Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (8. Senat) - 8 K 5/15

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen den Flurbereinigungsplan im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren (L.).

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Mit Beschluss vom 01.12.2006 ordnete der Beklagte das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren (L.) an, nachdem er zuvor am 28.11.2005 in (J.) eine entsprechende Aufklärungsversammlung gemäß § 5 FlurbG durchgeführt hatte, an der auch die Klägerin zu 2 teilnahm. Die Kläger sind als Miteigentümer von Grundstücken im Verfahrensgebiet Teilnehmer dieses Flurbereinigungsverfahrens. Der Flurbereinigungsbeschluss vom 01.12.2006 wurde in den Monaten Dezember 2006 und Januar 2007 in den im Flurbereinigungsgebiet gelegenen und angrenzenden Gemeinden durch Aushang sowie Veröffentlichung in verschiedenen Amtsblättern bekanntgemacht. Widersprüche wurden hiergegen nicht erhoben.

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Mit Bekanntmachung vom 22.04.2013 wurde der Flurbereinigungsplan bekanntgegeben. In der Bekanntmachung wurde auf die Auslegung des Flurbereinigungsplans in der Zeit vom 27.05.2013 bis zum 07.06.2013 im Bauamt der Hansestadt Gardelegen während der Dienstzeiten und zusätzlich am 11.06.2013 in der Zeit von 9.00 – 18.00 Uhr in (J.) hingewiesen. Der Termin zur Anhörung der Beteiligten finde am 11.06.2013 um 18.30 Uhr in (J.) statt. Die Beteiligten wurden als Teilnehmer für ihre dem Flurbereinigungsverfahren unterliegenden Grundstücke und als Inhaber von Rechten an Grundstücken, die dem Flurbereinigungsplan unterliegen, geladen. Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan müssten die Beteiligten zur Vermeidung des Ausschlusses im Anhörungstermin vorbringen. Die Bekanntmachung wurde u.a. im Amtsblatt für den Altmarkkreis Salzwedel vom 22.05.2013 veröffentlicht.

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Mit Schreiben vom 29.04.2013 informierte der Beklagte jedenfalls die Klägerin zu 2 zusätzlich über den Flurbereinigungsplan.

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Die Kläger waren Miteigentümer der Flurstücke 428/38, 436/37 und 37/1 der Flur A der Gemarkung (J.). Mit dem Flurbereinigungsplan wurden ihnen als Abfindung die Flurstücke 315 und 313 in ähnlicher Lage zugeteilt. Das Flurstück 315 liegt an der W-Straße in (J.) und ist mit dem Wohnhaus der Kläger bebaut. Das Flurstück 313 liegt dahinter und ist eine Grünlandfläche. Als Zufahrt zu den Flurstücken nutzen die Kläger seit langem das Flurstück 316 (vormals 421/38), auf dem sie ein Hoftor und einen Carport errichtet haben. Eigentümerin des Flurstücks 316 ist Frau H., die Nachbarin der Kläger, die das Grundstück durch notariellen Kaufvertrag vom 13.08.2013 erworben hat. Zulasten des Flurstücks 316 war im Grundbuch ein Überfahrtsrecht u.a. für die jeweiligen Eigentümer des Flurstücks 436/37 (jetzt 313) eingetragen. Mit dem Flurbereinigungsplan wurde das Überfahrtsrecht gelöscht.

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Zu dem Anhörungstermin am 11.06.2013 erschien kein Teilnehmer. Gegen den Flurbereinigungsplan wurde kein Widerspruch eingelegt. Am 24.01.2014 ordnete der Beklagte die Ausführung des Flurbereinigungsplans gemäß § 61 FlurbG an.

