Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 L 1/13
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage als sogenannte Repowering-Maßnahme.
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Am 27.08.2004 trat der Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – der Gemeinde H. in Kraft. Der Bebauungsplan setzte 8 Baufenster für Windenergieanlagen mit einer zulässigen Gesamthöhe von 135 m fest. Dies entsprach den Zielen des Regionalen Entwicklungsprogramms für den Regierungsbezirk Magdeburg in der Fassung vom 21.03.2000 (MBl. LSA S. 331), in dem für das Plangebiet ein Eignungsgebiet für Windenergie festgelegt war. Derzeit stehen nördlich von H. 18 Windenergieanlagen, von denen sich 8 im Geltungsbereich des Bebauungsplans befinden. Auf dem hier maßgeblichen Flurstück 12/5 der Flur A der Gemarkung H. befindet sich eine Windenergieanlage des Typs Tacke mit einer Gesamthöhe von 90 m.
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Am 01.07.2006 trat der Regionale Entwicklungsplan für die Planungsregion Magdeburg (REP MD) in Kraft, nachdem er am 17.05.2006 von der Beigeladenen zu 2 beschlossen, am 29.05.2006 von der obersten Landesplanungsbehörde genehmigt und in der Zeit vom 18. bis zum 30.06.2006 in den Amtsblättern der Landkreise Bördekreis, Jerichower Land, Ohrekreis, Schönebeck sowie der Landeshauptstadt Magdeburg bekanntgemacht worden war. Das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 8 der Gemeinde H. liegt sowohl außerhalb der im REP MD festgelegten Vorranggebiete für die Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von Eignungsgebieten (Nr. 5.8.2 REP MD) als auch außerhalb der Eignungsgebiete für die Nutzung der Windenergie (Nr. 5.8.3 REP MD).
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Mit Antrag vom 15.06.2009 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erteilung einer Genehmigung nach § 4 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-82 mit einer Nabenhöhe von 108,38 m, einem Rotordurchmesser von 82 m, einer Gesamthöhe von 149,38 m und einer Kapazität von 2,0 MW innerhalb der Windfarm H.-G. auf dem Grundstück Gemarkung H., Flur A, Flur 12/5 als Ersatzneubau (sog. Repowering). Der Standort liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – der Gemeinde H.. Mit Schreiben vom 12.12.2011 änderte die Klägerin den Antrag im Hinblick auf die in dem Bebauungsplan geregelte maximale Gesamthöhe dahin ab, dass die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-70 E-4 mit einer Nabenhöhe von 98,2 m, einem Rotordurchmesser von 71 m und einer Gesamthöhe von 133,7 m beantragt werde.
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Mit Schreiben vom 19.07.2011 untersagte die Beigeladene zu 2 dem Beklagten die Erteilung der beantragten Genehmigung unbefristet bis zur Anpassung des Bebauungsplans der Gemeinde H. Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – an die Ziele der Raumordnung entsprechend dem REP MD.
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Mit kommunalaufsichtlicher Verfügung vom 09.02.2012 ordnete der Beigeladene zu 3 gegenüber der Beigeladenen zu 1, die seit dem 01.01.2010 Rechtsnachfolgerin der Gemeinde H. ist, an, bis zum 21.03.2012 einen Aufstellungsbeschluss zur Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – zu fassen. Darüber hinaus ordnete er an, zugleich mit dem Aufstellungsbeschluss für das Gebiet des Bebauungsplans eine Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB anzuordnen. Schließlich ordnete er an, den Flächennutzungsplan der Gemeinde H. an die wirksamen Festsetzungen des REP MD anzupassen. Mit weiterer Verfügung vom 25.10.2012 ordnete der Beigeladene zu 3 gegenüber der Beigeladenen zu 1 die Ersatzvornahme an und fasste an deren Stelle den Aufstellungsbeschluss zur Einleitung der Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – der Gemeinde H.. Zugleich fasste er im Wege der Ersatzvornahme den Beschluss über die "Satzung der Gemeinde E. über die Veränderungssperre für das Plangebiet Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – der Ortschaft H.". Die Verfügungen vom 09.02.2012 und 25.10.2012, der Aufstellungsbeschluss sowie die Satzung über die Veränderungssperre wurden im Amtsblatt der Gemeinde E. vom 28.10.2012 veröffentlicht. Die Satzung sollte am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft treten und nach Ablauf von zwei Jahren, gerechnet vom Tag nach der Bekanntmachung, oder mit Inkrafttreten des durch die Sperre zu sichernden Bebauungsplans außer Kraft treten. Am 29.10.2014 trat die Satzung außer Kraft.
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Nach Anhörung der Beigeladenen zu 1 ordnete der Beigeladene zu 3 aufgrund einer fachaufsichtlichen Weisung des Beklagten vom 25.06.2015 mit Verfügung vom 31.07.2015 folgendes an:
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"1. Das mit Aufstellungsbeschluss vom 25.10.2012 eingeleitete Aufhebungsverfahren für den Bebauungsplan Nr. 8 der ehemaligen Gemeinde H. ist unverzüglich fortzuführen.
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2. Die Gemeinde E. hat einen Vorentwurf des Aufhebungsbebauungsplanes, einschließlich Begründung und vorläufigem Umweltbericht zu erstellen.
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3. Die Gemeinde E. hat diesen Vorentwurf bis zum 21.09.2015 zur frühzeitigen Unterrichtung der Öffentlichkeit mindestens in Form einer öffentlichen Bekanntmachung des Vorentwurfs und seiner Begründung und zur frühzeitigen Unterrichtung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 1 BauGB zu bestimmen.
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4. Die Gemeinde E. hat bis zum 15.09.2015 eine erneute Veränderungssperre nach § 17 Abs. 3 BauGB für den Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 8 der ehemaligen Gemeinde H. zu beschließen.
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5. Die erneute Veränderungssperre zu Ziffer 4 ist unverzüglich im Amtsblatt der Gemeinde E. bekanntzumachen.
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6. Die sofortige Vollziehung zu vorstehenden Ziffern 1 bis 5 wird angeordnet.
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7. Die Ersatzvornahme zu vorstehenden Ziffern 2 bis 5 wird angedroht.
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8. Kosten für diese Verfügung werden nicht erhoben."
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Hiergegen legte die Beigeladene zu 1 mit Schreiben vom 27.08.2015 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15.10.2015 zurückgewiesen wurde. Den Antrag der Beigeladenen zu 1 auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 31.07.2015 lehnte der Beigeladene zu 3 mit Schreiben vom 11.09.2015 ab. Die Beigeladene zu 1 fasste bislang keine Beschlüsse zur Umsetzung der Verfügung vom 31.07.2015. Mit Verfügung vom 02.10.2015 ordnete der Beigeladene zu 3 daraufhin gegenüber der Beigeladenen zu 1 folgendes an:
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"I. Da die Gemeinde E. meiner Anordnung vom 31.07.2015 nicht bis zum 15.09.2015 nachgekommen ist, für das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 8 der ehemaligen Gemeinde H. durch Beschluss des Gemeinderates eine Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB anzuordnen, ordne ich hiermit die Ersatzvornahme nach § 148 KVG LSA an und fasse anstelle und auf Kosten der Gemeinde den vorgenannten Beschluss in der als Anlage 1 beigefügten Form. Die Anlage 1 ist Bestandteil dieser Verfügung.
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II. Da die Gemeinde E. meiner Anordnung vom 31.07.2015 nicht bis zum 21.09.2015 nachgekommen ist, das eingeleitete Verfahren zur Aufhebung des Bebauungsplanes Nr. 8 der ehemaligen Gemeinde H. unverzüglich fortzusetzen, indem sie einen Vorentwurf des Aufhebungsbebauungsplanes einschließlich einer Begründung mit vorläufigem Umweltbericht erstellt sowie diesen Vorentwurf zur frühzeitigen Unterrichtung der Öffentlichkeit, der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 BauGB mindestens in Form einer öffentlichen Bekanntmachung des Vorentwurfs und seiner Begründung zu bestimmen hat, ordne ich hiermit die Ersatzvornahme nach § 148 KVG LSA an und erstelle zunächst selbst auf Kosten der Gemeinde durch Beauftragung eines Dritten den Vorentwurf des Aufhebungsbebauungsplanes einschließlich Begründung und vorläufigem Umweltbericht. Diesen Vorentwurf werde ich sodann selbst auf Kosten der Gemeinde bekanntmachen und die Unterrichtung der Öffentlichkeit, der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange vornehmen.
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III. Die sofortige Vollziehung der Ziffern I und II ordne ich hiermit an.
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IV. Kosten für diese Verfügung werden nicht erhoben."
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Anlage 1 zu der Verfügung vom 02.10.2015 lautete wie folgt:
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"Satzung der Gemeinde E.
über die Veränderungssperre für das Plangebiet
Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen
der Ortschaft H.
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Der Landkreis Börde als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde für die Gemeinde E. gemäß § 144 KVG LSA vom 15. Mai 2014 (GVBl. LSA S. 288), in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2014, fasst im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 148 KVG LSA folgenden Beschluss für den Gemeinderat der Gemeinde E.:
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Es wird die nachfolgende Satzung der Gemeinde E. über die Veränderungssperre für das Plangebiet Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen der Ortschaft H. beschlossen:
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§ 1
Zu sichernde Planung
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Der Landkreis Börde hat mit Verfügung vom 25.10.2012 einen Beschluss des Gemeinderates E. darüber ersetzt, dass der Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen der Ortschaft H. aufgehoben bzw. rückabgewickelt werden soll. Nachdem die Gemeinde E. das Aufhebungsverfahren nicht fortgeführt hat, hat der Landkreis Börde mit Verfügung vom 31.07.2015 angeordnet, dass das Verfahren unverzüglich fortzuführen ist. Hierzu ist der Vorentwurf des Aufhebungsbebauungsplanes einschließlich einer Begründung und vorläufigem Umweltbericht zu erstellen und bekanntzumachen.
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Zur Sicherung der Planung wird für das in § 2 bezeichnete Gebiet eine Veränderungssperre erlassen.
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§ 2
Räumlicher Geltungsbereich
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Die Veränderungssperre erstreckt sich auf den Planbereich des Bebauungsplans Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen der Ortschaft H..
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Für den räumlichen Geltungsbereich ist die zeichnerische Darstellung gemäß beiliegendem Lageplan maßgebend.
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§ 3
Rechtswirkungen der Veränderungssperre
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(1) In dem von der Veränderungssperre betroffenen Gebiet dürfen
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a) Vorhaben im Sinne des § 29 des Baugesetzbuches nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden,
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b) erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden.
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(2) Wenn überwiegende öffentliche Belange (§ 14 Abs. 2 BauGB) nicht entgegenstehen, kann von Absatz (1) eine Ausnahme zugelassen werden. Eine Entscheidung trifft die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde.
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(3) Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Veränderungssperre nicht berührt.
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(4) Soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich eine Genehmigungspflicht nach § 144 Abs. 1 BauGB besteht, sind die Vorschriften der Veränderungssperre nicht anzuwenden.
