

82

Die Festsetzung zur „offenen Bauweise“ findet auf das Tiefgaragengebäude keine Anwendung. Festsetzungen zur Bauweise betreffen nämlich nur Gebäude der Hauptnutzung, hingegen nicht Nebenanlagen, deren Zulässigkeit sich damit allein nach den landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften richtet (vgl. VGH BW, Beschluss vom 9. Mai 2006 – 3 S 906/06 –, ZfBR 2006, 689 und juris, Rn. 8; OVG SH, Urteil vom 12. März 2009 – 1 KN 12/08 –, NuR 2009, 498 und juris, Rn. 73; Determann/Stühler, a.a.O., § 22 Rn. 2; Blechschmidt, a.a.O., § 22 BauNVO, Rn. 7). So können etwa Garagengebäude auch bei festgesetzter offener Bauweise ohne weiteres einseitig an der Grenze errichtet werden, sofern die Landesbauordnung dies zulässt.

83

Abweichendes lässt sich auch der konkreten Festsetzung, auf deren sachgerechte Auslegung es letztlich maßgebend ankommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1995 – 4 NB 40.95 –, ZfBR 1996, 224 und juris, Rn. 4), nicht entnehmen. Denn aus der zeichnerischen Festsetzung Nr. 5 in der Planurkunde zum Bebauungsplan „…, 1. Änderung“, ergibt sich, dass die Tiefgarage auf der rot umgrenzten Fläche „für Nebenanlagen, Stellplätze, Garagen und Gemeinschaftsanlagen“ errichtet werden soll. Damit hat der Plangeber zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Tiefgarage nicht um ein Gebäude der Hauptnutzung handelt. An dieser Zuordnung vermag die Bemerkung unter Ziffer 6.3 der Planbegründung, die Tiefgarage könne „nicht als Nebenanlage i.S.d. § 19 Abs. 4 BauNVO [Ermittlung der Grundfläche] gewertet werden“, nichts zu ändern. Ist die Festsetzung zur „offenen Bauweise“ daher nicht auf das Tiefgaragengebäude anwendbar, richtet sich dessen Zulässigkeit allein nach den landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften.

84

2. Soweit der Kläger die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung damit begründet, dass die Erschließung des Bauvorhabens nicht gesichert sei, ist für eine Rechtsverletzung nichts ersichtlich.

85

Für die „gesicherte Erschließung“ i.S.v. § 30 Abs. 1 BauGB reicht es aus, wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage, d.h. mit ihrer Benutzbarkeit im Zeitpunkt der Gebrauchsabnahme oder der Fertigstellung des Bauwerks gerechnet werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 – 4 C 5.76 –, DVBl. 1977, 41 und juris, Rn. 27). Zweifel hieran sind auch im Hinblick auf den Anschluss an die Anlage zur Abwasserbeseitigung angesichts der Erklärung des Abwasserbeseitigungsträgers im Genehmigungsverfahren, dass die Erschließung gesichert sei, nicht ersichtlich. Im Übrigen dient das Erfordernis einer gesicherten Erschließung allein dem Allgemeininteresse und ist daher grundsätzlich nicht nachbarschützend (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. August 2009 – 2 S 33.09 –, juris, Rn. 3; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 30 Rn. 56).

II.

86

Auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht wird der Kläger durch die angefochtene Baugenehmigung vom 18. März 2015 in Gestalt der vier Nachtragsgenehmigungen nicht in seinen Rechten verletzt; jedenfalls steht ihm in dieser Hinsicht kein Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung zu.

87

1. Zunächst ist in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht eine Rechtsverletzung und ein daraus hergeleiteter Aufhebungsanspruch zu verneinen.

88

Soweit der Kläger rügt, die Genehmigung zur Errichtung des Tiefgaragengebäudes verletze ihn in seinem Anspruch auf Beachtung des Abstandsflächengebots gemäß § 8 LBauO, ist diese Rüge nach Erteilung der 4. Nachtragsgenehmigung vom 13. Februar 2017 nicht mehr begründet.

