Urteil vom Sächsisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 L 113/18

Tatbestand

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Die Klägerin, die als beamtete Lehrkraft am Berufsschulzentrum des Landkreises C-Stadt im Dienst des beklagten Landes steht, begehrt die Festsetzung von Anrechnungsstunden für Unterricht, den sie in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums erteilt bzw. in den vergangenen Schuljahren erteilt hat.

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Das Bildungsangebot des Berufsschulzentrums des Landkreises C-Stadt umfasst die Schulformen der Berufsschule, der Berufsfachschule, der Fachschule, der Fachoberschule und des in den Fachrichtungen „Gesundheit und Soziales“ und „Wirtschaft“ geführten Beruflichen Gymnasiums. Die zuletzt genannte Schulform wurde bis zum Inkrafttreten des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 24. Juli 2018 (GVBl. LSA S. 224) am 1. August 2018 als Fachgymnasium bezeichnet (vgl. LTag-Drs. 7/1992 S. 25 zur Änderung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e SchulG LSA).

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Am 26. Juni 2017 beantragte die Klägerin beim Landesschulamt Sachsen-Anhalt „rückwirkend für die letzten drei Schuljahre“ die „Anerkennung“ von Anrechnungsstunden für Unterricht in der Qualifikationsphase auf der Grundlage von § 9 ArbZVO-Lehr LSA. Durch Bescheid vom 28. August 2017 lehnte der Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, Lehrkräfte an Fachgymnasien unterfielen nicht dem Anwendungsbereich des § 9 ArbZVO-Lehr LSA und seien arbeitszeitrechtlich nicht anders zu behandeln als andere Lehrkräfte an den berufsbildenden Schulen. Mit ihrem am 14. September 2018 erhobenen Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass die Lehrtätigkeit in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums seit vielen Jahren einen erheblichen Teil ihrer Unterrichtsverpflichtung ausmache, und führte mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 ergänzend aus, dass sie im Schuljahr 2015/16 20 Wochenstunden, im Schuljahr 2016/17 22 Wochenstunden und im Schuljahr 2017/18 16 Wochenstunden in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe in den Fächern Mathematik und Physik unterrichtet habe und ihr daher zwei (insgesamt sechs) Anrechnungsstunden pro Schulwoche zustünden. Mit Bescheid vom 29. November 2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

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Die Klägerin hat am 22. Dezember 2017 beim Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres vorprozessualen Vorbringens beantragt hat,

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unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 28. August 2017 und seines Widerspruchsbescheids vom 29. November 2017 festzustellen, dass der Klägerin wegen ihrer Lehrtätigkeit in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Fachgymnasiums für die Schuljahre ab dem Schuljahr 2014/2015 Anrechnungsstunden nach Maßgabe des § 9 ArbZVO-Lehr LSA zu gewähren sind.

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Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 24. Mai 2018 unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide des Beklagten festgestellt, dass die Versagung von Anrechnungsstunden für die Lehrtätigkeit der Klägerin in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Fachgymnasiums seit dem Schuljahr 2014/2015 nach Maßgabe des § 9 ArbZVO-Lehr LSA rechtswidrig ist, und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

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Zwar habe die Klägerin keinen gesetzlichen Anspruch auf Gewährung von Anrechnungsstunden, da der eindeutige Wortlaut des § 9 ArbZVO-Lehr LSA auf bestimmte Schulformen der allgemeinbildenden Schulen beschränkt sei und mangels planwidriger Regelungslücke auch eine analoge Heranziehung der Vorschrift ausscheide. Allerdings verstoße die Ausklammerung von Lehrkräften, die - wie die Klägerin - in der Schulform des Fachgymnasiums der berufsbildenden Schulen in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe Unterricht erteilten, gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn diese Lehrkräfte unterschieden sich in Bezug auf Belastung oder Aufgabenwahrnehmung nicht von Lehrkräften, die in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe am Gymnasium oder an der Gesamtschule eingesetzt seien. Auch sie seien in ihrer Tätigkeit nämlich weitgehend der Oberstufenverordnung des Landes Sachsen-Anhalt unterstellt. Überdies seien nicht nur die Anforderungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch in beiden Schulformen identisch, sondern führe insbesondere hier wie dort ein erfolgreicher Abschluss zur Allgemeinen Hochschulreife (Abitur). Des Weiteren seien die in Rede stehenden Vergleichsgruppen, die unter dem gemeinsamen Oberbegriff der in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe unterrichtenden Lehrkräfte zusammenzufassen seien, derselben Rechtsetzungsgewalt unterworfen.

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Für die an die Schulform anknüpfende Benachteiligung der Lehrkräfte am Fachgymnasium fehle es an einer hinreichenden Rechtfertigung. Zwar sei die angestrebte Sicherstellung der „Vergleichbarkeit innerhalb der berufsbildenden Schulen und der diesen angehörenden Lehrkräfte“ noch als zulässiges Differenzierungsziel anzusehen. Indes sei die Ungleichbehandlung unverhältnismäßig im engeren Sinne. Die Lehrkräfte, die in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Fachgymnasiums unterrichteten, seien denselben Belastungen ausgesetzt und hätten dieselben Aufgaben wahrzunehmen wie die Lehrkräfte in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums oder der Gesamtschule. Darum sei der Beklagte fürsorgerechtlich verpflichtet, auch den Lehrkräften des Fachgymnasiums gleichmäßig Anrechnungsstunden zu gewähren. In § 9 ArbZVO-Lehr LSA komme zum Ausdruck, dass es einer solchen Entlastung für alle Lehrkräfte mit Unterrichtsverpflichtung in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe bedürfe. Die Situation der Lehrkräfte an den berufsbildenden Schulen, die keinen Unterricht in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe erteilten, sei damit offensichtlich nicht vergleichbar. Das Anliegen, die an den berufsbildenden Schulen beschäftigten Lehrkräfte einheitlichen Maßgaben zu unterwerfen, sei deshalb nicht schützenswert.

