Urteil vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 OLG 2 Ss 73/19

Tenor

1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil der 5. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 14. Mai 2019 werden verworfen.

2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die der Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Amtsgericht – Schöffengericht – Landau in der Pfalz hat die Angeklagte am 29. Oktober 2018 wegen „zwei rechtlich selbstständige(n) Vergehen des Verstoßes gegen § 17 TierSchG“ sowie wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es der Angeklagten das Halten und Betreuen von Tieren für die Dauer von fünf Jahren verboten – ausgenommen die kurzfristige, nicht länger als 12 Stunden und nicht über Nacht dauernde Betreuung von Tieren, die ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit als Heilpraktikerin anvertraut werden – und ein Berufsverbot für drei Jahre angeordnet.

2

Das Landgericht hat auf die teilweise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil diese unter teilweise Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wegen quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren sowie wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Von dem weiteren Vorwurf, zwei erwachsene Bennett-Kängurus nebst Jungtier nicht artgerecht gehalten und dadurch ebenfalls quälerisch misshandelt zu haben, hat das Landgericht die Angeklagte hingegen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es hat ferner die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 410,-- Euro angeordnet und das vom Amtsgericht angeordnete Tierhaltungsverbot aufrechterhalten und lediglich dessen Dauer auf vier Jahre abgekürzt; von der Anordnung eines Berufsverbots hat das Berufungsgericht hingegen abgesehen. Die weitergehende Berufung der Angeklagten sowie die auf den Rechtsfolgeausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht als unbegründet verworfen.

3

Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft jeweils mit dem Rechtsmittel der Revision. Beide Beschwerdeführerinnen beanstanden den Strafausspruch – die Staatsanwaltschaft zu Ungunsten der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft wendet sich zudem gegen den Teilfreispruch sowie gegen die Nichtanordnung eines Berufsverbots.

I.

4

Nach den getroffenen Feststellungen betrieb die Angeklagte bis Mai 2017 eine Tierarztpraxis in L. Außerhalb ihrer Berufsausübung hielt sie jedenfalls ab dem 1. Januar 2017 in den ihr gehörenden Wohnanwesen ... und ... in B. eine Vielzahl von Hunden und Katzen sowie weitere Tiere, ohne diese tiergerecht zu versorgen. Insbesondere setzte sie diese Tiere erheblichen Leiden dadurch aus, dass sie dauerhaften massiven Schadgasbelastungen ausgesetzt waren, einen Mangel an Tageslicht erleiden mussten, über einen längeren Zeitraum isoliert gehalten wurden, keinen ausreichenden Auslauf hatten, ihnen nur unzureichende Liegeflächen zur Verfügung standen und sie nicht im erforderlichen Umfang gesundheitlich versorgt wurden (Fall III.1 der Feststellungen des landgerichtlichen Urteils). Im Sommer 2015 nahm die Angeklagte während des zweiwöchigen Urlaubs der Zeugin P. deren beide Hunde in Pension, wobei sie u.a. die Unterbringung der Tiere in einem separaten Zimmer sowie regelmäßiges Gassi gehen versprach. Obwohl sie nicht vorhatte, sich in dieser Weise um die Hunde zu kümmern, nahm die Angeklagte von der Zeugin 350,-- EUR im Voraus entgegen. Die Hunde überließ sie überwiegend sich selbst; auch für ausreichenden Auslauf sorgte die Angeklagte nicht. Beide Tiere waren nach Ablauf der zwei Wochen verstört und stanken; einer der Hunde war seitdem nicht mehr durchgängig stubenrein (Fall III.2 der Feststellungen). Im April 2017 berechnete die Angeklagte der Zeugin K., mit der sie einen Tierbehandlungsvertrag bezüglich der Katze der Zeugin geschlossen hatte, u.a. den dreimaligen Einsatz einer Sauerstoffbox, obwohl sie eine entsprechende Behandlung nicht vorgenommen hatte. Die Zeugin, die von der Ordnungsgemäßheit der Rechnung ausging, bezahlte der Angeklagten 60,-- EUR Behandlungskosten zu viel (Fall III.3 der Feststellungen).

