Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 L 14/12

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt ab 1. August 2010 die Auszahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 in voller Höhe.

2

Er steht als Beamter im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt und ist als Polizeioberkommissar bei der Polizeidirektion (...), Polizeirevier (...) tätig. Mit Veränderungsanzeige vom 14. Juli 2010 zeigte er der Beklagten an, dass er seit 3. Juni 2010 geschieden, seine geschiedene Frau im öffentlichen Dienst vollbeschäftigt tätig sei und Familienzuschlag erhalte und die gemeinsame, am 14. November 2004 geborene Tochter (...) seit dem Tag der Trennung am 1. März 2008 im wöchentlichen Wechsel bei seiner geschiedenen Ehefrau und in seinem Haushalt lebe.

3

Mit Bescheid vom 28. Juli 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er ab 1. August 2010 keinen Anspruch auf Familienzuschlag der Stufe 1 habe, weil er seiner früheren Ehefrau gegenüber nicht mit einem Unterhalt aus der Ehe von mindestens des Betrages der Stufe 1 des Familienzuschlages verpflichtet sei.

4

Mit Schreiben vom 30. Juli 2010 verwies der Kläger erneut auf die - im wöchentlichen Wechsel mit der Kindesmutter - in seine Wohnung aufgenommene Tochter und beantragte aus diesem Grunde die Zahlung des Familienzuschlages. Daraufhin erließ die Beklagte unter dem 11. August 2010 einen Bescheid, wonach dem Kläger ab 1. August 2010 der Familienzuschlag Stufe 1 anteilig zustehe und hob zugleich ihren Bescheid vom 28. Juli 2010 ab 1. August 2010 auf. Die Beklagte ging dabei davon aus, dass der Kläger seine Tochter (...) nicht nur vorübergehend in seine Wohnung aufgenommen habe und ihrem Unterhaltsbedarf ab 1. März 2010 in Höhe des sechsfachen Betrages der Stufe 1 von 677,52 € anrechenbare Mittel in Form von Kindergeld in Höhe von 184,00 € und des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlages in Höhe von 96,59 €, mithin ein Betrag von 280,59 € gegenüber stünden. Wegen einer weiteren anspruchsberechtigten Person werde der Zuschlag anteilig gewährt.

5

Mit Schreiben vom 12. August 2010 legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte die Gewährung des Familienzuschlages der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG in voller Höhe. Zur Begründung berief er sich darauf, dass in seiner Wohnung keine weitere Person wohne, die auf Grund der Aufnahme seines Kindes ebenfalls für den Familienzuschlag der Stufe 1 anspruchsberechtigt sei.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2010, dem Kläger zugestellt am 15. Oktober 2010, wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil die geschiedene Ehefrau des Klägers und Kindesmutter als Beamtin im öffentlichen Dienst tätig und ebenfalls anspruchsberechtigt sei. Da höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, welche besoldungsrechtlichen Folgen die wechselseitige Aufnahme eines Kindes in die beiden Haushalte seiner alleinstehenden Eltern habe, werde ausgehend von dem Grundgedanken des § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG, dass der Familienzuschlag der Stufe 1 nur einmal gezahlt werde, bis zu einer gesetzlichen Regelung in diesen Fällen § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG sinngemäß angewandt. Demgemäß stehe dem Kläger ab 1. August 2010 der Familienzuschlag der Stufe 1 zur Hälfte zu.

7

Am 15. November 2010 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, das gemeinsame Kind lebe im wöchentlichen Wechsel, nach dem sogenannten strengen Wechselmodel, abwechselnd bei ihm und bei der Kindesmutter. Beide Elternteile lebten in Wanzleben, wo das Kind auch die Grundschule besuche. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung des Familienzuschlages setze eine gemeinsam bewohnte Wohnung mit dem weiteren Anspruchberechtigten voraus, was hier nicht der Fall sei. Der Gesetzgeber habe eine kostenbezogene Betrachtungsweise eingenommen; zudem erfolge - selbst bei einer gemeinsamen Wohnung - keine Kürzung des Zuschlages, wenn einer der Anspruchsberechtigten Angestellter im öffentlichen Dienst sei. Werde - wie hier - das Kind in zwei Wohnungen aufgenommen, begründe dies bei jedem Elternteil einen höheren Wohn- und Alimentationsbedarf und rechtfertige die Gewährung des Zuschlags in voller Höhe.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

die Beklagte unter entsprechender Teilaufhebung ihres Bescheides vom 11. August 2010 sowie des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2010 zu verpflichten, dem Kläger den Familienzuschlag der Stufe 1 ab 1. August 2010 in voller Höhe zu gewähren.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Sie hält ihre Bescheide für rechtens, weil der Familienzuschlag nur einmal gezahlt werden könne. Er beziehe sich auch nicht auf Wohnungskosten, sondern solle den unterhaltsbedingten Mehrbedarf abdecken. Das hier bestehende Wechselmodel führe nicht zu einer Verdoppelung der Unterhaltskosten, weil der Kläger Unterhaltsmehrbedarf, z. B. Lebenshaltungskosten für das Kind, einspare, wenn sich das Kind bei der Mutter aufhalte.