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Nachdem das auf dem Flurstück 316 lastende Überfahrtsrecht auf Ersuchen des Beklagten vom 25.06.2014 am 21.08.2014 im Grundbuch gelöscht wurde, legten die Kläger mit Schreiben vom 27.01.2015, bei dem Beklagten eingegangen am 29.01.2015, "Einspruch" ein und beantragten die Wiedereintragung des Wegerechts. Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt wertete das Schreiben als Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2015 als unzulässig zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Widerspruch sei nicht fristgerecht eingelegt worden. Gemäß § 59 Abs. 2 FlurbG müssten Widersprüche im Anhörungstermin vorgebracht werden. Das sei hier nicht geschehen. Die Kläger seien auch ordnungsgemäß unter Einhaltung der Ladungsfrist zu dem Anhörungstermin geladen und auf die Folgen des Ausbleibens im Anhörungstermin hingewiesen worden. Die Bekanntmachung im Amtsblatt für den Altmarkkreis Salzwedel vom 22.05.2013 sei ausreichend. Zusätzlich sei den Klägern mit Schreiben vom 29.04.2013 ein Auszug aus dem Flurbereinigungsplan durch Einwurf in den Briefkasten am 07.05.2013 zugestellt worden. Selbst wenn diese Zustellung nicht nachweisbar sein sollte, wirke sich dies auf die Einhaltung der Ladungsfrist nicht aus. Der Widerspruch der Kläger sei nicht im Anhörungstermin am 11.06.2013, sondern erst mit Schreiben vom 27.01.2015 und damit verspätet vorgebracht worden. Damit seien die Rechtsfolgen des § 59 Abs. 2 FlurbG eingetreten. Eine nachträgliche Zulassung des Widerspruchs gemäß § 134 Abs. 2 FlurbG scheide aus. Die Kläger hätten die Frist schuldhaft versäumt. Es trete für sie auch keine unbillige Härte ein. Das Flurstück 315 liege an einer öffentlichen Straße und sei erschlossen. Das Flurstück 313 liege dahinter und sei über das Flurstück 315 zu erreichen.

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Am 28.10.2015 haben die Kläger beim erkennenden Gericht Klage erhoben. Mit Schreiben vom 24.11.2015 haben sie klargestellt, dass sich die Klage nicht gegen das Landesverwaltungsamt, sondern gegen den Beklagten richte.

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Die Kläger tragen vor, sie seien nicht ordnungsgemäß zu dem Anhörungstermin am 11.06.2013 geladen worden. Die Veröffentlichung im Amtsblatt des Altmarkkreises vom 22.05.2013 hätten sie nicht erhalten, da sie den Generalanzeiger, mit dem das Amtsblatt vertrieben werde, schon seit Jahren nicht mehr bekommen würden. Ein Schreiben vom 29.04.2013 sei nur der Klägerin zu 2 zugegangen. Sie seien an dem Flurbereinigungsverfahren nur gemäß § 10 Nr. 1 FlurbG als Teilnehmer, nicht aber gemäß § 10 Nr. 2 Buchst. b FlurbG als Nebenbeteiligte beteiligt worden. Das sei nicht ausreichend. Da sie keine Kenntnis davon gehabt hätten, dass es auch um ihr Wegerecht gehe, hätten sie keine Veranlassung gehabt, zum Anhörungstermin am 11.06.2013 zu gehen. Auch in der Aufklärungsversammlung vom 28.11.2006 seien sie nicht über die Absicht, die Dienstbarkeit aufheben zu wollen, aufgeklärt worden. Der Flurbereinigungsbeschluss vom 01.12.2006 sei daher rechtswidrig, verletze sie in ihren Rechten und sei aufzuheben. Zudem sei der Flurbereinigungsplan nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. Erforderlich sei eine Auslegung von mindestens 14 Tagen. Demgemäß könne ihr Widerspruch nicht verspätet sein. Der Flurbereinigungsplan sei auch materiell rechtswidrig. Die Löschung des Wegerechts verletze die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Das Flurstück 313 sei nur über das Flurstück 316 erreichbar. Um das Flurstück 313 über das Flurstück 315 zu erreichen, müssten sie teilweise ihr Haus zurückbauen oder Bäume fällen, was unzumutbar sei. Der Beklagte hätte nicht bei Gelegenheit der Flurbereinigung private Interessen wie das Wegerecht neu ordnen dürfen, weil der Zweck der Flurbereinigung dies nicht erfordert und auch kein öffentliches Interesse daran bestanden habe. Der Beklagte habe den Eigentümern des Flurstücks 316 etwas zum Nachteil der Kläger verschafft, was diese auf zivilrechtlichem Wege nie bekommen hätten. Die Dienstbarkeit hätte nur gelöscht werden dürfen, wenn der Zweck der Flurbereinigung dies erfordert hätte, das Interesse der Eigentümer ihr Interesse an dem Weg deutlich überwogen hätte und wenn sie zugestimmt hätten. Hieran fehle es. Sie hätten von der Löschung der Dienstbarkeit nichts gewusst. Es wäre erforderlich gewesen, sie ordnungsgemäß zu beteiligen, über das Vorhaben aufzuklären, darzulegen, weshalb der Zweck der Flurbereinigung nur mit der Löschung der Dienstbarkeit erreicht werden könne, und ihre Zustimmung einzuholen.