5

Der Schuldspruch - quälerische Misshandlung von Wirbeltieren (Fall III.1) und Betrug in zwei Fällen (Fälle III.2 und III.3) - ist im Umfang der Verurteilung der Angeklagten aufgrund der im Verfahren erklärten Rechtsmittelbeschränkungen rechtskräftig. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind der Strafausspruch sowie – aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft – der Teilfreispruch sowie das Absehen von der Anordnung eines Berufsverbotes. Insoweit ist die Revision der Staatsanwaltschaft trotz des umfassenden Aufhebungsantrages - auch mit Blick auf die in der Hauptverhandlung gestellten Anträge der Generalstaatsanwaltschaft - wirksam beschränkt.

II.

A.

6

Der Strafausspruch weist weder zugunsten noch zum Nachteil der Angeklagten einen Rechtsfehler auf.

7

1. Revision der Staatsanwaltschaft:

8

a) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht mit Blick auf die lediglich private Natur der Tierhaltung die berufliche Stellung der Angeklagten als Tierärztin im Fall III.1 ausdrücklich nicht schulderschwerend gewertet hat.

9

aa) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass ein Tierarzt, der sich im Rahmen privater Tierhaltung der Misshandlung von Tieren schuldig macht, seiner tierärztlichen Bestimmung zuwiderhandelt und daher das für die Ausübung seines Berufs erforderliche Ansehen und Vertrauen nicht mehr besitzt (so VG Münster, Beschluss vom 12.09.2014 – 5 L 699/14, juris Rn. 15). Denn Schutzgut von § 17 TierSchG ist nicht das Ansehen des Berufstandes von Tierärzten und das Vertrauen in diesen Berufsstand, sondern der Schutz von Leben und Wohlbefinden von Tieren (vgl. § 1 TierSchG; Pfohl in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., TierSchG § 17 Rn. 1).

10

bb) Die berufliche Stellung des Täters darf bei einer außerhalb der Berufsausübung begangenen Straftat nur dann strafschärfend Berücksichtigung finden, wenn der Beruf und die aus ihm erwachsenden beruflichen Pflichten in einer unmittelbaren Beziehung zu der vorgeworfenen Straftat stehen (BGH, Beschluss vom 04.12.1987 – 2 StR578/87, NStZ 1988, 175; Beschluss vom 02.07.1996 - 4 StR 201/96, NJW 1996, 3089). Erforderlich ist ein zwischen der beruflichen Stellung und der Tat bestehender innerer, das Maß der Pflichtwidrigkeit erhöhender Zusammenhang (BGH, Beschluss vom 29.04.1987 – 2 StR 500/86, NJW 1987, 2685, 2687; Beschluss vom 22.12.1999 – 2 StR 425/99, NStZ 2000, 366; Schneider in LK-StGB, 13. Aufl. 2020 - § 46 Rn. 168). An einem solchen inneren Zusammenhang mit den aus dem Beruf der Tierärztin erwachsenden Pflichten fehlt es hier. Denn weder erfolgte die den Vorgaben des TierSchG nicht entsprechende Haltung der Tiere im Rahmen der beruflichen Tätigkeit, noch bezog sie sich auf Tiere, die der Angeklagten im Rahmen ihrer Berufsausübung anvertraut worden waren. Der Umstand allein, dass der Angeklagten als Tierärztin durch ihre Berufsordnung besondere Pflichten auferlegt waren (vgl. § 1 BTÄO) reicht zur Annahme einer inneren Beziehung mit der außerhalb ihrer Berufsausübung begangenen Tat nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 02.07.1996 – 4 StR 201/96, NJW 1996, 3089, 3090 [Humanmediziner]; Beschluss vom 06.02.2002 – 2 StR 489/01, juris Rn. 4 [Apotheker]).

