Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 O 11/22

Tenor

Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 10. Kammer – vom 28. April 2022 wird geändert.

Der Vollstreckungsschuldnerin wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,– Euro angedroht, falls sie dem Vollstreckungsgläubiger nicht binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses entsprechend dem Teilurteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21. September 2017 zum Az. 2 A 79/13 per Verwaltungsakt Zugang zu den neun bestehenden vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1 vom 21. April 2008 in dem Umfang gewährt, in dem der Beigeladene zu 2 diese nicht mit Schreiben vom 7. Februar 2014 und 21. August 2014 als geheimhaltungswürdig eingestuft hat.

Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.

Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Gerichtskosten, die außergerichtlichen Kosten der Vollstreckungsschuldnerin und die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 aus dem Beschwerdeverfahren. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Zwangsvollstreckung aus einem verwaltungsgerichtlichen Teilurteil (VG Schleswig, Teilurt. v. 21.09.2017 – 12 A 79/13 –, juris [hier irrtümlich datiert auf den 29.09.2017]).

2

Mit diesem Teilurteil verpflichtete das Verwaltungsgericht Schleswig die Vollstreckungsschuldnerin (im Erkenntnisverfahren die Beklagte) unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. November 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2013 dazu, dem Vollstreckungsgläubiger (Kläger)

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„alle vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der Lübecker Hafengesellschaft mbH (hier der Beigeladenen zu 1) in dem Umfang zugänglich zu machen, in dem das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein (hier der Beigeladene zu 2) diese nicht mit Schreiben vom 07.02.2014 und 21.08.2014 als geheimhaltungswürdig eingestuft hat“.

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In den als Sperrerklärung i. S. d. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu wertenden Schreiben vom 7. Februar und 21. August 2014 (so BVerwG, Beschl. v. 27.04.2016 – 20 F 13.15 – juris Rn. 8-13) hatte der Beigeladene zu 2 die aus seiner Sicht geheimhaltungswürdigen Inhalte von neun Vereinbarungen bezeichnet und damit mittelbar mehr Inhalte „freigegeben“ als die Vollstreckungsschuldnerin. Auf die Anträge der Vollstreckungsschuldnerin und Beigeladenen zu 1 nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO entschied das BVerwG in einem In-Camera-Verfahren letztinstanzlich, dass diese Anträge unzulässig seien, soweit die Feststellung begehrt wurde, dass die Verweigerung der Vorlage der Vertragsbestimmungen rechtmäßig sei, welche in dem Schreiben des beigeladenen Innenministeriums vom 21. August 2014 aufgeführt sind. Insoweit bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Soweit sie die Feststellung begehrten, dass über in der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums bezeichnete Vertragsbestimmungen hinaus hinsichtlich weiterer von ihnen benannter Vertragsbestimmungen die Verweigerung der Vorlage ungeschwärzter Verträge rechtmäßig ist, seien ihre Anträge zwar zulässig, in der Sache aber unbegründet (BVerwG, Beschl. v. 27.04.2016 – 20 F 13.15 – juris Rn. 8 ff.)

5

Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht seinerseits einen Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO gegen die Sperrerklärung stellte, sah das Verwaltungsgericht die Klage nur in Bezug auf den durch die Sperrerklärung mittelbar freigegebenen Teil als entscheidungsreif an und behielt die Entscheidung über den Zugang zu den durch die Sperrerklärung als geheimhaltungswürdig eingestuften vertraglichen Vereinbarungen für das Schlussurteil vor.

6

Nachdem der Senat den Antrag der Vollstreckungsschuldnerin auf Zulassung der Berufung gegen das o. g. Teilurteil abgelehnt hatte (Beschl. v. 02.05.2019 – 4 LA 128/17 – juris), forderte der Vollstreckungsgläubiger die Vollstreckungsschuldnerin mit Schreiben vom 1. Juli 2019 auf, ihm gemäß dem verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 21. September 2017 „die genannten vertraglichen Vereinbarungen im Original auf dem Postweg für drei Tage in die Räume dieser Sozietät“ zu übermitteln und setzte hierfür eine Frist bis zum 10. Juli 2019. Die Vollstreckungsschuldnerin übersandt ihm daraufhin mit Schreiben vom 4. Juli 2019 insgesamt neun Anlagen. Dabei handelte es sich um Kopien von folgenden geschwärzten Vertragsunterlagen:

7

1. Hafenbahnvertrag vom 21. April 2008

8

2. Nutzungsvertrag vom 21. April 2008

9

3. Mietvertrag Posener Straße – LDG vom 21. April 2008

10

4. Vertrag über die Rückgabe der Hafenbahn vom 21. April 2008

11

5. Vertrag über die Rückgabe der Hafennebenflächen vom 21. April 2008

12

6. Mietvertrag Schlutupkai II Ost vom 21. April 2008

13

7. Mietvertrag Schlutupkai I – Kühlhaus vom 21. April 2008

14

8. Mietvertrag Skandinavienkai – Borndiek vom 21. April 2008

15

9. Mietvertrag Skandinavienkai Nord vom 21. April 2008

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Nach neuerlichem Aufforderung, ihm die zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1 bestehenden vertraglichen Vereinbarungen im tenorierten Umfang zugänglich zu machen, hat der Vollstreckungsgläubiger am 27. August 2019 beim Verwaltungsgericht Schleswig das Vollstreckungsverfahren eingeleitet mit der Begründung, dass die Vollstreckungsschuldnerin ihre aus dem Teilurteil erwachsene Verpflichtung nicht erfüllt habe. Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1 hätten einen Umfang von 710 Seiten, übersandt worden seien jedoch nur neun Einzelvereinbarungen in Auszügen, die einen Umfang von lediglich 90 Seiten hätten. Auch enthielten die Kopien mehr Schwärzungen als dies nach der Sperrerklärung des Beigeladenen zulässig sei. Für den Umfang der Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin komme es dabei alleine auf den objektiven Wortlaut des Tenors des rechtskräftigen Teilurteils vom 21. September 2017 an. Der titulierte Anspruch sei zudem auch nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern auf die Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung gerichtet, weshalb er nach § 167 VwGO i. V. m. § 888 ZPO zu vollstrecken sei. Auch könne ein Amtsträger – wie etwa der Bürgermeister der Vollstreckungsschuldnerin – in Zwangshaft genommen werden.