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Gegen das ihm am 1. August 2018 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Beklagte am 31. August 2018 beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt und diese mit am 26. September 2018 beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Das Verwaltungsgericht sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass § 9 ArbZVO-Lehr LSA keine Anrechnungsstunden für Unterricht in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums vorsehe und auch nicht analog auf die betreffenden Lehrkräfte anwendbar sei. Daraus folge jedoch entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung kein Gleichheitsverstoß. Zu berücksichtigen sei, dass in einer einzelnen berufsbildenden Schule bis zu fünf verschiedene Schulformen des Sekundarbereichs II zusammengefasst sein könnten. Anders als etwa das Gymnasium sei das zum System der beruflichen Bildung gehörende Fachgymnasium keine eigenständige Einrichtung. Wenn überhaupt, gebe es nur sehr wenige Lehrkräfte, die ausschließlich am Fachgymnasium eingesetzt seien. Zwischen der beruflichen Erstausbildung an den Berufsschulen und den Profilen der Fachgymnasien bestehe ein sachbezogener Zusammenhang. Es sei gewünscht, dass die Berufsschullehrer möglichst in sämtlichen Schulformen der berufsbildenden Schulen unterrichteten. Daneben seien die berufsbildenden Schulen durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass die Dauer der Ausbildungsgänge regelmäßig nur drei Jahre betrage. Da angesichts dessen praktisch alle Berufsschullehrer in verstärktem Maß in prüfungsbezogene Tätigkeiten eingebunden seien, was der Verordnungsgeber bei der Bemessung der Regelstundenzahl an berufsbildenden Schulen in Ansatz gebracht habe, sei eine grundsätzliche Gleichstellung der Lehrkräfte im Hinblick auf die Arbeitszeit geboten. Soweit im Einzelfall ein Ausgleich für besondere Belastungen schulbezogen angezeigt sei, obliege es der Schulleitung, über die Gewährung der dafür nach § 10 ArbZVO-Lehr LSA zur Verfügung gestellten weiteren Anrechnungsstunden zu entscheiden. Die Gemeinsamkeiten in der Gestaltung der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums und des Fachgymnasiums zwängen zu keiner abweichenden Beurteilung. Ein wesentlicher Unterschied liege in diesem Zusammenhang darin, dass die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe am Gymnasium durch die Schuljahrgänge 11 und 12, die des Fachgymnasiums durch die Schuljahrgänge 12 und 13 gebildet werde. Dies habe zum einen zur Folge, dass die Schüler der Fachgymnasien im Durchschnitt mindestens ein Jahr älter und damit reifer und verständiger seien, zum anderen, dass sie nach dem Durchlaufen der zusätzlichen einjährigen Einführungsphase auf die höheren Anforderungen der Qualifikationsphase besser vorbereitet seien als die Gymnasialschüler. Diese „Entzerrung“ des Ausbildungsgangs erleichtere die Arbeitsumstände für die Lehrkräfte. Im Übrigen komme eine rückwirkende Zuerkennung von Anrechnungsstunden ohnehin nicht in Betracht.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 24. Mai 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin hat ihre Klage in der mündlichen Berufungsverhandlung teilweise zurückgenommen und beantragt im Übrigen unter Verteidigung des angefochtenen Urteils,

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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, bei der Bemessung der Unterrichtsverpflichtung der Klägerin in den Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019, wenn die Klägerin in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums mindestens acht Wochenstunden Unterricht erteilt hat, eine Anrechnungsstunde, wenn sie mindestens 16 Wochenstunden Unterricht erteilt hat, zwei Anrechnungsstunden in Abzug zu bringen,

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und den Bescheid des Beklagten vom 28. August 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 29. November 2017 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,

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sowie insoweit die Berufung zurückzuweisen.

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Der Beklagte hat in die teilweise Klagerücknahme eingewilligt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Unterlagen des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Klägerin ihre Klage in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 27. Juni 2019 bezogen auf die Schuljahre 2014/15 bis 2016/2017 sowie bezogen auf die zukünftige Gewährung von Anrechnungsstunden ab dem Schuljahr 2019/2020 zurückgenommen hat, war das Verfahren mit Einwilligung des Beklagten (§ 125 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO) einzustellen und die Wirkungslosigkeit des angefochtenen Urteils auszusprechen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

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Im Übrigen ist die Berufung des Beklagten zulässig, aber unbegründet.

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1. Hinsichtlich der (nur) noch im Streit stehenden Gewährung von Anrechnungsstunden für in den Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019 von der Klägerin erteilten Unterricht in der Qualifikationsphase ist die Feststellungsklage zulässig.

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Die Zahl der von der Klägerin zu erteilenden Unterrichtsstunden ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, in welchem Umfang sie gegenwärtig zur Erteilung von Unterrichtsstunden verpflichtet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1982 - 2 C 88.81 -, juris Rn. 10 f. m. w. N.). Soweit sich die Klage darüber hinaus darauf richtet, den Umfang der Unterrichtsverpflichtung der Klägerin in der Vergangenheit - bis einschließlich des abgeschlossenen Schuljahrs 2017/2018 - zu klären und für diesen vergangenen Zeitraum nachträglich Anrechnungsstunden gutgeschrieben zu bekommen, müsste zur Begründung des in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten berechtigten Feststellungsinteresses auch eine solche Feststellung geeignet erscheinen, ihre Rechtsposition in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 45.16 -, juris Rn. 21 m. w. N.). Das wäre nur zu bejahen, wenn bei nachträglicher Zuerkennung von Anrechnungsstunden an die Klägerin Ausgleichsansprüche wegen der entsprechenden Mehrarbeitszeiten in Betracht kämen. Das ist hier der Fall.

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Mangels dienstlich angeordneter oder genehmigter Mehrarbeit aufgrund einer gezielt auf deren Erbringung gerichteten einzelfallbezogenen Ermessensentscheidung des Dienstherrn scheidet zwar § 63 Abs. 2 LBG LSA (s. auch den zum 1. Januar 2019 neu eingefügten Absatz 3 der Regelung für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen) als Grundlage für Ansprüche der Klägerin auf Dienstbefreiung oder Mehrarbeitsvergütung aus (vgl. zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit OVG NRW, Urteile vom 12. April 2018 - 6 A 1421/16 -, juris Rn. 34 ff., und vom 8. November 2018 - 6 A 9/16 -, juris Rn. 20 ff.; VGH BW, Urteile vom 15. Mai 2018 - 4 S 2069/17 -, juris Rn. 39 ff., und vom 20. November 2018 - 4 S 1000/18 -, juris Rn. 22 f., jew. m. w. N.).