11

b) Die zu Gunsten der Angeklagten erfolgte Wertung, wonach (auch) im Fall III.3 der Urteilsgründe (Betrugshandlung gegenüber der Zeugin K.) deren Persönlichkeitsstörung im Rahmen der Tatausführung „mitbestimmend“ und strafmildernd zu berücksichtigen war, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

12

aa) Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen Strafkammer litt die Angeklagte bei Begehung der Taten an einer nicht näher bezeichneten Persönlichkeitsstörung (ICD10: F 69), die sich in einem übermäßigen Tierzüchten und -horten zeigte. Bei der Angeklagten waren insbesondere Anteile des sog. „Rettertyps“ offenbar, für den neben einer übermäßigen Anzahl von gehaltenen Tieren kennzeichnend ist, dass die Tiere zwar noch ausreichend gefüttert werden, die sonstige Pflege aber vernachlässigt wird, wozu sich die Betroffenen gleichgültig zeigen. Die bei der Angeklagten bestehende Störung drängte sie dazu „Tiere an sich zu nehmen, obwohl sie deren angemessene Versorgung nicht gewährleisten konnte“ (UA S. 31).

13

bb) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen und die ihnen zugrunde gelegte Beweiswürdigung tragen die Wertung einer Mitursächlichkeit der Persönlichkeitsstörung und deren Symptomatik, Tiere zu sammeln, (auch) im Hinblick auf die Betrugstaten. Danach hat die Angeklagte die Taten nicht nur begangen, um jeweils zu Unrecht ein Entgelt zu erlangen, sondern auch, um „beide Hunde in Besitz nehmen“ (Fall III.2) bzw. „die Katze an sich nehmen“ (Fall III.3) zu können (UA S. 14). Die Annahme, dass es der Angeklagten, deren Tierarztpraxis zum Zeitpunkt der Tatbegehung einen Jahresumsatz von ca. 350.000,-- EUR erzielte, bei Begehung der Betrugshandlungen jedenfalls nicht ausschließlich auf die Erlangung der vergleichsweise geringen Erlöse (350,-- EUR bzw. 60,-- EUR) angekommen war, sondern dass ein Motiv zumindest auch in der Inbesitznahme der Tiere gelegen hat, liegt jedenfalls nicht fern. Der in der Störung wurzelnde Drang, den Besitz an Tieren zu erlangen, hat sich nach den sonach für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Landgerichts in der abgeurteilten Tat mithin handlungsleitend ausgewirkt.

14

cc) Ob, was angesichts der Ausführungen in der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft (dort S. 5) zumindest zweifelhaft erscheint, der Rechtsmittelangriff auch die Strafzumessung im Fall III.2 der Urteilsfeststellungen erfasst (Betrugshandlung zum Nachteil der Zeugin P.), kann dahinstehen. Denn auch insoweit hat das Landgericht Feststellungen getroffen, welche eine Auswirkung der Persönlichkeitsstörung auf die Tatbegehung belegen.

15

2. Revision der Angeklagten:

16

Die gegen den Strafausspruch gerichtete Sachrüge der Angeklagten deckt einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht auf.

17

a) Das Landgericht hat hinsichtlich aller abgeurteilten Taten eine Strafmilderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt, weil die bei der Angeklagten vorhandene Persönlichkeitsstörung den Schweregrad des Eingangsmerkmals einer schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.d § 20 StGB nicht erreiche. Die begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

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aa) Das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit wird allein durch den Befund einer Persönlichkeitsstörung nicht belegt. Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer nicht pathologisch begründeten Persönlichkeitsstörung, dass sie in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen – auch sozialen – Folgen wie diese stört, belastet oder einengt. Von Bedeutung sind damit namentlich der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters. Für die Bewertung der Schwere ist im Allgemeinen maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des Deliktes zu Einschränkungen des sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 21.01.2004 – 1 StR 346/03, juris Rn. 31; Beschluss vom 12.10.2017 – 5 StR 364/17, juris Rn. 9; Streng in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 20 Rn. 91 jew. mwN.). Entgegen der Rechtsauffassung der Revision der Angeklagten reicht es für die Bejahung einer schweren anderen seelischen Abartigkeit damit gerade nicht aus, wenn sich das Störungsbild lediglich isoliert in dem deliktsrelevanten Verhaltensbereich manifestiert.