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Die Kläger beantragen,

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den Flurbereinigungsplan des Beklagten vom 11.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 22.09.2015 zu ändern und das Wegerecht auf dem Flurstück 316, welches mit dem Flurbereinigungsplan vom 11.06.2013 aufgehoben wurde, wieder einzutragen,

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hilfsweise,

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den Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 22.09.2015 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an die Widerspruchsbehörde zurückzuverweisen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verteidigt den angefochtenen Flurbereinigungsplan sowie den Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans mit den Auslegungszeiten sowie die Ladung zum Anhörungstermin sei gemäß § 59 Abs. 3 FlurbG durch öffentliche Bekanntmachung in den entsprechenden Amtsblättern erfolgt. Eine bestimmte Auslegungsfrist sei nicht vorgeschrieben. Die Auslegung vom 27.05.2013 bis zum 07.06.2013 habe den Klägern ausreichend Zeit geboten, den Flurbereinigungsplan einzusehen. Im Anhörungstermin am 11.06.2013 sei von ihnen kein Widerspruch erhoben worden. Das Überfahrtsrecht sei zu Recht aufgehoben worden, da die neu gebildeten Flurstücke 315 und 313 erschlossen und zugänglich seien.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage hat keinen Erfolg.

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Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt hat den Widerspruch der Kläger gegen den Flurbereinigungsplan des Beklagten im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren (L.) zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Der Flurbereinigungsplan ist bestandskräftig.

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1. Der Flurbereinigungsplan ist wirksam. Insbesondere ist er den Beteiligten ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Für die Bekanntmachung des Flurbereinigungsplans ist in § 59 Abs. 1 Satz 1 FlurbG keine bestimmte Form vorgeschrieben (vgl. Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 59 RdNr. 1). Das Rechtsstaatsprinzip gebietet insoweit lediglich, dass der Flurbereinigungsplan den Beteiligten in einer Weise förmlich zugänglich gemacht wird, dass sie sich verlässlich Kenntnis von seinem Inhalt verschaffen können. Die Möglichkeit darf nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Konkrete weitere Gebote für die Ausgestaltung des Bekanntmachungsvorgangs im Einzelnen ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.06.2012 – BVerwG 8 BN 1.12 –, juris RdNr. 5 m.w.N. zur Verkündung von Rechtsnormen). Diesen Anforderungen wird die Bekanntmachung des Flurbereinigungsplans des Beklagten im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren (L.) gerecht. Die Bekanntmachung erfolgte durch Auslegung in der Zeit vom 27.05.2013 bis zum 07.06.2013 im Bauamt der Hansestadt Gardelegen während der Dienstzeiten und zusätzlich am 11.06.2013 in der Zeit von 9.00 – 18.00 Uhr in (J.). Hierauf wurde in der öffentlichen Bekanntmachung vom 22.04.2013, die u.a. am 22.05.2013 im Amtsblatt für den Altmarkkreis Salzwedel veröffentlicht wurde, hingewiesen. Hiernach konnten sich die Kläger in zumutbarer Weise vom Inhalt des Flurbereinigungsplans Kenntnis verschaffen.

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2. Die Ausschlusswirkung des § 59 Abs. 2 FlurbG ist eingetreten. Nach dieser Vorschrift müssen die Beteiligten Widersprüche gegen den bekanntgegebenen Flurbereinigungsplan zur Vermeidung des Ausschlusses in einem Anhörungstermin vorbringen; hierauf ist in der Ladung und im Termin hinzuweisen. Die Ladungsfrist beträgt zwei Wochen. Die Ausschlusswirkung setzt hiernach voraus, dass die Beteiligten im Anhörungstermin keinen Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan vorgebracht haben, obwohl sie zu dem Termin ordnungsgemäß unter Einhaltung der Ladungsfrist geladen und in der Ladung und im Termin auf die Ausschlusswirkung des § 59 Abs. 2 FlurbG hingewiesen wurden. Diese Voraussetzungen liegen vor.