89

a) Der Senat teilt allerdings die Auffassung des Klägers, dass das genehmigte Bauvorhaben mit den Anforderungen des Abstandsflächenrechts nicht vereinbar ist. Dies ergibt sich aus den zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärten „grün gestempelten“ Bauplänen. Danach ragt die Oberkante des genehmigten Tiefgaragengebäudes an der Grenze zum Grundstück des Klägers zumindest im mittleren Bereich des Grundstücks in der Höhe des Schnitts 2-2 laut Lage- und Höhenaufnahme des Büros G. vom Februar 2013 (Bl. 74 der Behördenakte und Bl. 87 der mit dem am 1. Februar 2017 eingegangenen Schriftsatz vom „25.11.2016“ vorgelegten Akten [im Folgenden: Behördenakte IV]) über die natürliche Geländeoberfläche hinaus und löst damit die Abstandsflächenpflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 3 LBauO aus.

90

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO sind nämlich vor Außenwänden oberirdischer Gebäude Abstandsflächen einzuhalten. Die Tiefgarage ist ein Gebäude, nämlich eine selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlage, die von Menschen betreten werden kann und geeignet oder bestimmt ist, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO). Ein Gebäude ist oberirdisch, soweit ein Gebäudeteil über die Geländeoberfläche (vgl. § 2 Abs. 6 LBauO) hinausragt (vgl. Dhom, in: Simon, BayBO, 123. EL 2016, Art. 6 Rn. 7). Umgekehrt besteht für unterirdische Gebäudeteile keine Abstandsflächenpflicht (vgl. Jeromin, LBauO, 4. Aufl. 2016, § 8 Rn. 22a). Der obere Abschluss des oberirdischen Wandteils wird bei Flachdächern durch die Dachaufkantung gebildet, bei begehbaren Dachflächen einschließlich der Oberkante einer Brüstung (vgl. Jeromin, a.a.O., § 8, Rn. 69; Rauscher, in: Simon, BayBO, a.a.O., Art. 6, Rn. 180).

91

Nach den mit dem 4. Nachtragsantrag eingereichten und mit der 4. Nachtragsgenehmigung vom 13. Februar 2017 genehmigten Plänen („Längs- und Querschnitt Plan-Nr. ...06-N3“) soll das (grün schraffierte) Dach des Tiefgaragengebäudes eine Höhe von 130,08 m ü. N.N. erreichen (in den ursprünglich genehmigten Plänen war eine Höhe von 130,02 m ü.N.N. angegeben). Stellt man lediglich auf die so markierte Höhe des Tiefgaragengebäudes ab, ergibt sich aus dem genehmigten „Längs- und Querschnitt Plan-Nr. ...06-N3“ freilich noch nicht, dass das Gebäude über die natürliche Geländeoberfläche hinausragt. Denn nach diesem Schnitt soll die so definierte Oberkante des Tiefgaragendaches mit der natürlichen Geländehöhe auf dem Nachbargrundstück abschließen („vorh. Gelände 130,08“ [nach den ursprünglich genehmigten Plänen „vorh. Gelände 130,02“, vgl. Bl. 75 der Behördenakte]). Dass das Tiefgaragengebäude aber schon mit dem grün schraffierten Dach zumindest teilweise aus dem Boden herausragt, ergibt sich aus der ebenfalls zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärten Lage- und Höhenaufnahme des Büros G. vom Februar 2013 (Bl. 74 der Behördenakte), auf die sich die Schnittzeichnung zur horizontalen Lokalisierung des Schnitts ausdrücklich bezieht. Nach dieser Höhenaufnahme weist die natürliche Geländeoberfläche an der Grenze zum Grundstück des Klägers in Höhe der Schnittlinie 2-2 eine Höhe von 129,83 m ü. N.N. auf. Schon nach den eingereichten Plänen handelt es sich bei dem darüber hinausragenden Teil der Tiefgarage mithin um einen oberirdischen Gebäudeteil. Bei grenzständigen baulichen Anlagen – wie hier – ist die „natürliche, an das Gebäude angrenzende Geländeoberfläche“ i.S.v. § 2 Abs. 6 LBauO nämlich zugleich die Geländeoberfläche an der Grenze. Dies bedeutet, dass sich aus Sicht von Bau- und Nachbargrundstück regelmäßig ein einheitliches Höhenmaß ergibt. Denn auch bei extremen Hanglagen behält das Gelände sein Gefälle über die Grenze hinweg bei. Anderes gilt, wenn aufgrund von Aufschüttungen oder Abgrabungen des Baugrundstücks an der Grenze an dieser ein senkrechter Geländeabbruch entstanden ist, wofür es hier jedoch an jeglichen Anhaltspunkten fehlt (vgl. zum Vorstehenden: OVG RP, Urteil vom 28. September 2005 – 8 A 10424/05.OVG –, AS 32, 383 [384] und juris, Rn. 19).