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§ 4
Inkrafttreten und Außerkrafttreten der Veränderungssperre
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Die Veränderungssperre tritt am Tage nach der Bekanntmachung in Kraft. Sie tritt nach Ablauf von zwei Jahren, vom Tag nach der Bekanntmachung gerechnet oder mit Rechtskräftigkeit des durch die Sperre zu sichernden Bebauungsplanes außer Kraft."
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Die Verfügung des Beigeladenen zu 3 vom 02.10.2015 nebst Anlage 1 wurde im Amtsblatt der Gemeinde E. vom 14.10.2015 veröffentlicht.
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Bereits mit Bescheid vom 16.05.2012 hatte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 15.06.2009 abgelehnt. Zur Begründung führte er aus, die Genehmigungsvoraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG liege nicht vor, da andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb (Repowering) der beantragten Windenergieanlage entgegenstünden. Mit Inkrafttreten des REP MD entspreche der Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – nicht mehr den Zielen der Raumordnung, da das SO Wind nunmehr außerhalb eines im REP MD festgelegten Vorranggebietes für die Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von Eignungsgebieten oder eines Eignungsgebietes für die Nutzung der Windenergie liege. Die Gemeinde sei gemäß § 1 Abs. 4 BauGB zur Anpassung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung verpflichtet. Da eine solche Anpassung bisher nicht erfolgt sei, sei der Bebauungsplan wegen Verstoßes gegen das Anpassungsgebot unwirksam. Der Genehmigungsbehörde stehe jedenfalls bei – wie hier – offenkundiger Unwirksamkeit eine inzidente Normverwerfungskompetenz zu. Eine Anwendung des unwirksamen Bebauungsplans würde dazu führen, dass durch die Zulassung der geplanten Anlage sowie möglicherweise weiterer Anlagen außerhalb regionalplanerisch festgelegter Gebiete für die Nutzung der Windenergie das gesamträumliche Konzept des Regionalen Entwicklungsplans in Bezug auf Windkraftanlagen auf unabsehbare Zeit nicht zu erreichen wäre. Der Sinn der übergeordneten Planung und die damit verfolgte Ordnung des Raumes wären dann in Frage gestellt. Dies könne im öffentlichen Interesse nicht hingenommen werden. Die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Windkraftanlage richte sich somit nach § 35 BauGB, denn der Vorhabenstandort liege nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 BauGB. Die Windkraftanlage sei ein raumbedeutsames Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB. Aufgrund der Gesamthöhe der Anlage von 133,7 m, der vom Rotor überstrichenen Fläche von 3.957,18 m² sowie des Standortes gehe die Wirkung der Anlage über den unmittelbaren Nahbereich heraus. Auch sei sie geeignet, die Entwicklung des Gebietes im Sinne der Nutzung der Windenergie weiter zu beeinflussen. Dies gelte insbesondere unter dem Aspekt, dass die geplante Anlage am äußersten Rand eines mit Windkraftanlagen bebauten Bereiches errichtet werden solle und somit der Abstand zwischen zwei mit Windkraftanlagen bebauten Gebieten weiter verringert würde. Dem Vorhaben stünden gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB öffentliche Belange entgegen, da im REP MD Konzentrationszonen für die Nutzung der Windenergie an anderer Stelle ausgewiesen seien. Der REP MD sei wirksam. Insbesondere die Regelungen zur Windenergie seien nicht zu beanstanden. Der REP MD schaffe der Nutzung der Windenergie in substantieller Weise Raum, beruhe auf einem schlüssigen Gesamtkonzept und weise keine Abwägungsfehler auf. Dies sei durch mehrere Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt bestätigt worden. Das Vorhaben sei auch nicht ausnahmsweise zuzulassen. Eine Abweichung im Einzelfall sei zwar möglich, stehe aber unter dem Vorbehalt, dass die der Planung zu Grunde liegende Konzeption durch die Abweichungen nicht in Frage gestellt werde. Atypische Fälle, in denen § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB trotz Ausweisung an anderer Stelle nicht greife, könnten deshalb nur solche sein, die nicht in der planerischen Zielsetzung des Raumordnungsplans lägen. Das treffe auf den hier zu beurteilenden Fall nicht zu, denn die Neuordnung der Standorte von Windkraftanlagen sei ein zutreffendes planerisches Ziel, das durch Abweichungen von den Ausweisungen nicht unterlaufen werden dürfe.
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Bereits am 15.03.2012 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Halle Untätigkeitsklage erhoben. Mit Beschluss vom 30.03.2012 – 4 A 46/12 HAL – hat das Verwaltungsgericht Halle den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht Magdeburg verwiesen.
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Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe einen Rechtsanspruch auf die beantragte Genehmigung. Dieser folge aus dem rechtsgültigen Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – der Gemeinde H.. Der Standort der Anlage liege im Geltungsbereich dieses Bebauungsplans. Das Vorhaben stehe auch in Einklang mit dessen Festsetzungen. Eine Aufhebung des Bebauungsplans sei bislang nicht erfolgt. Er sei gegenüber dem REP MD vorrangig, denn dieser sei erst später in Kraft getreten. Die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB führe nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Dies folge zunächst aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 BauGB. Hiernach seien B-Pläne den Zielen der Raumordnung "anzupassen". Dies setze ein Bebauungsplanaufstellung- oder ein Bebauungsplanänderungsverfahren voraus. Keineswegs sei mit Inkrafttreten eines Ziels der Raumordnung, das einem Bebauungsplan widerspreche, der Bebauungsplan ipso jure unwirksam. Zudem ergebe sich aus der Planungshoheit der Standortgemeinde, dass diese allein bestimme, ob, wann und wie ein Bebauungsplan abgeändert oder aufgehoben werde. Dies werde von § 1 Abs. 4 BauGB nicht ersetzt. Zudem gebe es bei Darstellungen in einem Regionalplan zur Windkraft wegen des groben Maßstabs sog. Konkretisierungs-Spielräume. Selbst wenn eine Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB bestehe sollte, folge daraus nicht, dass der Bebauungsplan Nr. 8 aufzuheben oder nichtig sei. Schließlich seien für die Wirksamkeit eines Bebauungsplans allein die in § 214 BauGB angeführten Rechtsfehler maßgeblich. Eine nach Inkrafttreten des Bebauungsplans wirksam werdende Änderung von Raumordnungsplänen gehöre hierzu nicht. Der REP MD könne dem Vorhaben auch deshalb nicht entgegenstehen, weil die streitgegenständliche Windkraftanlage nicht raumbedeutsam sei. Durch sie werde eine bereits vorbelastete Situation nicht spürbar verändert. Auch befinde sich der Standort der streitgegenständlichen Windenergieanlage in einem Abstand von mindestens 1.250 m zur nächsten Wohnbebauung. Die Untersagungsverfügung der Beigeladenen zu 2 gehe ins Leere, denn die Ziele der Raumordnung seien nicht rechtserheblich, wenn – wie hier – die Windenergieanlage im Bereich eines Bebauungsplans nach § 30 BauGB errichtet werden solle. Denn dann richte sich die Zulässigkeit des Vorhabens einzig danach, ob das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspreche und die Erschließung gesichert sei. Die Ziele der Raumordnung spielten hingegen keine Rolle mehr, auch wenn sie sich geändert haben sollten. Das Gesetz kenne keine "Durchgriffs-Befugnis", entgegen einer wirksamen Bauleitplanung eine raumplanerische Untersagung zu erteilen. Zudem sei die Wirksamkeit des REP MD zweifelhaft. Der Bestandsschutz des Windparks H. sei nicht hinreichend in die Abwägung eingestellt worden. Entgegen dem Gleichbehandlungsgrundsatz sei das 5-km-Kriterium im Bereich H. nicht eingehalten und einheitlich angewendet worden. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass die Beigeladene zu 1 im Falle der Aufhebung des Bebauungsplans gemäß §§ 39 ff. BauGB Entschädigungen in erheblicher Höhe leisten müsse. Auch sei die Frist für die Anpassung des Bebauungsplans an die Ziele der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 BauGB noch nicht abgelaufen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheids vom 16.05.2012 zu verpflichten, ihr eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Windenergieanlage (WEA) des Typs Enercon E-70 E-4 mit einer Nennleistung von 2,3 Megawatt (MW), einer Nabenhöhe von 98,2 m, einem Rotordurchmesser von 71 m und einer Gesamthöhe von 133,7 m auf dem Grundstück in H., Gemarkung H., Flur A, Flurstück 12/5, zu erteilen.
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hilfsweise,
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festzustellen, dass der Beklagte bis zum Erlass der Veränderungssperre im Wege der Ersatzvornahme durch den Beigeladenen zu 3 vom 25.10.2012 verpflichtet gewesen ist, ihr eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die im Hauptantrag näher bezeichnete Windenergieanlage zu erteilen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat den angefochtenen Ablehnungsbescheid verteidigt. An der Rechtmäßigkeit des REP MD bestehe auf Grund der Rechtsprechung des Senats kein Zweifel. Ein Entschädigungsanspruch der Klägerin bestehe nicht mehr, weil die Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 2 BauGB bereits abgelaufen sei.
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Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 2 hat vorgetragen, die streitgegenständliche Windenergieanlage sei raumbedeutsam. Durch den Abriss einer älteren kleineren Anlage und die Errichtung einer Anlage mit einer Nabenhöhe von 98,2 m, einer Gesamthöhe von 133,7 m und einer Leistung von 2,3 MW außerhalb eines in einem gültigen Regionalplan festgesetzten Gebietes für die Nutzung der Windenergie werde ein raumordnungsrechtlicher Missstand verfestigt. Soweit die Klägerin geltend mache, die beantragte Anlage füge sich in das Bild der bereits errichteten Anlagen ein, verkenne sie, dass sich auch die übrigen Anlagen außerhalb von regionalplanerisch festgesetzten Gebieten zur Nutzung der Windenergie befänden. Anders als von der Klägerin behauptet, halte der REP MD das 5-km-Kriterium durch. Dabei gehe es darum, langfristig den 5-km-Abstand wieder zu erreichen und Ordnung im Raum zu schaffen. Die im REP MD ausgewiesenen Gebiete für die Nutzung der Windenergie hielten diesen Abstand ein. Dass in diesem Puffer gleichwohl Windenergieanlagen vorhanden seien, sei der planlosen Errichtung von Windenergieanlagen vor Inkrafttreten des REP MD geschuldet. Nach Ablauf der Betriebszeiten der Windenergieanlagen, die außerhalb der im REP MD ausgewiesenen Gebiete für die Nutzung der Windenergie errichtet worden seien, werde sich die Situation ändern. Die Genehmigung der streitgegenständlichen Anlage würde diesen Zeitraum erheblich nach hinten verschieben. Die Beigeladene zu 1 sei verpflichtet, den Bebauungsplan Nr. 8 an die Ziele der Raumordnung anzupassen. Der Erteilung der Genehmigung stehe ihre Untersagungsverfügung vom 19.07.2011 entgegen. Nach § 14 ROG könne die Raumordnungsbehörde nunmehr auch Entscheidungen über die Zulässigkeit von Planungen und Maßnahmen unbefristet untersagen, wenn Ziele der Raumordnung entgegenstünden. Die Untersagung sei das einzige der Raumordnungsbehörde zur Verfügung stehende Instrument, um Ziele der Raumordnung gegenüber gemeindlichen Planungen, insbesondere gegenüber anpassungsunwilligen Gemeinden, zu sichern. Gerade in dem Fall, in dem die Gemeinde die Auffassung vertrete, eine Anpassung der gemeindlichen Planung an die rechtmäßigen Ziele der Raumordnung sei für sie nicht erforderlich, könne der Schutz der Ziele der Raumordnung nicht dem Handeln der Kommunalaufsicht überlassen werden. Einen Konkretisierungsspielraum gebe es nicht, da der Geltungsbereich des Bebauungsplans in einem Bereich liege, in dem die Nutzung der Windenergie ausgeschlossen sei.