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Soweit neben der in § 4 Abs. 2 Satz 3 ArbZVO-Lehr LSA vorgesehenen Abgeltung von entstandenen Mehrzeiten (Unterrichtsstunden) spätestens im folgenden Schuljahr ein sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergebender beamtenrechtlicher Ausgleich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) möglich und erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -, juris Rn. 20 f.; OVG NRW, Urteil vom 12. April 2018, a. a. O. Rn. 49), kann nach dem Grundsatz der zeitnahen (schriftlichen) Geltendmachung allerdings die Zuvielarbeit auszugleichen sein, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 -, juris Rn. 19, vom 17. September 2015
- 2 C 26.14 -, juris Rn. 25, vom 20. Juli 2017 - 2 C 31.16 -, juris Rn. 43, und vom
19. April 2018 - 2 C 40.17 -, juris Rn. 25). Denn ein rückwirkender Ausgleich der vorher erbrachten Zuvielarbeit ist unabhängig davon, ob der Anspruch verjährt ist oder nicht, nicht angemessen und würde dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen. Dies folgt aus der sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflicht, auch im Rahmen eines Ausgleichs für rechtswidriges Verhalten auf die Belange des Dienstherrn Rücksicht zu nehmen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich auf die gegen ihn erhobenen Ansprüche einzustellen. Der Dienstherr hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit gegebenenfalls hohen Ausgleichsforderungen belastet zu werden. Auch der Zweck des Anspruchs, vorrangig durch Freizeitausgleich die besonderen gesundheitlichen Belastungen der Zuvielarbeit auszugleichen, spricht für das Erfordernis einer Geltendmachung im zeitlichen Zusammenhang mit der Belastung. Hiervon unabhängig ist es dem Beamten in dem von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägten Verhältnis zu seinem Dienstherrn zuzumuten, seinem Begehren auf Gewährung von zeitlichem oder finanziellem Ausgleich frühzeitig Ausdruck zu verleihen, zumal an einen solchen Antrag keine hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 -, juris Rn. 9, 14 f., vom 29. September 2011, a. a. O., vom 17. September 2015, a. a. O. Rn. 28 f., vom 20. Juli 2017, a. a. O. Rn. 46 f., und vom 19. April 2018, a. a. O. Rn. 29; VGH BW, Urteil vom 20. November 2018, a. a. O. Rn. 27).

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Die Klägerin hat die „Anerkennung“ bzw. Gewährung von Anrechnungsstunden für Unterricht in der Qualifikationsphase ausweislich des Verwaltungsvorgangs erstmals am 26. Juni 2017, dem ersten Tag der Sommerferien 2017, beim Landesschulamt Sachsen-Anhalt schriftlich beantragt. Nach beamtenrechtlichen Grundsätzen ist ihr deshalb für Unterrichtsstunden, die sie seit Beginn des Schuljahrs 2017/2018 in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums erteilt hat, ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO an der gerichtlichen Feststellung, dass ihr wegen dieses Unterrichts Anrechnungsstunden zustehen, nicht abzusprechen.

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Die Regelung der Unterrichtsstundenzahl berührt wegen ihrer Auswirkungen auf den Umfang der Gesamtarbeitszeit die individuelle Rechtssphäre der Klägerin (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO). Der Zulässigkeit des Feststellungsantrags steht § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO (Subsidiarität der Feststellungsklage) nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1982, a. a. O. Rn. 10 m. w. N.). Auch die weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen unterliegen insoweit keine Bedenken, insbesondere ist der Klage ein erfolglos durchgeführtes Vorverfahren vorausgegangen.

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2. Im aufrechterhaltenen Umfang ist die Klage auch begründet. Für das abgeschlossene Schuljahr 2017/2018 und für das im Zeitpunkt der Senatsentscheidung bereits weit fortgeschrittene (siehe § 23 Abs. 1 SchulG LSA) Schuljahr 2018/2019 hat die Klägerin Anspruch auf die Feststellung, dass ihr für ihre Unterrichtstätigkeit in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums unter den in § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA genannten Voraussetzungen Anrechnungsstunden gutzubringen sind.

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Gemäß § 4 Abs. 1 ArbZVO-Lehr LSA ergibt sich die jeweilige Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft an öffentlichen Schulen des Landes Sachsen-Anhalt (vgl. § 1 ArbZVO-Lehr LSA) aus der Regelstundenzahl abzüglich zu gewährender Ermäßigungen und Anrechnungen.Die Regelstundenzahl ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA die Zahl der Unterrichtsstunden, die vollbeschäftigte Lehrkräfte im Durchschnitt wöchentlich zu erteilen haben. Für Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen, zu denen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 SchulG LSA neben der Berufsschule, der Berufsfachschule, der Fachschule und der Fachoberschule das Fachgymnasium/Berufliche Gymnasium gehört, beträgt die Regelstundenzahl grundsätzlich 25 Unterrichtsstunden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ArbZVO-Lehr LSA). Dieselbe Regelstundenzahl gilt für Lehrkräfte an Gymnasien, Abendgymnasien, Kollegs und Gesamtschulen (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4, Abs. 4 ArbZVO-Lehr LSA).

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Nach § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA erhalten Lehrkräfte, die in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, der Gesamtschule oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs mindestens acht Wochenstunden Unterricht erteilen, eine Anrechnungsstunde, wenn sie mindestens 16 Wochenstunden Unterricht erteilen, zwei Anrechnungsstunden.Erteilen Lehrkräfte Unterricht im Fach Sport, gelten gemäß § 9 Satz 2 ArbZVO-Lehr LSA jeweils zwei Wochenstunden als eine Unterrichtsstunde im Sinne von § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA.

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a) Auf der Grundlage von § 9 ArbZVO-Lehr LSA können der Klägerin wegen des von ihr in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums erteilten Unterrichts in den Fächern Mathematik und Physik keine Anrechnungsstunden zuerkannt werden. Der eindeutige Wortlaut des § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA beschränkt die Gewährung von Anrechnungsstunden „für Unterricht in der Qualifikationsphase“ (vgl. die amtliche Überschrift) auf Lehrkräfte, die in der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums oder der Gesamtschule oder am Abendgymnasium oder Kolleg, mithin im Bereich der Sekundarstufe II (§ 3 Abs. 3 Nr. 3 SchulG LSA) an bestimmten Formen allgemeinbildender Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 1 SchulG LSA in den beiden jeweils höchsten Schuljahrgängen eingesetzt sind. Diese tatbestandliche Aufzählung ist abschließend und einer Erweiterung auf die Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums nicht zugänglich.