92

Weil die Lage- und Höhenaufnahme des Büros G. vom Februar 2013 schon Teil der Baugenehmigung ist, braucht den auf deren Richtigkeit abzielenden Beweisanträgen (vgl. den Schriftsatz vom 5. Februar 2017, S. 9 f [Bl. 810 f GA]) nicht weiter nachgegangen zu werden.

93

Weist das Tiefgaragengebäude schon bezogen auf das grün schraffierte Dach teilweise oberirdische Gebäudeteile (von 25 cm Höhe) mit der Folge der Abstandsflächenpflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 3 LBauO auf, kann ferner dahingestellt bleiben, ob die Höhe dieser Gebäudeteile sich durch die Hinzurechnung der Dämmung (15 cm) und der Erdauflage (50 cm) noch erhöht (die in den ursprünglich genehmigten Plänen enthaltene Umwehrung entlang der Grenze von 60 cm, aufstehend auf dem - allerdings nicht realisierten – Verbau, ist nach Maßgabe der 4. Nachtragsgenehmigung nicht mehr Inhalt der Baugenehmigung). Die hierauf bezogenen Beweisfragen sind daher für die hier notwendige rechtliche Beurteilung unerheblich (vgl. den Schriftsatz vom 5. Februar 2017, S. 12 [Bl. 813 GA]).

94

b) Der Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht ist nicht durch Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 3 LBauO behoben worden.

95

Nach dieser Vorschrift kann im Falle einer planungsrechtlichen Pflicht bzw. auch im Falle einer bloßen planungsrechtlichen Möglichkeit zum Bauen mit Grenzabstand ein Gebäude ohne Grenzabstand zugelassen werden, wenn auf dem Nachbargrundstück innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche bereits ein Gebäude ohne Grenzabstand vorhanden ist. Ein solches Gebäude war hier zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung am 18. März 2015 vorhanden, wie noch aus den Zeichnungen zum Bebauungsplan BN … 1. und 2. Änderung ersichtlich ist und von dem Kläger selbst vorgetragen wird. Die Beklagte hat indes von dieser Abweichungsermächtigung keinen Gebrauch gemacht, so dass sich ein näheres Eingehen auf die einzelnen Voraussetzungen dieser Ermächtigung erübrigt. Ebenso erübrigt sich eine Beweiserhebung zu der Frage, ob das ehemalige Druckereigebäude inzwischen im Zuge der Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen zerstört worden ist (vgl. den Schriftsatz vom 5. Februar 2017, S. 13 [Bl. 814 GA]).

96

c) Der Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht ist allerdings dadurch behoben, dass die Beklagte hinsichtlich des Verlaufs des Tiefgaragengebäudes entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers eine Abweichung von dem Abstandsflächengebot zugelassen hat.

97

Mit dieser Abweichungszulassung hat sie den besonderen Verhältnissen Rechnung getragen, die bei weitgehend unterirdischen Gebäuden mit teilweise oberirdischen Gebäudeteilen auftreten können. Falls von dem herausragenden Bauteil wegen seiner geringen Höhe über der Erdoberfläche keine gebäudeähnliche Wirkung ausgeht, wird hier in aller Regel eine Abweichung für sachangemessen gehalten (vgl. Dhom, a.a.O., Art. 6, Rn. 7; BayVGH, Beschluss vom 14. Juli 1995 – 2 CS 95.518 –, BRS 57 Nr. 154, S. 372). Der Kläger hat aufgrund dieser Abweichungszulassung keinen Anspruch mehr auf Aufhebung der Baugenehmigung.

98

(1) Die Abweichungszulassung ist allerdings formell rechtswidrig.

99

Zwar ist der Bescheid vom 13. Februar 2017 hinreichend bestimmt. Wie bereits ausgeführt, ist hinsichtlich des Tiefgaragengebäudes nur noch der in Bezug genommene „Längs- und Querschnitt Plan-Nr. ...03-N3“ in der Fassung des 4. Nachtragsantrags der Beigeladenen Gegenstand der Baugenehmigung (Höhe des Dachs: 130,08 m ü.NN, abgeböschte Erdauflage). Die Zulassung der Abweichung ist im Bescheid vom 13. Februar 2017 auch ausreichend begründet worden und genügt damit dem Verfahrenserfordernis gem. § 39 VwVfG.

100

Die Abweichungszulassung ist aber deshalb formell rechtswidrig, weil sie unter Verstoß gegen das Anhörungsrecht des Klägers erteilt worden ist. Dieser Verfahrensverstoß ist jedoch nach § 46 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG unbeachtlich.