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Mit Urteil vom 30.10.2012 – 2 A 140/12 MD – hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung stehe das geltende Bauplanungsrecht entgegen. Der Bebauungsplan Nr. 8 verstoße gegen § 1 Abs. 4 BauGB und sei deshalb für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens außer Acht zu lassen. Die Anpassung des Bebauungsplans Nr. 8 an die Ziele der Raumordnung sei materiell-rechtlich erforderlich, weil bei einer fortschreitenden Geltung des Bebauungsplans die Verwirklichung der Raumordnungsziele wesentlich erschwert würde. Ohne die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 8 bestehe für die Betreiber der bereits errichteten Anlagen die Möglichkeit, die im Plangebiet vorhandenen acht Altanlagen durch effizientere neue Anlagen zu ersetzen und diese dabei gegebenenfalls auch neu anzuordnen (Repowering). Ein Verzicht auf die Aufhebung würde dazu führen, dass sich die bestehende Nutzung, die mit den Zielen der Raumordnung nicht (mehr) in Einklang stehe, weiter verfestige. Konkretisierungsspielräume gebe es nicht, da nur die Aufhebung des Bebauungsplans in Betracht komme. Die Anpassung sei auch zeitlich erforderlich. Das Anpassungserfordernis habe sich mehr als sechs Jahre nach dem Inkrafttreten der (neuen) Zielbestimmungen zu einem Anpassungszwang verdichtet. Hinreichende Anhaltspunkte gegen die Wirksamkeit des REP MD, insbesondere der Ausweisung von Konzentrationsflächen, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Der REP MD sei insbesondere nicht deshalb abwägungsfehlerhaft, weil die Beigeladene zu 2 einige der im Regionalen Entwicklungsprogramm für den Regierungsbezirk Magdeburg noch ausgewiesenen Eignungsgebiete – wie den hier in Rede stehenden Windpark – nicht mehr als Eignungs- oder Vorranggebiet ausgewiesen habe. Die Beigeladene zu 2 habe die zum Zeitpunkt der Planung vorhandenen Windenergieanlage erfasst und berücksichtigt und unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestandes einen großen Teil der nunmehrigen Konzentrationsflächen gerade im Bereich vorhandener Windparks ausgewiesen. Angesichts dessen sei es rechtlich nicht zu beanstanden, dass ein Teil der vorhandenen Anlagen nicht (mehr) innerhalb solcher Konzentrationsflächen liege, denn wegen des weiten planerischen Gestaltungsspielraumes sei der Planungsträger nicht dazu verpflichtet, Standorte für Windenergie dort festzulegen, wo Windenergieanlage bereits vorhanden seien. Der Ausschluss dieser Flächen beruhe im konkreten Fall zudem auf einem schlüssigen Gesamtkonzept, das die Beigeladene zu 2 in Anwendung ihres Kriterienkatalogs angewandt habe. Dabei seien auch die Belange der nach § 1 Abs. 4 BauGB anpassungspflichtigen Gemeinden erkannt und hinreichend gewichtet worden, denn die Beigeladene zu 2 habe die von den betroffenen Gemeinden im Rahmen des Beteiligungsverfahrens vorgebrachten Anregungen und Bedenken im Rahmen ihrer Abwägung berücksichtigt. Im Hinblick auf das im Regionalplan enthaltene 5-km-Kriterium sei zu berücksichtigen, dass nach den nicht weiter widersprochenen Angaben der Beigeladenen zu 2 dieser Abstand eingehalten sei, soweit es die im REP MD (neu) ausgewiesenen Gebiete für die Nutzung der Windenergie betreffe. Soweit sich außerhalb dieser (neu) ausgewiesenen Konzentrationsflächen gleichwohl bereits errichtete und genehmigte Altanlagen befänden, die diesen Abstand verkürzten, werde sich dieser Zustand nach Ablauf der Betriebszeiten dieser Anlagen verändern, da die Betreiber dieser Anlagen auf den Bestandsschutz für ihre Anlagen beschränkt seien. Vor diesem Hintergrund und der bereits ergangenen obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung zum REP MD bestehe kein weiterer Aufklärungsbedarf in Bezug auf dessen Wirksamkeit. Verstoße der Bebauungsplan Nr. 8 danach gegen § 1 Abs. 4 BauGB, sei er für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des in Rede stehenden Vorhabens außer Acht zu lassen. Da der Bebauungsplan Nr. 8 keine Anwendung finde, richte sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB. Danach sei das Vorhaben planungsrechtlich nicht zulässig, da die von der Klägerin geplante Windenergieanlage als raumbedeutsames Vorhaben den Zielen der Raumordnung widerspreche. Bei dem Vorhaben der Klägerin handele es sich um ein raumbedeutsames Vorhaben, weil es das Ziel der Beigeladenen zu 2, die Windenergieanlagen durch die Regionalplanung auf bestimmte Standorte zu konzentrieren, auf unabsehbare Zeit hinausschiebe und damit konterkariere. Hinzu trete, dass die Klägerin in dem in Rede stehenden Bebauungsplangebiet (fünf oder sechs) weitere Windenergieanlagen betreibe und somit der Genehmigung des Repowering einer ihrer Anlagen eine nicht unerhebliche Signal- und Indizwirkung für die nicht auszuschließenden weiteren Genehmigungsverfahren zukäme. Insoweit sei bereits die Genehmigung der hier in Rede stehenden Windenergieanlage geeignet, die räumliche Entwicklung des gesamten Bebauungsplangebietes zu beeinflussen. Auf die Frage, ob die Anlage daneben auch aufgrund ihrer Lage und Gesamthöhe als raumbedeutsam zu qualifizieren sei, komme es danach nicht an. Dem danach raumbedeutsamen Vorhaben stünden Ziele der Raumordnung entgegen, weil eine wirksame Ausweisung an anderer Stelle durch den REP MD erfolgt sei. Das Vorhaben der Klägerin sei auch nicht ausnahmsweise zulässig. Eine Abweichung im Einzelfall stehe unter dem Vorbehalt, dass die Konzeption, die der Planung zu Grunde liege, als solche nicht in Frage gestellt werde und das mit der Ausweisung an anderer Stelle verfolgte Steuerungsziel nicht unterlaufen werde. Davon sei hier jedoch bei einer Zulassung des Repowering auszugehen. Der Hilfsantrag bleibe ebenso erfolglos, da die Genehmigungsvoraussetzungen auch vor Erlass der Veränderungssperre nicht vorgelegen hätten. Auf deren Wirksamkeit komme es daher nicht an.
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Die Klägerin trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung vor, der Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – der Gemeinde H. sei gültig. Selbst wenn die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB eingreifen sollte, führe dies nicht zu dessen Unwirksamkeit. Die Auffassung der Vorinstanz verkenne bereits den eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 4 BauGB, wonach die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung "anzupassen" seien. Die Vorschrift setze ein aktives Tun, ein "Anpassen", durch den Normgeber voraus. Dies müsse im Rahmen eines ordnungsgemäßen Aufstellungsverfahrens unter Einhaltung der Vorgaben der §§ 1 bis 10 BauGB erfolgen. Dies liefe ins Leere, wenn § 1 Abs. 4 BauGB dahin ausgelegt werde, dass nach einer nicht näher definierten Frist ein Bauleitplan ohne jedes Normsetzungsverfahren automatisch angepasst sei. Zudem dürften die Gemeinden regionalplanerische Ziele im Rahmen der Bauleitplanung konkretisieren. Die Vorinstanz habe auch die Planungshoheit der Standortgemeinde, hier der Gemeinde H., sowie die Planerhaltungsvorschriften der §§ 214 f. BauGB nicht hinreichend beachtet.
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Zudem sei die streitgegenständliche Windenergieanlage nicht raumbedeutsam. Es sei allein die hier in Rede stehende Einzelanlage zu bewerten. Ohne Belang sei dagegen, ob darüber hinaus weitere Windenergieanlagen im Rahmen eines Repowerings umgesetzt werden könnten. Als Einzelanlage sei die streitgegenständliche Windenergieanlage nicht raumbedeutsam, da sie im Verbund mit zahlreichen bestehenden Windenergieanlagen ähnlicher Bauart stehe. Innerhalb eines Windparks errichtete Einzelanlagen seien für sich typischerweise – so auch hier – nicht raumbedeutsam.