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Der Vollstreckungsgläubiger hat beantragt,

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gegen die Schuldnerin wegen Nichterfüllung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 21. September 2017 (12 A 79/13) ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 Euro oder Zwangshaft festzusetzen.

19

Die Vollstreckungsschuldnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen und geltend gemacht, dass er schon unzulässig sei, weil er als Vollstreckungsschuldner den Rechtsträger und nicht die Behörde benenne. Zudem bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil sie – die Vollstreckungsschuldnerin – den Anspruch des Vollstreckungsgläubigers bereits erfüllt habe, indem sie ihm alle zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1 zum Zeitpunkt der Antragstellung am 29. September 2009 bestehenden Vertragsunterlagen übersandt habe. Hierauf habe sich auch die Prüfung durch den Beigeladenen zu 2 auf die Geheimhaltungswürdigkeit beschränkt. Der Antrag sei im Übrigen unbegründet, da sie – die Vollstreckungsschuldnerin – ihre aus dem Teilurteil folgende Verpflichtung erfüllt habe. Der Beigeladene zu 2 habe mit seiner Sperrerklärung den Umfang der Geheimhaltungswürdigkeit der betroffenen Vertragsunterlagen bestimmt; diesen Umfang habe die Kammer in ihrem Teilurteil vom 21. September 2017 ausdrücklich zitiert. Dieser sei von ihr – der Vollstreckungsschuldnerin – umgesetzt worden.

20

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Die Beigeladene zu 1 hat sich allerdings den Ausführungen der Vollstreckungsschuldnerin angeschlossen. In materieller Hinsicht sei allein entscheidend, welche Verträge zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und ihr – der Beigeladenen zu 1 – im Zeitpunkt der Antragstellung am 29. September 2009 bestanden hätten. Nur in Bezug auf diese Verträge habe sie ihre Rechte zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wahrnehmen können. Durch die Bezugnahme auf die Sperrerklärung des Beigeladenen zu 2 sei auch die im Tenor des Teilurteils ausgesprochene Verpflichtung auf die bislang im Streit stehenden Verträge beschränkt. Sofern der Vollstreckungsgläubiger die Übermittlung weiterer Verträge begehre, müsse er einen neuen Antrag stellen.

21

Mit Beschluss vom 28. April 2022 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Vollstreckungsgläubigers dahingehend ausgelegt, dass die Festsetzung eines Zwangsgeldes von bis zu 25.000 Euro gegen die Vollstreckungsschuldnerin, ersatzweise die Festsetzung von Zwangshaft gegen deren Bürgermeister und hilfsweise die Androhung eines Zwangsgeldes gegen die Vollstreckungsschuldnerin begehrt wird.

22

Auf diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht

23

der Vollstreckungsschuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500 Euro angedroht, falls sie dem Vollstreckungsgläubiger nicht binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses entsprechend dem Teilurteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21. September 2017 zum Az. 12 A 79/13 Zugang zu allen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1 in dem Umfang gewährt, in dem der Beigeladene zu 2 diese nicht mit Schreiben vom 7. Februar 2014 und 21. August 2014 als geheimhaltungswürdig eingestuft hat. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt

24

und zur Begründung ausgeführt, dass sich die begehrte Vollstreckung des Teilurteils nach § 172 VwGO richte, weil aus einem (Teil-) Verpflichtungsurteil nach § 113 Abs. 5 VwGO vollstreckt werden solle. Soweit der Vollstreckungsgläubiger sogleich die Festsetzung eines Zwangsgeldes von über 10.000 Euro ohne vorherige Androhung oder hilfsweise von Zwangshaft nach den Regelungen des § 888 ZPO begehre, sei der Antrag unzulässig. Im Übrigen scheitere die Zulässigkeit des Antrags nicht daran, dass er den Rechtsträger als Vollstreckungsschuldnerin und nicht eine Behörde benenne. Der Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes sei in der tenorierten Höhe auch begründet. Die Androhung sei geboten, weil die Vollstreckungsschuldnerin der ihr auferlegten Verpflichtung aus dem Teilurteil durch die Übersendung der neun Vereinbarungen zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1 grundlos und nicht vollständig nachgekommen sei. Vom Tenor des Teilurteils seien auch diejenigen Vereinbarungen erfasst, die zum Zeitpunkt der Antragstellung am 29. September 2009 noch nicht vorgelegen hätten. Nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 2. Mai 2019 – 4 LA 128/17 – seien laut Tenor auch die Vereinbarungen zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1 zugänglich zu machen, die nach Abgabe der Sperrerklärung geschlossen worden seien. Darüber hinaus seien bei den bisher übersandten Unterlagen unzulässige Schwärzungen vorgenommen worden.