101

Beabsichtigt die Bauaufsichtsbehörde von Bestimmungen, die auch dem Schutz nachbarlicher Interessen dienen – wie hier den Abstandsflächenvorschriften –, Abweichungen zuzulassen, so hat sie gemäß § 68 Abs. 2 LBauO den Nachbarn hierzu anzuhören und Gelegenheit zu Einwendungen binnen zwei Wochen zu geben. Die Benachrichtigung des Klägers über den Abweichungsantrag der Beigeladenen vom 19. Januar 2017 ist hier durch das Schreiben der Beklagten vom 6. Februar 2017 (Bl. 931 GA) erfolgt. Indes hat die Beklagte die in diesem Schreiben eingeräumte Einwendungsfrist von zwei Wochen nicht abgewartet, sondern die Abweichung bereits am 13. Februar 2017 zugelassen.

102

Diese formelle Rechtswidrigkeit der 4. Nachtragsgenehmigung führt indes nicht zum Erfolg der Nachbarklage. Denn nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist – wie hier –, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

103

Diese Unbeachtlichkeitsregelung findet auch Anwendung bei Ermessensentscheidungen. Entsprechend dem Wortlaut (Offensichtlichkeit) darf von ihr aber nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Voraussetzung ist, dass der hypothetische Behördenwille ohne Zweifel feststeht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2016 – 9 B 65.15 –, DVBl. 2016, 1121 und juris, Rn. 21 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 46 Rn. 73 ff.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür nachweisbar sein, dass die Behörde auch ohne den Verfahrensfehler die gleiche Entscheidung getroffen hätte (vgl. BVerwfG, Kammerbeschluss vom 16. Dezember 2015 – 1 BvR 685/12 –, NVwZ 2016, 524 und juris, Rn. 23 zur Unbeachtlichkeitsregelung bei Abwägungsfehlern). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

104

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Beklagte auch bei Beachtung des Anhörungsrechts des Klägers dieselbe Abweichungsentscheidung getroffen hätte. Diese Überzeugung stützt sich auf die Erklärung des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, man habe sich trotz laufender Anhörungsfrist – kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat – deshalb zur Abweichungszulassung entschlossen, weil der Standpunkt des Klägers durch die Vielzahl der vorhandenen Stellungnahmen hinreichend bekannt gewesen sei. Diese Einschätzung wird durch die nachgelassenen Schriftsätze der Bevollmächtigten des Klägers vom 20. und 22. Februar 2017 bestätigt. Die dort wiedergegebenen Argumente für die Stellungnahme zum Abweichungsantrag der Beigeladenen decken sich im Kern mit den bereits im Verwaltungsverfahren bzw. in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Gesichtspunkten. Dazu zählt zum einen das Interesse des Klägers, von jeglichem gegen Abstandsflächenrecht verstoßenden Grenzanbau verschont zu bleiben und eine Abweichung von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts nicht hinnehmen zu wollen. Darüber hinaus war auch die konkrete Besorgnis, durch die im 4. Nachtragsantrag vorgenommenen Planänderungen für die Tiefgarage (Verzicht auf die Atika und Abböschung der Erdauflage) werde sich das Problem der Oberflächenentwässerung verschärfen, bereits Gegenstand früheren Vorbringens des Klägers (vgl. die Berufungsbegründungsschrift vom 9. Oktober 2016, S. 30 [Bl. 712 GA]; und Schriftsatz vom 5. Februar 2017, S. 11 [Bl. 812 GA]).

105

(2) Die Abweichungszulassung im Bescheid vom 13. Februar 2017 hält auch inhaltlich der rechtlichen Überprüfung stand.

106

Sie ist gestützt auf die Ermächtigung in § 69 Abs. 1 Satz 1 LBauO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Das Merkmal der „Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Anforderung“ lässt eine Abweichung nur zu, wenn aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles der Zweck, der mit einer Vorschrift verfolgt wird, die Einhaltung dieser Norm nicht erfordert oder wenn deren Einhaltung aus objektiven Gründen außer Verhältnis zu der Beschränkung steht, die mit einer Versagung der Abweichung verbunden wäre. Eine Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften kommt nur in Betracht, wenn der betroffene Nachbar nicht schutzbedürftig ist oder die Gründe, die für die Abweichung streiten, objektiv derart gewichtig sind, dass die Interessen des Nachbarn ausnahmsweise zurücktreten müssen (vgl. das Urteil des Senats vom 8. November 1999 – 8 A 10951/99.OVG –, AS 28, 65 – Leitsätze 2 und 3 –; OVG RP, Urteil vom 2. August 2007 – 1 A 10230/07.OVG –, juris, Rn. 25 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