19

bb) Die Annahme, dass die festgestellte Persönlichkeitsstörung den Schweregrad des 4. Eingangsmerkmals des § 20 StGB erreicht, hätte danach etwa dann gerechtfertigt sein können, wenn die Angeklagte ihr soziales Verhalten vergleichbar einer Drogenabhängigen nach ihrem Drang zum Sammeln und Horten von Tieren ausgerichtet und dieser ihr gesamtes Leben maßgeblich bestimmt hätte. Entsprechendes hat die hierzu sachverständig beratene Strafkammer indes rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Sie hat dabei namentlich darauf abgestellt, dass die Angeklagte – offenbar unbeeinflusst von ihrer psychischen Disposition – über Jahre hinweg erfolgreich eine Tierarztpraxis mit mehreren Angestellten und einem Jahresumsatz von 350.000,-- bis 360.000,-- Euro geführt hat. Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens (BGH, Urteil vom 21.01.2004 – 1 StR 346/03, juris Rn. 31) außerhalb der abgeurteilten Delikte sind nicht zu Tage getreten.

20

b) Zu Unrecht beanstandet die Angeklagte die Annahme einer negativen Sozialprognose und die darauf gestützte Versagung einer Bewährungsaussetzung.

21

aa) Wie die Strafzumessung im Allgemeinen ist auch die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm steht bei der Beantwortung der Frage, ob die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen ist, weil zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB), ein weiter Bewertungsspielraum zu. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung grundsätzlich nur auf Ermessensfehler und Rechtsirrtümer überprüfen (OLG Bamberg, Urteil vom 12.11.2013 – 3 Ss 106/13, juris Rn. 6 mwN.). Hat das Tatgericht seiner Prognoseentscheidung einen vollständigen, richtigen und widerspruchsfreien Sachverhalt zugrunde gelegt und an sie einen zutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt, so sind dessen Wertungen hinsichtlich der Bewährungsfrage, die auf den derzeitigen Lebensumständen der Angeklagten und maßgeblich auf dem von ihr in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruht, vom Revisionsgericht grundsätzlich bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (BGH Urteil vom 25.04.2012 – 5 StR 17/12, BeckRS 2012, 9735, beck-online; BayObLG, Urteil vom 20.02.1997 – 3St RR 168/96, juris Rn. 2, jew. mwN.). Nach diesen Maßstäben hält die Bewährungsentscheidung rechtlicher Prüfung stand.

22

bb) Das Landgericht hat eine positive Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB verneint und dabei im Rahmen einer Gesamtwürdigung wesentlich auf das Nachtatverhalten der Angeklagten abgestellt. Es hat bedacht, dass sich die Angeklagte von den gegen sie ergriffenen behördliche Maßnahmen weitgehend unbeeindruckt gezeigt und es trotz verhaltenstherapeutischer Betreuung weiter darauf angelegt hat, Tiere zu halten. Ferner hat sich die Angeklagte während des strafrechtlichen Verfahrens erneut strafbar gemacht, indem sie weiter Tiere tierärztlich behandelt hat, obwohl ihre Approbation vollziehbar ruhend gestellt gewesen war. Der von der Angeklagten begonnenen psychotherapeutischen Behandlung hat das Landgericht mit Blick auf den schwierig zu erreichenden und noch nicht eingetretenen Behandlungserfolg kein wesentliches protektives Gewicht beigemessen. Soweit die Angeklagte darauf verweist, dass sie nicht vorbestraft ist und die abgeurteilten Taten im Alter von mindestens 48 Jahren begangen hat, hat das Landgericht diese Umstände erkennbar in seine Abwägung eingestellt. Die auf eine Gesamtabwägung gestützte Wertung, dass die Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten nach § 14 BTÄO oder § 20 Abs. 3 TierSchG größer ist, als die Wahrscheinlichkeit straffreien Verhaltens, ist möglich; zwingend muss sie nicht sein (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2004 – 1 StR 339/04, juris Rn. 8). Dabei kann dahinstehen, ob das aufgrund des Nachtatverhaltens angenommene deliktische Tun auf einem durch die Persönlichkeitsstörung bewirkten Drang oder einer davon weitgehend unbeeinflussten freien Entscheidung der Angeklagten beruht. Denn keine dieser Alternativen wäre zur Begründung einer positiven Prognose geeignet.

B.

23

Das Landgericht hat mit tragfähiger Begründung die Anordnung eines Berufsverbots (§ 70 StGB) abgelehnt.

1.