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a) Die Kläger haben im Anhörungstermin vom 11.06.2013 keinen Widerspruch erhoben, sondern erst über 1 ½ Jahre später am 29.01.2015.

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b) Die Kläger sind auch ordnungsgemäß zu dem Termin vom 11.06.2013 geladen worden. Die Ladung kann gemäß §§ 59 Abs. 3 Satz 3, 111 Abs. 1 Satz 2 FlurbG durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Gemäß § 110 Satz 1 FlurbG erfolgt die öffentliche Bekanntmachung in den Flurbereinigungsgemeinden nach den für die öffentliche Bekanntmachung von Verfügungen der Gemeinden bestehenden Rechtsvorschriften. Die Form der öffentlichen Bekanntmachung richtet sich vorliegend, da die Kläger in Gardelegen wohnen, nach der Hauptsatzung der Hansestadt Gardelegen. Die Ladung der Beteiligten zu dem Anhörungstermin vom 11.06.2013 wurde am 22.05.2013 im Amtsblatt für den Altmarkkreis Salzwedel veröffentlicht. Dass diese Form der Bekanntmachung nicht den Bekanntmachungsvorschriften der Hansestadt Gardelegen entsprach, machen die Kläger nicht geltend. Inhaltliche Mängel der Ladung liegen nicht vor. Insbesondere war die Bezeichnung der Adressaten nicht zu beanstanden. Macht die Behörde von der Ermächtigung zur öffentlichen Bekanntmachung einer Ladung Gebrauch, so bedarf es keiner gesonderten Ladung einzelner Beteiligter. Allerdings muss sich aus der öffentlich bekanntgemachten Ladung mit hinreichender Bestimmtheit ergeben, an wen sie sich richtet. Dazu ist es nicht erforderlich, die Adressaten namentlich aufzuführen. Vielmehr reicht eine allgemeine Bezeichnung aus, wenn sie geeignet ist, die so bezeichneten Adressaten der Ladung erkennen zu lassen, dass sie auch gemeint sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.09.1994 – BVerwG 11 B 99.94 –, juris RdNr. 2). Dies folgt aus dem Zweck der Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung, den § 111 FlurbG ebenso verfolgt wie § 110 FlurbG. Für die zuletzt genannte Vorschrift ist anerkannt, dass es keiner Ermittlung und namentlichen Bezeichnung aller Betroffenen bedarf (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1982 – BVerwG 5 C 9.82 –, juris RdNr. 21). Hiernach war die öffentlich bekanntgemachte Ladung hinreichend bestimmt. Sie richtete sich an die Beteiligten des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens (L.) als Teilnehmer für ihre dem Flurbereinigungsverfahren unterliegenden Grundstücke und als Inhaber von Rechten an Grundstücken, die dem Flurbereinigungsplan unterliegen. Hieraus war für die Kläger, denen ihre Stellung als Beteiligte in diesem Flurbereinigungsverfahren bekannt war, ohne weiteres ersichtlich, dass die Bekanntmachung und Ladung sich an sie richtete. Die Ladung erhielt auch den erforderlichen Hinweis, dass die Beteiligten Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan zur Vermeidung des Ausschlusses im Anhörungstermin vorbringen müssen. Ein erneuter Hinweis im Termin war nicht erforderlich, weil dort kein Teilnehmer erschienen ist. Mit der Bekanntmachung der Ladung im Amtsblatt für den Altmarkkreis Salzwedel vom 22.05.2013 wurde auch die Ladungsfrist von zwei Wochen gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 FlurbG gewahrt.