107

Besondere Umstände weist der vorliegende Fall schon aufgrund des hoch anstehenden Grundwassers auf. So wird bereits in der – vom Kläger selbst zitierten - Begründung zum Bebauungsplan BN …, 1. Änderung auf S. 11 darauf hingewiesen, dass die aufgrund des Plans ermöglichte Tiefgarage „wegen des hoch anstehenden Grundwassers und der notwendigen Querbelüftung aus dem Boden [herausrage]“. Eine besondere Situation, die gegen die Tieferlegung des Tiefgaragengebäudes unter Vermeidung oberirdischer Gebäudeteile im mittleren Grundstücksbereich und für eine Abweichung angeführt werden konnte, ergab sich ferner aus dem deutlich höheren Geländeniveau im Bereich der Tiefgaragenzufahrt (Gehweg Z. Straße: 130,53 m ü. NN. lt. G.-Höhenaufnahme vom Februar 2013), worauf die Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung hingewiesen haben. Gemessen hieran und gemessen am Schutzzweck des Abstandsflächenrechts, Belichtung, Besonnung und Belüftung für die Nachbargrundstücke zu gewährleisten, stünde die Beachtung des Abstandsflächengebots bei den über den Boden hinausragenden Teilen des Tiefgaragengebäudes objektiv außer Verhältnis zu der die Beigeladene treffenden Beeinträchtigung im Falle der Versagung der Abweichungszulassung. Wie die Beklagte in ihrem am 1. Februar 2017 eingegangenen Schriftsatz unter dem Datum „25.11.2016“ bereits ausgeführt und im Bescheid vom 13. Februar 2017 noch einmal wiederholt hat, steht die Abweichung auch mit den Interessen des Klägers in Einklang. Denn dessen grundsätzlich schutzwürdiges Interesse an der Beachtung des Abstandsflächenrechts wird durch das oben festgestellte Hinausragen einzelner Teile des Tiefgaragengebäudes aus dem Erdboden nur geringfügig beeinträchtigt. Dies gilt selbst dann, wenn man bei der Höhe der über den Boden hinausragenden Gebäudeteile auf das Niveau der Erdauflage abstellen würde.

108

Auch soweit die Beklagte mit ihrem im Bescheid vom 13. Februar 2017 genehmigten Nachtrag die Planung für das Tiefgaragengebäude geringfügig geändert hat (Verzicht auf die Umwehrung und stattdessen Abböschung der Erdauflage), erweist sich die zugelassene Abweichung von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts nicht als ermessensfehlerhaft. Denn die Beklagte durfte davon ausgehen, dass sie die vom Kläger auch in diesem Zusammenhang betonte Problematik der Oberflächenentwässerung durch ihre entwässerungstechnischen Auflagen in der Baugenehmigung vom 18. März 2015 hinreichend bewältigt hat, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.

109

2. Soweit der Kläger unzureichende und ihn in seinen Rechten verletzende Regelungen zur Abwasserbeseitigung, insbesondere zur Beseitigung des Oberflächenwassers rügt, ist die Klage ebenfalls nicht begründet.

110

Der Kläger beruft sich auf eine Verletzung von § 41 Abs. 2 und Abs. 3 LBauO.

111

Nach § 41 Abs. 2 LBauO dürfen bauliche Anlagen nur errichtet werden, wenn die Beseitigung des Abwassers auf Dauer gesichert ist (§ 41 Abs. 2, ferner § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LBauO). Diese Pflicht zur Sicherung der Abwasserbeseitigung, die in aller Regel durch einen dauerhaften und betriebssicheren Anschluss an die öffentliche Kanalisation erfüllt wird (vgl. Jeromin, a.a.O., § 41 Rn. 21), dient nach allgemeiner Auffassung allein dem Interesse der Allgemeinheit und nicht dem Nachbarschutz (vgl. VGH BW, Beschluss vom 8. April 2014 – 5 S 2179/13 –, BauR 2014, 1270 und juris, Rn. 9). Die Befürchtung des Klägers, durch eine Überlastung der Kanalisation der Gefahr eines Rückstaus – etwa nach Starkregen – ausgesetzt zu sein, berührt ihn daher allein als Teil der Allgemeinheit, weshalb er sich hierauf nicht mit Erfolg berufen kann.