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Darüber hinaus halte der REP MD einer Inzidentkontrolle nicht stand. Zwar habe der Senat diesen in mehreren Entscheidungen für wirksam erachtet. Zwischenzeitlich habe das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zu Regionalplänen mit Darstellungen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB jedoch erheblich verschärft. Hiernach habe ein Regionalplan mit Zieldarstellungen in Gestalt von Eignungsgebieten nur dann Ausschlusswirkung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, wenn zunächst "harte" und dann "weiche" Tabuzonen bestimmt, drittens aus den verbleibenden Restflächen, den sog. Potentialflächen, die Vorrang- und Eignungsgebiete für Windenergie nach einheitlichen Kriterien festgelegt würden und viertens im Ergebnis der Windenergie in substantieller Weise Raum gegeben werde. Die vorgenannte Reihenfolge im Abwägungsvorgang sei zwingend. Schließlich müsse der Abwägungsvorgang in den Verwaltungsvorgängen dokumentiert sein. Diesen rechtlichen Vorgaben werde der REP MD nicht gerecht. Der Plangeber habe die zwingend vorgesehenen Abwägungsschritte nicht eingehalten und zum Teil durch eigene, in der Rechtsprechung nicht vorgesehene Abwägungsschritte ergänzt. Der Plangeber habe im REP MD zwar Ausschluss- und Abstandskriterien festgelegt, bei denen von vornherein die Ansiedlung von Windenergieanlagen ausgeschlossen worden seien. Bei einigen Kriterien seien darüber hinaus Einzelfallprüfungen zur eventuellen Vergrößerung des Abstandes bei entsprechenden Konfliktlagen vorgesehen. Auch seien alle Waldgebiete ausgeschlossen worden. Diese Kriterien seien wohl als harte Tabukriterien zu verstehen, weil mit ihnen ein pauschaler Ausschluss der Flächen für die Windenergienutzung verbunden sei. Eine bewusste Unterscheidung von harten und weichen Tabukriterien sei jedoch nicht ersichtlich. Dies mache den REP MD abwägungsfehlerhaft und unwirksam. Zudem habe der Plangeber die Ausschlusskriterien teils fehlerhaft als pauschale Ausschlusskriterien für die Windkraft festgelegt. Mit dem Ausschlusskriterium "dörfliche und städtische Siedlungen, Campingplätze, Gebiete gemäß § 10 BauNVO, Kur- und Klinikgebiete" zuzüglich eines Abstandes von mindestens 1.000 m sei wohl ein "hartes" Tabukriterium gemeint. Die Abstände zu Siedlungen seien jedoch in der Regel den "weichen" Tabuzonen zuzuordnen. Darüber hinaus seien "Schutzgebiete nach FFH-Richtlinie" zuzüglich eines Abstandes von 500 m als Ausschlussbereiche festgelegt worden. Dies sei fehlerhaft, da es sich bei FFH-Gebieten um weiche Tabukriterien handle. Darüber hinaus sei eine Vergrößerung des Abstandes nach Einzelfallprüfung möglich. Hierbei handele es sich wohl um ein weiches Tabukriterium. Auch die "EG Vogelschutzgebiete" seien den Ausschlusskriterien zugeordnet worden. Dies sei fehlerhaft, denn auch Vogelschutzgebiete seien der Nutzung der Windenergie keineswegs von vornherein entzogen. Ebenfalls abwägungsfehlerhaft sei die Zuordnung aller Waldgebiete zu den Ausschlussbereichen, also den harten Tabukriterien. Waldgebiete seien allenfalls weiche Tabukriterien. Es sei auch nicht gewährleistet, dass sämtliche Kriterien durch den Plangeber einheitlich angewendet würden. Dies folge bereits daraus, dass teilweise Einzelfallprüfungen festgelegt seien, ohne dass ersichtlich sei, wann eine solche geboten sei. Zudem sei einer Einzelfallprüfung inhärent, dass keine Abwägungsentscheidung bezogen auf den gesamten Planungsraum stattfinde. Die fehlende Unterscheidung von harten und weichen Tabukriterien sei auch offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Hätte die Beigeladene zu 2 die fälschlicherweise als harte Kriterien gewerteten Belange zu den weichen Kriterien gezählt, wäre sie absehbar zu einer größeren Ausweisung von Flächen für die Windenergie gekommen. Durch die zusätzlichen harten Kriterien habe sie von vornherein Flächen bei der anschließenden Abwägung nicht bewertet, die für die Windenergie zur Verfügung gestanden hätten. Der aufgezeigte Fehler im Abwägungsvorgang sei auch nicht wegen der Planerhaltungsvorschriften nach § 12 ROG unbeachtlich geworden, da die Bekanntmachung des REP MD keinen Hinweis darauf enthalten habe, dass diese nur innerhalb einer bestimmten Frist gerügt werden könnten.
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Auch die im Juli 2011 ausgesprochene Untersagungsverfügung der Beigeladenen zu 2 stehe ihrem Genehmigungsanspruch nicht entgegen. Es könne dahinstehen, ob die Untersagung eines privaten Vorhabens überhaupt zulässig sei. Jedenfalls sei die Rechtserheblichkeit der Ziele der Raumordnung nicht gegeben, wenn die Windenergieanlage – wie hier – im Geltungsbereich eines gültigen Bebauungsplans errichtet werden solle.
- 57
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 30.10.2012 – 2 A 140/12 MD – zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheids vom 16.05.2012 zu verpflichten, ihr eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Windenergieanlage (WEA) des Typs Enercon E-70 E-4 mit einer Nennleistung von 2,3 Megawatt (MW), einer Nabenhöhe von 98,2 m, einem Rotordurchmesser von 71 m und einer Gesamthöhe von 133,7 m auf dem Grundstück in H., Gemarkung H., Flur A, Flurstück 12/5, zu erteilen,
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hilfsweise,
- 60
1. den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, über ihren Genehmigungsantrag (s. Hauptantrag) nach außer Kraft treten der Veränderungssperre neu zu entscheiden,
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und
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2. festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 16.05.2012 rechtswidrig war.
- 63
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
- 65
Zur Begründung trägt er vor, der Bebauungsplan Nr. 8 der Gemeinde H. sei unwirksam, weil er gegen Ziele der Raumordnung verstoße. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans liege in einem Bereich, in dem nach dem REP MD die Nutzung der Windenergie ausgeschlossen sei. Die streitgegenständliche Windenergieanlage sei raumbedeutsam, weil sie eine Gesamthöhe von mehr als 100 m habe. Die streitbefangene Windenergieanlage sei auch wegen ihrer Lage raumbedeutsam. Sie fülle nicht eine Lücke zwischen zwei bestehenden Windenergieanlagen, sondern liege im südöstlichen Bereich des Geltungsbereichs des Bebauungsplans und rage isoliert in den Raum hinein. Durch sie verändere sich der Abstand zur nächsten Bebauung, weil sie nicht innerhalb eines Windfeldes platziert sei, sondern den äußersten Rand markiere und dieses damit erweitere. Die Angriffe auf den REP MD seien nicht durchgreifend. Zwar halte er nur materiell, nicht aber formell das höchstrichterlich vorgegebene Vorgehen bei der Aufstellung von Regionalplänen zur Ordnung der Windenergie im Raum ein. Das führe jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Plans. Die Methodik diene allein dazu, der Windenergie substantiell Raum zu geben. Dies sei im REP MD gelungen. Der Senat habe dessen Rechtmäßigkeit bereits mehrfach bestätigt. Auf etwaige Fehler in der Planungskonzeption komme es daher nicht an. Eine Überprüfung der weichen Tabukriterien sei entbehrlich, wenn – wie hier – der Windenergie genügend Raum gegeben worden sei. Es komme nur auf das Gesamtergebnis an. Eine genauere Befolgung der Planungssystematik, die die höchstrichterliche Rechtsprechung nunmehr vorgebe, hätte zu keinem anderen Ergebnis geführt. Jedenfalls sei er nach den Grundsätzen der Planerhaltung nicht mehr angreifbar. Gemäß § 28 Abs. 2 ROG fänden sowohl § 12 Abs. 1 bis 4 ROG als auch § 9 LPlG LSA Anwendung. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung, auf den es gemäß § 12 Abs. 3 ROG ankomme, habe der REP MD an keinem Mangel gelitten, da die Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabukriterien in diesem Zeitpunkt nicht Stand der Rechtsprechung gewesen sei. Selbst wenn man unter Rechtslage nur die rechtlichen Vorschriften selbst und nicht deren Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung verstehe, sei eine Heilung nach § 9 Abs. 2 LPlG LSA eingetreten. Nach dieser Vorschrift würden die in § 9 Abs. 1 LPlG LSA genannten Mängel, zu denen auch Mängel der Abwägung gehörten, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Raumordnungsplans schriftlich gerügt worden seien. Eine Hinweispflicht gebe es insoweit – anders als die Klägerin meine – nicht. Der hier relevante Abwägungsmangel, die fehlende Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabukriterien, sei innerhalb dieser Frist nicht gerügt worden. Gemäß § 9 Abs. 2 LPlG LSA sei daher davon auszugehen, dass der REP MD seit Veröffentlichung fortgelte. Dann sei er auch ein tauglicher Maßstab, an dem sich der Bebauungsplan Nr. 8 der Gemeinde H. messen lassen müsse. Der Bebauungsplan sei selbst dann unwirksam, wenn der REP MD unwirksam sei, denn er enthalte sachlich nicht gerechtfertigte Einschränkungen in Bezug auf die Höhe der Anlagen und die überbaubaren Flächen. Für einen Verpflichtungsausspruch auf der Grundlage des § 35 BauGB fehle die Spruchreife, da die vorliegenden Antragsunterlagen aus dem Jahr 2009 oder früher stammten und seither nicht mit Blick auf eine Veränderung tatsächlicher oder rechtlicher Umstände (z. B. Naturschutz) aktualisiert worden seien. Der Hilfsantrag sei unzulässig. Es bestehe kein Feststellungsinteresse. Eine auf die unterlassene Anwendung des Bebauungsplans gestützte Amtshaftungsklage sei offensichtlich aussichtslos, da er den REP MD für wirksam gehalten habe und auch für wirksam habe halten dürfen. Zudem sei das Verständnis des § 1 Abs. 4 BauGB umstritten. Ein Schadensersatzanspruch sei auch deshalb ausgeschlossen, weil sein Handeln von einem Kollegialgericht mit dem angefochtenen Urteil für rechtmäßig befunden worden sei.
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Die Beigeladene zu 1 stellt keinen Antrag.