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Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten nur begrenzt zu (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 5 C 28.12 -, juris Rn. 9, und vom 29. März 2018 - 5 C 14.16 -, juris Rn. 24). Jede Art der gesetzesimmanenten richterlichen Rechtsfortbildung setzt unabhängig von dem in Betracht kommenden methodischen Mittel - hier die teleologische Extension oder Analogie - eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes - hier im materiellen Sinne - voraus (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 -, juris Rn. 21, vom 17. Juli 2014 - 5 C 20.13 -, juris Rn. 16, vom 6. November 2014 - 5 C 36.13 -, juris Rn. 22, und vom 29. März 2018, a. a. O.). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilten, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, juris Rn. 27, vom 17. Juli 2014, a. a. O., vom 6. November 2014, a. a. O., und vom 29. März 2018, a. a. O.). Darüber hinaus ist eine vergleichbare Sach- und Interessenlage erforderlich (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. April 2014, a. a. O., und vom 6. November 2014, a. a. O.). Da die entsprechende oder teleologisch extensive Anwendung des Gesetzes nicht darauf hinauslaufen darf, dass das Gericht anstelle des Gesetzgebers entscheidet, welche Sachverhalte als wesentlich gleich anzusehen sind und darum nicht ungleich behandelt werden dürfen, müssen für eine derartige Gesetzesanwendung Anhaltspunkte vor allem aus dem in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers und aus dem Zweck des Gesetzes erkennbar sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2005 - 7 C 14.04 -, juris Rn. 20 f.).

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Nach diesen Maßstäben kann nicht festgestellt werden, dass es der Verordnungsgeber planwidrig unterlassen hat, die Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums in den Anwendungsbereich des § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA einzubeziehen. Die Beschränkung der Gewährung von Anrechnungsstunden für Unterricht in der Qualifikationsphase auf Lehrkräfte am Gymnasium, an der Gesamtschule, am Abendgymnasium und am Kolleg beruht vielmehr auf einer bewusst abschließenden Entscheidung des Verordnungsgebers. § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA hat seine jetzige Fassung durch den am 1. August 2001 in Kraft getretenen Art. 1 der Vierten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen vom 11. Juli 2001 erhalten (GVBl. LSA S. 286). Wie der hierzu vom Beklagten übersandten Kabinettsvorlage des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt vom 8. Juni 2001 zu entnehmen ist, wurde dabei der im Anhörungsverfahren von verschiedenen Stellen erhobenen Forderung, auch für den Unterricht am Fachgymnasium entsprechende Anrechnungen vorzusehen, mit der Begründung entgegengetreten, der an Fachgymnasien unterrichtende Personenkreis könne nicht ohne gravierende Verletzung einer Vergleichbarkeit aus der Gesamtheit der Lehrkräfte an den berufsbildenden Schulen herausgelöst werden (Beiakte B Bl. 207, s. ferner Bl. 172, 201 f.). Die Verordnungsmaterialien zeigen demnach deutlich, dass sich der Verordnungsgeber ausdrücklich gegen eine Ausdehnung der Anrechnungsbestimmung auf Lehrkräfte an Fachgymnasien ausgesprochen hat und ihm insoweit kein versehentliches Regelungsversäumnis unterlaufen ist. Dass dem Verordnungsgeber die Qualifikationsphase des Fachgymnasiums gerade in Bezug auf die Thematik der Anrechnungen nicht aus dem Blick geraten ist, ergibt sich zudem aus der Anlage 1 zu § 8 Abs. 1 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA (Fußnote 6) sowie aus der Anlage 3 zu § 10 Satz 2 ArbZVO-Lehr LSA (linke Tabellenspalte, Fußnoten 1 und 4). Denn diese Regelungen treffen im Hinblick auf die Berechnung der Kontingente der Anrechnungsstunden für Schulleitungsaufgaben (§ 8 ArbZVO-Lehr LSA) und für besondere Belastungen (§ 10 ArbZVO-Lehr LSA) einheitliche Maßgaben für die Qualifikationsphase des Fachgymnasiums einerseits und für die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, der Gesamtschule, der Gemeinschaftsschule, des Abendgymnasiums und des Kollegs andererseits und verlangen damit eine von den übrigen Schulformen der berufsbildenden Schulen gesonderte Betrachtung des Fachgymnasiums. Angesichts dessen wäre es fernliegend, in der unterbliebenen Gleichstellung der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums mit der Qualifikationsphase (der gymnasialen Oberstufe) allgemeinbildender Schulen in § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA eine unbeabsichtigte Abweichung vom Regelungsplan des Verordnungsgebers zu sehen.

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b) Der Ausschluss der Lehrkräfte, die in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums unterrichten, von der Gewährung von Anrechnungsstunden nach § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.

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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es aber dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 -, juris Rn. 78; BVerwG, Urteile vom 17. April 2014 - 5 C 16.13 -, juris Rn. 10, und vom 29. März 2018, a. a. O. Rn. 33). Knüpft die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d. h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte an oder hängt sie von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen ab, hat der Normgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. Ein Gleichheitsverstoß ist nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber dagegen regelmäßig engen rechtlichen Bindungen. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kann in diesen Fällen schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007, a. a. O. Rn. 79 m. w. N.; BVerwG, Urteile vom 17. April 2014, a. a. O., und vom 29. März 2018, a. a. O.).

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Dass die in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums eingesetzten Lehrkräfte in § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA nicht berücksichtigt sind, führt zu einem rechtfertigungsbedürftigen Begünstigungsausschluss. Daran ändert nichts, dass (allen) Lehrkräften nach § 10 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA Anrechnungsstunden für besondere Belastungen, die „besondere unterrichtliche oder schulformspezifische Belastungen“ einschließen, gewährt werden können. Denn eine solche Anrechnung ist lediglich in den Grenzen des der einzelnen Schule hierfür nach § 10 Satz 2 ArbZVO-Lehr LSA in Verbindung mit der Anlage 3 zur Verfügung gestellten Stundenkontingents möglich und liegt daneben im (Verteilungs-) Ermessen der Schulleitung. Diese Einschränkungen bestehen bei Anrechnungen für Unterricht in der Qualifikationsphase nach § 9 ArbZVO-Lehr LSA nicht. Unabhängig davon hat der Verordnungsgeber mit der gewollten Beschränkung auf die in § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA aufgeführten Schulformen zu erkennen gegeben, dass die Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums für sich besehen nicht als besondere Belastung zu bewerten sein soll, die zur Gewährung von Anrechnungsstunden führen kann. Die sachlichen Voraussetzungen, unter denen Unterricht in der Qualifikationsphase einen Anrechnungstatbestand begründet, sind unter Berücksichtigung der Regelungssystematik sowie des in den Materialien erklärten Willens des Verordnungsgebers, sämtliche Lehrkräfte in den unterschiedlichen Schulformen der berufsbildenden Schulen arbeitszeitrechtlich prinzipiell gleich zu behandeln und insoweit keine Lehrergruppe aus der Gesamtheit der Lehrkräfte an den berufsbildenden Schulen herauszulösen, in § 9 ArbZVO-Lehr LSA abschließend normativ festgelegt.