112

Darüber hinaus sind nach § 41 Abs. 3 LBauO Abwasseranlagen so anzuordnen, herzustellen und instand zu halten, dass sie betriebssicher sind und keine Gefahren oder unzumutbare Belästigungen entstehen. Bei diesem Gebot handelt es sich um eine bauordnungsrechtliche Grundanforderung, die der Kontrolle der Bauaufsichtsbehörde unterliegt (vgl. OVG RP, Urteil vom 12. Februar 2016 – 10 A 10840/15.OVG –, NVwZ-RR 2016, 616 und juris, LS 2 und Rn. 35; Jeromin, a.a.O., § 41 Rn. 25). In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird diese materielle Kontrollaufgabe durch die Pflicht des Bauherrn unterstützt, dem Bauantrag eine Darstellung der Grundstücksentwässerung beizufügen (§§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 6 BauuntPrüfVO, §§ 63, 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBauO). Durch die Anordnung und Herstellung der Abwasseranlagen soll insbesondere auch ein Abfluss von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück vermieden werden (vgl. Jeromin, a.a.O., § 41 Rn. 25). Zur ordnungsgemäßen Anordnung der Abwasseranlagen gehört auch deren Tauglichkeit zur Aufnahme des auf dem Baugrundstück anfallenden Niederschlagswassers. Im Unterschied zu § 41 Abs. 2 LBauO ist die in § 41 Abs. 3 LBauO verankerte Pflicht zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen durch Abwasseranlagen als nachbarschützend zu werten (vgl. VGH BW, a.a.O., juris, Rn. 11; Jeromin, a.a.O., § 41 Rn. 27). Der Nachbar kann beanspruchen, dass die zur Abwehr hinreichend wahrscheinlicher Gefahren notwendigen Maßnahmen ergriffen werden; ob er darüber hinaus einen Anspruch auf Vorsorge vor jedweden Risiken einer Vernässung des eigenen Grundstücks hat, ist zweifelhaft (verneinend: VGH BW, a.a.O., juris, Rn. 16).

113

Die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten ist ihrer Kontrollverpflichtung gemäß § 41 Abs. 3 LBauO hier dadurch nachgekommen, dass sie die Details der Entwässerungsplanung an die organisatorisch verselbstständigten Stadtwerke T., Anstalt des öffentlichen Rechts (SWT AöR), weitergeleitet und zum Gegenstand der hier angefochtenen Baugenehmigung lediglich die von den Stadtwerken geforderten Auflagen gemacht hat. Diese Vorgehensweise ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Die entwässerungstechnischen Auflagen unter Ziffern 11 bis 16 der Baugenehmigung befassen sich nicht nur mit der Frage der Einleitung des Abwassers in den Abwasserkanal, die Gegenstand der separaten Entwässerungsgenehmigung durch die SWT-AöR ist. Darüber hinaus geben sie dem Bauherrn auf, dass die private Entwässerungsanlage auf dem Grundstück in Ausführung und Bemessung den allgemeinen Regeln der Technik entsprechen muss (Ziffer 14) und dass bei einem Versiegelungsgrad von über 40 % entsprechend dem Hinweis V Nr. 3 im Bebauungsplan … 1. Änderung Maßnahmen zur Versickerung bzw. Rückhaltung des anfallenden Oberflächenwassers zu treffen sind und der Nachweis hierzu im Entwässerungsantrag zu erbringen ist (Ziffer 15). Damit bringen die entwässerungstechnischen Auflagen in der angefochtenen Baugenehmigung hinreichend klar zum Ausdruck, dass das auf dem Baugrundstück anfallende Abwasser einschließlich des Niederschlagswassers entweder in die Kanalisation einzuleiten oder aber auf dem Baugrundstück selbst zu versickern oder zurückzuhalten ist; ein Abfluss von Oberflächenwasser auf Nachbargrundstücke ist damit nicht zugelassen. Entsprechendes ergibt sich auch aus den in der Auflage Nr. 14 zur Baugenehmigung genannten allgemeinen Regeln der Technik, zu denen auch die DIN 1986-100 gehört (vgl. OVG RP, Urteil vom 12. Februar 2016 – 10 A 10840/15.OVG –, NVwZ-RR 2016, 616 und juris, Rn. 32). Hiernach sind die Entwässerungsanlagen so zu bemessen, dass ein ausreichender Schutz vor unplanmäßiger Überflutung gegeben ist (Ziffer 5.1.4) und bei Planung und Bemessung der Anlagen zur Regenwasserableitung alle Möglichkeiten der dezentralen Niederschlagswasserbewirtschaftung genutzt werden (Ziffer 5.3.1, hierzu: Heinrichs/Rickmann/Sondergeld/Störrlein, Gebäude- und Grundstücks-entwässerung, Planung und Ausführung DIN 1986-100 und DIN EN 12056-4, 6. Aufl. 2016, S. 58 und 65). Demzufolge wird in dem von der Beigeladenen vorgelegten Entwässerungsantrag vom 3. Februar 2015 im Zusammenhang mit der Dimensionierung der Regenwasserleitungen unterstellt, dass das auf der Erdauflage über dem Tiefgaragendach niedergehende Niederschlagswasser abzüglich des Versickerungsgrades letztlich in der Entwässerungsanlage auf dem Baugrundstück gefasst wird (vgl. hierzu die Anlage 1 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 14. Februar 2017 [Antrag auf Anschluss an den öffentlichen Abwasserkanal gemäß § 16 ff. der Allgemeinen Entwässerungssatzung der SWT-AöR vom 3. Februar 2015, S. 7 [Niederschlagsabflussmenge „Grünfläche über TG“]).