24

c) Eine zusätzliche förmliche Zustellung der Ladung zum Anhörungstermin an die Kläger war nicht erforderlich. Es genügt die öffentliche Bekanntmachung der Ladung. Die Zustellung der Ladung ist durch § 59 FlurbG nicht zwingend vorgeschrieben. Sie ist eine Möglichkeit, um die Rechtzeitigkeit der Ladung nachzuweisen, doch kann die Ladung nach § 59 Abs. 3 Satz 3 Halbs.1 FlurbG auch durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. In diesem Fall ist eine Zustellung der Ladung entbehrlich. Es widerspräche dem Sinn und Zweck der öffentlichen Bekanntmachung, wenn neben ihr wegen der Übersendung des Auszuges aus dem Flurbereinigungsplan auch eine individuelle Zustellung der Ladung zu erfolgen hätte (vgl. OVG MV, Urt. v. 22.02.2011 – 9 K 15/08 –, RzF 23 zu § 59 Abs. 2 FlurbG). Vor diesem Hintergrund ist es für den Eintritt der Ausschlusswirkung des § 59 Abs. 2 FlurbG auch unerheblich, ob die Kläger vom Beklagten mit dem Schreiben vom 29.04.2013 nur als Teilnehmer i.S.d. § 10 Nr. 1 FlurbG oder auch als Nebenbeteiligte gemäß § 10 Nr. 2 Buchst b FlurbG am Verfahren beteiligt wurden.

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d) Ohne Belang für den Eintritt der Ausschlusswirkung des § 59 Abs. 2 FlurbG ist ferner, ob den Klägern gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 FlurbG ein Auszug aus dem Flurbereinigungsplan zugestellt wurde. Der fehlende Zugang eines Auszugs aus dem Flurbereinigungsplan ist ein Verfahrensfehler, der sich nicht auf die Einhaltung der Ladungsfrist auswirkt. Selbst wenn den Klägern ein solcher Auszug entgegen § 59 Abs. 3 FlurbG nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang zugestellt worden oder sonst wie zugegangen sein sollte, ist dies ohne Einfluss auf die Einhaltung der Ladungsfrist. Die Übersendung des Auszuges ist, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 59 Abs. 3 FlurbG ergibt, nicht Teil des Ladungsvorganges, sondern erfolgt selbstständig. Der Systematik des § 59 Abs. 3 FlurbG lässt sich entnehmen, dass das Gesetz zwischen der Ladung und der Übersendung der Auszüge aus dem Flurbereinigungsplan trennt; die Auszüge sind zuzustellen (Satz 1) und sollen der Ladung beigefügt werden (Satz 2). Auch aus dem Verhältnis der Abs. 2 und 3 des § 59 FlurbG ergibt sich eine Trennung zwischen Ladung und Auszügen: Abs. 2 regelt die Notwendigkeit der Ladung und zugleich ihren notwendigen Inhalt, zu dem die Auszüge gerade nicht zählen. Diese werden gesondert in Abs. 3 geregelt. Dass ihnen eine gesteigerte Bedeutung zukommt, ergibt sich aus der sie betreffenden gesetzlichen Regelung, aber dass sie als Teil der Ladung anzusehen sind, lässt sich aus der Systematik des § 59 FlurbG nicht entnehmen. Dies lässt sich weiter mit der Überlegung begründen, dass die Übersendung der Auszüge einen speziellen, nicht an die Bekanntgabe der Ladung anknüpfenden Zweck hat, nämlich die Vorabinformation der Teilnehmer und damit im Ergebnis der Beschleunigung des Verfahrens dient. In Kenntnis der geplanten Regelung kann ein Teilnehmer im Anhörungstermin besser argumentieren und möglicherweise in diesem Termin bereits eine einvernehmliche Regelung finden, als wenn er unvorbereitet mit den Ergebnissen der Planung konfrontiert wird. Das ist ein anderer Zweck als die mit der rechtzeitigen Ladung verbundene Information über den Anhörungstermin und die allein dort bestehende Möglichkeit der Einlegung des Widerspruchs (vgl. OVG MV, Urt. v. 22.02.2011 – 9 K 15/08 –, a.a.O.; NdsOVG, Urt. v. 16.02.2016 – 15 KF 16/15 –, juris RdNr. 43).