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Die Beigeladene zu 2 beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie vor, der Bebauungsplan der Gemeinde H. könne im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht angewendet werden, da er gegen Ziele der Raumordnung verstoße und gemäß § 1 Abs. 4 BauGB angepasst werden müsse. Der REP MD sei ordnungsgemäß aufgestellt worden und inhaltlich wirksam. Er werde auch den aktuellen Anforderungen der Rechtsprechung gerecht. Entscheidend sei, dass der Plangeber erkannt habe, ob es sich bei den Ausschlusskriterien um zwingende Ausschlussgründe oder um solche handele, die er nach einer Abwägung für erforderlich halte. Es sei nicht erforderlich, zunächst die harten Prüfkriterien komplett abzuarbeiten, um sich erst dann den weichen Prüfkriterien zuzuwenden. Nach diesen Grundsätzen sei sie bei der Aufstellung des REP MD verfahren. Sie habe im Rahmen der Begründung dargelegt, ob es sich um nicht der Abwägung zugängliche (zwingende) Ausschlussgründe nach harten Kriterien oder um einen nach einer Abwägung erfolgten Ausschluss handele. Soweit sie von einem zwingenden Ausschlussgrund aufgrund eines harten Kriteriums ausgegangen sei, habe sie den Begriff "Tabuzone" gewählt. Nicht an diesen harten Kriterien scheiternde Flächen seien auf der Grundlage einer entsprechenden Abwägung als Abstandsflächen in die Planung eingegangen. Bei den Kriterien 14 und 15 seien Vorbehaltsgebiete herangezogen worden, die keinen zwingenden Ausschluss beinhalteten, sondern einer Abwägung offen stünden, was sich aus § 8 Abs. 7 Nr. 2 ROG ergebe. Insoweit sei der Begriff "Tabu" als weiches Kriterium verwandt worden. Sie sei sich dieser Unterscheidung auch bewusst gewesen. Dies ergebe sich aus der Beschlussvorlage RV 14/2002 zum Beschluss der Regionalversammlung vom 18.12.2002 über die Abstandsregelungen von Eignungsgebieten für die Nutzung der Windenergie. Hierin werde sowohl auf rechtliche Belange hingewiesen (Gesetz, Richtlinie) als auch auf planerische Aspekte (Vorschlag der Geschäftsstelle und ähnliches). Auch aus der Niederschrift der Sitzung der Regionalversammlung vom 18.12.2002 werde dies deutlich. Bei der am 25.06.2003 beschlossenen Änderung des Kriteriums 10 (Abstand zu Naturdenkmalen) werde das planerische Element ebenfalls deutlich, wie sich aus dem Protokoll der Sitzung der Regionalversammlung vom 25.06.2003 ergebe. In den Unterlagen sei immer von "Tabuflächen" im Sinne von harten Kriterien und "Abstandsflächen" im Sinne von weichen Kriterien die Rede, soweit nicht die in den Kriterien 14 und 15 benannten Vorbehaltsgebiete betroffen seien, die lediglich weiche Kriterien darstellten. Bei der strikten Trennung der Tabukriterien in harte und weiche und dem schrittweisen Ausscheiden der einzelnen Flächen komme man zu den gleichen Ergebnissen bezüglich der verbleibenden Flächen wie bei der Zusammenfassung der harten und weichen Kriterien und dem Ausscheiden in einem Schritt. Die verbleibenden Suchräume seien identisch. Der Mehrwert des Ausscheidens zuerst der harten und danach der weichen Kriterien könne darin liegen, dass durch dieses Vorgehen ein Vergleich der Fläche des Plangebietes abzüglich der harten Kriterien mit der Fläche der ausgewählten Konzentrationszonen für die Nutzung der Windenergie zur Prüfung, ob die Planung im Ergebnis der Windenergie substantiell Raum verschaffe, möglich werde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lasse sich diese Frage jedoch nicht allein nach diesem Verhältnis bestimmen. Dies sei auch folgerichtig, da die Oberverwaltungsgerichte bei der Einteilung der Kriterien in harte und weiche unterschiedliche Maßstäbe anlegten, was in der Regel dazu führe, dass das zu bildende Verhältnis auf unterschiedlichen Grundlagen beruhe. Der REP MD sei mehrfach vom Senat geprüft und für wirksam angesehen worden. Gegen das Urteil des Senats vom 30.07.2009 – 2 K 93/08 – sei Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden, die mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.03.2010 – BVerwG 4 BN 65.09 – zurückgewiesen worden sei. Da das Bundesverwaltungsgericht in der vorausgegangenen Rechtsprechung, etwa in dem Beschluss vom 15.09.2009 – BVerwG 4 BN 25.09 –, bereits die Kriterien der harten und weichen Tabuzonen angeführt habe, sei davon auszugehen, dass der gleiche Maßstab auch bei der Kontrolle des Urteils des Senats zum REP MD angelegt worden sei. Sollte gleichwohl ein Mangel vorliegen, sei dieser nach den Vorschriften zur Planerhaltung unbeachtlich. Sollten die Kriterien für die Tabuzonen fehlerhaft abgearbeitet worden sein, würde es sich um einen Verfahrensmangel bei der Zusammenstellung und Bewertung des Abwägungsmaterials handeln. Ein solcher Verfahrensfehler wäre nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 LPlG LSA unbeachtlich, weil er auf das Abwägungsergebnis keinen Einfluss gehabt habe. Zudem würde es sich um Abwägungsmängel handeln, die gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 LPlG LSA weder offensichtlich noch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen seien. Ein etwaiger Mangel im Abwägungsvorgang sei nicht offensichtlich, da dieser auch vom Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht erkannt worden sei. Jedenfalls habe dieser keinen Einfluss auf das Abwägungsergebnis gehabt. Sie habe jede Tabuzone mit einer Abstandsregelung ergänzt. Damit komme zum Ausdruck, dass sie – unabhängig von der Einstufung als "harte" oder "weiche" Tabuzone – die entsprechenden Flächen in jedem Fall von Windenergieanlagen habe freihalten wollen. Der fehlende Einfluss auf das Abwägungsergebnis werde auch dadurch deutlich, dass sie auf der Grundlage der neuen Konzeption zur Festlegung von Gebieten für die Nutzung der Windenergie im Regionalen Entwicklungsplan für die Planungsregion Magdeburg vom 04.09.2013/30.04.2014 die gleichen Gebiete für die Nutzung der Windenergie ausgewiesen habe wie im REP MD. Verfahrensmängel wären im Übrigen gemäß § 9 Abs. 2 LPlG LSA unbeachtlich geworden, da sie nicht innerhalb der Jahresfrist gerügt worden seien. Erstmals mit Schreiben vom 09.01.2015 sei eine Rüge ausgesprochen worden. Der REP MD sei aber bereits 2006 in Kraft getreten.
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Der Beigeladene zu 3 stellt keinen Antrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2 verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 16.05.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 6 Abs. 1 BImSchG. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (1.), und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (2.). Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf die beantragte Genehmigung nach dieser Vorschrift liegen vor. Insbesondere stehen der Errichtung und dem Betrieb der Anlage keine anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegen. Entgegen der Ansicht des Beklagten und der Beigeladenen zu 2 ist das Vorhaben der Klägerin bauplanungsrechtlich zulässig.
- 74
1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ergibt sich aus § 30 Abs. 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Der am 27.08.2004 in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – der Gemeinde H. ist ein Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben der Klägerin liegt auch, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, in dessen Geltungsbereich und entspricht dessen Festsetzungen. Anhaltspunkte dafür, dass die Erschließung nicht gesichert ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Bebauungsplan Nr. 8 – Sondergebiet Windenergieanlagen – der Gemeinde H. ist auch wirksam. Er ist insbesondere nicht wegen eines Verstoßes gegen das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB unwirksam bzw. außer Acht zu lassen.
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a) Die Voraussetzungen der Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB liegen nicht vor. Die Anpassungspflicht der Gemeinden setzt nicht nur das Vorliegen eines hinreichend bestimmten bzw. bestimmbaren Ziels der Raumordnung, sondern auch dessen Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit voraus (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.09.2003 – BVerwG 4 C 14.01 –, juris RdNr. 34; Beschl. v. 07.02.2005 – BVerwG 4 BN 1.05 –, juris RdNr. 15; Beschl. v. 25.06.2007 – BVerwG 4 BN 17.07 –, juris RdNr. 9; NdsOVG, Urt. v. 08.12.2011 – 12 KN 208/09 –, juris RdNr. 30; Schrödter, ZfBR 2013, 535). Daran fehlt es hier.
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aa) Der REP MD ist unwirksam, denn es liegt ein materiell-rechtlich beachtlicher Fehler im Abwägungsvorgang vor.
- 77
Gemäß der hier noch anwendbaren Vorschrift des § 3 Abs. 4 des Landesplanungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 28.04.1998 (GVBl. S. 255) in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2005 (GVBl. S. 804) (LPlG LSA) sind die Grundsätze der Raumordnung bei der Aufstellung der Raumordnungspläne gegeneinander und untereinander abzuwägen (Satz 1). Sonstige öffentliche Belange sowie private Belange sind in der Abwägung zu berücksichtigen, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind (Satz 3). Maßgebend für das hiernach bestehende Abwägungsgebot ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Raumordnungsplan. Dies folgt aus § 12 Abs. 3 Satz 1 des Raumordnungsgesetzes (ROG) vom 22.12.2008 (BGBl. I S. 2986), der gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ROG auf Raumordnungspläne der Länder entsprechend anzuwenden ist, die – wie hier – vor dem 30.06.2009 auf der Grundlage der Raumordnungsgesetze der Länder in Kraft getreten sind.
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In dem hiernach maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 17.05.2006 hat die Beigeladene zu 2 die Anforderungen des Abwägungsgebots an den Abwägungsvorgang nicht hinreichend beachtet. Es fehlt an einer hinreichenden Differenzierung zwischen harten und weichen Tabuzonen.
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Eine planerische Entscheidung zur Herbeiführung der Rechtsfolgen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB – hiernach stehen öffentliche Belange u.a. einem Vorhaben zur Nutzung der Windenergie in der Regel entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist – bedarf zu ihrer Wirksamkeit eines schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzepts. Um den Anforderungen gerecht zu werden, die an den Abwägungsvorgang zu stellen sind, muss das Konzept nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch die Gründe für die beabsichtigte Freihaltung des übrigen Planungsraums von Windenergieanlagen aufzeigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 – BVerwG 4 C 15.01 –, juris RdNr. 36).
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Nach der (neueren) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vollzieht sich die Ausarbeitung des Planungskonzepts abschnittsweise: In einem ersten Arbeitsschritt sind diejenigen Bereiche als "Tabuzonen" zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen. Die Tabuzonen lassen sich in "harte" und "weiche" untergliedern. Der Begriff der harten Tabuzonen dient der Kennzeichnung von Teilen des Planungsraums, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen auch immer, nicht in Betracht kommen, mithin für eine Windenergienutzung "schlechthin" ungeeignet sind; mit dem Begriff der weichen Tabuzonen werden Bereiche des Plangebiets erfasst, in denen nach dem Willen des Plangebers aus unterschiedlichen Gründen die Errichtung von Windenergieanlagen "von vornherein" ausgeschlossen werden "soll". Die Potenzialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleiben, sind in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d.h. die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht wird. Der Plangeber muss sich zur Vermeidung eines Fehlers im Abwägungsvorgang den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen bewusst machen und ihn dokumentieren. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die beiden Arten der Tabuzonen nicht demselben rechtlichen Regime unterliegen. Bei den harten Tabuzonen handelt es sich um Flächen, auf denen die Windenergienutzung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Sie sind einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienutzung und widerstreitenden Belangen entzogen. Demgegenüber sind weiche Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Zwar dürfen sie anhand einheitlicher Kriterien ermittelt und vorab ausgeschieden werden, bevor diejenigen Belange abgewogen werden, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche für die Windenergie sprechen. Das ändert aber nichts daran, dass sie der Ebene der Abwägung zuzuordnen sind. Sie sind disponibel, was sich daran zeigt, dass raumplanerische Gesichtspunkte hier nicht von vornherein vorrangig sind und der Plangeber die weichen Tabuzonen einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen muss, wenn er als Ergebnis seiner Untersuchung erkennt, dass er für die Windenergienutzung nicht substanziell Raum schafft. Seine Entscheidung für weiche Tabuzonen muss der Plangeber rechtfertigen. Dazu muss er aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d.h. kenntlich machen, dass er – anders als bei harten Tabukriterien – einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offen legen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – BVerwG 4 CN 1.11 –, juris RdNr. 9 ff.; Urt. v. 11.04.2013 – BVerwG 4 CN 2.12 –, juris RdNr. 5 ff.).