114

Die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten genügt ihrer Schutzpflicht aus § 41 Abs. 3 LBauO, wenn sie den Bauherrn lediglich dem Grunde nach dazu verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Entwässerung einschließlich einer ordnungsgemäßen Ausgestaltung der Oberflächenentwässerung zu sorgen. Die Details der hierfür erforderlichen und geeigneten Maßnahmen darf sie daher der Ausführungsplanung überlassen (vgl. hierzu zuletzt: BayVGH, Urteil vom 12. Dezember 2016 – 22 A 15.40038 –, juris, Rn. 24 zu Detailplanungen im Rahmen einer Planfeststellung). Dass sich die Kontrolle der ordnungsgemäßen Ableitung des Niederschlagswassers unter Vermeidung unzumutbarer Beeinträchtigungen für den Kläger damit zum Teil von der präventiven Kontrolle des Bauvorhabens in die repressive Aufsicht der Bauausführung verlagert, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dementsprechend wird sich auch erst im Rahmen der Bauaufsicht über die konkrete Ausführung des Bauvorhabens die Frage stellen, ob die Änderung im 4. Nachtragsantrag zum seitlichen Abschluss der Erdauflage auf dem Dach der Tiefgarage (Böschung statt Stützmauer) die hinreichende Gefahr des Abflusses von Oberflächenwasser vom Baugrundstück der Beigeladenen auf das Nachbargrundstück des Klägers begründet oder ob dieser Besorgnis durch andere Baumaßnahmen begegnet wird.

115

Den Beweisanträgen des Klägers zur Frage der Oberflächenentwässerung brauchte deshalb nicht nachgegangen zu werden, weil die gestellten Beweisfragen für die rechtliche Beurteilung der Baugenehmigung unerheblich sind. Dies gilt zum einen für die Frage, ob eine endgültige Entscheidung des SWT-AöR über den Entwässerungsantrag vorliegt (Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 5. Februar 2017, S. 14 [Bl. 815 GA] und Schriftsatz vom 5. Januar 2017 im Eilrechtsschutzverfahren 8 B 10065/17.OVG, S. 7), zumal unstreitig ist, dass die endgültige Entscheidung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2017 noch nicht vorgelegen hat (vgl. die Unterrichtung im Schriftsatz der Beigeladenen vom 22. Februar 2017 über die Entwässerungsgenehmigung vom 16. Februar 2017). In der Sache handelt es sich bei der Bescheidung des Entwässerungsantrags um ein separates Verfahren. Ebenfalls ist es unerheblich, ob die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten eine eigenständige Prüfung der Grundstücksentwässerung vorgenommen hat (Antrag im Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 5. Februar 2017, S. 8 [Bl. 809 GA] und vom 14. Februar 2017, S. 4 [Bl. 923 GA]), weil es insofern allein darauf ankommt, ob die – auf Hinweis des SWT-AöR – in die Baugenehmigung aufgenommenen entwässerungstechnischen Auflagen inhaltlich der Schutzpflicht der Beklagten genügen. Ob sich die Gefahr eines Abflusses von Oberflächenwasser auf das Grundstück des Klägers dadurch merklich erhöht, dass die Beigeladene mit dem 4. Nachtragsantrag auf die Stützmauer für die Erdauflage auf dem Tiefgaragendach entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers verzichtet und eine bloße Abböschung der Erdauflage geplant hat, lässt sich erst im Rahmen der Ausführungsplanung und der hierauf bezogenen Kontrolle der Beklagten bei der Bauausführung beurteilen; die aufgeworfene Frage ist für die rechtliche Bewertung der Baugenehmigung aus den dargelegten Gründen unerheblich (vgl. Beweisanträge im Schriftsatz vom 5. Februar 2017, S. 11 [Bl. 812 GA], Schriftsatz vom 14. Februar 2017, S. 3 [Bl. 922 GA]).