25

Gegen diesen Beschluss haben sowohl der Vollstreckungsgläubiger als auch die Vollstreckungsschuldnerin und die Beigeladene zu 1 jeweils Beschwerde eingelegt.

26

Der Vollstreckungsgläubiger bleibt dabei, dass der titulierte Anspruch auf Verpflichtung zur Herausgabe bestimmter Informationen nicht nach § 172 VwGO, sondern nach § 167 VwGO i. V. m. § 888 ZPO zu vollstrecken sei. Das beantragte Zwangsgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro oder Zwangshaft sei auch erforderlich, weil die Schuldnerin dem rechtskräftigen Urteil vom 21. September 2017 nicht Folge leiste. Der zu vollstreckende Tenor sei im Übrigen rechtskräftig und hinreichend bestimmt. Dies habe der Senat bereits im Zulassungsverfahren festgestellt. Die Einlassungen der Schuldnerin machten hinreichend deutlich, dass sie nur durch Festsetzung von Zwangshaft oder eines wirtschaftlich spürbaren Zwangsgelds zu einem rechtskonformen Verhalten angehalten werden könne.

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Er beantragt, unter Abänderung des Beschlusses der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 28.04.2022 (10 D 2/22) gegen die Schuldnerin wegen Nichterfüllung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 21.09.2017 (12 A 79/13) ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 Euro oder Zwangshaft festzusetzen.

28

Die Vollstreckungsschuldnerin macht geltend, dass der angegriffene Beschluss sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht über das Teilurteil hinausgehe. Der Tenor des zu vollstreckenden Teilurteils wäre nicht nur anhand der Begründung, sondern auch unter Berücksichtigung des konkreten Streitgegenstandes auszulegen gewesen, um dessen vollstreckungsfähigen Inhalt zu ermitteln. Inhalt und Umfang der Leistungspflicht würden vom Vollstreckungstitel zu ungenau bezeichnet. Würde ein Bescheid mit dem wortlautidentischen Inhalt des Tenors erlassen, hätte der Vollstreckungsgläubiger Anspruch auf Zugang zu allen jemals geschlossenen und auch zukünftig anfallenden Vereinbarungen. Inhaltlich ausgenommen wären lediglich die Passagen, die mit Schreiben des Beigeladenen zu 2 vom 7. Februar und 21. August 2014 als geheimhaltungswürdig eingestuft wurden. Dabei habe sich der Antrag des Vollstreckungsgläubigers vom 29. September 2009 nur auf die damals aktuell bestehenden (neun) Verträge bezogen, nicht aber auf nach Antragstellung geschlossene Verträge, über die die Vollstreckungsschuldnerin im Übrigen damals noch gar nicht „verfügt“ habe i. S. d. § 3 IZG-SH. Entsprechend sei der Antrag mit dem später erlassenen Bescheid vom 27. November 2009 / 14. Januar 2013 beschieden worden und nur darauf habe sich der Beschluss des erkennenden Gerichts vom 9. April 2013 zwecks Anforderung „der Verträge“ und damit in Konkretisierung des Streitgegenstandes bezogen. Streitgegenständlich geworden seien deshalb weder bereits abgewickelte Verträge (seit Gründung der Beigeladenen zu 1 im Jahre 1934) noch spätere Verträge, zumal diese wiederum Gegenstand eines späteren Antrages gewesen seien, über dessen Berechtigung noch vor dem Verwaltungsgericht gestritten werde (Az.: 8 A 5/14, jetzt: 10 A 57/22). Dieses Verfahren würde „überholt“ und obsolet; auch könnten die später geschlossenen Vereinbarungen dann nicht mehr auf schützenswerte Inhalte im Sinne der Ausschlussgründe nach dem IZG-SH oder im Rahmen eines In-Camera-Verfahrens geprüft werden. Insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1 und der Vollstreckungsschuldnerin blieben ungeprüft und würden verletzt.

29

Die Vollstreckungsschuldnerin beantragt,

30

a) den angegriffenen Beschluss so abzuändern, dass entsprechend dem rechtskräftigen Teilurteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21.09.2017 (Az.: 12 A 79/13) durch Bescheidung der Vollstreckungsschuldnerin nur Zugang zu all den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1) zu gewähren ist,

31

– die bis zum 29.09.2009 zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1) geschlossen und zum 29.09.2009 wirksam waren

32

– und die im Bescheid der Vollstreckungsgläubigerin vom 27.11.2009 unter Nr. 1- 9 aufgezählt sind und deren schützenswerten Inhalte abschließend durch gerichtlich rechtskräftig beurteilte Sperrerklärungen festgestellt sind.

33

b) hilfsweise, unter teilweiser Aufhebung des angegriffenen Beschlusses die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Teilurteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21.09.2017 (Az.: 12 A 79/13) insoweit für unzulässig zu erklären, als dem Vollstreckungsgläubiger durch Bescheidung der Vollstreckungsgläubigerin Zugang auch zu allen Verträgen gewährt wird, soweit die zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1) nach dem 29.09.2009 geschlossen und bis zum 29.09.2009 nicht mehr wirksam sind

34

– und ohne die vorherige Durchführung eines behördlichen Verfahrens nach § 10 S.3 u. 4 IZG-SH sowie durch gerichtliche abschließend rechtskräftig beurteilte Sperrerklärung geschützte Inhalte festgestellt sind,

35

c) weiter hilfsweise, den angegriffenen Beschluss so abzuändern, dass entsprechend dem rechtskräftigen Teilurteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21.09.2017 (Az.: 12 A 79/13) durch Bescheidung der Vollstreckungsschuldnerin nur Zugang zu allen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1) zu gewähren (ist),

36

– die bis zum 09.04.2013 zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1) geschlossen und zum 09.04.2013 wirksam waren und abschließend durch abschließend rechtskräftig beurteilte Sperrerklärung die geschützten Inhalte festgestellt sind.