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e) Der Verfahrensfehler der fehlenden Zustellung eines Auszugs aus dem Flurbereinigungsplan wiegt auch nicht so schwer, dass er zur Nichtigkeit des bekannt gegebenen Flurbereinigungsplans führen könnte. Dass die Zustellung eines Auszugs aus dem Flurbereinigungsplan an die Kläger nicht nachweisbar ist, könnte zwar mit Blick auf § 59 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 FlurbG ein Verfahrensfehler sein. Dies muss jedoch nicht abschließend geklärt werden, da die Frage nicht entscheidungserheblich ist. Der Fehler wirkt sich zum einen nicht auf die Einhaltung der Ladungsfrist aus und zum anderen wiegt er auch nicht so schwer, dass er zur Nichtigkeit des bekannt gegebenen Flurbereinigungsplans führen könnte. In seiner Gewichtung entspricht er einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtanhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts, weil er dem Teilnehmer die Wahrnehmung seiner Rechte im Anhörungstermin nur erschwert, nicht aber verhindert. Der Teilnehmer ist auch bei unterbliebener Übersendung des Auszugs aus dem Flurbereinigungsplan nicht gehindert, vorsorglich Widerspruch einzulegen, um den Inhalt des Flurbereinigungsplans in Ruhe studieren und den Widerspruch begründen zu können. Die fehlende Anhörung vor Bekanntgabe eines belastenden Verwaltungsaktes ist, wie sich aus § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ergibt, kein Nichtigkeitsgrund. Dies gilt auch für eine unterbliebene Übersendung eines Auszugs aus dem Flurbereinigungsplan (vgl. OVG MV, Urt. v. 22.02.2011 – 9 K 15/08 –, a.a.O.).

27

f) Entgegen der Auffassung der Kläger wirken sich auch etwaige Fehler bei der gemäß § 5 Abs. 1 FlurbG gebotenen Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer vor der Anordnung der Flurbereinigung nicht auf die Ausschlusswirkungen des § 59 Abs. 2 FlurbG aus. Soweit – wie hier – eine ordnungsgemäße Bekanntmachung des Flurbereinigungsplans sowie eine öffentliche Bekanntmachung der Ladung zu dem Anhörungstermin erfolgte, ist es Sache der Beteiligten (hier: der Kläger), sich rechtzeitig darüber Klarheit zu verschaffen, ob für sie Anlass besteht, im Anhörungstermin Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan einzulegen oder nicht. Die Äußerungen des Beklagten in der Aufklärungsversammlung vom 28.11.2006 sind hierfür ohne Belang.

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g) Neben der Sache liegen die Äußerungen der Kläger zur Fehlerhaftigkeit des Flurbereinigungsbeschlusses vom 01.12.2006. Dieser ist unanfechtbar. Zudem haben etwaige Fehler des Flurbereinigungsbeschlusses von vornherein keine Auswirkungen auf den Eintritt der Ausschlusswirkung des § 59 Abs. 2 FlurbG.

29

Nach alledem sind die Kläger gemäß § 59 Abs. 2 FlurbG mit ihrem erst am 29.01.2015 erhobenen Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan ausgeschlossen (präkludiert). Der Ausschluss (die Präklusion) des § 59 Abs. 2 FlurbG bewirkt, dass die Beteiligten mit Widersprüchen – abgesehen von den nachträglichen Zulassungen nach § 134 Abs. 2 und 3 FlurbG und der Berufung auf Nichtigkeit – ausgeschlossen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.05.1970 – BVerwG 4 C 59.69 –, juris RdNr. 13; Urt. d. Senats v. 07.12.2010 – 8 K 10/09 –, juris RdNr. 18). Die Beteiligten können eine Änderung des Flurbereinigungsplans nicht mehr fordern (vgl. Wingerter/Mayr, a.a.O., § 59 RdNr. 5).

30

3. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Nachsichtgewährung gemäß § 134 FlurbG.

31

a) Nach § 134 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 2 FlurbG muss die Flurbereinigungsbehörde verspätete Widersprüche zulassen, wenn bei unverschuldeter Versäumung Erklärungen unverzüglich nach Behebung des Hindernisses nachgeholt werden. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Nachsichtgewährung wegen unverschuldeter Versäumung liegen hier nicht vor. Die Kläger haben ihre Säumnis im Anhörungstermin verschuldet, weil sie keine hinreichende Vorsorge dafür getroffen haben, dass sie von öffentlichen Bekanntmachungen im Flurbereinigungsverfahren Kenntnis erhalten.