24

Hinsichtlich der Taten III.1 und III.2 hat das Landgericht ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass diese nicht mit der Ausübung des Berufs der Tierärztin in Zusammenhang standen. Eine Verletzung der mit dem Beruf oder Gewerbe verbundenen Pflichten im Sinne des § 70 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. StGB liegt nur vor, wenn der Täter bei Tatbegehung gegen eine der speziellen Pflichten, die ihm bei der Ausübung seines Berufs oder Gewerbes auferlegt sind, verstößt (BGH Beschluss vom 01.06.2007 – 2 StR 182/02, StV 2008, 80). Erforderlich hierzu ist ein berufstypischer Zusammenhang der Tat zu der beruflichen Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 23.02.2017 – 1 StR 632/16, juris Rn. 41; Beschluss vom 19.11.2019 – 1 StR 364/19, NStZ-RR 2020, 75; Bockemühl in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 70 Rn. 10). Einen solchen inneren Zusammenhang mit der Berufsausübung hat das Landgericht bezüglich der rein privat getätigten Tierhaltung und der ebenfalls außerhalb der Berufsausübung vorgenommenen Pensionshaltung zu Recht verneint.

2.

25

Demgegenüber hat die Angeklagte den unter III.3 der Urteilsgründe festgestellten Abrechnungsbetrug zwar im Rahmen ihrer Berufsausübung begangen. Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer aber bereits mit Blick auf den nur geringen Umfang des bewirkten Schadens (60,-- Euro) die Verhältnismäßigkeit eines Berufsverbots verneint (§ 62 StGB).

C.

26

Der Freispruch der Angeklagten von dem Vorwurf, im Zeitraum vom 11. Dezember 2016 bis zum 27. April 2017 zwei erwachsene Bennett-Kängurus nebst Jungtier durch eine nicht artgerechte Tierhaltung länger andauernde oder sich wiederholende erhebliche Leiden zugefügt zu haben, hält ebenfalls rechtlicher Prüfung stand. Entgegen dem Beschwerdeangriff der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den an das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit von Leiden i.S.d. § 17 Nr. 2 b) TierSchG anzulegenden Prüfungsmaßstab nicht verkannt.

1.

27

Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Tiere während des Tatzeitraums in einem geschlossenen Zimmer im Anwesen ... in L. in einem maximal 9 qm großen und ca. 0,8 m hohen, mit Gittern abgedeckten Käfig gehalten. Die Strafkammer hat nach Einvernahme des Direktors des ... Zoos, der die Tiere nach deren Sicherstellung übernommen hat, ausgeschlossen, dass diese aufgrund der Haltungsbedingungen Verhaltensstörungen entwickelt haben. Auch sonstige, über lediglich geringfügige Beeinträchtigungen der Gesundheit der Tiere hinausgehende Beeinträchtigungen oder sonstige objektive Anhaltspunkte, die zum Beleg der Erheblichkeit der durch die nichtartgerechte Haltung bewirkten Leiden tauglich gewesen wären, hat die hierzu sachverständig beratene Kammer nicht feststellen können.

2.

28

Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn sich die Strafkammer auf der Grundlage dieser Feststellungen nicht die Überzeugung hat bilden können, dass die durch die Haltungsbedingungen bewirkten Leiden erheblicher Natur waren.

29

a) Nach der vom Landgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es nicht rechtsfehlerhaft, die Frage, ob überhaupt Leiden vorliegen, schon nach der Art und dem Umfang der „Entbehrungen“ zu beantworten, dagegen die Frage, ob solche Leiden auch den Rechtsbegriff der Erheblichkeit erfüllt, anhand eines Maßstabs zu treffen, der zusätzliche Kriterien aufstellt, indem er (symptomatologisch) auf empirisch-objektivierbare Leidensanzeichen (Anomalien, Verhaltensstörungen und andere spezifische Indikatoren im Verhalten der Tiere) abstellt (BGH, Urteil vom 18.02.1987, 2 StR 159/86, juris Rn. 21; abl. Lorz/von Loeper NStZ 1987, 511, 512). Die Feststellung der Erheblichkeit von Leiden erfordert danach regelmäßig nach außen sichtbare Zeichen, aus denen auf das Ausmaß der Leiden geschlossen werden kann (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 17.09.1999 – 2 Ss 198/99, juris Rn. 14; OLG Celle, Beschluss vom 28.12.2010 - 32 Ss 154/10, BeckRS 2011, 5162; in diesem Sinne wohl auch: Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 228. EL Januar 2020, TierSchG § 17 Rn. 36). Solche nach außen ersichtliche Leidensanzeichen hat das Landgericht – von der Beschwerdeführerin ausdrücklich nicht beanstandet – nicht festzustellen vermocht.