37

d) schließlich hilfsweise, den angegriffenen Beschluss so abzuändern, dass dem rechtskräftigen Teilurteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21.09.2017 (Az.: 12 A 79/13) zur Vollstreckung ein eindeutiger Tenor hinsichtlich des konkreten Streitgegenstandes und dem zeitlichen Umfang der Vertragswerke entnommen werden kann, damit ein Verwaltungsakt der Vollstreckungsschuldnerin auf Informationszugang mit diesem konkreten Inhalt erlassen und umgesetzt werden kann.

38

Die Beigeladene zu 1 sieht ihre Rechte auf Wahrung ihrer schutzwürdigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach Maßgabe von § 10 IZG-SH sowie auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Auch sie meint, dass der Tenor des Teilurteils sprachlich zu weit gefasst bzw. (bislang) zu weit verstanden worden sei. Das Erkenntnisverfahren habe sich allein auf die bis zum Antrag des Vollstreckungsgläubigers vom 29. September 2009 zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und ihr wirksam geschlossenen und zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verträge bezogen. Ein Antrag nach dem IZG-SH ziele stets auf eine punktuelle Momentaufnahme ab und beinhalte keinen Anspruch auf eine dauerhaft fortlaufende Unterrichtung über sämtliche zukünftigen Verträge. Für zukünftige Verträge bedürfe es eines erneuten Antrages auf Zugänglichmachung der „dann bestehenden“ Verträge. Von weiteren Verträgen sei im gerichtlichen Verfahren auch nicht die Rede gewesen, weder von solchen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung schon nicht mehr in Kraft waren, noch – und erst recht – von solchen, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geschlossen waren und deshalb noch gar nicht im Sinne des gestellten Antrages „bestehen“. Dem Beigeladenen zu 2 seien von der Vollstreckungsschuldnerin allein die aus deren Sicht relevanten und bis zum 29. September 2009 bestehenden Verträge zur Prüfung zugeleitet worden, nicht aber die bereits vorher außer Kraft getretenen oder die erst danach geschlossenen Verträge, weil es insoweit an einem dahingehenden Antrag des Vollstreckungsgläubigers gefehlt habe. Dennoch solle die Vollstreckungsschuldnerin diese Verträge ungeprüft zugänglich machen, um nicht die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 7.500 Euro zu riskieren. Zudem sei nicht ersichtlich, wie sie – die Beigeladene zu 1 – insoweit ihre Rechte auf Wahrung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse effektiv wahrnehmen können solle.

39

Die Beigeladene zu 1 beantragt, unter teilweiser Aufhebung des angegriffenen Beschlusses die Vollstreckung aus dem Teilurteil des Schl.-Holst. Verwaltungsgerichts vom 21.09.2017 (Az. 12 A 79/13) insoweit für unzulässig zu erklären, als dem Vollstreckungsgläubiger nach seinem Wortlaut ein Zugänglichmachen auch zu solchen Verträgen zugesprochen wird,

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a) die bereits vor dem 29.09.2009 geendet haben oder außer Kraft getreten sind, sowie auch zu solchen Verträgen,

41

b) die nach dem 29.09.2009 zwischen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1. geschlossen worden sind, ohne dass zuvor ein behördliches Verfahren gemäß § 10 IZG-SH bzw. § 99 Abs. 2 VwGO (in-camera-Verfahren) zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1. einschließlich der Einholung einer ministeriellen Sperrerklärung durchgeführt und bestands- bzw. rechtskräftig abgeschlossen worden ist.

42

Hilfsweise stellt sie den vorstehenden Antrag lit. b) mit dem Datum 09.04.2013 und höchst hilfsweise mit dem Datum 21.08.2014.

43

Der Beigeladene zu 2 hat sich nicht geäußert.

II.

44

I. Die Beschwerden sind statthaft (§ 146 Abs. 1 VwGO) und auch sonst zulässig.

45

Alle drei Beschwerde führenden Beteiligte haben ihre Beschwerde innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingelegt. Eine Frist für die Begründung der Beschwerde ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO gilt vorliegend nicht, weil kein Fall des vorläufigen Rechtsschutzes vorliegt.

46

II. Die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers ist unbegründet, die Beschwerden der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1 sind hingegen überwiegend begründet.

47

1. Die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers ist unbegründet.

48

a. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zunächst ausgeführt, dass sein Antrag nicht deshalb unzulässig ist, weil er nicht eine Behörde, sondern deren Rechtsträger als Vollstreckungsschuldnerin benennt. Denn eine Behörde der Vollstreckungsschuldnerin wäre schon nicht beteiligtenfähig. § 61 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 69 Abs. 1 LJG sehen eine Fähigkeit, am Verfahren beteiligt zu sein, nur für Landesbehörden, nicht aber für Behörden der Kreise oder kreisfreien Städte vor. Im Übrigen gilt dies auch in Ansehung des hier zur Anwendung gebrachten § 172 VwGO. Mit dem Begriff der „Behörde“ bezeichnet die Norm jegliche Stelle der öffentlichen Verwaltung, die konkret zur Vornahme der titulierten Handlung verpflichtet ist, ohne dass damit die Behörde auch zum Vollstreckungsschuldner gemacht werden soll. Vollstreckungsschuldner kann vielmehr nur der Rechtsträger der Behörde sein, die gehandelt hat bzw. handeln soll (VGH Kassel, Beschl. v. 11.05.2016 – 9 E 448/16 –, juris Rn. 17; Heckmann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 172 Rn. 17).