32

Für jeden Beteiligten eines Flurbereinigungsverfahrens, der – wie die Kläger – im Flurbereinigungsgebiet wohnt, stellt sich die Frage, wie er rechtzeitig Informationen über den Ablauf des sich regelmäßig über Jahre erstreckenden Flurbereinigungsverfahrens erhält, die nach dem Gesetz teilweise nur öffentlich bekanntgemacht werden. Dass ein Beteiligter im eigenen Interesse auch von öffentlichen Bekanntmachungen Kenntnis erlangt, ist nur dann sichergestellt, wenn er selbst dafür sorgt, dass er von öffentlichen, ortsüblich erfolgenden Bekanntmachungen erfährt. Unterbleibt dies, so handelt er schuldhaft (vgl. NdsOVG, Urt. v. 16.02.2016 – 15 KF 16/15 –, a.a.O. RdNr. 50). Die Kläger traf damit die Obliegenheit, sich selbstständig über öffentliche Bekanntmachungen im Flurbereinigungsverfahren zu informieren. Dass sie – nach eigenen Angaben – den Generalanzeiger, mit dem das Amtsblatt für den Altmarkkreis Salzwedel vertreiben wird, schon seit Jahren nicht mehr bekommen, entlastet sie nicht.

33

b) Es ist vorliegend auch nicht geboten, den Widerspruch der Kläger trotz verschuldeter Fristversäumung zuzulassen. Eine – bei schuldhafter Fristversäumnis – im Ermessen der Behörde stehende Nachsichtgewährung hinsichtlich der Einlegung des Widerspruchs gemäß § 134 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 1 FlurbG setzt eine Interessenabwägung zwischen dem Erfordernis der Beschleunigung des Verfahrens und der Rechtssicherheit, die eine zeitliche Begrenzung der Erhebung von Rechtsbehelfen einerseits erfordern, und dem sachlich-rechtlichen Anspruch des Teilnehmers auf eine dem Gesetz entsprechende Entscheidung andererseits voraus. Nur wenn dieser Anspruch derart berührt wird, dass für den Teilnehmer offenkundig eine unbillige Härte eintritt, ist die Nachsichtgewährung gerechtfertigt. Unbedeutende Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht. Die für den Teilnehmer eintretende Härte muss offenbar sein, d.h. sie muss ohne besondere Untersuchungen erkennbar zu Tage treten. Es ist nicht Sinn dieser Regelung, die sachlichen Einwendungen auf das Genaueste so zu untersuchen, als wären sie fristgerecht in das Verfahren eingeführt worden. Bei der erforderlichen Abwägung ist außerdem der Zeitablauf zwischen dem Eintritt der Säumnis und der Erhebung des verspäteten Rechtsmittels zu berücksichtigen; aus dem Beschleunigungsgrundsatz ergeben sich zeitliche Grenzen für die im Ermessen der Behörde stehende Nachsichtgewährung (vgl. Urt. d. Senats v. 07.12.2010 – 8 K 10/09 –, a.a.O. RdNr. 25; NdsOVG, Urt. v. 16.02.2016 – 15 KF 16/15 –, a.a.O. RdNr. 57).