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Daraus folgt im Zusammenspiel der §§ 3, 4 und 9 ArbZVO-Lehr LSA für den Regelfall, dass Lehrkräfte, die einen erheblichen Teil ihrer Unterrichtsverpflichtung in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums erbringen, wenn nicht sogar ausschließlich oder - wie es bei der Klägerin nach ihren unbestrittenen Angaben der Fall war - ganz überwiegend in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums unterrichten, die volle Regelstundenzahl von 25 Unterrichtsstunden zu leisten haben, während Lehrkräfte, die in gleichem Umfang in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, der Gesamtschule oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs unterrichten, im Durchschnitt wöchentlich nur 24 oder 23 Unterrichtsstunden erteilen müssen. Diese Ungleichbehandlung der in der Qualifikationsphase unterrichtenden Lehrkräfte danach, ob sie an einer allgemeinbildenden oder an einer berufsbildenden Schule tätig sind, erfordert am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG die Prüfung, ob für sie ein sachlicher, d. h. vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund vorhanden ist, der dem Ziel und dem Ausmaß der Differenzierung angemessen ist.Da die Bemessung der Unterrichtsverpflichtung nicht an unverfügbare persönliche Merkmale anknüpft oder sich Art. 3 Abs. 3 GG annähert, ist eine strengere Bindung nicht veranlasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1982, a. a. O. Rn. 16; NdsOVG, Urteile vom 9. Juni 2015 - 5 KN 148/14 -, juris Rn. 79, und vom 31. Mai 2016 - 5 LC 134/15 -, juris Rn. 76, jew. m. w. N.).

39

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt dem Normgeber bei der Regelung der Arbeitszeit der Lehrer eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1982, a. a. O., und Beschluss vom 21. September 1998 - 2 B 7.98 -, juris Rn. 5). Diese Gestaltungsfreiheit bei der Festlegung der Arbeitszeit der einzelnen Gruppen von Lehrern schließt auch die Befugnis ein, für die einzelnen Gruppen diejenigen Merkmale zu bestimmen, an denen als Vergleichspaar die Gleichheit oder die Ungleichheit der gesetzlichen Regelung orientiert wird. Dabei sind Typisierungen und Generalisierungen zulässig. Hiernach kann zwar nicht schon etwa die unterschiedliche beamtenrechtliche Stellung der Lehrer insbesondere in laufbahnrechtlicher und besoldungsrechtlicher Hinsicht für sich allein eine ungleiche Pflichtstundenzahl rechtfertigen. Nach Art. 3 Abs. 1 GG müssen die als Anknüpfungspunkt für die Festlegung einer unterschiedlich hohen Pflichtstundenzahl für Gruppen von Lehrern, für die sämtlich die gleiche Gesamtarbeitszeit gilt, gewählten Umstände vielmehr einen sachlichen Bezug zur jeweils geforderten Arbeitsbelastung, insbesondere zu deren zeitlichem Maß aufweisen. Als grundsätzlich sachgerechtes Anknüpfungskriterium für eine einheitliche oder unterschiedliche Festlegung der Pflichtstundenzahl hat das Bundesverwaltungsgericht die Gleichheit bzw. Verschiedenartigkeit der Ausbildungsziele der einzelnen Schularten genannt, sofern - bei generalisierender Betrachtung - die Verschiedenheit der Ausbildungsziele noch wirklichkeitskonform die Annahme einer nach Zeit und/oder Art gleich oder verschieden großen Arbeitsbelastung stützen kann. Danach erlaubt die Verschiedenartigkeit der Ausbildungsziele grundsätzlich die Festlegung einer verschieden hohen und die Gleichheit dieser Ziele grundsätzlich die Festlegung einer gleich hohen Pflichtstundenzahl (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 1998, a. a. O. m. w. N.).

40

Diese aus dem Gleichheitssatz folgenden Vorgaben für die Regelung der Arbeitszeit der Lehrer können auch in der vorliegenden Konstellation herangezogen werden, in der es nicht um die Zulässigkeit von Unterschieden in der Regelstundenzahl (Pflichtstundenzahl) zwischen den Lehrkräften an Gymnasien, Gesamtschulen, Abendgymnasien sowie Kollegs und den Lehrkräften an berufsbildenden Schulen geht (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA), sondern um die Rechtmäßigkeit einer Differenzierung im Maß der Unterrichtsverpflichtung, wenn ein erheblicher Teil dieser Verpflichtung auf die Unterrichtung in bestimmten höheren Schuljahrgängen (Qualifikationsphase) an den unterschiedlichen Schulformen entfällt. Dass in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums mindestens acht Wochenstunden unterrichtende Lehrkräfte insgesamt ein oder zwei Unterrichtsstunden mehr zu erteilen haben, wird den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG deshalb nur dann gerecht, wenn angenommen werden kann, dass die Arbeitsbelastung dieser Lehrkräfte nach Zeit und/oder Art typischerweise gleichwohl der Arbeitsbelastung der von § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA erfassten Lehrkräfte entspricht.

41

Eine solche Annahme könnte sich entweder darauf stützen, dass die Lehrkräfte an den Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien durch die ihnen regelmäßig weiter auferlegte Erteilung von Unterricht außerhalb der Qualifikationsphase und durch die außerunterrichtliche Dienstwahrnehmung weniger stark beansprucht werden als die Lehrkräfte an den Gymnasien, Gesamtschulen, Abendgymnasien und Kollegs, oder aber darauf, dass die Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase selbst für sie mit einem vergleichsweise geringeren Arbeitsaufwand verbunden ist. Derartige Unterschiede in der Arbeitsbelastung sind aber nicht feststellbar.