49

b. Ohne Erfolg bleibt aber das übrige Vorbringen des Vollstreckungsgläubigers. Im vorliegenden Fall kommt lediglich die Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 10.000 Euro, aber keine Festsetzung von bis 25.000 Euro und auch keine ersatzweise Festsetzung von Zwangshaft gegen den Bürgermeister der Vollstreckungsschuldnerin in Frage, weil das Verwaltungsgericht auf den Vollstreckungsantrag des Vollstreckungsgläubigers zutreffend § 172 VwGO und nicht über § 167 Abs. 1 VwGO das Vollstreckungsrecht der Zivilprozessordnung angewandt hat.

50

Nach § 172 Satz 1 VwGO kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis 10.000 Euro durch Beschluss androhen, wenn diese in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Der Anwendungsbereich des § 172 VwGO ist im Einzelnen zwar höchst umstritten, zweifelsohne findet er aber Anwendung auf Titel, die auf den Erlass eines Verwaltungsaktes und damit auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung gerichtet sind (Heckmann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 172 Rn. 2 f.) Ein solcher Fall liegt hier vor (vgl. schon Beschl. des Senats v. 31.03.2021 – 4 O 13/21 –, juris Rn. 2 ff.).

51

Die Vollstreckungsschuldnerin wurde nicht zur schlichten Herausgabe bestimmter Informationen, sondern zum Erlass eines Verwaltungsaktes verpflichtet. Denn die behördliche Entscheidung über Anträge nach dem Informationszugangsgesetz für das Land Schleswig-Holstein ergeht durch Verwaltungsakt. Dies ergibt sich schon aus § 7 Abs. 2 IZG-SH, wonach gegen die Entscheidung durch eine informationspflichtige Stelle ein Widerspruchsverfahren nach den §§ 68 bis 73 VwGO durchzuführen ist. Entsprechend wird der allgemeine Informationszugangsanspruch – ebenso wie sonstige Begehren auf Einsicht in behördliche Unterlagen – mit einer Verpflichtungsklage durchgesetzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.2022 – 6 A 7.20 –, 6 A 8.20 –, juris Rn. 29). Auch der stattgebenden behördlichen Entscheidung liegt ein Verwaltungsakt zugrunde. Denn vor der faktischen Zugangsgewährung liegt die Entscheidung darüber, dass und in welchem Umfang der Zugang erfolgen soll, es ist mithin eine auf den Einzelfall bezogene Regelung zu treffen und ein begünstigender Verwaltungsakt zu erlassen. Entsprechend bedarf es auch nach Erlass eines zur Informationsgewährung verpflichtenden Urteils zunächst eines behördlichen Zwischenschrittes in Form eines Verwaltungsaktes, bevor es zum eigentlichen Informationszugang kommt. Eine unmittelbare Verurteilung zur Leistung käme auch nicht als Annex zum Verpflichtungsausspruch in Frage (Senat, Urt. v. 21.01.2021 – 4 LB 3/19 – juris Rn. 61-64 und Beschl. v. 31.03.2021 – 4 O 13/21 –, juris Rn. 4).

52

2. Die Beschwerden der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen zu 1 sind schon mit ihren Hauptanträgen, mit denen sie sinngemäß die Vollstreckung auf diejenigen neun Vereinbarungen vom 21. April 2008 beschränkt sehen wollen, die ihrer zutreffenden Ansicht nach nur Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren, überwiegend begründet.

53

a. Vollstreckungstitel gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist das rechtskräftige Teilurteil des Verwaltungsgerichts vom 21. September 2017. Es hat einen vollstreckungsfähigen Inhalt, weil es die Vollstreckungsschuldnerin zu einer Leistung verpflichtet; hier zum Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes.

54

Zutreffend führt das Verwaltungsgericht aus, dass die der Vollstreckungsschuldnerin mit dem Teilurteil auferlegte Verpflichtung hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar ist. Inhaltlich hat es den Umfang der Verpflichtung jedoch als zu weitreichend definiert, wenn es meint, dass der Tenor des Teilurteils und damit die daraus vorzunehmende Vollstreckung auch diejenigen Vereinbarungen erfasst, die zum Zeitpunkt der Antragstellung am 29. September 2009 noch nicht vorlagen.