13

Mit Urteil vom 10. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

14

Die zulässige Verpflichtungsklage sei begründet. Für den Zeitraum vom 1. August 2010 bis 31. März 2011 stehe dem Kläger der Familienzuschlag der Stufe 1 gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG und ab 1. April 2011 gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 LBesG LSA in voller Höhe zu. Das Besoldungsgesetz regele den hier gegebenen Fall nicht, dass ein Kind bei jedem Elternteil gleichwertige Aufnahme in dessen Haushalt finde. (Auch) die Wohnung des Klägers sei für das Kind zum Mittelpunkt der Lebensbeziehung im Sinne des § 7 BGB geworden. Vater und Kind hätten eine häusliche Gemeinschaft gebildet. Auf Grund der zeitlich genau hälftigen Teilung des Lebensmittelpunktes habe das Kind keinen schwerpunktmäßigen, sondern zwei Lebensmittelpunkte. Das Tatbestandmerkmal der „nicht nur vorübergehenden Aufnahme in die Wohnung“ des Berechtigten setze nicht voraus, dass dies zeitlich mehr als 50 % sein müssten. Angesichts der Notwendigkeit einen doppelten Lebensmittelpunkt für ein Schulkind zu plausibilisieren, ziehe dies kein „Massenphänomen“ doppelter Zahlung von Familienzuschlag nach sich. Die wechselseitige Aufnahme des Kindes in den Haushalt beider Eltern bedinge nicht nur die doppelte Vorhaltung von Wohnraum, sondern auch von Ausstattungsgegenständen. Auch der Verbrauch von Lebensmitteln lasse sich nicht in gleicher Weise wirtschaftlich kalkulieren, als wenn das Kind in nur einem Haushalt dauerhaft versorgt werde. Zudem sei der Familienzuschlag nicht geeignet, den vollen Lebensbedarf des Kindes abzudecken. Die Alimentierung sei insoweit mit Generalisierungen und Pauschalierungen verbunden. Mangels gesetzlicher Grundlage komme eine flexible Festsetzung des Familienzuschlages nicht in Betracht.

15

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im angefochtenen Urteil, das der Beklagten am 2. Februar 2012 zugestellt wurde, zugelassen.

16

Am 10. Februar 2012 hat die Beklagte beim Verwaltungsgericht Magdeburg Berufung eingelegt, die sie mit am 19. März 2012 beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingegangenen Schriftsatz vom 16. März 2012 wie folgt begründet:

17

Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene analoge Anwendung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG bzw. des § 38 Abs. 2 Satz 2 LBesG LSA auf den Fall der gleichwertigen Aufnahme eines Kindes in zwei Wohnungen widerspreche dem besoldungsrechtlichen Grundsatz, wonach die Besoldung des Beamten durch Gesetz geregelt werde. Das Verwaltungsgericht stelle im angefochtenen Urteil indes ausdrücklich fest, dass der vorliegende Fall durch das Gesetz nicht geregelt sei. Für das Besoldungsrecht bestehe ein Analogieverbot. Zudem entspreche es ausweislich der Entstehungsgeschichte zum Landesbesoldungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt dem ausdrücklichen Willen des Landesgesetzgebers, dass der Familienzuschlag nur einmal gezahlt und bei mehreren Anspruchberechtigten die Leistung anteilig erbracht werde. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Beschluss vom 25. August 2008 (- 2 B 104.07 -, juris) in Bezug auf die Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 4 BBesG ausdrücklich festgestellt, dass der ehegattenbezogene Besoldungs- bzw. Vergütungsanteil Ehegatten, die beide im öffentlichen Dienst seien, insgesamt nur einmal gewährt werde. Auch die Konkurrenzregelung in Bezug auf den Zuschlag der Stufe 2 und höher (§§ 40 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BBesG) zeige, dass im Familienzuschlagssystem durchgängig nur eine einmalige Zahlung vorgesehen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Beschluss vom 8. Juni 2011 (- 2 B 76.11 -, juris) auch für den kindergeldbezogenen Familienzuschlag im Sinne des § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG festgestellt, dass die Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 5 Satz 1 BBesG eine doppelte Deckung desselben Bedarfs aus öffentlichen Kassen verhindern solle. Soweit § 6 Abs. 1 LBesG LSA bei Teilzeitbeschäftigung eine entsprechende Kürzung der Besoldung vorsehe, zu der auch der Familienzuschlag gehöre, weise dies ebenfalls darauf hin, dass Zielrichtung des Familienzuschlages nicht die konkrete Aufwandsentschädigung für den Bedarf des Kindes, sondern ein Alimentationsbestandteil sei. Insofern stelle das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf den erhöhten Bedarf des Kindes ab.

18

Die Gewährung eines doppelten Familienzuschlages rechtfertige sich auch nicht, wenn man die Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichtes als Gesetzesauslegung statt Analogie werte. Nach der Natur des Besoldungsrechtes seien der ausdehnenden Auslegung des Anwendungsbereiches einer Norm enge Grenzen gezogen. Im Besoldungsrecht komme dem Wortlaut der Norm gesteigerte Bedeutung für die Auslegung zu. Eine ausdehnende Auslegung im Sinne des erstinstanzlichen Urteils entspreche nicht dem objektiven Willen des Gesetzgebers, dass der Familienzuschlag insgesamt nur einmal gezahlt werden solle. Letzteres hätte vielmehr eine teleologische Reduktion der Norm erfordert.