42

aa) Dass die nicht auf die Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase bezogene Dienstverrichtung an den Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien und sonstigen Schulformen der berufsbildenden Schulen - mit Ausnahme des fachpraktischen Unterrichts (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. ArbZVO-Lehr LSA) - bei generalisierender und pauschalierender Betrachtungsweise die Arbeitskraft einer Lehrkraft in geringerem Maß fordert als entsprechende Tätigkeiten an Gymnasien, Gesamtschulen, Abendgymnasien und Kollegs, ist ungeachtet der Verschiedenartigkeit der in den einzelnen Schulformen erreichbaren Ausbildungsziele nicht zu erkennen. Es besteht auch nach dem Vorbringen des Beklagten kein Anhaltspunkt dafür und erscheint vielmehr als eine bloß hypothetische Möglichkeit, dass der Verordnungsgeber bei Festlegung der einheitlichen Regelstundenzahlen in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3, 4 und 7, Abs. 4 ArbZVO-Lehr LSA von einer unterschiedlichen Arbeitsbelastung der nicht in der Qualifikationsphase unterrichtenden Lehrkräfte ausgegangen ist, d. h. für die Lehrkräfte an den berufsbildenden Schulen gerade nur mit Rücksicht auf den gesteigerten Aufwand für die Unterrichtstätigkeit in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums, den lediglich ein Teil dieser Lehrkräfte zu erbringen hat, von der Festsetzung einer höheren Regelstundenzahl abgesehen hat.

43

bb) Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Arbeitsbelastung für die Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums als geringer einzuschätzen ist als die Arbeitsbelastung für die Lehrtätigkeit in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, der Gesamtschule oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 1978 - 2 C 20.76 -, ZBR 1978, 373 f. zur Gleichheitsgerechtigkeit einer ausschließlich Gymnasiallehrern gewährten, Grund- und Hauptschullehrern dagegen vorenthaltenen Verminderung der Pflichtstundenzahl bei zusätzlicher Übertragung von Ausbildungsaufgaben).

44

Der in der Qualifikationsphase (der gymnasialen Oberstufe) erreichbare formelle Abschluss besteht bei allen Schulformen übereinstimmend in der bestandenen Abiturprüfung (Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife), die insbesondere den Zugang zu allen Studiengängen an den Universitäten und Hochschulen vermittelt (vgl. § 5a Abs. 5a Satz 1 SchulG LSA - Gesamtschule -, § 6 Abs. 4 Satz 1 SchulG LSA - Gymnasium -, § 7 Abs. 1 SchulG LSA - Abendgymnasium -, § 7 Abs. 2 SchulG LSA - Kolleg -, § 9 Abs. 7 Satz 3 SchulG LSA - Berufliches Gymnasium -). Auch in den materiellen Ausbildungszielen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 21. September 1998, a. a. O. Rn. 8) treten keine Abweichungen zu Tage, aus denen wirklichkeitskonform auf eine unterschiedliche Arbeitsbelastung der Lehrkräfte geschlossen werden kann. So bestimmt § 7 Abs. 7 Satz 2 SchulG LSA, dass das Berufliche Gymnasium seinen Schülerinnen und Schülern eine vertiefte allgemeine Bildung mit berufsbezogenen Schwerpunkten vermittelt, die sie befähigt, ihren Bildungsweg an einer Hochschule fortzusetzen. Wenn demgegenüber etwa nach § 5a Abs. 2 SchulG LSA die Gesamtschule eine allgemeine und berufsorientierende Bildung vermittelt und den Schülerinnen und Schülern entsprechend ihren Leistungen und Neigungen eine Schwerpunktbildung ermöglicht, die sie befähigt, ihren Bildungsweg an einer Hochschule, in berufs- oder studienqualifizierenden Bildungsgängen fortzusetzen, und nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA das Gymnasium eine vertiefte allgemeine Bildung vermittelt, die befähigt, den Bildungsweg an einer Hochschule fortzusetzen oder auch eine vergleichbare berufliche Ausbildung aufzunehmen, so ist diesen schon sprachlich in wesentlichen Zielen gleichlautenden („vertiefte allgemeine Bildung“) Umschreibungen keine beachtliche Verschiedenartigkeit der materiellen Ausbildungsziele zu entnehmen. Soweit der Beklagte auf § 12 Abs. 5 Satz 1 der Oberstufenverordnung des Landes Sachsen-Anhalt verweist (entspricht § 12 Abs. 3 Satz 1 der älteren Verordnungsfassung), der zur Organisation des Unterrichts in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe vorgibt, dass die Halbjahreskurse eines Faches als Folgekurse aufeinander aufbauen und das Lernniveau der gymnasialen Oberstufe unter dem Aspekt einer „grundlegenden wissenschaftspropädeutischen Ausbildung“ repräsentieren, spricht nichts dafür, dass der Unterricht in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums nicht ebenfalls wissenschaftspropädeutisch angelegt sein, d. h. nicht auch - gleichermaßen - der Vorbereitung auf das wissenschaftliche Arbeiten an den Hochschulen dienen soll.

45

Dass eine Verschiedenartigkeit der einzelnen Unterrichtsfächer und konkreten Unterrichtsinhalte in der Qualifikationsphase die Arbeit der Lehrkräfte an den Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien erleichtert, macht auch der Beklagte nicht geltend. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, unterfallen auch die Fachgymnasien nach § 89 BbS-VO LSA weitgehend dem Geltungsbereich der Oberstufenverordnung des Landes Sachsen-Anhalt, die nach ihrem § 1 für die gymnasiale Oberstufe am Gymnasium, an der Gesamtschule und an der Gemeinschaftsschule gilt. Dass der Unterricht in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, der Gesamtschule oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs wegen einer spezifischen (stärkeren) Berufsorientiertheit des Unterrichts am Fachgymnasium/Beruflichen Gymnasium typischerweise höhere Anforderungen an die Lehrkräfte stellt, etwa in Bezug auf die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, die Tiefe der theoretischen Durchdringung der Unterrichtsmaterien oder die Qualität der Korrekturtätigkeiten, zeigt die Berufung nicht auf.