55

aa. Ein Urteil ist nur dann ein geeigneter Vollstreckungstitel, wenn eindeutig, auch für jeden Dritten, klar ist, was vollstreckt werden soll und welche Kriterien für den geschuldeten Anspruch festgelegt sind (OVG Magdeburg, Beschl. v. 19.04.2006 – 2 O 81/05 –, juris Rn. 7). Die für die Vollstreckbarkeit erforderliche hinreichende Bestimmtheit des Titels besteht, wenn sich aus ihm u. a. Art und Umfang der zu vollstreckenden Handlung ergeben. Maßgeblich ist der Tenor, dessen Inhalt und Grenzen eindeutig zu bezeichnen sind; ergänzend können aber die Entscheidungsgründe zur Auslegung herangezogen werden (OVG Hamburg, Beschl. v. 14.02.2017 – 1 So 63/16 –, juris Rn. 35; VGH München, Beschl. v. 12.07.2007 – 11 C 06.868 –, juris Rn. 28; Pietzner/Möller in: Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL 14 Februar 2022, VwGO § 172 Rn. 34; Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 168 Rn. 14: Bestimmtheit i. S. v. Bestimmbarkeit). Dies gilt auch dann, wenn im Erkenntnisverfahren die eindeutige Bezeichnung versehentlich unterblieben oder im Hinblick auf künftige Entwicklungen – etwa das Auflaufen weiterer Zinsen – nicht in vollem Umfange durchführbar ist (Pietzner/Möller in: Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, VwGO § 168 Rn. 9). In jedem Fall aber ist die Auslegung des Titels grundsätzlich auf urkundeninhärente Umstände beschränkt; die nötige Bestimmung muss aus dem Titel einschließlich etwaiger Entscheidungsgründe selbst möglich sein; eine Bezugnahme auf eine nicht zum Urteilsbestandteil erhobene Urkunde oder auf die Inhalte der Gerichtsakte genügt nicht. Damit soll das Erfordernis eines erneuten Erkenntnisverfahrens tunlichst vermieden werden (OVG Magdeburg, Beschl. v. 12.07.2011 – 3 O 475/10 –, juris Rn. 6 ff.; OVG Weimar, Urt. v. 17.12.2008 – 1 KO 750/07 –, juris Rn. 48 ff.; VGH München, Beschl. v. 28.04.2008, 11 C 05.2592, juris Rn. 12; OVG Magdeburg, Beschl. v. 19.04.2006 – 2 O 81/05 –, juris Rn. 7; Pietzner/Möller in: Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, VwGO § 168 Rn. 9). Soweit die Urteilsgründe oder Urkunden, auf die verwiesen wird, aussagekräftig sind, darf bzw. muss das Vollstreckungsorgan sie berücksichtigen, um ein neues Erkenntnisverfahren zu vermeiden (Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 168 Rn. 14 m. w. N.).

56

Zu weit geht hingegen die Auffassung der Vollstreckungsschuldnerin, wonach es über die beschriebene Auslegung des Urteilstenors hinaus nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten sein könne, im Vollstreckungsverfahren auch die Überlegungen und Wertungen aus dem Erkenntnisverfahren näher zu präzisieren, um einen sich anbahnenden Konflikt zwischen den Beteiligten wirksam zu befrieden und eine ansonsten notwendige Klage auf Feststellung des Inhalts einer aus sich heraus nicht hinreichend eindeutigen gerichtlichen Entscheidung durch eine im Verfahren nach § 172 VwGO erfolgende Konkretisierung zu ersetzen. Denn diese Überlegungen betreffen speziell die Vollstreckung von Bescheidungsurteilen nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, welche dazu dienen, den Ermessensspielraum der vollziehenden Gewalt zu wahren. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass es sich in diesen Fällen regelmäßig nicht vermeiden lässt, das von der öffentlichen Verwaltung Geschuldete nur in allgemein gehaltener Weise zu umschreiben, so dass – über eine Auslegung hinaus – eine Präzisierung im Sinne eines „Weiterdenkens“ geboten und im Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO ausnahmsweise zulässig erscheint (dazu VGH Kassel, Beschl. v. 11.05.2016 – 9 E 448/16 –, juris Rn. 26 und VGH München, Beschl. v. 12.07.2007 – 11 C 06.868 –, juris Rn. 31 f.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Einer Präzisierung im Sinne eines „Weiterdenkens“ bedarf es allerdings auch nicht.

57

bb. Allerdings ergibt schon die Auslegung des Urteilstenors anhand von Tatbestand und Entscheidungsgründen hinreichend bestimmt, dass mit der Formulierung „alle“ vertraglichen Vereinbarungen lediglich diejenigen neun Vereinbarungen vom 21. April 2008 gemeint sind, die im Klageantrag namentlich bezeichnet sind – nicht aber solche Vereinbarungen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung am 29. September 2009 oder der Sperrerklärung aus dem Jahre 2014 noch nicht vorlagen.

58

(1) Eine erste Eingrenzung ergibt sich schon aus dem Tenor des Teilurteils selbst, der die ausgesprochene Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin inhaltlich mit den Schreiben der Beigeladene zu 2 vom 7. Februar und 21. August 2014 verknüpft. Die genannten Vereinbarungen werden auf den Umfang beschränkt, in welchem „diese“ mit den genannten Schreiben nicht als geheimhaltungswürdig eingestuft wurden. Verdeutlicht wird diese inhaltliche Verknüpfung durch die die Entscheidungsgründe einleitende Umschreibung des klägerischen Anspruches: „Der Kläger hat einen Anspruch auf Zugänglichmachung der (nicht: „alle“) vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der beigeladenen H., soweit es die Zugänglichmachung der angeforderten Unterlagen in dem Umfang betrifft, den das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein mit Schreiben vom 07.02.2014 und 21.08.2014 nicht als schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse angesehen hat (Teilurt. v. 21.09.2017 – 12 A 79/13 –, juris Rn. 83).

