Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 B 141/20

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 475.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt eine einstweilige Anordnung gegen die aufgrund der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie des Antragsgegners angeordnete Schließung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art mit mehr als 800 qm Verkaufsfläche mit entsprechenden Ausnahmen.

Die Antragstellerin betreibt in der Innenstadt von A-Stadt ein Kaufhaus mit einer Verkaufsfläche im Haupthaus von 9.500 m², in dem auf mehreren Stockwerken unterschiedliche Waren angeboten werden. Das Sortiment umfasst zum einen verschiedene Güter des täglichen Bedarfs, wie Lebensmittel und Drogerieartikel und zum anderen die für diese Verkaufsstätten üblichen weiteren Konsumgüter. Die Antragstellerin beschäftigt über 400 Mitarbeiter.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Zuge der sog. „Corona-Krise“ durch Rechtsverordnung des Antragsgegners vom 30.3.2020(Vgl. die Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 30.3.2020, Amtsbl. I 2020, 196 B vom 31.3.2020, geändert durch die Änderungsverordnung vom 7.4.2020, Amtsbl. I 2020, 206 B vom 8.4.2020), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 16.4.2020(Vgl. die Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 16.4.2020, Amtsbl. I 2020, 258 vom 17.4.2020), verfügten grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen „zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“ im Saarland (im Weiteren: CPV). Die zu deren Eindämmung bzw. zu einer Verlangsamung des durch das neuartige Corona-Virus Sars-COV-2 („Corona-Virus“) hervorgerufenen Infektionsgeschehens der auf der Grundlage der §§ 32, 28 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)(Vgl. das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) vom 20.7.2000, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 27.3.2020, abgekürzt BGBl. I S. 587 ff.) ergangene Verordnung des Antragsgegners normiert - allgemein - in § 1 CPV den Grundsatz der Reduzierung der physischen und „sozialen“ Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Haushalts „auf ein absolut nötiges Minimum“. Der § 2 CPV enthält eine Einschränkung des Aufenthalts im öffentlichen Raum (§ 2 Abs. 1 CPV) und verbietet dort u.a. „Versammlungen und Ansammlungen“ (§ 2 Abs. 2 CPV) und erlaubt ein „Verlassen der eigenen Wohnung“ nur bei Vorliegen „triftiger Gründe“ (§ 2 Abs. 3 CPV). In den folgenden Regelungen finden sich weitere Vorgaben, u.a. auch eine Untersagung des Betriebs von Gaststätten (§ 5 Abs. 1 CPV), des Betriebs von Hotels, Beherbergungsbetrieben und Campingplätzen (§ 5 Abs. 2 CPV) und von einer Vielzahl in dem § 5 Abs. 3 CPV im Einzelnen aufgeführter, nicht notwendigen „Verrichtungen des täglichen Lebens dienender“ Einrichtungen.

Die durch die genannten Änderungsverordnungen veränderte Vorschrift, die im vorliegenden Streit erheblich ist, hat folgenden Wortlaut:

§ 5 Betriebsuntersagungen und Schließung von Einrichtungen
...

(4) Untersagt ist die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art mit mehr als 800 qm Verkaufsfläche, soweit nicht Abs. 5 etwas anderes bestimmt. Die Öffnung von räumlich abgetrennten Ladenlokalen in Einkaufszentren unterhalb dieser Größenordnung ist nur zulässig, wenn die Gesamtfläche aller Ladenlokale innerhalb des Einkaufszentrums nicht mehr als 800 qm beträgt oder soweit es sich um Ladenlokale nach Abs. 5 handelt.

(5) Von den Verboten der Abs. 3 und 4 ausgenommen sind

1. Lebensmittelhandel, auch Getränke- und Wochenmärkte,
2. Abhol- und Lieferdienste,
3. Garten- und Baumärkte sowie Tierbedarfshandel,
4. Banken,
5. Apotheken, Drogeriemärkte und Sanitätshäuser,
6. Optiker und Hörgeräteakustiker,
7. Post- und sonstige Annahmestellen des Versandhandels,
8. Tankstellen, Autowaschanlagen und SB-Waschanlagen,
9. Reinigungen und Waschsalons,
10. Zeitungskioske,
11. Online-Handel,
12. Grüngutsammelstellen und Wertstoffzentren,
13. Kraftfahrzeughändler,
14. Fahrradhändler,
15. Buchhandlungen,
16. Archive und Bibliotheken,
17. Großhandel.
...

Die Antragstellerin hat mit Eingang am 22.4.2020 einen Normenkontrollantrag beim Oberverwaltungsgericht des Saarlandes gestellt (AZ 2 C 140/20) und begehrt im vorliegenden Verfahren, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO die Anordnung in § 5 Abs. 4 und 5 der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie des Antragsgegners vorläufig bis zu einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.

Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, gemäß § 5 Abs. 4 und 5 CPV sei ihr die Öffnung des Haupthauses für eine größere Fläche als 800 m² nicht gestattet. Eine Ausnahmeregelung gemäß § 5 Abs. 9 der CPV sei ihr durch die zuständige Ortpolizeibehörde nicht erteilt worden. Dagegen habe die Ortspolizeibehörde den Betrieb des ...-Marktes in A-Stadt mit über 20.000 m² seit dem 20.4.2020 zugelassen. Dieses Unternehmen sei wichtigster Konkurrent der Antragstellerin. Der Markt sei „Vollsortimenter“ mit einer Lebensmittelabteilung und vertreibe auch andere Waren, die von der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 5 CPV nicht erfasst würden. Bei der Zulassung werde darauf abgestellt, dass „überwiegend“ im Katalog genannte Waren vertrieben würden (Schwerpunktprinzip). Die Rechtsverordnung des Antragsgegners finde in § 32 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG bereits keine hinreichende gesetzliche Grundlage. Ungeachtet dessen werde durch die angegriffenen Regelungen der Verordnung verfassungswidrig in die Grundrechte der Antragstellerin (Art. 12, Art. 14 und Art. 3 GG) eingegriffen. Ein Großteil ihrer Mitarbeiter habe freigestellt werden müssen; außerdem sei bereits aufgrund der Schließung Kurzarbeit angemeldet worden. Der Eingriff sei auch nicht verhältnismäßig. Die Annahme, größere Verkaufsflächen seien ein größerer Publikumsmagnet für die Innenstadt, sei nicht nachvollziehbar. Die Öffnung des ...-Marktes führe diese Begründung ad absurdum. Bei einem Geschäft mit einer kleineren Verkaufsfläche bestehe die größere Möglichkeit, dass die Besucher den erforderlichen Mindestabstand nicht einhalten könnten. In ihrem Kaufhaus sei der Sicherheitsabstand hingegen problemlos möglich. Die Vermeidung einer Infektionsgefahr könnte auch durch andere Maßnahmen sichergestellt werden. Außerdem liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Garten- und Baumärkte, Drogeriemärkte, Kraftfahrzeughändler und sogar Fahrradhändler und Buchhandlungen dürften unabhängig von ihrer Verkaufsfläche öffnen. Sowohl bei der Antragstellerin als auch bei den in den Ausnahmen genannten Geschäften handele es sich um Einzelhandelsgeschäfte, deren Warensortiment sich nicht ausschließlich auf notwendige Waren des täglichen Lebens beschränke. Es liege mithin eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vor, für die es keinen sachlichen Grund gebe. Das Differenzierungsmerkmal des „Schwerpunktprinzips“, also des wesentlichen Überwiegens eines „erlaubten“ Sortiments, sei in der Verordnung nicht definiert.

Der Antragsgegner hat zu dem Antrag Stellung genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Suspendierungsanordnung (§ 47 Abs. 6 VwGO) ist zulässig (A.), aber nicht begründet (B.). Die inhaltliche Begrenzung des Normenkontrollantrages auf diese Vorschrift unterliegt auch unter dem Aspekt der Teilbarkeit der auf ganz unterschiedliche Lebensbereiche mit jeweils eigenen Betroffenheiten zielenden Vorschriften der Verordnung keinen Bedenken.

A.

Der nach nach §§ 47 Abs. 6 und Abs. 1 Nr. 2 VwGO, 18 AGVwGO Saar mit Ausnahme des § 14 CPV statthafte Antrag(Vgl. in dem Zusammenhang aber BVerwG, Beschluss vom 27.7.1995, 7 B 1.95 –, DÖV 1996, 205, wonach allerdings Rechtsvorschriften rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts, hier § 14 CPV, keiner Normenkontrolle im Verwaltungsrechtsweg gemäß § 47 Abs. 1 VwGO unterworfen werden können) auf vorläufige teilweise Außervollzugsetzung im Vorgriff auf eine Entscheidung in dem seit dem 16.4.2020 anhängigen Normenkontrollbegehren der Antragstellerin ist zulässig.

Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1, Abs. 6 VwGO. Sie ist als Betreiberin eines Kaufhauses im Saarland durch die Schließungsanordnung im § 5 Abs. 4 Satz 1 CPV nach eigenem Vortrag auch in existenzgefährdender Weise in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG beziehungsweise in der Freiheit unternehmerischer Betätigung (Art. 12 GG) betroffen. Das besondere Regelungsinteresse des § 47 Abs. 6 VwGO(Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.11.2016 – 2 B 283/16 –, SKZ 2017, 70, Leitsatz Nr. 33, wonach die Anforderungen an eine vorläufige Regelung auf der Grundlage des § 47 Abs. 6 VwGO mit Blick auf die grundsätzliche Legitimation des staatlichen Normgebers allgemein deutlich über das hinausgehen, was der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO voraussetzt) im Sinne erheblich gesteigerter „Dringlichkeit“ ergibt sich aus diesem Vorbringen.

B.