19

Ein zweifacher Lebensmittelpunkt eines Kindes begründe nicht das doppelte Entstehen der vollen Aufwendungen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung verbleibe allenfalls ein Teil der Ausstattung sowie der Kleidung und des Spielzeugs „ortsfest“ in den Wohnungen. Viele Stücke, wie z. B. Schul-, Sportsachen, Lieblingskleider, -spielzeuge und -bücher würden hin und her transportiert. Vorgehaltene Lebensmittel seien zudem oftmals so lange haltbar oder portionierbar, dass sie auch über die Wochenintervalle hinweg verwendbar blieben. Soweit organisatorisch verursachte Defizite zu mehr Aufwendungen führten, rechtfertige dies keinen doppelten Familienzuschlag. Das Verwaltungsgericht widerspreche sich zudem selbst, wenn es einerseits auf den Generalisierungs- und Pauschalierungscharakter des Familienzuschlages verweise und andererseits eine Doppelgewährung in dem vorliegenden besonderen Einzelfall für geboten erachte. Auf die konkreten Aufwendungen des Klägers komme es deshalb nicht entscheidungserheblich an.

20

Eine doppelte Gewährung des Familienzuschlages stelle zudem eine nach Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigte Privilegierung des Kindes im vorliegenden Fall gegenüber Kindern dar, die in ihren Familien lebten und die den Zuschlag nur einmal erhielten. Der Familienzuschlag diene der besonderen Förderung der Ehe; die Bevorzugung einer speziellen Sonderkonstellation im Scheidungsfall gegenüber „klassisch“ ehelichen Lebensverhältnissen sei mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar und verstoße gegen den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG.

21

Es träfe auch nicht zu, dass dem Kind des Klägers Mittel zur Bestreitung des Unterhaltes im Sinne von § 38 Abs. 2 Satz 2 LBesG LSA nicht zur Verfügung stünden, weil die Kindesmutter von ihrer Dienststelle einen hälftigen Familienzuschlag der Stufe 1 erhalte.

22

Die Beklagte beantragt,

23

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 10. Januar 2012 die Klage abzuweisen.

24

Der Kläger beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Er trägt vor, das Verwaltungsgericht habe die als Rechtsgrundlage herangezogene Norm des § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG bzw. § 38 Abs. 2 Satz 2 LBesG LSA nicht „analog“, sondern direkt gemäß ihrem Wortlaut angewandt und damit dem Gesetzesgrundsatz der § 2 Abs. 1 BBesG, § 2 Abs. 1 Satz 1 LBesG LSA Rechnung getragen. Dagegen finde die von der Beklagten vorgenommene Kürzung des gesetzlich vorgesehenen Familienzuschlages keine gesetzliche Grundlage, weil die insoweit in Betracht kommende Norm an eine von den Zuschlagsberechtigten gemeinsam bewohnte Wohnung anknüpfe, was unstreitig nicht gegeben sei. Die Gewährung des vollen Familienzuschlages sei die Regel, die Gewährung eines bloßen Anteils dagegen eine Ausnahme. Abgesehen von der zwingend erforderlichen gesetzlichen Regelung des Familienzuschlages seien Ausnahmen eng auszulegen und einer analogen Anwendung im Sinne der Beklagten nicht zugängig. Soweit sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, dass der Landesgesetzgeber von einer nur einmaligen Zahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 ausgegangen sei, habe dies bereits im Gesetzesentwurf im Kontext mit dem Tatbestandsmerkmal der „gemeinsam bewohnten Wohnung“ gestanden. Auch dass der Zuschlag der Stufe 1 an die Unterhaltsbedürftigkeit der aufgenommenen Person anknüpfe, zeige, dass es Ziel des Zuschlages sei, dem erhöhten Bedarf, der mit der Wohnungsaufnahme eines Unterhaltsberechtigten verbunden sei, Rechnung zu tragen. Aus der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. September 2008 (- 2 B 104.07 -) könne die Beklagte nichts zu ihren Gunsten herleiten, weil dort - im Gegensatz zum vorliegenden Fall - die gesetzlichen Voraussetzungen für eine anteilige Gewährung vorgelegen hätten. Im Übrigen habe das Bundesverwaltungsgericht auf die Maßgeblichkeit des Wortlauts der Norm verwiesen. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht gegeben, weil sich auf Grund der Unterbringung und Versorgung des Kindes in zwei Haushalten höhere Aufwendungen und damit ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Handhabung gegenüber einem „klassischen“ ehelichen Lebensverhältnis ergäben. Der hälftige Familienzuschlag der Mutter sei kein Mittel des Kindes zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Im Übrigen hätte es insoweit einer Tatbestandsberichtigung bedurft, für die mittlerweile die Frist abgelaufen sei.

27

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte A und B) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 10. Januar 2012 gerichtete Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet.

29

Dem Kläger steht ab 1. August 2010 der Familienzuschlag der Stufe 1 in voller Höhe zu. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. August 2010 und ihr Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2010 sind rechtswidrig, soweit darin der Familienzuschlag der Stufe 1 um die Hälfte gekürzt wird. Dies verletzt den Kläger in seinen Rechten, weshalb die angefochtenen Bescheide insoweit (teilweise) aufzuheben waren.