30

b) Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 29.10.2015 – 3 Ss 433/15, juris Rn. 11) hat – ohne erkennbare Auseinandersetzung mit der vorgenannten BGH-Rechtsprechung – weitergehend die Auffassung vertreten, dass bereits eine nicht artgerechte Tierhaltung auch ohne das Eintreten äußerlicher Anzeichen erhebliche Leiden i.S.v. § 17 Nr. 2 b) TierSchG bewirken könne (ebenso: Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl., § 17 Rn. 109). Dies sei bereits dann der Fall, wenn das Tier über einen nicht geringfügigen Zeitraum Verhaltensrestriktionen unterworfen werde, die eine elementare Bedürfnisbefriedigung unmöglich machen. Je stärker dabei ein angeborener Verhaltensablauf durch das Verhalten des Menschen beeinträchtigt werde, desto eher müsse man das dadurch verursachte Leiden jenseits der Bagatellgrenze ansiedeln und als erheblich einstufen.

31

aa) Ob dieser, mit der oben zitierten Rechtsprechung nicht ohne weiteres übereinstimmenden Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen. Denn das Landgericht hat ausdrücklich geprüft, ob auch ohne das Auftreten äußerer Anzeichen allein schon wegen der defizitären Haltungsbedingungen die natürlichen Verhaltensweisen der Tiere so stark eingeschränkt waren, dass deshalb die Erheblichkeit bejaht werden kann. Die hierzu sachverständig beratene Kammer hat in diesem Zusammenhang die von ihr festgestellten konkreten Bedingungen der Haltung benannt und diesen das natürliche Verhalten gegenübergestellt. Die aufgrund dieser vollständigen Abwägung getroffene tatrichterliche Einschätzung der Erheblichkeit (vgl. BGH aaO. Rn. 16 aE) ist vertretbar; eine eigene Wertung ist dem Revisionsgericht insoweit verwehrt.

32

bb) Die dagegen gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerin erschöpfen sich im Wesentlichen in einer abweichenden Bewertung der für die Beurteilung der Erheblichkeit maßgeblichen Tatsachen. Zwar ist ihr zuzugeben, dass die hier in mehrfacher Weise bewirkten Verhaltenseinschränkungen (fehlender Zugang zu frischer Luft, fehlende Möglichkeit zu springen, Einschränkungen des Erkundungs- und Fluchtverhaltens, fehlende Möglichkeit zu Staub- und Sonnenbäder) ausgehend von dem rechtlichen Ansatz des OLG Karlsruhe durchaus maßgebliche Bedeutung für die Bewertung des Ausmaßes der Leiden beikommen kann. Zwingend ist die Annahme, dass diese aufgrund ihres Gewichts die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, jedoch nicht. Insbesondere ist es nicht zulässig, die Dauer der Restriktionen für die Begründung einer Erheblichkeit der Leiden heranzuziehen. Denn dieses Merkmal beschreibt allein die Intensität des Leidens, wohin gegen das Moment der Dauer bereits mit dem Tatbestandsmerkmal „länger andauernde“ erfasst ist (BGH, aaO. Rn. 18). Die Strafkammer hat zudem Umstände benannt, die eine Abmilderung der durch die Haltungsbedingungen bewirkten Beeinträchtigungen bewirkt haben (Inaktivität der Tiere über viele Stunden). Dass sich die Strafkammer der Bewertung des von ihr herangezogenen Sachverständigen, nach dessen Auffassung „nicht mit hinreichender Sicherheit von erheblichen Leiden gesprochen werden“ konnte (UA S. 46), angeschlossen hat, ist danach rechtlich nicht zu beanstanden.

III.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 StPO.

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