Dem Antrag auf Erlass der begehrten Vorabregelung kann in der Sache nicht entsprochen werden. Die von der Antragstellerin beantragte vorläufige Außervollzugsetzung des § 5 Abs. 4 Satz 1 CPV ist im Rechtssinne nicht zur Abwendung schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen „dringend geboten“ (§ 47 Abs. 6 VwGO). Auch die Geltendmachung einer „dringenden Notwendigkeit“ aus anderen „wichtigen Gründen“ dient nach der Rechtsprechung des Senats ungeachtet des objektiven Charakters des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollverfahrens vor allem dem Individualrechtsschutz beziehungsweise einer Sicherstellung seiner Effektivität (Art. 19 Abs. 4 GG). Daher kann das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO sich nur aus einer negativen Betroffenheit eigener Interessen konkret des jeweiligen Antragstellers oder der jeweiligen Antragstellerin ergeben, hingegen nicht aus der Beeinträchtigung sonstiger Belange oder Interessen Dritter mit Blick auf deren mögliche Betroffenheit in ihren Grundrechten durch die Rechtsverordnung hergeleitet werden.(Vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25.10.2012 – 2 B 217/12 –, Juris)

Im Rahmen der Entscheidung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zudem wie bei sonstigen verwaltungsprozessualen Eilrechtsschutzersuchen (§§ 80 Abs. 5, 80a oder 123 Abs. 1 VwGO) in erster Linie auf die prognostische Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, hier des Normenkontrollantrags, abzustellen.(Vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 25.2.2015 – 4 VR 5.14 –, BRS 83 Nr. 190, wonach Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO „jedenfalls bei Bebauungsplänen“ zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags sind, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen) Lassen sie sich nicht – auch nicht in der Tendenz – verlässlich abschätzen, so ist wegen der wortlautmäßigen Anlehnung an § 32 BVerfGG wie bei verfassungsgerichtlichen Vorabentscheidungen eine Folgenbetrachtung(Vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 5.2.2014 – 2 B 468/13 –, SKZ 2014, 200, Leitsatz Nr. 28, und vom 11.10.2012 – 2 B 272/12 -, SKZ 2013, 44, wonach insoweit für die gebotene Abwägung der beteiligten Interessen auf die Vor- und Nachteile abzustellen ist, die eintreten, wenn die Anordnung antragsgemäß ergeht, die Norm sich später aber als gültig erweist, denen die Folgen gegenüberzustellen sind, die sich ergeben, wenn die Norm vollzogen wird, sich später jedoch deren Ungültigkeit herausstellt) vorzunehmen. Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt – im Ergebnis nach beiden Maßstäben – nicht die vorläufige Aussetzung der Vollziehung des § 5 Abs. 4 und 5 CPV. Dies gilt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) als auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin als verletzt gerügten Art. 12 und 14 GG.

Die Wirksamkeit des § 5 CPV unterliegt bei der hier allein möglichen überschlägigen Betrachtung zunächst in formeller Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann nicht von einer „weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache“ ausgegangen werden. Die Wirksamkeit des § 5 Abs. 4 und 5 CPV unterliegt bei der hier allein möglichen überschlägigen Betrachtung zunächst in formeller Hinsicht (1.) keinen durchgreifenden Bedenken. Das gilt im Ergebnis auch unter materiell inhaltlichen Aspekten (2.), was die die Antragstellerin nach dem gegenwärtigen Stand betreffende Öffnungsbeschränkung ihres Kaufhauses bis zum 3.5.2020 (§ 17 CPV) angeht. Eine abschließende Beurteilung kann nur in der Hauptsacheentscheidung im von der Antragstellerin betriebenen Normenkontrollverfahren erfolgen (§ 47 Abs. 5 VwGO), in dem zwar grundsätzlich ein umfassender objektiver Prüfungsansatz hinsichtlich der Gültigkeit der Normen der Verordnung gilt, der aber hier durch die im Normenkontrollantrag der Antragstellerin enthaltende Einschränkung neben allgemeinen rechtlichen Anforderungen an die Gültigkeit der Verordnung inhaltlich auf die Frage der Wirksamkeit speziell des § 5 Abs. 4 und 5 CPV begrenzt ist.

1.

Formelle Fehler beim Zustandekommen der streitgegenständlichen Rechtsverordnung einschließlich ihrer Inkraftsetzung durch die Verkündung im Amtsblatt des Saarlandes am 31.3.2020 beziehungsweise am 17.4.2020 (§ 1 Abs. 2 AmtsblG)(Vgl. das Gesetz über das Amtsblatt des Saarlandes (Amtsblattgesetz - AmtsblG) vom 11.2.2009, geändert durch das Gesetz vom 1.12.2015 (Amtsblatt I Seite 932)) sind nicht ersichtlich. Die Veröffentlichungen weisen das jeweilige Ausfertigungsdatum aus und benennen die zugrundeliegende Ermächtigung (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gehört es ansonsten ungeachtet der gesetzlichen Ausgestaltung des Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO als umfassende Gültigkeitskontrolle der jeweils in Rede stehenden Normen und des im Verwaltungsprozessrecht geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der Oberverwaltungsgerichte, in diesen Verfahren „gleichsam ungefragt“ in die Suche nach Fehlern in der Entstehungsgeschichte der angegriffenen Norm einzutreten.(Vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 23.5.2019 – 2 A 44/18 –, Juris) Dies gilt im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO in besonderem Maße.