30

Die Klage wurde zulässig erhoben. Richtige Klageart ist im vorliegenden Verfahren allerdings nicht die Verpflichtungsklage, sondern die allgemeine Leistungsklage. Denn der Anspruch auf Familienzuschlag der Stufe 1 folgt unmittelbar aus dem (Besoldungs)Gesetz. Einer Entscheidung der Beklagten über die Gewährung des Familienzuschlages durch Verwaltungsakt bedarf es nicht. Weitere Besonderheiten des gerichtlichen Verfahrens ergeben sich hieraus jedoch nicht. Denn gemäß §§ 1, 54 Abs. 2 BeamtStG i. V. m. § 8a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AG VwGO LSA ist auch bei einer allgemeinen Leistungsklage ein Vorverfahren durchzuführen. Die Teilaufhebung der angefochtenen Bescheide stellt sich in diesem Zusammenhang als unselbständiger Annex des mit der Klage verfolgten Zahlungsbegehrens dar und dient der Rechtsklarheit. Der Senat ist gemäß § 88 VwGO nicht an die Fassung der Anträge gebunden, sondern hat vielmehr das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.05.1980 - 2 C 30.78 -, juris). Dieses ist hier auf Zahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 in voller Höhe gerichtet. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger dieses Klageziel nur im Wege einer Verpflichtungsklage verfolgen will. Das Rubrum war dementsprechend ohne Weiteres dahingehend zu berichtigen, dass sich die Leistungsklage gegen das Land Sachsen-Anhalt richtet (vgl. §§ 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, 8 AG VwGO LSA).

31

Die Klage ist auch begründet.

32

Rechtsgrundlage für das Klagebegehren im Zeitraum 1. August 2010 bis 31. März 2011 ist § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG in der am 31. August 2006 gültigen Fassung (BGBl. I 2002, 3020 - a. F. -) i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 1 LBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2005 (GVBl. LSA S. 108), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 25. Juli 2007 (GVBl. LSA, S. 236). Seit 1. April 2011 richtet sich die Zahlung des Familienzuschlages nach § 38 LBesG LSA in der Fassung vom 8. Februar 2011 (GVBl. LSA, S. 68).

33

Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F. gehören zur Stufe 1 des Familienzuschlages andere, d. h. nicht unter § 40 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BBesG a. F. fallende Beamte, Richter und Soldaten, die eine andere Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben und ihr Unterhalt gewähren, weil sie gesetzlich oder sittlich dazu verpflichtet sind oder aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen.

34

Die Tatbestandsalternativen des § 40 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BBesG a. F. erfüllt der Kläger nicht, weil er im streitgegenständlichen Zeitraum weder verheiratet (Nr. 1), noch verwitwet (Nr. 2), noch geschieden mit Unterhaltsverpflichtung aus der Ehe (Nr. 3) war. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Als Beamter kann er sich danach nur auf die Tatbestandsalternative des § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG a. F. stützen.

35

Mit der Aufnahme seiner Tochter in seinen Haushalt hat der Kläger eine andere Person „nicht nur vorübergehend“ in seine Wohnung aufgenommen. Nicht nur vorübergehend in die Wohnung aufgenommen ist eine andere Person, wenn die Wohnung auch für den Aufgenommenen zum Mittelpunkt der Lebensbeziehung im Sinne des § 7 BGB wird und es hierdurch zur Bildung einer häuslichen Gemeinschaft kommt. Die Formulierung „nicht nur vorübergehend“ gibt keinen Anhaltspunkt für den Schluss, dass dies zeitlich mehr als 50 vom Hundert sein müsste (so BVerwG, Beschl. v. 12.12.1990 - 2 B 116.90 -, juris). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger seit 1. August 2010 mit der Aufnahme seiner Tochter (...) in seine Wohnung. Ausweislich des in Ablichtung vorliegenden Auszugs der notariell beurkundeten Vereinbarung vom 14. April 2009 (UR 579/2009, Bl. 265 ff. der Beiakte B) haben der Kläger und seine damalige Ehefrau und Kindesmutter sich auf ein gemeinsames Sorgerecht für die Tochter geeinigt und bestimmt:

36

„Der Aufenthalt soll im wöchentlichen Wechsel bei der Kindesmutter in den ungeraden Wochen bzw. dem Kindesvater in den geraden Wochen erfolgen. Der wöchentliche Wechsel wird durch uns bereits seit dem 1. März 2008 erfolgreich praktiziert. Der Kindesunterhalt wird durch die Betreuung und damit verbundenen Sach- und Arbeitsleistungen erbracht.“