59

(2) Tatbestand und Entscheidungsgründe bestätigen diese Eingrenzung und ergeben, dass eine weitergehende eindeutige Bezeichnung im Tenor selbst nur versehentlich unterblieben sein kann und dass nach Antragstellung am 29. September 2009 oder gar nach der Sperrerklärung aus dem Jahre 2014 geschlossene Vereinbarungen nicht gemeint sind. Schon die Einleitung im Tatbestand verdeutlicht dies, indem sie das klägerische Begehren auf Verträge beschränkt, die die Vollstreckungsschuldnerin „aufgrund ihres Eigentums am Hafengelände mit der H. geschlossen hat“ (Teilurt. v. 21.09.2017 – 12 A 79/13 –, juris Rn. 1). Maßgeblich ergibt sich die gewollte Eingrenzung letztlich aus dem im Tatbestand aufgeführten Klageantrag. Hier sind die Verträge namentlich bezeichnet, in die der Vollstreckungsgläubiger Einsicht begehrte. Der Klageantrag muss nach Maßgabe des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO aus sich selbst heraus verständlich sein, indem er Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes benennt. Er legt den Streitgegenstand fest, steckt den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis ab und muss zu einer vollstreckungsfähigen Entscheidung führen können (BVerwG, Urt. v. 05.09.2013 – 7 C 21.12 –, juris Rn. 54; Riese in: Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, § 82 Rn. 25). Vorliegend war der Klageantrag auf die Verpflichtung gerichtet, dass dem Vollstreckungsgläubiger „eine ungeschwärzte Ablichtung aller vertraglichen Vereinbarungen, die zwischen der Beklagten und der ...-gesellschaft mbH bestehen“, übermittelt werden, „insbesondere …“. Nach dem Wort „insbesondere“ folgt eine Aufzählung von insgesamt neun Vereinbarungen vom 21. April 2008, jeweils nebst Anlagen und späteren Änderungen (ein Nutzungsvertrag, fünf Mietverträge, ein Hafenbahnvertrag sowie ein Vertrag über die Rückgabe der Hafenbahn und über die Rückgabe der Hafennebenflächen; s. Teilurt. v. 21.09.2017 – 12 A 79/13 –, juris Rn. 11-20).

60

Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ könnte zwar die Vermutung nahelegen, dass das klägerische Begehren mit der namentlichen Aufzählung der neun Verträge noch nicht erschöpft sein sollte, doch fehlt es dem Klageantrag insoweit an der gebotenen Bestimmtheit, um den Streitgegenstand darüber hinaus hinreichend klar zu definieren und zu einer vollstreckungsfähigen Entscheidung zu führen. Entsprechend ergibt sich auch aus dem zu vollstreckenden Teilurteil nicht, dass sich das erkennende Gericht mit weiteren Verträgen, die sich hinter dem Wort „insbesondere“ hätten verbergen könnten, bei der Entscheidungsfindung befasst hätte. Vielmehr beschränkte es sich auf die neun im Antrag namentlich bezeichneten Vereinbarungen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

61

Auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers vom 29. September 2009 lehnte die Vollstreckungsschuldnerin den Antrag „dem Grunde nach ab, übersandte dem Kläger aber … teilweise geschwärzte Auszüge aus den begehrten Unterlagen“ (Teilurt. v. 21.09.2017 – 12 A 79/13 –, juris Rn. 6). Dieselben Auszüge übermittelte sie an das erkennende Gericht und eben diese Auszüge aus den „begehrten Unterlagen“ waren Gegenstand der Prüfung durch das beigeladene Innenministerium (Teilurt. v.21.09.2017 – 12 A 79/13 –, juris Rn. 27). Die im Tatbestand aufgeführten, vom beigeladenen Innenministerium als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Passagen werden acht Vereinbarungen zugeordnet, die der Bezeichnung nach mit denen aus dem Klageantrag übereinstimmen (Teilurt. v. 21.09.2017 – 12 A 79/13 –, juris Rn. 28-76); dass allein der Vertrag über die Rückgabe der Hafenbahn fehlt, besagt an dieser Stelle lediglich, dass er keine geheimhaltungsbedürftigen Inhalte enthält. Diese Vereinbarungen waren sodann Gegenstand des In-Camera-Verfahrens (Teilurt. v. 21.09.2017 – 12 A 79/13 –, juris Rn. 77-79), bevor das Verwaltungsgericht über das klägerische Begehren entschied.

62

Gegenstand der gerichtlichen Prüfung und Erörterungen in den Entscheidungsgründen sind lediglich diese neun Vereinbarungen („begehrten Unterlagen“) aus dem InCamera-Verfahren. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das erkennende Gericht nach Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen des § 3 IZG-SH allein mit Blick auf diese Vereinbarungen das Vorliegen von Ausschlussgründen geprüft hat. Es führt aus, dass dem Anspruch „hinsichtlich der nicht im Sperrvermerk als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen“ keine Ausschlussgründe entgegenstünden. Zum anderen stützt das erkennende Gericht diese Feststellung „mangels eigener Kenntnis von den streitgegenständlichen Unterlagen … auf die Bewertung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 27. April 2016 – 20 F 13.15 –, juris)“ aus dem In-Camera-Verfahren (Teilurt. v. 21.09.2017 – 12 A 79/13 –, juris Rn. 90).