46

Es ist auch nicht feststellbar, dass die Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums regelmäßig unter „günstigeren“ tatsächlichen Rahmenbedingungen stattfindet als der Unterricht in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, der Gesamtschule oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs. Soweit der Beklagte vorträgt, die Schüler in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums seien durchschnittlich mindestens ein Jahr älter und damit „reifer und verständiger“ als die Schüler in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, wird schon nicht behauptet, dass ein solcher Altersunterschied auch im Vergleich zwischen den Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien und den in § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA - auch - genannten Gesamtschulen, Abendgymnasien und Kollegs besteht. Überdies kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass ein um rund ein Jahr höheres Durchschnittsalter in den Schuljahrgängen 11 bis 13 unter Ausblendung sonstiger Faktoren und Unterschiede in der Zusammensetzung der Schülerschaft geeignet ist, den Befund einer (signifikant) geringeren Arbeitsbelastung zu tragen. So räumt der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 23. Januar 2019 selbst ein, dass die berufsbildenden Schulen „in Bezug auf Vorbildung, Alter, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit“ über eine deutlich heterogenere Schülerschaft als Gymnasien verfügen, „so dass Maßnahmen der äußeren, insbesondere aber auch der inneren Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts zu ergreifen sind“ (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch NdsOVG, Urteil vom 31. Mai 2016, a. a. O. Rn. 87 f.).

47

Auch der Einwand des Beklagten, dass die Schüler am Fachgymnasium/Beruflichen Gymnasium die Qualifikationsphase erst „nach einer - im Verhältnis zu den allgemeinbildenden Gymnasien - zusätzlichen einjährigen Einführungsphase“ erreichen, überzeugt nicht. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Oberstufenverordnung des Landes Sachsen-Anhalt beginnt die gymnasiale Oberstufe (am Gymnasium, an der Gesamtschule und an der Gemeinschaftsschule) mit einer einjährigen Einführungsphase, die nach § 8 der Verordnung die für die Qualifikationsphase erforderlichen personalen, sozialen und fachlichen Kompetenzen gezielt fördern und die Schülerinnen und Schüler in die Arbeitsmethoden und Inhalte der Qualifikationsphase einführen sowie zu eigenverantwortlichen Wahl- und Differenzierungsentscheidungen befähigen soll (Satz 1) und die sich zunehmend an den Leistungsanforderungen der Qualifikationsphase orientiert (Satz 2). Dass Schüler des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums nach Absolvierung der Einführungsphase faktisch besser auf die besonderen Anforderungen der Qualifikationsphase vorbereitet sein sollen als die Schüler in der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, ist nicht einsichtig.

48

cc) Auch sonst liegen keine Umstände vor, die plausibel erscheinen lassen, dass die Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, der Gesamtschule oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs eine höhere Belastung mit sich bringt als in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums. Das Anliegen des Beklagten, eine Privilegierung der in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums unterrichtenden Lehrkräfte innerhalb der Gruppe der an den berufsbildenden Schulen beschäftigten Lehrkräfte zu vermeiden, geht an dem nach dem Sachzusammenhang gebotenen Vergleich der Arbeitsbelastung zwischen den hier zu betrachtenden Lehrkräftegruppen (Fachgymnasium/Berufliches Gymnasium hier, Gymnasium, Gesamtschule, Abendgymnasium, Kolleg dort) vorbei. Davon abgesehen ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb an Gymnasien, Gesamtschulen, Abendgymnasien und Kollegs eine (gestaffelte) „Herauslösung“ jener Lehrkräfte, die in erheblichem Umfang in der Qualifikationsphase unterrichten, zulässig, an berufsbildenden Schulen jedoch nicht hinnehmbar sein soll. Dies gilt zumal im Hinblick darauf, dass sich die Entlastung in der Unterrichtsverpflichtung nach § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA lediglich auf eine, allenfalls zwei Unterrichtsstunden wöchentlich beläuft und auch für Lehrkräfte der Fachpraxis nach
§ 3 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. ArbZVO-Lehr LSA eine abweichende Regelstundenzahl (von 27 Unterrichtsstunden) festgesetzt ist.

49

Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass wegen der kurzen Ausbildungsgänge mit einer Dauer von in der Regel drei Jahren „praktisch alle Berufsschullehrer regelmäßig in die Prüfungsvorbereitung, die Tätigkeit von Ausschüssen, die Erstellung von Prüfungsaufgaben sowie deren Korrektur eingebunden“ und diese prüfungsbezogenen Tätigkeiten in die Bemessung der Regelstundenzahl eingeflossen seien, stellt er damit nur auf einen von den Lehrkräften an den berufsbildenden Schulen schulformunabhängig gleichermaßen wahrzunehmenden Aufgabentypus ab. Von diesen prüfungsbezogenen Tätigkeiten, die in ihren Anforderungen an die Lehrkräfte der Abiturprüfung qualitativ nicht gleichgesetzt werden können, sind danach auch die in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums unterrichtenden Lehrkräfte nicht ausgenommen. Warum die erhöhten Anforderungen an die Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase, die sich ohnehin nicht in unmittelbar prüfungsbezogenen Tätigkeiten erschöpfen und deren Berücksichtigung der Verordnungsgeber durch § 9 ArbZVO-Lehr LSA ermöglichen will, zwar für die Lehrkräfte an den Gymnasien, Gesamtschulen, Abendgymnasien und Kollegs, nicht indes auch für die Lehrkräfte an den Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien eine die Verminderung der Regelstundenzahl rechtfertigende Belastung darstellen soll, wird nicht dargetan. Wie bereits angeführt, gibt es keinen Anhalt dafür, dass der Verordnungsgeber die „Grundbelastung“ für den Unterricht an den Gymnasien, Gesamtschulen, Abendgymnasien und Kollegs höher bewertet hat als für die Lehrkräfte an den berufsbildenden Schulen einschließlich der Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien und dass er dem besonderen Aufwand für den Unterricht in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums schon dadurch Rechnung getragen hat, dass er für die berufsbildenden Schulen unter Inkaufnahme von Unterauslastungen eine eigentlich höher veranschlagte Regelstundenzahl (etwa 27) auf 25 Unterrichtsstunden reduziert hat.