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Diesen Anforderungen an den Abwägungsvorgang hat die Beigeladene zu 2 weder bei der Festlegung von Vorranggebieten für die Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von Eignungsgebieten (Nr. 5.8.2 REP MD) noch bei der Festlegung der Eignungsgebiete für die Nutzung der Windenergie (Nr. 5.8.3 REP MD) entsprochen. Die Beigeladene zu 2 hat im Planungsprozess nicht ausdrücklich zwischen harten und weichen Tabuzonen unterschieden. Die Standortkonzeption Windenergie (REP MD – Teil 2, Begründung, Anhang, S. 77 ff.) (http://www.regionmagdeburg.de/media/custom/493_499_1.PDF?1150461358) lässt auch nicht erkennen, dass die Beigeladene zu 2 in der Sache hinreichend zwischen den beiden Tabuzonen unterschieden hat (vgl. hierzu OVG RP, Urt. v. 16.05.2013 – 1 C 11003/12 –, juris RdNr. 32). Zwar kann der Plangeber einen Fehler im Abwägungsvorgang auch dadurch vermeiden, dass er unterstellt, bei der Fläche handele es sich um eine weiche Tabuzone, und den dafür maßgeblichen Kriterien bei der Abwägung den Vorzug vor den Belangen der Windenergienutzung gibt, wenn er unsicher ist, ob eine Fläche zu den harten oder weichen Tabuzonen gehört (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 16.05.2013 – 12 LA 49/12 –, juris RdNr. 23; Urt. v. 14.05.2014 – 12 KN 244/12 –, juris RdNr. 105; Gatz, jurisPR-BVerwG 7/2013 Anm. 6). Die Behandlung einer eigentlich als harte Tabufläche zu qualifizierenden Zone als weiche Tabufläche ist kein beachtlicher Fehler (vgl. OVG NW, Urt. v. 26.09.2013 – 16 A 1296/08 –, juris RdNr. 83). So gesehen und mit diesen Einschränkungen wird dem Plangeber mit der Unterteilung in harte und weiche Tabuzonen nichts Unmögliches abverlangt (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – BVerwG 4 CN 1.11 –, a.a.O. RdNr. 14). Der hier zu beurteilende Abwägungsvorgang ist jedoch auch unter Berücksichtigung dieser Maßgaben fehlerhaft, denn auch aus der Begründung der Ausschlusskriterien geht nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass sich die Beigeladene zu 2 die Unterschiede zwischen harten und weichen Tabukriterien bewusst gemacht hat.
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In der Standortkonzeption Windenergie wird das Vorgehen der Beigeladenen zu 2 bei der Bestimmung der Ausschlussflächen und Auswahl der Gebiete wie folgt beschrieben:
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"lm Zuge einer Art Bestandsaufnahme wurden für den gesamten Planungsraum die Flächen ermittelt, die nicht für eine Ansiedlung von Windkraftanlagen in Betracht zu ziehen sind. Aufgrund ihres räumlichen und sachlichen Nutzungszwecks wurden insbesondere folgende Flächen von vornherein für die Ansiedlung von Windkraftanlagen ausgenommen (s. a. Bekanntgabe der Abstands- und Ausschlusskriterien zur Aufstellung des REP MD Beschluss der Regionalversammlung vom 18.12.2002, Amtsblatt für den Regierungsbezirk Magdeburg 16/02 S. 225; Bekanntgabe der Änderung des Abstands- und Ausschlusskriterium Nr. 10 zur Aufstellung des REP MD Beschluss der Regionalversammlung vom 25.06.2003, Amtsblatt für den Regierungsbezirk Magdeburg 08/03; Bekanntgabe der Änderung des Abstands- und Ausschlusskriterium Nr. 1 zur Aufstellung des REP MD Beschluss der Regionalversammlung vom 14.04.2005, Amtsblatt des Landesverwaltungsamtes 09/05).
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Abb. 1: Liste der Ausschlussflächen einschließlich Pufferzonen
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Kriterium
Ausschluss- und Abstandsregelung
Dörfliche und städtische Siedlungen,
Campingplätze, Gebiete gemäß § 10 BauNVO,
Kur- und Klinikgebiete
1Tabu und mindestens 1.000 m Abstand
Wohnbebauung im Außenbereich
2Tabu und mindestens 500 m Abstand
Bundesautobahnen, Straßen und Schienenwege
3Tabu und 200 m Abstand
Hochwasserschutz / Deichvorland
4Tabu und 100 m Abstand vom Deichfuß
Fließgewässer 1. Ordnung / Talsperren
5Tabu und 500 m Abstand
Stehende Gewässer > 1 ha
6Tabu und 100 m Abstand
EinzelfallprüfungFlughafen, Landeplatz, Segelflugplatz
7Tabu und Bauschutzbereich bei Flugplätzen
im Übrigen nach Angaben des Dez. 34 RP MDMilitärische Anlagen
Vorranggebiet für militärische Nutzung
8Tabu und keine Abstandsregelung
Naturschutzgebiete gemäß § 31 NatSchG LSA,
Landschaftsschutzgebiete gemäß § 32 NatSchG LSA,
Naturparke gemäß § 36 NatSchG LSA,
alle Gebiete sowohl festgesetzt als auch
im Verfahren oder einstweilig gesichert
9Tabu und 1.000 m Abstand
Naturdenkmale gemäß § 34 NatSchG LSA, festgesetzt.
10Tabu und 200 m Abstand
EG Vogelschutzgebiete (EU SPA) IBA
Europäisches Vogelschutzgebiete,
Großtrappenschon- und –einstandsgebiete
11Tabu und 1.000 m Abstand
Schutzgebiete nach FFH-Richtlinie
12Tabu und 500 m Abstand
EinzelfallprüfungVorranggebiete für Wassergewinnung
13Einzelfallprüfung
Vorbehaltsgebiete für Tourismus und Erholung
14Tabu und 1.000 m Abstand
EinzelfallprüfungVorbehaltsgebiete zum Aufbau eines
ökologischen Verbundsystems
15Tabu und 500 m Abstand
EinzelfallprüfungAbstände der Eignungsgebiete untereinander
16In der Regel 5.000 m Luftlinie Abstand
zwischen den Eignungsgebieten
gemessen von Rand zu Rand
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Grundlage der Abstandsregelungen sind Schutzzwecke, Konfliktminimierung mit anderen Raumnutzungen und der Gedanke der Vorsorge. Bei der Festlegung der Abstandsregelungen wurden auch Vergleiche mit anderen Planungsregionen in unterschiedlichen Bundesländern unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der Planungsregion Magdeburg in Verbindung mit dem heutigen Stand der Technik durchgeführt. …
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Die pauschalen Ausschluss- und Abstandskriterien wurden insbesondere vor dem Hintergrund des Auftrages der Konfliktminimierung auf der Ebene der Regionalplanung angewandt …
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Bei einigen Kriterien sind über den Abstand hinaus Einzelfallprüfungen zur eventuellen Vergrößerung des Abstandes bei entsprechenden Konfliktlagen vorgesehen.
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Auf der Grundlage der Kriterien 1 – 15 und der dazugehörigen Pufferzonen wurden die entsprechenden Gebiete für die Nutzung der Windenergie ausgeschlossen.
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Ebenfalls ausgeschlossen wurden alle Waldgebiete.
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In einem weiteren Schritt wurden die verbliebenen Flächen daraufhin überprüft, ob Konflikte mit anderen Nutzungen (Vorrang für Natur und Landschaft, Vorrang Hochwasserschutz, Vorranggebiet für die Rohstoffgewinnung) aus dem Landesentwicklungsplan, soweit sie noch nicht von den Kriterien erfasst sind, vorliegen.
- 92
Die verbliebenen Flächen wurden mit den Planungen der bezüglich der Ausweisung von Vorranggebieten für die Landwirtschaft und Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebieten für die Rohstoffgewinnung abgewogen. Aufgrund der Standortgebundenheit und der kleinräumigen Ausweisung von Vorranggebieten für die Landwirtschaft und der Bedeutung des Bodens als Grundlage für die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte setzten sich die standortgebundenen Nutzungen gegenüber der Privilegierung der Windkraftnutzung und auch den betroffenen privaten Belangen zur Nutzung der Windkraft an diesen Stellen mit Ausnahmen (bereits bestehende Anlagenkonzentration) durch.
- 93
Nach der Ermittlung der für die Nutzung der Windkraft möglichen Flächen war eine Auswahlentscheidung zu treffen, um den Regelabstand zwischen den Eignungsgebieten einzuhalten. Dabei verhinderte das Vorhandensein von drei und mehr raumwirksamen Anlagen die Ausweisung eines Gebietes für die Nutzung der Windenergie in der Einflusszone dieser Anlagen (Anwendung des Kriteriums 16 auch auf diese Fälle).
- 94
In die Auswahlentscheidung wurden folgende Gesichtspunkte einbezogen:
- 95
- vorhandene Konzentration von Windkraftanlagen
- Vorbelastungen durch Einzelanlagen oder Anlagengruppen
- Schutzbereiche von Landeplätzen soweit noch keine Vorbelastung durch vorhandene Anlagen bestanden
- Planungen der Gemeinden
- Vorhandene Raumbelastungen durch andere Nutzungen
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…
- 97
Im Ergebnis wurden die im Planentwurf ausgewiesenen Gebiete festgelegt."
- 98
Diese Erläuterungen lassen keine Differenzierung der Ausschlussflächen nach "harten" und "weichen" Tabukriterien erkennen, also nach solchen Flächen, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen von vornherein für die Windkraftnutzung nicht zur Verfügung stehen, und solchen Flächen, die aufgrund des planerischen Willens des Planungsträgers von Windkraftanlagen freigehalten werden sollen. Die eingangs verwendete Formulierung, die Ausschlussflächen seien "von vornherein für die Ansiedlung von Windkraftanlagen ausgenommen" worden, lässt nicht erkennen, ob dies aufgrund (vermeintlicher) objektiver Zwänge (hartes Tabukriterium) oder aufgrund des planerischen Willens (weiches Tabukriterium) erfolgte. Für die Behauptung der Beigeladenen zu 2, der Begriff "Tabu" bei den Ausschlusskriterien 1 – 12 bezeichne ein hartes Tabukriterium, während mit dem Begriff "Abstand" und bei den Kriterien 14 und 15 auch mit dem Begriff "Tabu" ein weiches Tabukriterium gemeint sei, ergeben sich aus den Unterlagen keinerlei Anhaltspunkte. Es handelt sich vielmehr um den Versuch, den jeweiligen Begriffen nachträglich eine Bedeutung unterzuschieben, die sie im Planungsprozess noch nicht hatten. Auch die an die Tabelle anschließende Erläuterung, die Grundlage der Abstandsregelungen seien "Schutzzwecke, Konfliktminimierung mit anderen Raumnutzungen und der Gedanke der Vorsorge", kann nicht dahin verstanden werden, dass sämtliche Ausschlussflächen oder jedenfalls die Abstandsregelungen aus Gründen der Vorsorge und damit aufgrund des planerischen Willens des Planungsträgers als weiche Tabukriterien festgelegt werden sollten. Vielmehr lässt die Standortkonzeption Windenergie an keiner Stelle erkennen, dass die Beigeladene zu 2 – zumindest der Sache nach – eine bewusste Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabukriterien vorgenommen hat.