116

3. Soweit der Kläger die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung aus der Rechtswidrigkeit der von ihm angefochtenen wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung für die Errichtung baulicher Anlagen im festgesetzten Überschwemmungsgebiet herleitet, begründet dies ebenfalls keine Rechtsverletzung des Klägers durch die Baugenehmigung.

117

Zwar darf die Baugenehmigung nach § 70 Abs. 1 LBauO nur erteilt werden, wenn dem Bauvorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Was die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit den Anforderungen an den Hochwasserschutz anbelangt, existiert jedoch ein spezieller Genehmigungsvorbehalt in § 78 Abs. 3 WHG, weshalb diese Sachfrage nicht Gegenstand des bauaufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahrens ist (§ 65 Abs. 1 Satz 2 LBauO). Insofern handelt es sich um jeweils getrennte Verfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1989 – 4 C 1/88-, BVerwGE 82, 61 und juris Rn. 33; BayVGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 – 8 CS 13.1848 –, juris, Rn. 25). Die inhaltliche Frage, ob das Bauvorhaben den Anforderungen des Hochwasserschutzes genügt, ist daher im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren bzw. in den sich daran anschließenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzverfahren zu klären. Sie sind nicht Gegenstand der Sachentscheidung der Bauaufsichtsbehörde.

118

Eine Rechtsverletzung des Klägers ergibt sich aber auch nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen. Zwar ist die Bauaufsichtsbehörde aufgrund der aus § 65 Abs. 5 LBauO hergeleiteten sog. Schlusspunkttheorie bei der Notwendigkeit zur Einholung paralleler Genehmigungen verpflichtet, die Baugenehmigung zu versagen, wenn die für das Vorhaben im Übrigen notwendigen Genehmigungen noch nicht erteilt worden sind (vgl. OVG RP, Beschluss vom 28. Oktober 2005 – 8 B 11345/05.OVG –, BauR 2006, 336 und juris, Rn. 21). Dieser verfahrensrechtlichen Anforderung ist hier jedoch deshalb genügt, weil bei Erteilung der Baugenehmigung am 18. März 2015 die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 3 WHG vom 5. Februar 2015 vorgelegen hat und der Beigeladenen zusammen mit der Baugenehmigung ausgehändigt worden ist. Im Übrigen dient diese verfahrensrechtliche Verklammerung zweier paralleler Genehmigungen nicht den Interessen eines Grundstücksnachbarn. Dieser ist vielmehr gehalten, seine Interessen durch eine jeweils getrennte Anfechtung der separaten Genehmigungen zu wahren, wie hier geschehen.

119

Die auf den Stand des wasserrechtlichen Verfahrens bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord bezogenen Beweisfragen (vgl. Beweisanträge in den Schriftsätzen vom 5. Februar 2017, S. 7 [Bl. 808 GA], vom 14.Februar 2017, S. 4 [Bl. 923 GA] und vom 5. Januar 2017 im Eilrechtsschutzverfahren 8 B 10065/17, S. 7) sind daher nicht erheblich.

III.

120

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenentscheidung erster Instanz hat Bestand, weil der Beigeladene erst aufgrund der Änderung der Rechtslage während des Berufungsverfahrens durch das Inkrafttreten des Bebauungsplans …, 2. Änderung obsiegt hat. Die bloß teilweise Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung durch das Verwaltungsgericht ist nicht zu beanstanden (vgl. zur bautechnischen Abtrennbarkeit von Tiefgaragen: BayVGH, Beschluss vom 7. August 2012 – 15 CS 12.1147 –, juris, Rn. 16).

121

Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

122

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Voraussetzungen für die Festsetzung einer „abweichenden Bauweise“ nach § 22 Abs. 4 BauNVO in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1995 – 4 NB 40.95 –, ZfBR 1996, 224 und juris, Rn. 4).

Beschluss

123

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,- € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).

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