50

Soweit der Beklagte die im Berufsvorbereitungsjahr (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 5 SchulG LSA, §§ 1 f. BVJ-VO LSA) eingesetzten Lehrkräfte physisch und psychisch stärker belastet sieht als die Lehrkräfte am Fachgymnasium/Beruflichen Gymnasium, kann auch darin keine sachliche Rechtfertigung für deren Schlechterstellung gegenüber den Lehrkräften an Gymnasien, Gesamtschulen, Abendgymnasien und Kollegs liegen. Im Übrigen ist insoweit eine Anwendung des § 10 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA nicht ausgeschlossen.

51

c) Begründet die Beschränkung der Verpflichtung, für Unterricht in der Qualifikationsphase Anrechnungen auf die Regelstundenzahl zu gewähren, auf die an Gymnasien, Gesamtschulen, Abendgymnasien und Kollegs tätigen Lehrkräfte hiernach einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, folgt daraus allerdings nicht ohne Weiteres, dass auch die Klägerin unter der Voraussetzung, dass sie in den Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019 mindestens acht oder mindestens 16 Wochenstunden in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums Unterricht erteilt hat, eine oder zwei Anrechnungsstunden erhalten müsste.

52

Grundsätzlich können die Fachgerichte, wenn eine gesetzliche Regelung unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz eine Personengruppe benachteiligt, die Gleichheit nicht dadurch herstellen, dass sie selbst diese Gruppe in die begünstigende Regelung einbeziehen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn mit Sicherheit angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber, hätte er den Verfassungsverstoß erkannt, die Regelung auf alle zu berücksichtigenden Gruppen erstreckt haben würde, oder wenn es verfassungsrechtlich geboten ist, den Verstoß gerade auf diese Weise zu beseitigen. Vergleichbares gilt für Rechtsverordnungen als Akte der Verwaltung. Bei einer gleichheitswidrigen Rechtsverordnung kommt eine gerichtliche Ausweitung der Begünstigung daher dann in Betracht, wenn das normative Ermessen des Verordnungsgebers rechtmäßig nur in diesem Sinne ausgeübt werden könnte oder wenn sich mit Sicherheit annehmen lässt, dass der Verordnungsgeber den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots gerade in diesem Sinne Rechnung tragen würde. Weil Rechtsverordnungen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen, findet die fachgerichtliche Zurückhaltung gegenüber der der Verwaltung vorbehaltenen gestalterischen Ermessensfreiheit im Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) eine zusätzliche Grenze (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Oktober 1996 - 3 C 29.96 -, juris Rn. 36, und vom 25. Juli 2007 - 3 C 10.06 -, juris Rn. 30 ff.; SächsOVG, Urteil vom 28. November 2017 - 2 A 60/16 -, juris Rn. 34).

53

Dass im gegebenen Fall der Verordnungsgeber in der Erkenntnis des Verfassungsverstoßes sein normatives Ermessen dahin ausgeübt hätte, dass er den Anwendungsbereich des § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA auf die Lehrkräfte an den Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien erstreckt hätte, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden. Ausweislich der Verordnungsmaterialien hat der Verordnungsgeber eine derartige Ausweitung nicht nur für unerwünscht, sondern sogar für rechtlich unzulässig gehalten. Es ist deshalb möglich, dass er auf die Anrechnungsregelung wegen Unterrichts in der Qualifikationsphase vollständig verzichtet oder die Zuerkennung von Anrechnungsstunden zumindest stärker eingeschränkt hätte. In diese Richtung weist auch die Mitteilung des Beklagten, dass derzeit im Rahmen einer Überprüfung der Verordnung überlegt werde, § 9 ArbZVO-Lehr LSA ganz zu streichen.

54

Der Gleichheitsverstoß kann auch - für die Zukunft - nicht nur in der Weise behoben werden, dass die Lehrkräfte an den Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien in den Tatbestand des § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA einbezogen werden. Zwar ist anerkannt, dass die unmittelbar zur Abiturprüfung führende Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase einen im Vergleich zu anderem schulischen Unterricht höheren Zeit- und Arbeitsaufwand bedingt, der unter dem Blickwinkel sachgerechter Differenzierung eine Absenkung der Unterrichtsverpflichtung für die betreffenden Lehrkräfte gestattet (vgl. SaarlOVG, Urteil vom 13. Januar 2003 - 1 N 2/02 -, juris Rn. 119 m. w. N.). Angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Verordnungsgebers ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Gleichheitssatz eine solche, an das Kriterium „Unterricht in der Qualifikationsphase“ anknüpfende unterschiedliche Bemessung der Unterrichtsverpflichtung gebietet und es also verbietet, die Unterrichtsverpflichtung für die Lehrkräfte an den Gymnasien, Gesamtschulen, Abendgymnasien, Kollegs und Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien schuljahrgangsunabhängig auf dieselbe Stundenzahl festzusetzen. Jedenfalls aber besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Verordnungsgebers, der Mehrbelastung der Lehrkräfte durch die Unterrichtserteilung in der Qualifikationsphase in dem in § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA bestimmten Umfang von einer Anrechnungsstunde bei mindestens acht Wochenstunden Unterricht und von zwei Anrechnungsstunden bei mindestens 16 Wochenstunden Unterricht Rechnung zu tragen. Insbesondere steht es ihm frei, die Kürzung der Regelstundenzahl (Gewährung von Anrechnungen) in diesem Bereich insgesamt restriktiver zu regeln.

55

Für die beiden vorliegend streitgegenständlichen Schuljahre ergibt sich eine andere Beurteilung indes im Hinblick darauf, dass das Schuljahr 2017/2018 abgeschlossen und das Schuljahr 2018/2019 nahezu abgeschlossen ist (vgl. § 23 Abs. 1 SchulG LSA). Denn angesichts der verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Rechtssicherheit und des gebotenen Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) für die von § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA begünstigten Lehrkräfte ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber die Unterrichtsverpflichtung dieser Lehrkräfte nicht durch eine Streichung oder Reduzierung der Anrechnungsstunden rückwirkend erhöhen, sondern sein Gestaltungsermessen im Sinne einer Ausweitung der Begünstigung auf die Lehrkräfte an den Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien ausüben würde. Sowohl aus rechtlichen Erwägungen als auch zur Vermeidung praktischer Schwierigkeiten würde sich dem Verordnungsgeber demnach eine Einbeziehung der Lehrkräfte an den Fachgymnasien/Beruflichen Gymnasien in die Begünstigungsvorschrift aufdrängen.

56

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2, § 155 Abs. 2 VwGO.

57

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

58

5. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2, § 191 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG, § 127 BRRG liegen nicht vor.


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