37

Der Kläger praktiziert mit der wöchentlich wechselnden Aufnahme seiner Tochter das sogenannte Wechselmodell für Alleinerziehende, bei dem ein Kind (annähernd) gleichwertig in die beiden Haushalte seiner alleinstehenden Eltern aufgenommen wird (vgl. BFH, Urt. v. 28.04.2010 - III R 79/08 -, juris). Seine Tochter lebt zu 50 v. Hundert in seinem Haushalt, was für die Annahme der nicht nur vorübergehenden Aufnahme in die Wohnung des Klägers genügt (BVerwG, Beschl. v. 12.12.1990, a. a. O.). Auf Grund der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechtes und der Erbringung des Kindesunterhaltes im Zeitraum der Aufnahme in den klägerischen Haushalt durch Betreuung und damit verbundene Sach- und Arbeitsleistungen besteht auch kein Anlass, an einem gemeinsamen Wirtschaften von Vater und Tochter und damit an der Bildung einer häuslichen Gemeinschaft zu zweifeln. Zudem erklärt der Kläger und belegt es durch die Meldebestätigung der Stadt A-Stadt vom 30. Juli 2010, dass seine Tochter unter seiner Wohnanschrift (ausschließlich) gemeldet ist. Steuerrechtlich rechtfertigt letzteres bereits die Annahme der Haushaltszugehörigkeit (vgl. § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG). Hinzu kommt nach den - insoweit von der Beklagten auch nicht bestrittenen Feststellung des Verwaltungsgerichtes -, dass Eltern und Kind nur wenige hundert Meter von einander in derselben Stadt leben und das Kind dort auch beschult wird. Bei dieser Sachlage ergibt sich kein Anhalt für die Annahme, dass die Wohnung des Klägers für seine Tochter nicht zum Mittelpunkt der Lebensbeziehung im Sinne des § 7 BGB geworden sein könnte.

38

Der Kläger gewährt seiner aufgenommenen Tochter auch Unterhalt in Form von Betreuung und Sach-/Arbeitsleistungen auf Grund der gesetzlichen Unterhaltspflicht gemäß §§ 1601, 1612 Abs. 2 BGB. Der hiernach begründete Anspruch des Klägers auf Familienzuschlag der Stufe 1 ist nicht gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BBesG a. F. entfallen, denn für ein Überschreiten der Eigenmittelgrenze im vorgenannten Sinne ergibt sich kein Anhalt. Ausweislich der dem Ausgangsbescheid vom 11. August 2010 beigefügten Berechnung belief sich der sechsfache Betrag der Stufe 1 ab 1. März 2010 auf 677,52 €. Kindergeld und kinderbezogener Teil des Familienzuschlages betrugen ab 1. August 2010 insgesamt 280,59 €. Selbst wenn der letztgenannte Betrag noch - wie die Beklagte vorträgt - um den der Kindesmutter gezahlten hälftigen Familienzuschlag erhöht würde, wäre damit der sechsfache Betrag der Stufe 1 nicht überschritten.

39

Die von der Beklagten auf die Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F. gestützte Kürzung des Familienzuschlages der Stufe 1 ist nicht gerechtfertigt. Diese Regelung ist vorliegend nicht einschlägig, weil sie die Tatbestandsvoraussetzung enthält, dass die andere(n) Person(en) - hier die gemeinsame Tochter - in die von mehreren Anspruchsberechtigten im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F. gemeinsam bewohnte Wohnung Aufnahme gefunden hat (vgl. Schwegmann/Summer, BBesG, Bd. III, Stand Juni 2008, § 40 BBesG II/1, Rdnr. 9 u, 9 v; Fürst, GKÖD, Bd. III, Lfg. 1/12 bis I.12, K § 40 Rdnr. 41; Clemens/Millack, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Bd. II, Stand März 2002, § 40 BBesG, Anm. 5.2, S. 24). Eine gemeinsame Wohnung des anspruchberechtigten Klägers und - in diesem Fall - der anspruchsberechtigten Kindesmutter besteht indes nicht; ebenso wenig ergeben sich Anhaltspunkte für sonstige anspruchsrelevante Mitbewohner des Klägers. Der Senat sieht auch keine Möglichkeit, die sich an einer Wohngemeinschaft mehrerer Anspruchsberechtigter orientierende Kürzungsvorschrift in einer Weise auszulegen, dass damit auch ihr Gegenteil - nämlich mehrere in separaten Wohnungen lebende Anspruchsberechtigte - erfasst würde.

40

Die Kürzung des dem Kläger gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F. zustehenden Familienzuschlages der Stufe 1 rechtfertigt sich auch nicht auf Grund einer analogen Anwendung der Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F.

41

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes geklärt, dass Besoldungsleistungen dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen und demzufolge Besoldungsansprüche grundsätzlich nicht auf eine analoge Anwendung besoldungsrechtlicher Vorschriften gestützt werden können. Eine analoge Anwendung besoldungsrechtlicher Vorschriften widerspricht bereits dem Wesen des Besoldungsrechts, das den Kreis der Anspruchsberechtigten und die einzelnen Ansprüche nach Grund und Höhe durch formelle und zwingende Vorschriften kasuistischen Inhalts festlegt. Regelungen dieser Art sind nach dem darin erkennbaren Willen des Gesetzgebers einer ausdehnenden Auslegung und Ergänzung durch allgemeine Grundsätze nicht zugänglich. Es ist außerdem geklärt, dass von dem durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verbürgten Prinzip der Gesetzesbindung der Besoldung (§ 2 Abs. 1 BBesG) nur ausnahmsweise abgewichen werden kann. Nur bei einer planwidrigen sachlichen Lücke im Beamtenbesoldungsrecht kann eine dem Willen des Gesetzes folgende entsprechende Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen in Betracht kommen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2007 - 2 B 35.07 -, juris, m. w. N.; Urt. v. 26.01.2006 - 2 C 43.04 -, juris).

42

Hieran gemessen liegen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Kürzungsregelung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F. nicht vor.