34

Hieran gemessen war das Ermessen des Beklagten nicht derart reduziert, dass den Klägern Nachsicht zu gewähren war. Gegen die Nachsichtgewährung spricht bereits der lange Zeitraum zwischen dem Eintritt der Säumnis am 11.06.2013 und der Einlegung des Widerspruchs am 29.01.2015. Darüber hinaus ist auch eine unbillige Härte für die Kläger nicht zu erkennen. Die Löschung des zu Gunsten des Flurstücks 436/37 (jetzt: 313) auf dem Flurstück 421/38 (jetzt: 316) lastenden Überfahrtsrechts erfolgte durch den Beklagten auf der Grundlage des § 49 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, weil dieses aus seiner Sicht inzwischen entbehrlich geworden war. Hiermit hat der Beklagte einen vertretbaren rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, denn in der Literatur wird die Auffassung vertreten, der Zweck der Flurbereinigung fordere auch die Beseitigung überflüssig gewordener wirtschaftsbehindernder Überfahrtsrechte (vgl. Wingerter/Mayr, a.a.O., § 49 RdNr. 5). Der Beklagte dürfte auch zu Recht davon ausgegangen sein, dass das Überfahrtsrecht entbehrlich geworden ist. Die Zeugin (J.) hat in ihrer Vernehmung vor dem Landgericht Stendal am 14.10.2016 in dem Verfahren 21 S 3/16 ausgesagt, das Wegerecht auf dem Flurstück 421/38 (jetzt: 316) sei ursprünglich dazu bestimmt gewesen, dass die Wiesen hinten am Lausebach angefahren werden konnten. Demgegenüber sei es heute so, dass alle Grundstücke am Lausebach solchen Eigentümern gehörten, die auch vorne an der W-Straße ein Grundstück hätten. Dadurch sei gewährleistet, dass alle Eigentümer über ihren eigenen Grund und Boden, nämlich über das an der Straße liegende Grundstück, auf die hinteren Wiesengrundstücke auffahren könnten. Eine solche Situation besteht auch bei den Klägern. Das Flurstück 315 liegt unmittelbar an der W-Straße. Das dahinter liegende Flurstück 313 ist über ihr davor liegendes Flurstück 315 erreichbar. Das Überfahrtsrecht auf dem Flurstück 316 ist damit für die Kläger nicht zwingend erforderlich, um auf das Flurstück 313 zu gelangen. Durch dessen Löschung entsteht für sie mithin selbst dann keine offenbare Härte, wenn auf ihrem Flurstück 315 (bauliche) Veränderungen notwendig sein sollten, um die Erreichbarkeit des Flurstücks 313 herzustellen.

35

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

36

Darüber hinaus findet § 147 FlurbG Anwendung. Diese Bestimmung enthält eine abschließende Regelung der Gerichtskosten im Flurbereinigungs- und Bodenordnungsrecht und schreibt in ihrem Abs. 1 abweichend von den Regelungen der §§ 154 ff. VwGO vor, dass nur für eine abweisende Entscheidung Gerichtskosten zu erheben sind, deren Umfang grundsätzlich auf einen Auslagenpauschsatz beschränkt ist. Außerdem kann das Gericht eine Gebühr festsetzen, wenn der Rechtsstreit tatsächlich (z.B. aufgrund des zu berücksichtigenden erheblichen Aktenumfangs) oder rechtlich schwierig ist oder aufgrund der Bedeutung und des besonderen Umfangs der klägerischen Einwendungen weitergehende Recherchen notwendig werden. Die Gebührenfestsetzung erfolgt dabei – anders als in einem allgemeinen Verwaltungsgerichtsverfahren, in dem die Gebühren nach § 19 Abs. 1 GKG von dem Urkundsbeamten entsprechend dem Gerichtskostengesetz (GKG) anzusetzen sind – durch das Flurbereinigungsgericht selbst. Auch die Berechnung der gerichtlichen Auslagen ist nach § 147 FlurbG nicht Aufgabe des Urkundsbeamten. Stattdessen ordnet das Gericht die Erhebung eines Pauschsatzes an, der unter Berücksichtigung der durch das Verfahren entstandenen baren Auslagen und nicht nach der Summe der sonst zu ermittelnden einzelnen Auslagenbeträge zu errechnen ist (vgl. Urt. d. Senats v. 07.12.2010 – 8 K 4/09 –, juris RdNr. 35).

37

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat sich der Senat bei der Erhebung des Pauschsatzes gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 FlurbG an den baren Auslagen orientiert, die in direktem Zusammenhang mit der gerichtlichen Entscheidung entstanden sind. Es wird ein Pauschsatz von 25,00 Euro für die im konkreten Fall angefallenen baren Auslagen angesetzt. Außerdem war für das Verfahren aufgrund des besonderen Umfangs der klägerischen Einwendungen und der deswegen notwendig gewordenen weitergehenden Recherchen gemäß § 147 Abs. 1 Satz 2 FlurbG eine Gebührenpflicht zu bestimmen. Bei der Bestimmung der Höhe der Gebühr bildet der gemäß § 52 GKG festzusetzende Streitwert die Grundlage. Im Übrigen ist in entsprechender Anwendung des Gerichtskostengesetzes die Gebühr danach zu bestimmen, was in einem normalen Verwaltungsprozess erhoben werden könnte (vgl. OVG BB, Urt. v. 17.09.2003 – 8 D 35/01.G –, juris RdNr. 72). Dies ist derzeit nach Nr. 5112 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz ein Gebührensatz von 4,0.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

39

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


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