- 99
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Protokoll der Sitzung der Regionalversammlung der Beigeladenen zu 2 vom 18.12.2002, auf der unter TOP 6 die "Abstandsregelungen" einzeln beschlossen wurden, oder aus der Vorlage RV 14/2002 zu dieser Sitzung. Eine bewusste Unterscheidung der Ausschlusskriterien danach, ob sie aufgrund objektiver Zwänge (hartes Tabukriterium) oder aufgrund des planerischen Willens (weiches Tabukriterium) festgesetzt werden sollen, lassen diese Unterlagen nicht erkennen. Zwar werden in der Vorlage RV 14/2002 als Grundlage für die Ausweisung als Ausschlussfläche die Gesichtspunkte "Vorsorge", "Güterabwägung", "Vorschlag der Geschäftsstelle", "Votum Planungsämter", "Richtlinie", "Naturschutzgesetz", "EG Vogelschutzrichtlinie", "NatSchG" und "FFH-Richtlinie" angegeben. Diese Gesichtspunkte machen jedoch nicht hinreichend deutlich, dass die Beigeladene zu 2 bewusst – der Sache nach – zwischen harten und weichen Tabukriterien unterschieden und etwa die Kriterien, deren Grund u.a. mit "Vorsorge" angegeben wurde, bewusst zur Vermeidung von Fehlern im Abwägungsvorgang den weichen Tabukriterien zugeordnet hat. Es kann dahinstehen, ob sich aus der mit Beschluss der Regionalversammlung der Beigeladenen zu 2 vom 25.06.2003 vorgenommene Änderung des Kriteriums 10 ergibt, dass der vorgesehene Abstand der Sache nach als weiches Tabukriterium angesehen wurde. Hiermit wurde der einzuhaltende Abstand zu festgesetzten Naturdenkmalen gemäß § 34 NatSchG LSA auf 200 m herabgesetzt, weil der ursprünglich vorgesehene Abstand von 1.000 m als "unangemessen" angesehen wurde. Dies deutet darauf hin, dass diese Abstandsregelung aufgrund des planerischen Willens der Beigeladenen zu 2 festgelegt werden sollte. An der insgesamt unzureichenden Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabukriterien ändert dies nichts. Insbesondere im Hinblick auf die Kriterien 9 (Naturschutzgebiete gemäß § 31 NatSchG LSA, Landschaftsschutzgebiete gemäß § 32 NatSchG LSA, Naturparke gemäß § 36 NatSchG LSA, alle Gebiete sowohl festgesetzt als auch im Verfahren oder einstweilig gesichert), 10 (Naturdenkmale gemäß § 34 NatSchG LSA, festgesetzt), 11 (EG Vogelschutzgebiete (EU SPA) IBA Europäisches Vogelschutzgebiete, Großtrappenschon- und -einstandsgebiete) und 12 (Schutzgebiete nach FFH-Richtlinie) bleibt unklar, ob es sich um harte oder weiche Tabukriterien handeln soll. In den Erläuterungen der Vorlage RV 14/2002 wurden insoweit als Grundlage einerseits das "Naturschutzgesetz" bzw. das "NatSchG" sowie die Vogelschutzrichtlinie und die FFH-Richtlinie angegeben, was für die Einstufung als harte Tabukriterien spricht. Andererseits wurden der "Vorschlag der Geschäftsstelle" und das "Votum der Planungsämter" genannt, was auf eine planerische Grundlage und damit auf ein weiches Tabukriterium hindeutet. Im Hinblick auf den Ausschluss aller Waldgebiete fehlt es vollständig an Anhaltspunkten, ob dies als hartes oder weiches Tabukriterium gemeint war.
- 100
Die Planung genügt den an sie zu stellenden Anforderungen auch deshalb nicht, weil sich der Planungsträger den Unterschied zwischen harten und weichen Tabukriterien nicht nur bewusst machen, sondern dies auch dokumentieren muss. Auch daran fehlt es. Eine vollständige und nachvollziehbare Dokumentation dazu, bei welchen Ausschlusskriterien die Beigeladene zu 2 von einer harten und bei welchen sie von einer weichen Tabuzone ausging, liegt nicht vor. Die Begründung der Ausschluss- und Abstandsregelungen einschließlich der Aufstellungsmaterialien ist insoweit unergiebig. Die nachträglichen Erläuterungen der Beigeladenen zu 2 in ihrem Schreiben vom 27.07.2015 sind insoweit ohne Belang.
- 101
Soweit der Senat in den Urteilen vom 14.05.2009 – 2 L 255/06 – und vom 30.07.2009 – 2 K 371/06, 2 K 93/08, 2 K 141/08 und 2 L 183/07 – davon ausgegangen ist, dass der REP MD auf einem schlüssigen Gesamtkonzept beruhe und keine Abwägungsfehler erkennen lasse, hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest. Der Senat hat in diesen Entscheidungen noch nicht das in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst später für die Regionalplanung als zwingend anerkannte Erfordernis beachtet, dass sich der Plangeber zur Vermeidung eines Fehlers im Abwägungsvorgang den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen bewusst machen und ihn dokumentieren muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.09.2009 – BVerwG 4 BN 25.09 –, juris RdNr. 8; Urt. v. 13.12.2012 – BVerwG 4 CN 1.11 –, a.a.O. RdNr. 10; Urt. v. 11.04.2013 – BVerwG 4 CN 2.12 –, a.a.O. RdNr. 6). Insoweit handelt es sich nicht um eine für die Abwägung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 ROG unbeachtliche nachträgliche Änderung der Rechtslage, sondern um einen Prozess der fortschreitenden Rechtserkenntnis. Die Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabukriterien hätte daher bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den REP MD am 17.05.2006 beachtet werden müssen.
- 102
bb) Der dargestellte Fehler im Abwägungsvorgang ist auch nicht gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 2 ROG bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 3 LPlG LSA unbeachtlich. Mängel im Abwägungsvorgang sind nach diesen Vorschriften nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.
- 103
(1) Der Abwägungsmangel ist offensichtlich. Offensichtlich ist ein Mangel, wenn er auf objektiv feststellbaren Umständen beruht und ohne Ausforschung der Entscheidungsträger über deren Planungsvorstellungen für den Rechtsanwender erkennbar ist (BVerwG, Urt. v. 11.04.2013 – BVerwG 4 CN 2.12 –, a.a.O. RdNr. 9). So liegt es hier. Die bei der Ausarbeitung des Planungskonzepts nicht hinreichend bewusst gemachte und dokumentierte Differenzierung zwischen harten und weichen Tabuzonen ergibt sich aus der Planbegründung und den Aufstellungsvorgängen. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 2 ist der Umstand, dass der Senat den Mangel in seinen Urteilen vom 14.05.2009 und 30.07.2009 noch nicht erkannt hat, ohne Belang für die Frage, ob dieser im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 2 ROG offensichtlich gewesen ist.
- 104
(2) Der Abwägungsmangel ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist der Mangel, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne ihn die Planung anders ausgefallen wäre, d.h. bei der Regionalplanung mehr und/oder größere Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung ausgewiesen worden wären (BVerwG, Urt. v. 11.04.2013 – BVerwG 4 CN 2.12 –, a.a.O.). Das ist der Fall. Da sich bei der gebotenen Bewertung zunächst anhand allein der rechtlich und tatsächlich zwingenden Kriterien voraussichtlich gezeigt hätte, dass mehr oder andere Flächen grundsätzlich für die Windenergienutzung in Betracht kommen, besteht die konkrete Möglichkeit, dass die Beigeladene zu 2 ohne den Fehler andere oder auch mehr Flächen ausgewiesen hätte. Einem möglichen Einfluss auf das Abwägungsergebnis steht nicht entgegen, dass die Beigeladene zu 2 die Tabuflächen um eine Abstandsregelung ergänzt hat. Zwar betont dies den damaligen Willen, die festgelegten Tabuflächen in jedem Fall von Windenergieanlagen freihalten zu wollen. Gleichwohl hätte die Bemessung der Tabu- und Abstandsflächen anders ausfallen können, wenn sich die Beigeladene zu 2 die bestehenden Abwägungsspielräume stärker bewusst gemacht hätte. Die Abwägung hätte bei fehlerfreiem Vorgehen unter anderen Vorzeichen stattgefunden. Deshalb kann auch ein anderes Abwägungsergebnis nicht ausgeschlossen werden (vgl. ThürOVG, Urt. v. 08.04.2014 – 1 N 676/12 –, juris RdNr. 105; NdsOVG, Urt. v. 14.05.2014 – 12 KN 244/12 –, a.a.O. RdNr. 110). Dies gilt in besonderem Maße für das Ausschlusskriterium "Waldgebiete". Insoweit ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beigeladene zu 2 die bestehenden Abwägungsmöglichkeiten (vgl. OVG NW, Urt. v. 22.09.2015 – 10 D 82/13.NE –, juris RdNr. 48 ff.) erkannt hat. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beigeladene zu 2 auf der Grundlage der neuen Konzeption zur Festlegung von Gebieten für die Nutzung der Windenergie im Regionalen Entwicklungsplan für die Planungsregion Magdeburg vom 04.09.2013/30.04.2014 die gleichen Gebiete für die Nutzung der Windenergie ausgewiesen hat wie im REP MD. Dies deutet vielmehr auf die Tendenz hin, ein einmal gefundenes Ergebnis möglichst zu "halten". Es schließt aber nicht aus, dass die ursprüngliche Planung im Jahr 2006 anders ausgefallen wäre, wenn sich die Beigeladene zu 2 damals die Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabukriterien bewusst gemacht hätte.
- 105
cc) Ohne Belang ist, dass die Klägerin den maßgeblichen Fehler im Abwägungsvorgang nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des REP MD gegenüber der Beigeladenen zu 2 geltend gemacht hat. Die Vorschrift des § 12 Abs. 5 ROG ist gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ROG auf Raumordnungspläne der Länder, die – wie hier – vor dem 30.06.2009 auf der Grundlage der Raumordnungsgesetzes der Länder in Kraft getreten sind, nicht anzuwenden. § 10 des Raumordnungsgesetzes vom 18.09.1997 (BGBl. I S. 2081), die Vorgängervorschrift von § 12 ROG, kannte demgegenüber die Unbeachtlichkeit von Mängeln im Abwägungsvorgang nicht (vgl. OVG NW, Urt. v. 26.09.2013 – 16 A 1294/08 –, juris RdNr. 113).