63

b. Soweit das Verwaltungsgericht in seinem hier angegriffenen Beschluss auf den Beschluss des Senats vom 2. Mai 2019 zum Aktenzeichen 4 LA 128/17 und hier speziell auf den unter 1.b) enthaltenen zweiten Absatz (in juris Rn. 7) verweist, führt dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Mit ihrem dort behandelten Antrag auf Zulassung der Berufung hatte die Vollstreckungsschuldnerin unter anderem ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Teilurteils vom 21. September 2017 (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht und diese damit begründet, dass das erkennende Gericht nicht durch Teilurteil habe entscheiden dürfen, weil dieses „zu ungenau“ sei, eine Divergenz zum bisherigen Streitgegenstand vorliege und dem derzeitigen Antrag das fehlende Vorverfahren entgegenstehe. Dieses Vorbringen scheiterte aus rechtlichen Gründen an den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Der Senat vermochte sich dem schon deshalb nicht anzuschließen, weil nicht deutlich geworden war, warum unter diesen Aspekten zwischen den vom Verwaltungsgericht getrennten Teilen des Streitgegenstandes eine wechselseitige Abhängigkeit bestehen könnte, die Voraussetzungen des § 110 VwGO für den Erlass eines Teilurteils also nicht vorgelegen haben sollen. Inwieweit sich in diesem Zusammenhang die Probleme eines „ungenauen“ Tenors, einer Abweichung vom „bisherigen“ Streitgegenstand und einer fehlenden Durchführung des Vorverfahrens erneut stellen könnten, war nicht ersichtlich (Beschl. des Senats v. 02.05.2019 – 4 LA 128/17 – zu 1.a.), juris Rn. 3 und 5). Diese Probleme waren demnach nicht mehr entscheidungserheblich, weil sie zur Frage der Zulässigkeit eines Teilurteils nichts beitrugen. Soweit der Senat sie in den nachfolgenden Ausführungen unter 1.b) dennoch behandelte („Abgesehen davon“), erschienen sie „auch für sich genommen nicht nachvollziehbar“ (Beschl. des Senats v. 02.05.2019 – 4 LA 128/17 – juris Rn. 6 ff.). Insbesondere der Tenor wurde in diesem Zusammenhang nur noch isoliert betrachtet und nicht – wie hier – unter Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen ausgelegt. Hierzu bestand kein Anlass. Soweit sich daraus die Aussage ergibt, dass dem Vollstreckungsgläubiger damit auch der Zugang zu „allen“ Verträgen zu gewähren sei, die nach Abgabe der Sperrerklärung geschlossen wurden, hält der Senat daran aus den unter 2. a. bb. genannten Gründen nicht mehr fest.

64

c. Der ihr mit dem Teilurteil auferlegten Verpflichtung auf Zugänglichmachung der neun im Klageantrag aufgezählten Verträge, soweit diese vom beigeladenen Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein nicht mit Schreiben vom 7. Februar und 21. August 2014 als geheimhaltungswürdig eingestuft sind, ist die Vollstreckungsschuldnerin bislang schon deshalb nicht nachgekommen, weil sie noch keinen entsprechenden Verwaltungsakt erlassen hat. Das Schreiben vom 4. Juli 2019, mit welchem sie dem Vollstreckungsgläubiger Kopien der in Rede stehenden vertraglichen Vereinbarungen übersandte, erschöpft sich in einer bloßen Mitteilung, stellt nach Inhalt und Form aber keinen Verwaltungsakt i. S. d. § 106 Abs. 1 LVwG dar; insbesondere enthält es keine eigenständige Einzelfallregelung (vgl. zu einem ähnlichen „Offenbarungsschreiben“ Beschl. des Senats v. 31.03.2021 – 4 O 13/21 –, juris Rn. 5). Hinzu kommt, dass die übersandten Kopien Schwärzungen enthalten, die im Sperrvermerk des Innenministeriums vom 7. Februar / 21. August 2014 nicht vorgesehen sind. Die diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 28. April 2022 (Seite 9 unten) greifen die Vollstreckungsschuldnerin und die Beigeladene zu 2 auch nicht an. Aufgelistet werden

65

- hinsichtlich des Hafenbahnvertrages vom 21. April 2008: eine unzulässige Schwärzung unter Punkt 8.3 und hinsichtlich der Anlage 3.8,

66

- hinsichtlich des Nutzungsvertrages vom 21. April 2008: eine unzulässige Schwärzung im Inhaltsverzeichnis zu den §§ 16 und 17 und hinsichtlich Anlage 14.

67

3. Die Androhung eines Zwangsgeldes im oberen Rahmen des § 172 Satz 1 VwGO erscheint unter den gegebenen Umständen nicht geboten. Es kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Vollstreckungsgläubiger aufgrund des Übersendungsschreibens vom 4. Juli 2019 bereits über teilgeschwärzte Kopien der neun Vereinbarungen verfügt, die Vollstreckungsschuldnerin also schon gezeigt hat, dass sie prinzipiell willens ist, dem gegen sie ergangenen Teilurteil Folge zu leisten. Lediglich der behördlich geschuldete, vor dem eigentlichen Informationszugang liegende Zwischenschritt in Form eines Verwaltungsaktes und die Entfernung weniger Schwärzungen fehlt noch. Der Zweck der Vollstreckung – die Erfüllung der Verpflichtung herbeizuführen – ist damit zwar noch nicht erreicht, doch wäre es unangemessen zu unterstellen, dass das Verhalten der Vollstreckungsschuldnerin noch einer – im Rahmen des § 172 VwGO bleibenden, aber – nachhaltigen Zwangs- und Beugemaßnahme bedarf, um das geschuldete Verhalten durchzusetzen.

68

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Ausgehend von dem über beide Instanzen verfolgtem Begehren des Vollstreckungsgläubigers entspricht das Unterliegen der Vollstreckungsschuldnerin und der Beigeladenen nur einem geringen und deshalb vernachlässigungsfähigen Umfang. Von den Kosten der Beigeladenen trägt der Vollstreckungsgläubiger lediglich die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten der Beigeladenen zu 1, weil nur sie und dies auch nur im Beschwerdeverfahren einen eigenen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist.

69

Eine Streitwertfestsetzung erübrigt sich, da nach Ziffer 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis) für Verfahren über nicht besonders aufgeführte Beschwerden, die nicht nach anderen Vorschriften gebührenfrei sind, eine Festgebühr erhoben wird.

70

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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