43

Zunächst ist dabei zu berücksichtigen, dass dies zu einer - regelmäßig nicht zulässigen - extensiven Auslegung und Ergänzung einer Ausnahmevorschrift zum Regeltatbestand des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F. führen und dem Kläger einen Anspruch vorenthalten würde, ohne dass sich dies auf eine unmittelbare gesetzliche Grundlage stützen kann. Auch blieben die differenzierenden kasuistischen Regelungen des § 40 BBesG a. F. unbeachtet, die Ausdruck des Gesetzesvorbehaltes im Besoldungsrecht sind. Eine analoge Anwendung hätte zur Folge, dass ein vom Gesetzgeber vorgegebenes Tatbestandsmerkmal keine Anwendung mehr findet; es käme auf die gemeinsame Wohnunterkunft mehrerer Anspruchsberechtigter nicht mehr entscheidend an. Dies stünde im Widerspruch zum Wortlaut der Norm und dem sich darin manifestierenden erkennbaren Willen des Gesetzgebers, die Kürzung an bestimmte tatsächliche Vorgaben, hier die gemeinsame Wohnung der betroffenen Anspruchsberechtigten zu knüpfen und den Anspruch nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F. gerade nicht generell einer Kürzung zu unterwerfen.

44

Es ist auch nicht ersichtlich, dass hier gewichtige Gründe bestehen, von dem durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verbürgten Prinzip der Gesetzesbindung der Besoldung ausnahmsweise abzuweichen. Der Verweis der Beklagten auf eine verfassungswidrige Begünstigung des Klägers gegenüber „klassisch“ ehelichen Lebensverhältnissen, d. h. gegenüber Familien, die den Zuschlag (insgesamt) nur einmal erhalten, greift nicht durch. Der Senat sieht weder Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

45

Das Grundgesetz stellt in Art. 6 Abs. 1 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Damit garantiert die Verfassung nicht nur das Institut der Ehe, sondern gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familien betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung. Die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut erfährt durch Art. 6 Abs. 1 GG einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz. Um diesem Schutzauftrag genüge zu tun, ist es insbesondere Aufgabe des Staates, alles zu unterlassen, was die Ehe beschädigt oder sonst beeinträchtigt, und sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.06.2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris Rdnr. 65 m. w. N.).

46

Art. 6 Abs. 1 GG enthält auch einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen. Art. 6 Abs. 1 GG untersagt eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen, von Eltern gegenüber Kinderlosen sowie von ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften. Dieses Benachteiligungsverbot steht jeder belastenden Differenzierung entgegen, die an die Existenz einer Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) oder die Wahrnehmung des Elternrechts in ehelicher Erziehungsgemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG) anknüpft (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91 u. a. -, juris, Rdnr. 65 m. w. N.).

47

Es ist ferner zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Bereich der Beamtenbesoldung grundsätzlich einen weiten Spielraum politischen Ermessens besitzt, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen kann. Diese betrifft sowohl die Struktur als auch die Höhe der angemessenen Besoldung. Die Gerichte haben daher grundsätzlich nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Zu beanstanden ist nur die Überschreitung äußerster Grenzen, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen, solange dem Handeln des Besoldungsgesetzgebers nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.06.2012, a. a. O., Rdnr. 61).

48

Hieran gemessen verstößt die Kürzungsregelung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F. nicht gegen den durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Ehe und Familie, soweit sie eine Wohngemeinschaft der Anspruchsberechtigten voraussetzt. Die Zahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 wegen Aufnahme einer unterhaltsberechtigten Person gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F. an nicht zusammen wohnende Anspruchsberechtigte nach dieser Vorschrift unterscheidet sich wesentlich vom ehegattenbezogenen Familienzuschlag der Stufe 1 gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG a. F. Dem ehegattenbezogenen Teil des Familienzuschlages kommt eine „soziale, nämlich familienbezogene Ausgleichsfunktion“ zu, mit der im Interesse der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamten- und Richtertums zur Unabhängigkeit auch des verheirateten Bediensteten beigetragen werden soll. Soweit § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG a. F. verheirateten Beamten einen Anspruch auf Familienzuschlag der Stufe 1 gewährt, soll er faktischen Mehrbedarf verheirateter Beamter vor allem im Vergleich zu ledigen Beamten ausgleichen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.06.2012, a. a. O., Rdnr. 72). Leben in dem Haushalt der Eheleute ein oder mehrere Kinder wird diesem Mehrbedarf durch Stufe 2 und die folgenden Stufen des Zuschlages Rechnung getragen (vgl. § 40 Abs. 2 BBesG a. F.).

49

Dagegen dient der Zuschlag der Stufe 1 gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F. der Mehrbedarfsdeckung für die vom Anspruchsberechtigten aufgenommene Person. Handelt es sich dabei um ein Kind, für das dem Anspruchsberechtigten Kindergeld zusteht bzw. zustehen würde, führt dies einerseits zu einer höheren Stufe des Familienzuschlages (vgl. § 40 Abs. 2 BBesG a. F.) sowie gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 BBesG a. F. dazu, dass der geschiedene Kindergeld- und Zuschlagsberechtigte zusätzlich zum Grundgehalt „den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe des Familienzuschlages“ erhält, der der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Soweit nach § 40 Abs. 3 Satz 2 BBesG a. F. Abs. 5 entsprechend gilt, betrifft dies lediglich den kinderbezogenen Anteil des Familienzuschlages der Stufe 2 ff. und knüpft hinsichtlich mehrerer Anspruchsberechtigter an den (ggf. anteiligen) Bezug des Kindergeldes an. Der Zuschlag der Stufe 1 bleibt hiervon unberührt.