- 106
dd) Der Abwägungsmangel bleibt auch nicht gemäß § 9 Abs. 2 LPlG LSA folgenlos. Hiernach kann eine Verletzung der für Raumordnungspläne geltenden Verfahrens- und Formvorschriften, die nicht nach Absatz 1 unbeachtlich ist, nur innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Raumordnungsplans schriftlich gegenüber dem für die Aufstellung des Raumordnungsplans zuständigen Planungsträger geltend gemacht werden; der Sachverhalt, der die Verletzung oder den Mangel begründen soll, ist dabei darzulegen. Zwar ist die Vorschrift ergänzend zu den bundesrechtlichen Planerhaltungsvorschriften des § 12 Abs. 1 – 4 ROG anwendbar. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ROG sind ergänzend die Vorschriften in den Raumordnungsgesetzen der Länder über die form- und fristgerechte Geltendmachung und über die Rechtsfolgen einer nicht form- und fristgerechten Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften weiterhin anzuwenden. Da die bundesrechtlichen Planerhaltungsvorschriften hiernach keine Sperrwirkung entfalten, bedarf es für die Beurteilung der Beachtlichkeit von formellen und materiellen Mängeln eines Regionalplans grundsätzlich einer Prüfung sowohl der bundesrechtlichen als auch der jeweiligen landesrechtlichen Planerhaltungsvorschriften (SächsOVG, Urt. v. 01.07.2011 – 1 C 25/08 –, juris RdNr. 44). § 9 Abs. 2 LPlG LSA erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut jedoch nur die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, nicht jedoch Abwägungsmängel. Eine wegen unterbliebener Unterscheidung in harte und weiche Tabukriterien fehlerhafte Abwägung ist jedoch nicht der Kategorie der formellen Fehler zuzurechnen (OVG NW, Urt. v. 26.09.2013 – 16 A 1294/08 –, a.a.O. RdNr. 114). Vielmehr handelt es sich um einen Mangel im Abwägungsvorgang (BVerwG, Urt. v. 11.04.2013 – BVerwG 4 CN 2.12 –, a.a.O. RdNr. 9).
- 107
b) Da die Voraussetzungen der Anpassungspflicht gemäß § 1 Abs. 4 BauGB nicht vorliegen, bedarf es keiner Vertiefung, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die Anpassungspflicht an nach Erlass eines Bebauungsplans aufgestellte Ziele der Raumordnung bewirkt. Es bedarf insbesondere keiner Klärung, ob ein Bebauungsplan unwirksam oder funktionslos wird, wenn seine Darstellungen oder Festsetzungen nachträglich festgesetzten Zielen der Raumordnung widersprechen (vgl. einerseits BVerwG, Beschl. v. 08.03.2006 – BVerwG 4 BN 56.05 –, juris RdNr. 7; NdsOVG, Urt. v. 01.09.2005 – 1 KN 108/05 – UA S. 16; HessVGH, Urt. v. 04.07.2013 – 4 C 2300/11.N –, juris RdNr. 40; Waechter, DÖV 2010, 493 <503> und andererseits NdsOVG, Urt. v. 16.06.1982 – 1 A 194/80 –, juris; BayVGH, Urt. v. 16.11.1993 – 8 B 92.3559 –, juris RdNr. 15; OVG MV, Urt. v. 17.02.2004 – 3 K 12/00 –, juris RdNr. 33; Urt. v. 05.11.2008 – 3 L 281/03 –, juris RdNr. 133; HessVGH, Beschl. v. 10.09.2009 – 4 B 2068/09 –, juris RdNr. 4; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 1 RdNr. 42; Kümper, ZfBR 2012, 631 <635>; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 RdNr. 69; Schrödter, ZfBR 2013, 535 <541 f.>; ders., in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 1 RdNr. 127 ff.).
- 108
c) Der Bebauungsplan Nr. 8 ist – entgegen der Ansicht des Beklagten – auch nicht aus anderen Gründen nichtig. Insbesondere die Festsetzungen über die Höhe der Anlagen und deren Standorte führen nicht zu dessen Unwirksamkeit. Die Rechtsgrundlage für die Begrenzung der Gesamthöhe findet sich in § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 16 BauNVO. Nach § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO kann die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt werden. § 16 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO verpflichtet sogar zur Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen, wenn ohne ihre Festsetzung öffentliche Belange, insbesondere das Orts- und Landschaftsbild, beeinträchtigt werden können. Die von der Gemeinde H. vorgenommene Festsetzung der Standorte der Windenergieanlagen im Bebauungsplan ist ebenso möglich wie die dadurch erfolgte Begrenzung der Zahl der Anlagen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 21.12.2010 – 12 KN 71/08 – juris RdNr. 29). Die Gemeinden dürfen die Errichtung von Windenergieanlagen in den durch einen Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszonen durch einen Bebauungsplan einer Feinsteuerung (z.B. Begrenzung der Anlagenhöhe, Festlegung der Standorte der einzelnen Anlagen) unterziehen (BVerwG, Beschl. v. 27.11.2003 – BVerwG 4 BN 61.03 –, juris RdNr. 8). Das gilt ebenso, wenn eine planerische Steuerung der Errichtung von Windenergieanlagen durch Darstellungen in einem Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB – wie hier – nicht vorhanden ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Gemeinde H. bei den entsprechenden Festsetzungen in dem Bebauungsplan Nr. 8 Abwägungsfehler unterlaufen sind, sind weder vom Beklagten aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.
- 109
2. Die Untersagungsverfügung der Beigeladenen zu 2 vom 19.07.2001 steht dem Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Genehmigung nicht entgegen.
- 110
Private Maßnahmenträger, gegenüber denen die Untersagung – wie hier – bei versagter behördlicher Genehmigung nur mittelbar wirkt, können im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der Genehmigung eine inzidente Überprüfung der Untersagung anstrengen (Bäumler, in: Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz, Raumordnung in Bund und Ländern, Band 1, 5. Aufl. 2010, § 14 ROG RdNr. 22; Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2010, § 14 RdNr. 31). Hält das Gericht die Untersagung für rechtswidrig, stellt sie keinen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung dar mit der Folge, dass der Genehmigungsanspruch von ihr unberührt bleibt und die Behörde zur Erteilung der Genehmigung zu verpflichten ist, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (vgl. Urt. d. Senats v. 06.08.2012 – 2 L 6/10 –, juris RdNr. 51). Hiernach lässt die Untersagungsverfügung der Beigeladenen zu 2 vom 19.07.2001 den Genehmigungsanspruch der Klägerin unberührt, denn sie ist rechtswidrig. Gemäß § 14 Abs. 1 ROG kann die Raumordnungsbehörde raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen sowie die Entscheidung über deren Zulässigkeit gegenüber den in § 4 genannten öffentlichen Stellen unbefristet untersagen, wenn Ziele der Raumordnung entgegenstehen. Ziele der Raumordnung können nur dann entgegenstehen, wenn sie rechtsverbindlich aufgestellt wurden (Bäumler, in: Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz, a.a.O., § 14 ROG RdNr. 13; Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, a.a.O., § 14 RdNr. 16). Daran fehlt es hier, denn der REP MD ist – wie dargelegt – unwirksam. Vor diesem Hintergrund kann offen blieben, ob die Untersagungsverfügung auch deshalb rechtswidrig ist, weil die Ziele der Raumordnung bei der Genehmigung eines Vorhabens im Geltungsbereich eines Bebauungsplans i.S.d. § 30 Abs. 1 BauGB nicht zu beachten sind (so Bäumler, in: Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz, a.a.O., § 14 ROG RdNr. 9).
- 111
3. Dem Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Genehmigung steht auch nicht die vom Beigeladenen zu 3 mit Verfügung vom 02.10.2015 im Wege der Ersatzvornahme erlassene Veränderungssperre entgegen, denn diese ist unwirksam.
- 112
Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen mit der Folge, dass Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar können auch Beschlüsse, die sich allein auf die Aufhebung eines Bebauungsplans richten, durch den Erlass von Veränderungssperren gesichert werden (BVerwG, Urt. v. 10.09.1976 – BVerwG 4 C 5.76 –, juris RdNr. 18). Eine Veränderungssperre ist als Sicherungsmittel jedoch ungeeignet und damit unwirksam, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, wenn der beabsichtigte Bauleitplan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des BauGB nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.1993 – BVerwG 4 NB 40.93 –, juris RdNr. 3). Hiervon ausgehend ist anerkannt, dass eine Veränderungssperre unwirksam ist, wenn der Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplanes nur vorgeschoben ist, um mittels der die Planung sichernden Veränderungssperre Zeit für die "Konzentrationsplanung" gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB im Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplanes zu gewinnen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 18.06.2003 – 1 KN 56/03 –, juris RdNr. 27 f.; HessVGH, Urt. v. 25.07.2011 – 9 A 103/11 –, juris RdNr. 43; Urt. v. 29.08.2011 – 3 C 124/10.N –, juris RdNr. 23). Dementsprechend ist auch eine (im Wege der Ersatzvornahme durch die Kommunalaufsicht angeordnete) Veränderungssperre unwirksam, wenn sie zwar die Sicherung der Anpassung der Bauleitplanung an die Ziele der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 BauGB bezweckt, objektiv jedoch der Sicherung der künftigen Regionalplanung dient.
- 113
Hieran gemessen ist die Veränderungssperre im vorliegenden Fall als Sicherungsmittel unzulässig, weil sich das Ziel der Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 8 der ehemaligen Gemeinde H. nicht erreichen lässt. Ziel des kommunalaufsichtlichen Handelns ist ausweislich der Begründung der Verfügung des Beigeladenen zu 3 vom 02.10.2015, das betroffene Gebiet in den Außenbereich zurückzuversetzen, um den raumordnungsrechtlichen Vorgaben des REP MD gerecht zu werden. Die Verfügung zielt darauf ab, dem auf Grund der Festsetzungen der Vorranggebiete für die Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von Eignungsgebieten und der Eignungsgebiete für die Nutzung der Windenergie im REP MD gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB – vermeintlich – bestehenden Ausschluss von Windenergieanlagen im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Geltung zu verschaffen. Dieses Ziel kann jedoch allein durch die Aufhebung des Bebauungsplans nicht erreicht werden, weil den genannten Festsetzungen aufgrund der Unwirksamkeit des REP MD keine derartige Ausschlusswirkung zukommt. Der Eintritt der Ausschlusswirkung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB setzt vielmehr die Aufstellung eines neuen Regionalen Entwicklungsplans für die Planungsregion Magdeburg voraus. Dessen Sicherung durch die verfügte Veränderungssperre ist indessen nicht zulässig.
- 114
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 3 nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil sie keinen Sachantrag gestellt und sich so auch nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben.
- 115
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
- 116
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
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- Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 L 6/10 1x
- § 12 Abs. 1 bis 4 ROG 1x (nicht zugeordnet)
- § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 1 ROG 1x (nicht zugeordnet)
- § 35 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- 12 LA 49/12 1x (nicht zugeordnet)
- 4 C 2300/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 1 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- § 9 LPlG 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Abs. 7 Nr. 2 ROG 1x (nicht zugeordnet)
- § 29 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 4 Genehmigung 1x
- § 32 NatSchG 2x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (2. Kammer) - 2 A 140/12 2x
- § 14 ROG 4x (nicht zugeordnet)
- § 12 Abs. 3 ROG 1x (nicht zugeordnet)
- § 34 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 28 Abs. 2 ROG 1x (nicht zugeordnet)
- § 214 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 103/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 144 KVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 2 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 12 Abs. 3 Satz 2 ROG 2x (nicht zugeordnet)