Die Regelungen der Verordnung finden aus gegenwärtiger Sicht auch eine ausreichende Grundlage in dem § 32 Satz 1 IfSG.(Vgl. das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen – Infektionsschutzgesetz –, vom 20.7.2000, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 27.3.2020, BGBl. I, Seite 587) Danach werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für „Maßnahmen“ nach den §§ 28 bis 31 IfSG „maßgebend“ sind, durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Wegen der Bezugnahme auch auf den Auffangtatbestand über die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ beziehungsweise ein Verbot einer „sonstigen Ansammlung“ in dem § 28 Sätze 1 und 2 IfSG bestehen gegenwärtig zunächst keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtssetzungsbefugnis der dazu nach dem Landesrecht berufenen Entscheidungsträger und – nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand – auch nicht gegen die hinreichende Normklarheit, was den Inhalt der Verordnungsermächtigung angeht.

Der Vortrag der Antragstellerin, dass die in der Rechtsverordnung enthaltenen sehr weit gehenden Eingriffe in die Grundrechte unvereinbar seien mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes zum einem unter dem Aspekt der „Regelungsdichte“, was die inhaltliche Unbestimmtheit der ganz allgemein formulierten tatbestandlichen Vorgaben der „notwendigen Schutzmaßnahmen“ für eine weitgehende Einschränkungen beziehungsweise eine befristete „Aussetzung“ einer Vielzahl von Grundrechten in der Verordnungsermächtigung des § 28 Satz 1 IfSG angeht, und zum anderen, was das Erfordernis einer Einschaltung der originär für den Erlass normativer Vorgaben berufenen gewählten Volksvertretungen unter dem Aspekt des sogenannten Parlamentsvorbehalts („Wesentlichkeitstheorie“) anbelangt, rechtfertigt die von ihr beantragte einstweilige Anordnung (§ 47 Abs. 6 VwGO) nicht.

Der auch das Verhältnis zwischen der Gesetzgebung (Legislative) und der Exekutive näher ausgestaltende Vorbehalt des Gesetzes verpflichtet den parlamentarischen Gesetzgeber, die wesentlichen, für die Grundrechtsverwirklichung besonders maßgebliche Regelungen selbst zu treffen und sie nicht anderen Normgebern – wie hier über entsprechende Verordnungsermächtigungen – aus dem Bereich der Exekutive zu überlassen.(Vgl. zum Beispiel etwa BVerfG, Beschluss vom 19.12.2017 – 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14 –, NVwZ 2018, 233 u.a. zu Art. 12 GG) Der Vorbehalt des Gesetzes erschöpft sich nicht in der Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für Grundrechtseingriffe, sondern gebietet auch, dass alle wesentlichen Fragen vom Gesetzgeber selbst entschieden und nicht anderen Normgebern überlassen werden, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich sind. Dabei ist nach der Eigenart des jeweiligen Regelungsgegenstands zu beurteilen, wie weit der Gesetzgeber die für den jeweils geschützten Lebensbereich wesentlichen Leitlinien selbst bestimmen muss. Aus der Zusammenschau mit dem Bestimmtheitsgrundsatz für Rechtsnormen ergibt sich, dass eine gesetzliche Regelung umso detaillierter sein muss, je intensiver die Auswirkungen auf die Grundrechtsausübung der Normadressaten sind.(Vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. –, NVwZ 2017, 1111, Rn 182, dort zu den Übergangsbestimmungen im saarländischen Spielhallenrecht)

Ausgeschlossen werden durch die Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere so genannte „gesetzesvertretende Verordnungen“, da sie eine unzulässige Kompetenzverlagerung auf die Exekutive beinhalten. Ob der parlamentarische Bundesgesetzgeber beziehungsweise der Deutsche Bundestag bei Erlass des zuletzt Ende März 2020 eigens aus Anlass der aktuellen Corona-Pandemie neu gefassten, nichts desto trotz – möglicherweise der Sache geschuldet notwendig – ganz allgemein formulierten § 28 IfSG selbst im Sinne des genannten verfassungsrechtlichen, letztlich auf dem Prinzip der Gewaltenteilung und der gegenseitigen Kontrolle beruhenden Ansatzes wirklich die „wesentlichen“ Entscheidungen im Zusammenhang mit den Grundrechtseinschränkungen selbst getroffen hat oder ob – auch – mit der Neufassung der Vorschrift die für den Erlass der Rechtsverordnungen verantwortlich zeichnenden Organe der Exekutive einschließlich der Landesregierung mit einem nach den Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nur unzureichend inhaltlich konkretisierten und begrenzten Regelungsauftrag gegenüber den Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträgern ausgestattet wurden, lässt sich in dem vorliegenden Anordnungsverfahren nicht abschließend zu beurteilen.

Dass es sich aus der Sicht der Antragstellerin angesichts ihrer geschilderten Betroffenheit – wie bei allen anderen durch die Regelung in § 5 Abs. 4 CPV erfassten Einzelhandelsbetrieben nach den grundrechtsrelevanten Auswirkungen um eine ganz „wesentliche Angelegenheit“ handelt, ist keine Frage.

Dass die §§ 28 Satz 4, 32 Satz 3 IfSG den Verordnungsgeber zumindest nicht ausdrücklich zu einer Einschränkung auch der Grundrechte aus Art. 12 und Art. 14 GG ermächtigen, erscheint formal unbedenklich. Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 3 GG gilt nur für so genannte echte „Eingriffsvorbehalte“, nicht jedoch für grundrechtlich besonders vorgesehene Befugnisse des Normgebers zur Inhaltsbestimmung in Form so genannter Schranken- oder Ausgestaltungsvorbehalte.(Vgl. zur Abgrenzung etwa Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG 14. Auflage 2018, Art. 19 Rn 14)

Ob, wann, in welchem Umfang und auch ab welcher Dauer der Aufrechterhaltung der Grundrechtseingriffe es einer am Maßstab des Ausmaßes der Betroffenheit orientierten Regelung auch durch den demokratisch legitimierten Landtag des Saarlandes bedarf, lässt sich ebenfalls allgemein nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen.(Vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 1.4.2014 – 2 BvF 1/12, 2 BvF 3/12 –, NVwZ 2014, 1219 Gigaliner“>, OVG Magdeburg, Beschluss vom 14.6.2019 – 3 M 90/19 –, NVwZ 2020, 309 ) Auch was die sich mit zunehmendem Zeitablauf gerade in einer durch den Versuch von – zumindest vorläufigen – „Lockerungen“ bei einzelnen weitreichenden Geboten und Verboten der Rechtsverordnung gerade auch bei den Absätzen 4, 5 und 7 des § 5 CPV gekennzeichneten Phase der Bekämpfung der Pandemie angeht, stünde jedenfalls der Wortlaut des § 32 Satz 1 IfSG dem Erlass eines förmlichen Landesgesetzes mit Blick auf den Art. 80 Abs. 4 GG nicht entgegen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist indes mit Blick auf die zeitlich beschränkte Geltung der Verordnung gegenwärtig noch nicht zwingend davon auszugehen, dass es bereits einer förmlichen Einbindung der Parlamente in den Entscheidungsprozess bedürfte.

Ebenso wie in dem verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutzverfahren nach § 32 BVerfGG ist auch in dem Anordnungsverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO für eine Klärung derart grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen kein Raum. Weil sich demgemäß aktuell kein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts für die Einschränkung der Freiheitsgrundrechte nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Anordnungsverfahrens aufdrängt und die damit zusammenhängenden komplexen verfassungsrechtlichen Fragen hier nicht abschließend beantwortet werden können, ist jedenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass die Rechtsverordnung auf einer inhaltlich ausreichenden bundesgesetzlichen gesetzlichen Ermächtigung (§§ 28 Abs. 1, 32 Satz 1 IfSG) beruht, zumal dem Senat, was die jenseits der Frage der inhaltlichen Bestimmtheit aufgeworfene Frage der „Gültigkeit“ im Hinblick auf die insoweit geltende Monopolisierung beim Bundesverfassungsgericht bei förmlichen Bundesgesetzen ohnehin keine Verwerfungskompetenz zusteht (Art. 100 GG). Für das vorliegende Verfahren ist daher im Ergebnis von einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage in den §§ 28, 32 IfSG auszugehen.

2.

Bei der allein möglichen summarischen Überprüfung lässt sich ein Verstoß des § 5 Abs. 4 und 5 CPV gegen höherrangiges Recht unter materiell-rechtlich inhaltlichen Gesichtspunkten derzeit nicht feststellen.

Die Regelung des § 5 Abs. 4 CPV in der gültigen Fassung vom 17.4.2020 untersagt die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels nicht generell, sondern nur die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art mit mehr als 800 m² Verkaufsfläche. Demnach ist es der Antragstellerin erlaubt - dies wird auch von dem Normgeber nicht in Zweifel gezogen -, die Verkaufsfläche ihrer Warenhäuser durch die Abtrennung einer Verkaufsfläche in dem begrenzten Umfang von 800 m² unter Beachtung der empfohlenen Abstands- und Hygieneregeln zu betreiben.

Die Festlegung des Verordnungsgebers auf eine Verkaufsfläche von Einzelhandelsgeschäften von 800 m² ist grundsätzlich ein sachgerechtes typisierendes Differenzierungskriterium, um der Gefahr der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus zu begegnen.(So auch OVG Bremen, Beschluss vom 23.4.2020 -1 B 107/20 -; anders aber VG Hamburg, Beschluss vom 21.4.2020 - 3 E 1675/20 -; vgl. dazu auch die Zwischenverfügung des Hamb. OVG vom 22.4.2020 - 5 Bs 624/20 - jeweils betreffend eines Sportwareneinzelhandelsunternehmens; amtl. Abdrucke) Die mit den in der Verordnung des Antragsgegners getroffenen Regelungen im Allgemeinen und die mit der Beschränkung der zulässigen Verkaufsfläche von Einzelhandelsgeschäften im Speziellen bezweckte Eindämmung des Infektionsgeschehens mit dem Corona-Virus und der Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens stellen ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar. Die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems durch geeignete Mittel zu gewährleisten und damit einhergehend das Leben und die Gesundheit der durch eine Überforderung des Gesundheitssystems unmittelbar gefährdeten Personen zu schützen, ist wesentliche Aufgabe des Staates. Der Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet diesen, sich schützend und fördernd vor das Leben und die körperliche Unversehrtheit zu stellen. Wie der Staat diese Aufgabe wahrnimmt, unterliegt seinem weiten Gestaltungsspielraum. Die Verfassung gibt den Schutz lediglich als Ziel vor, nicht aber seine Ausgestaltung im Einzelnen.(Vgl. BVerfG, Urteil vom 10.2.2004 - 2 BvR 834/02 u. a. -, juris, Rn. 165, m. w. N.)

Mit der Festlegung einer Verkaufsfläche von maximal 800 m² soll nach dem Willen des Verordnungsgebers(Vgl. Begründung der 2. Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Bekämpfung Corona-Pandemie zu Nr. 2c) zunächst dem (kleinflächigen) Einzelhandel die Wiederaufnahme seiner Wirtschaftstätigkeit unter Beachtung der Hygienevorschriften ermöglicht werden. Andererseits sollen große Betriebe und Einrichtungen, in denen ein großer Besucherstrom zu erwarten ist, aus hygienerechtlichen Gründen weiterhin geschlossen bleiben. Gleiches soll für Einkaufszentren gelten, in denen verhindert werden muss, dass die dort angesiedelten Einzelgeschäfte in ihrer Gesamtheit innerhalb eines geschlossenen Gebäudes einen großen Besucherzustrom verursachen, der die Ansteckungsgefahr beträchtlich erhöhen würde.

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Größe der Verkaufsfläche als Maßstab für den Käuferzustrom zugrunde gelegt und eine Begrenzung der zulässigen Verkaufsfläche auf 800 m² vorgenommen hat.(So auch OVG Bremen, Beschluss vom 23.4.2020 -1 B 107/20 -; anders aber) Das Aufgreifen einer Quadratmeterzahl von 800 m2 als Maßstab ist nicht „aus der Luft gegriffen“, sondern ein in der Rechtsprechung(BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10/04 -; juris) anerkanntes Kriterium, um einen bestimmten Typ von Einzelhandelsbetrieben zu definieren. Demnach sind Einzelhandelsbetriebe großflächig, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten. Großflächige Einzelhandelsbetriebe, die aufgrund ihrer Größe regelmäßig ein breites Warensortiment oft zu günstigen Preisen anbieten und entsprechend präsentieren können, sind für viele Kundinnen und Kunden als Einkaufsort besonders attraktiv. Dieser auch der baurechtlichen Bewertung zugrunde liegende Gesichtspunkt ist - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - auch unter den hier maßgeblichen infektionsrechtlichen Gesichtspunkten von Bedeutung, da ein vergleichsweise deutlich vermehrter Besucherzustrom gleichzeitig eine erhöhte Ansteckungsgefahr mit dem besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren Corona-Virus in sich birgt. Die Beschränkung der Verkaufsfläche auf 800 m² erweist sich daher jedenfalls nicht als von vornherein als willkürlich oder untauglich.

Die von der Antragstellerin geltend gemachte Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG kann im Hauptsacheverfahren voraussichtlich ebenfalls nicht festgestellt werden. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches nach seiner Eigenart verschieden zu behandeln. Der Normgeber muss für seine Unterscheidungen und Nichtunterscheidungen einen vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sonst wie einleuchtenden Grund angeben können. Das gilt für Belastungen und Begünstigungen gleichermaßen.(Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - und vom 17.4.2008 - 2 BvL 4/05 - und vom 29.1.2019 - 2 BvC 62/14 -; zitiert nach juris) Die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zweier vergleichbarerer Sachverhalte setzt voraus, dass mit der Ungleichbehandlung ein legitimes Ziel verfolgt wird. Darüber hinaus darf das Differenzierungskriterium, an das die zur Zielerreichung vorgenommene Ungleichbehandlung anknüpft, nicht unzulässig sein. Schließlich erfordert die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ein angemessenes Verhältnis zwischen Differenzierungsziel und Differenzierungskriterium, d. h. die Gründe für die Differenzierung müssen von solchem Gewicht sein, dass das Interesse der von den nachteiligen Folgen der Ungleichbehandlung Betroffenen hinter diesen Gründen zurückzustehen hat.(Vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 27.5.2019 - 4 C 10/17 -) In seiner Ausprägung als Willkürverbot gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, dass der Gesetzgeber im konkreten Zusammenhang von mehreren möglichen Lösungen die zweckmäßigste oder gar die „vernünftigste“ wählt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist vielmehr erst anzunehmen, wenn offenkundig ist, dass sich die für die angegriffene normative Regelung und eine durch sie bewirkte Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund finden lässt.(Vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 13.6.2006 - 1 BvR 1160/03 -, BauR 2007, 98 m.w.N. insbesondere zur sog. „Elementelehre“ beim Vergleich zu betrachtender Sachverhalte (dort: Festlegung von Schwellenwerten im Bereich öffentlicher Vergaben); vgl. des weiteren Beschluss des Senats vom 22.4.2020 - 1 B 128/20 -) Das ist hier nicht der Fall.

Die Antragstellerin kritisiert eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber dem in § 5 Abs. 5 Nr. 1 - 17 CPV privilegierten Einzelhandel, der Verkaufsstätten ohne Beschränkung der Verkaufsfläche öffnen darf, und branchenübergreifenden Vollsortimentern wie Warenhäusern. Diese Unterscheidung ist aber gerechtfertigt, weil die in der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 5 CPV privilegierten Branchen, die von den Verboten der Abs. 3 und - hier - 4 ausgenommen sind, nach der Einschätzung des Verordnungsgebers einer Erhaltung der Infrastruktur zur Grundversorgung der Bevölkerung und zur Deckung des Bedarfs an handwerklichen Dienstleistungen dienen.(OVG NRW, Beschluss vom 6.4.2020 – 13 B 398/20.NE –, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 23.4.2020 -1 B 107/20 -; amtl. Abdruck) Auch insbesondere die von der Antragstellerin erwähnten Baumärkte bieten Materialien und Gegenstände des häuslichen Bedarfs an, die eine Grundversorgung für zum Leben notwendige Einrichtungen des Wohnraums (u.a. mit Blick auf Heizung und Sanitäranlagen) und die Aufrechterhaltung ihrer Funktionstüchtigkeit gewährleisten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für den Hoheitsträger, der mit der Differenzierung zwischen Verkaufsstellen für solche Güter, deren Verfügbarkeit für die tägliche Versorgung der Bevölkerung er als unbedingt erforderlich ansieht, und denen, hinsichtlich derer ein erschwerter Zugang vorübergehend im Interesse einer möglichst weitgehenden Verringerung der Ansteckungsgefahr hingenommen werden kann, im hier in Rede stehenden Infektionsschutzrecht und unter den für die Entscheidungssituation kennzeichnenden Bedingungen weniger streng sein dürften.(Vgl. hamburgisches OVG, Beschluss vom 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -; juris) Die Antragstellerin kritisiert ohne Erfolg die Öffnung des ...-Marktes auf der Grundlage des in § 5 Abs. 5 Satz 2 CPV normierten „Schwerpunktprinzips“, da eine hinreichende sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung gegeben ist. Bei dem ...-Markt handelt es sich um ein SB-Warenhaus, das vor allem Lebensmittel und Getränke und Verbrauchsgüter vertreibt. Im Gegensatz zu Kaufhäusern oder klassischen Warenhäusern ist die gesamte Verkaufsfläche wie in einem Supermarkt angeordnet und mit Einkaufswagen befahrbar. Das Warensortiment dient in erster Linie der Deckung des alltäglichen regelmäßigen Grund- und Vorratsbedarfs an Lebensmitteln. Der zusätzliche - in der Auswahl nur begrenzt vorhandene - Warenbestand an Textilien, Kosmetik usw. hat in der Gesamtheit betrachtet nur untergeordnete Bedeutung und stellt auch insoweit nur eine „Grundversorgung“ sicher. Damit unterscheidet sich der ...-Markt aber erheblich von dem Warenhaus der Antragstellerin. Das Sortiment der Antragstellerin ist nicht schwerpunktmäßig angelegt, sondern gleichmäßig verteilt und die Vielfalt geht weit über das Angebot in einem Supermarkt hinaus. So gehören insbesondere auch - in allen Warenabteilungen - gehobene Marken und Luxusartikel zu dem ständigen Angebot. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung lässt sich daher insoweit nicht feststellen.

Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens lässt sich des Weiteren nicht feststellen, dass andere zur Erreichung des seuchenpolizeilichen Ziels der Verhinderung weiterer ungebremster Ausbreitung von Infektionen mit dem Corona-Virus möglicherweise ebenfalls geeignete Maßnahmen in ihrer Wirkung der vom Antragsgegner, dem insoweit ein gewisser Einschätzungsspielraum als Normgeber zuzubilligen ist, angeordneten Beschränkung der zulässigen Verkaufsfläche gleichkommen und daher als milderes Mittel „zwingend“ in Betracht zu ziehen gewesen wären. In einer durch eine Reihe von Unsicherheiten und durch sich fortlaufend verändernde Erkenntnislagen geprägten Situation ist dem Verordnungsgeber im gegenwärtigen Zeitpunkt der Entwicklung ein Einschätzungsspielraum auch im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen. Das Argument der Antragstellerin, die empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln seien in großen Geschäften ebenso gut oder sogar noch besser als in kleineren Verkaufsstätten einzuhalten,(Vgl. die gutachterliche Kurzstellungnahme von Professor Martin Exner „Zur Frage der Nichtöffnung von Geschäften> 800 m² Verkehrsfläche aus infektiös-hygienischer Sicht“ vom 22.4.2020) überzeugt nicht. Verkannt wird dabei, dass großflächige Verkaufsstätten bei der Einhaltung der notwendigen Regeln zum Gesundheitsschutz vor größere räumliche und logistische Herausforderungen gestellt sind als kleinere Läden. Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass in einem Warenhaus Rolltreppen, Aufzüge und Toilettenanlagen bereitgehalten werden, die eine zusätzliche Ansteckungsgefahr bergen. Von Bedeutung ist auch, dass im Innenstadtbereich von A-Stadt, wo sich der Besucherstrom ohnehin konzentriert, durch die Öffnung des Warenhauses der Antragstellerin ein besonderer Anreiz für Besucher geschaffen würde. Aufgrund des vielfältigen Warenangebots auf einer Gesamtverkaufsfläche besteht ein erhöhter Anreiz für eine Vielzahl von Menschen, in die Innenstadt zu kommen und Besorgungen zu erledigen. Die Reichhaltigkeit des Warenangebotes in einem einzigen Warenhaus lockt im Verhältnis zu demselben Angebot in mehreren spezialisierten kleinen Ladengeschäften mehr Käufer an, was gleichzeitig einen größeren Anreiz bietet, die Innenstadt zum „Bummeln“ zu besuchen und dort zu verweilen, wodurch es zu häufigen und wechselnden Begegnungen käme. Eine Reduzierung des Warenangebots durch Verkleinerung der Verkaufsfläche und die dadurch bewirkte Leerung der Innenstädte ist daher ein geeignetes und erforderliches Mittel um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Soweit die Antragstellerin mit Blick auf die Verlangsamung der Infektionsrate darauf verweist, sinnvoller sei es, Geschäfte mit mehr als 800 m² Verkaufsfläche zu verpflichten, ein Hygiene-Konzept für den Betrieb ihrer gesamten Verkaufsflächen vorzulegen, ist dem entgegenzuhalten, dass die Hygiene- und Abstandsregelungen ohnehin verpflichtend sind und die von der Antragstellerin angesprochenen baulich-funktionellen als auch betrieblich-organisatorischen Regelungen umso größere räumliche und logistische Anforderung stellen, je größer die Gesamtverkaufsfläche ist. Außerdem bleibt es dem Verordnungsgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums überlassen, wie er das mit der Verordnung bezweckte Ziel zulässigerweise erreicht.

Für die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Regelung spricht gegenwärtig auch, dass der Antragsgegner den Geltungszeitraum der Verordnung nach gegenwärtigem Stand bis zum Ablauf des 3.5.2020 begrenzt hat. Unabhängig davon ist für die Dauer der Gültigkeit der Verordnung fortlaufend zu überprüfen, ob die Aufrechterhaltung der Verbote noch erforderlich und angemessen ist, wobei die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit umso strenger werden, je länger die Beschränkungen gelten. Dass dem Antragsgegner das bewusst ist, lässt sich den öffentlichen Verlautbarungen entnehmen und zeigt sich letztlich auch in den seit dem 17.4.2020 – wenn auch nicht für die Einzelhandelsbetriebe der Antragstellerin – durch die Änderungsverordnung bestimmten „Lockerungen“ in einzelnen Bereichen, die freilich gegenwärtig noch als eine Art „Lebendversuch“ mit Appellcharakter an die Bevölkerung zu verstehen sind. Dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits von einer zwischenzeitlich eingetretenen Unverhältnismäßigkeit der Regelungen im § 5 Abs. 4 und 5 CPV auszugehen und diese damit schon jetzt erkennbar im Hauptsacheverfahren für unwirksam zu erklären wären, erscheint jedenfalls nicht naheliegend, zumal ausweislich der Berichte des Robert Koch Instituts (RKI, vgl. § 4 IfSG) davon auszugehen ist, dass die in der Verordnung ergriffenen Maßnahmen zielführend waren, wenngleich die durchschnittliche Infektionsrate im Saarland mit 250,07 Infizierten pro 100.000 Einwohnern ungeachtet der „Dunkelziffern“ und regionaler Besonderheiten immer noch vergleichsweise deutlich höher liegen soll als in Deutschland insgesamt (181,14).(Vgl. etwa den täglichen Lagebericht vom 24.4.2020 des Krisenstabs am SSGFuF zur Corona-Virus-Krankheit-2019 (Covid 19) für das Saarland)

Die mit der angegriffenen Regelung verbundenen – zeitlich begrenzten – Einschränkungen halten sich demnach jedenfalls für den hier zu betrachtenden Zeitraum ihrer Wirksamkeit im Rahmen der verfassungsrechtlichen Schranken für solche Grundrechtseingriffe. Den gewichtigen gegen die unstreitig in der Ziel-Mittel-Relation geeignete Einschränkung in § 5 Abs. 4 und 5 CPV streitenden Interessen der Antragstellerin stehen ganz eminent gewichtige seuchenschutzrechtliche Belange gegenüber, wobei mildere, gleich geeignete Mittel zur Verwirklichung der Ziele der Verordnung sich dem Antragsgegner im vorliegenden Regelungszusammenhang nicht aufdrängen mussten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Da der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt, ist die Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angebracht.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

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