50

Diese vom Gesetzgeber sehr differenzierten Regelungen für verschiedene Familienkonstellationen machen deutlich, dass in Stufe 1 des Familienzuschlages der Anspruchsberechtigte nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F. nicht mit einer Familie mit Kind verglichen werden kann, sondern wegen der aufgenommenen Person an die herkömmliche Form der Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft von Eheleuten angeknüpft wird. Zusammenlebende Eheleute bilden eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils teilhat; ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dürfte sich zudem als günstiger darstellen als die berufstätiger Alleinstehender mit Kind, deren Leistungsfähigkeit durch zusätzlichen Betreuungsaufwand gemindert sein kann, der bei Ehepaaren ohne Kinder nicht anfällt, oder wenn beide Partner berufstätig sind, aus dem erhöhten Familieneinkommen bestritten werden kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.11.1982 - 1 BvR 620/78, u. a. -, juris, Rdnr. 80, 83).

51

Für den Fall, dass sich mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F. eine Wohnung teilen, ist der Gesetzgeber in generalisierender und typisierender Weise davon ausgegangen, dass dies zu einer Reduzierung der Lebenshaltungskosten führen kann und hat dem mit der Kürzungsregelung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F. entsprechend Rechnung getragen. Dass sich indes der Mehrbedarf für eine aufgenommene Person in vergleichbarer Weise reduziert, wenn der Anspruchsberechtigte nicht mit einem weiteren Anspruchsberechtigten eine gemeinsame Wohnung bewohnt, ist nicht ersichtlich. Die von der Beklagten angeführten Einsparmöglichkeiten auf Grund des „Wechselmodells“ lassen nicht erkennen, dass dem Anspruchsberechtigten nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F. gegenüber verheirateten Zuschlagsberechtigten nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG a. F. finanzielle Vorteile erwachsen, die zu einer evidenten Besserstellung gegenüber Eheleuten führen. Vielmehr muss der Kläger als Alleinlebender mit Kind für die Lebenshaltungskosten aufkommen, die beim Zusammenleben von mehreren Anspruchsberechtigten im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F. bzw. bei Eheleuten im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG a. F. von diesen grundsätzlich gemeinsam und möglicherweise mit zwei Einkommen bewältigt werden. Die vorliegende Fallkonstellation bietet hiernach keinen Anhaltspunkt für die Annahme, ohne analoge Anwendung der Kürzungsregelung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F. entstehe eine verfassungsmäßig nicht mehr gerechtfertigte Besserstellung des Klägers gegenüber einem verheirateten Zuschlagsberechtigten.

52

Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG aus. Zwischen dem allein lebenden Kläger mit Kind und verheirateten Zuschlagsberechtigten bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine ungleiche Behandlung jedenfalls rechtfertigen und damit nicht als willkürlich erscheinen lassen. Es bleibt grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, auf Grund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Im Bereich des Besoldungsrechts hat der Gesetzgeber - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen darf. Hat der Gesetzgeber einen Sachbereich auf Grund bestimmter Wertungen und Differenzierungsmerkmale nach einem Regelungssystem normiert, so ist er aus Gründen der Gleichbehandlung grundsätzlich verpflichtet, die selbst statuierte Sachgesetzlichkeit auf alle betroffenen Personengruppen anzuwenden. Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt dann die Folgerichtigkeit der gesetzlichen Regelungen. Abweichungen von den für maßgeblich erklärten Wertungen und Differenzierungsmerkmalen sind nur aus Gründen möglich, deren Gewicht die Abweichung nach Art und Ausmaß rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.2005 - 2 C 1.04 -, juris). Derart gewichtige Gründe vermag der Senat im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Insbesondere rechtfertigt sich angesichts des vom Gesetzgeber für den Familienzuschlag seit vielen Jahren differenziert ausgestalteten Regel- und Ausnahmesystems nicht die Annahme, letztlich dürfe es im Ergebnis für alle denkbaren Fallkonstellationen ohne Ausnahme nur einmal zur Zahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 kommen, wenn mehrere Berechtigte aufeinander treffen.

53

Bestehen nach alldem bereits keine hinreichenden Gründe für eine Ausnahme vom Analogieverbot im Besoldungsrecht, ergeben sich zudem keine Anhaltspunkte für die eine analoge Anwendung von Rechtsvorschriften voraussetzende planwidrige sachliche Lücke im Besoldungsrecht. Für die Annahme, der Bundesgesetzgeber könne die vorliegende Fallkonstellation übersehen haben, ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm und den Gesetzgebungsunterlagen keine Hinweise. Vielmehr spricht der Umstand, dass selbst in der Neufassung des § 40 Abs. 1 BBesG durch Gesetz vom 15. März 2012 (BGBl. I, S. 462) am Tatbestandsmerkmal der gemeinsam bewohnten Wohnung festgehalten und die Kürzungsregelung des § 40 Abs. 1 Satz 3 BBesG (vormals § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F.) unverändert beibehalten wurde, angesichts der seit Jahrzehnten existierenden Rechtsprechung zum Problem des Lebensmittelpunktes eines Kindes in mehreren Wohnungen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.12.1990 - 2 B 116.90 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.09.1991 - 4 S 413/91 -, juris) und der hierzu in der einschlägigen Fachliteratur einhellig vertretenen Auffassung der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG a. F. (vgl. Schwegmann/Summer, BBesG, a. a. O., § 40 BBesG, Anm. 9 v, 9 i; Fürst, GKÖD, a. a. O., K § 40 Rdnr. 24) für eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die vorliegende Familienkonstellation nicht der Kürzungsregelung zu unterwerfen. In dem Bewusstsein, dass in der Rechtspraxis fast ausschließlich alleinerziehende Eltern, die ihre Kinder in den Haushalt aufgenommen haben, den Zuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG erhalten (vgl. BT-Drs. 17/7142 v. 26.09.2011 zu Nr. 8 (§ 40) a, S. 23/24) sah sich der Bundesgesetzgeber zu keiner inhaltlichen Änderung der streitgegenständlichen Kürzungsregelung veranlasst.

54

Ein anderes Ergebnis rechtfertigt auch nicht die ab 1. April 2011 maßgebliche Fassung des § 38 Abs. 2 Satz 2 bis 5 LBesG LSA.

55

Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 LBesG LSA erhalten in anderen als den in Satz 1 genannten Fällen Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter Familienzuschlag der Stufe 1, wenn sie eine andere Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben und ihr Unterhalt gewähren, weil sie gesetzlich dazu verpflichtet sind oder aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen. Diese Regelung entspricht, abgesehen vom landesspezifischen Personenkreis und dem Verzicht auf eine sittlich begründete Unterhaltspflicht, der bundesgesetzlichen Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BBesG a. F., so dass wegen der Erfüllung der Tatbestandvoraussetzungen auf die obigen Ausführungen zur Bundesnorm verwiesen werden kann.

56

Entsprechendes gilt für den in § 38 Abs. 2 Satz 3 LBesG LSA geregelten Anspruchswegfall wegen Eigenmitteln der aufgenommenen Person.

57

Darüber hinaus knüpft auch die vorliegend maßgebliche Kürzungsregelung des § 38 Abs. 2 Satz 5 LBesG LSA an die gemeinsam bewohnte Wohnung der nach dieser Vorschrift anspruchsberechtigten Personen an. Es kann deshalb hinsichtlich der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmales und der nicht bestehenden Gründe für eine Ausnahme vom Analogieverbot im Besoldungsrecht auf die obigen Ausführungen zu § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a. F. verwiesen werden.

58

Schließlich ist in Bezug auf den Landesgesetzgeber eine versehentliche planwidrige Lücke im Besoldungsrecht nicht feststellbar. Zwar enthält die Begründung zum Gesetzentwurf für die Stufe 1 des Familienzuschlages den Hinweis:

59

„Da im Ergebnis der Familienzuschlag der Stufe 1 nur einmal geleistet werden soll, sieht der Satz 4 eine anteilige Leistung vor, sofern mehrere Personen anspruchsberechtigt sind.“ (vgl. LT-Drs. 5/2477 v. 3. März 2010, S. 196 zu § 39 Abs. 1)

60

Allerdings führte dies weder im Gesetzentwurf noch in der Gesetz gewordenen Fassung des § 38 Abs. 2 Satz 5 LBesG LSA zu einer von der bundesgesetzlichen Norm abweichenden Regelung bzw. zu einer Aufgabe des Tatbestandsmerkmals der „gemeinsam bewohnten Wohnung“. Gegen eine versehentlich unterlassene Änderung dieser inhaltlich seit Jahrzehnten bestehenden Regelung spricht zum Einen, dass dem Landesgesetzgeber die vorliegende Fallkonstellation auf Grund ihrer Behandlung in Rechtsprechung und Literatur bekannt gewesen sein dürfte und zum Anderen, dass er den Grundgedanken der „einmaligen“ Zahlung des Familienzuschlages auch in anderen Fallkonstellationen nicht stringent verfolgt hat. So hat er zur Halbierungsregelung des ehegattenbezogenen Zuschlages der Stufe 1 ausgeführt:

61

„Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage findet die Halbierungsregelung künftig keine Anwendung mehr, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte sich in einem Arbeitsverhältnis befindet und aus diesem Arbeitsverhältnis ebenfalls einen Verheiratetenbestandteil beanspruchen kann. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes … sehen seit ihrem Inkrafttreten … keine Ehegattenbestandteile im Entgelt mehr vor, so dass der Anwendungsbereich dieser Vorschrift seit dem jeweiligen Inkrafttreten der Tarifverträge zurückgegangen ist und sich auf die wenigen Fälle beschränkt, in denen Tarifverträge noch Verheiratetenbestandteile im Entgelt vorsehen … Diese seltenen Fälle rechtfertigen die Weitergeltung der Halbierungsregelung nicht mehr.“ (vgl. LT-Drs. 5/2477, a. a. O., S. 197 bis 198 zu Abs. 3).

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

64

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i. V. m. § 127 Nr. 2 BRRG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen