Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (2. Zivilsenat) - 2 WF 198/20

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 28. September 2020 teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug Verfahrenskostenhilfe bewilligt, begrenzt auf einen Verfahrenswert von 6.782,00 € und unter Anrechnung der im Verfahren 1 F 27/18 (Amtsgericht Pirmasens) abgerechneten Gebühren.

Im Umfang der Verfahrenskostenhilfebewilligung wird der Antragstellerin Rechtsanwalt ... als Verfahrensbevollmächtigter zu den Bedingungen eines im Bezirk des Amtsgerichts ... niedergelassenen Rechtsanwaltes beigeordnet.

Die Verfahrenskostenhilfebewilligung erfolgt ohne Anordnung von Zahlungen.

2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

3. Die in Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs.2 FamGKG bestimmte Festgebühr wird um die Hälfte reduziert; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten sind seit dem 1. Juli 2016 miteinander verheiratet und leben seit dem 11. Dezember 2017 voneinander getrennt. Zu Beginn des Jahres 2018 hatte die Antragstellerin vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Pirmasens (Az. 1 F 27/18) zunächst einen isolierten Auskunftsantrag geltend gemacht, den sie nach Erteilung der Auskunft am 11. April 2018 für erledigt erklärte.

2

Im hiesigen Verfahren begehrt die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Zahlung rückständigen Trennungsunterhaltes für den Zeitraum von April 2018 bis Dezember 2019 in von insgesamt 10.275,00 €, den sie mit Schriftsatz vom 6. Juli 2020 - beim Erstgericht eingegangen am 8. Juli 2020 - anhängig gemacht hat.

3

Das Familiengericht hat der Antragstellerin mit Beschluss vom 28. September 2020, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, Verfahrenskostenhilfe bewilligt, soweit nicht Verfahrenskostenhilfe bereits im Verfahren 1 F 27/18 bewilligt und abgerechnet wurde. Weiterhin hat es die Verfahrenskostenhilfe auf einen Zahlungsantrag in Höhe von 708,00 € begrenzt.

4

Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, die beabsichtige Rechtsverfolgung sei mutwillig, da der Leistungsantrag im Wege der Antragserweiterung im Auskunftsverfahren 1 F 27/18 hätte geltend gemacht werden können. Aus diesem Grund könne Verfahrenskostenhilfe nur insoweit bewilligt werden, als im Verfahren 1 F 27/18 Mehrkosten durch Antragserweiterung entstanden wären. Da nach den Angaben des Antragstellers seinerzeit nur ein Rückstand für Januar bis März 2018 in Höhe von (3 x 236,00 € =) 708,00 € bestanden habe, könne nur hierfür Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden.

5

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die für ihre Anträge die uneingeschränkte Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe begehrt.

II.

6

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei und erzielt in der Sache einen Teilerfolg.

7

1. Das Familiengericht hat den Verfahrenskostenhilfeantrag zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung als mutwillig im Sinne der § 113 Abs.1 Satz 2 FamFG, 114 Abs.2 ZPO angesehen.

8

Mutwillig ist die Rechtsverfolgung, wenn eine Partei, die keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das gleiche Rechtsschutzziel durch künstliche, mithin ohne hinreichenden Sachgrund erfolgte Aufspaltung in mehreren Hauptsacheverfahren geltend gemacht wird (Münchener Kommentar, 6. Auflage, § 114 Rn. 71; Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 6. Dezember 2010, 12 W 2270/10).

9

So liegt der Fall hier:

10

Die Antragstellerin hat ihren (vorbereitenden) Auskunftsanspruch einerseits und den Zahlungsanspruch andererseits in getrennten Verfahren geltend gemacht und damit ohne erkennbaren Grund die Kosten durch Führung zweier Verfahren erhöht. Ein verständiger Anspruchssteller, der die Verfahrenskosten aus eigenen Mitteln tragen muss, hätte in dieser Situation entweder von vornherein einen Stufenantrag gestellt oder aber den Zahlungsantrag im Wege der Antragserweiterung im bereits anhängigen Auskunftsverfahren geltend gemacht (so in einem ähnlich gelagerten Fall Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 28. November 2016 - 4 WF 183/16 = FamRZ 2017, 636, Reichling in: BeckOK, 38. Edition, § 114 Rn. 44).

11

Die Gründe, mit denen die Antragstellerin ihre Vorgehensweise zu verteidigen versucht, vermögen allesamt nicht zu überzeugen. Es mag zwar zutreffen, dass etwaige Unsicherheiten über Grund und Höhe des Unterhaltsanspruches dem Anspruchssteller im Einzelfall Anlass geben können, zunächst (nur) einen isolierten Auskunftsantrag geltend zu machen. Nach Erteilung der Auskunft ist es dem Unterhaltsgläubiger dann aber möglich und zumutbar, die Ansprüche im Wege der Antragserweiterung im laufenden Verfahren geltend zu machen anstatt ein neues, mit zusätzlichen Kosten verbundenes Verfahren anzustrengen. Konkrete Gründe, warum der Anspruch auch nach vollständiger Auskunftserteilung nicht (oder nicht gleich) bezifferbar gewesen sein soll, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, durch Antragserweiterung hätte er den Kostenerstattungsanspruch im Auskunftsverfahren verloren, weil sich „jetzt die Kostenerstattung nach dem Ergebnis der Hauptsache richtet“. Hierbei übersieht die Antragstellerin, dass das Kostenrisiko im Falle eines (Teil-)Unterliegens unabhängig davon besteht, ob der bezifferte Antrag im bereits anhängigen oder in einem neuen Verfahren geltend gemacht wird. Im Übrigen sieht ein verständiger, kostenbewusster Unterhaltsgläubiger auch dann von der Aufspaltung seines Rechtsschutzziels in zwei Hauptsacheverfahren ab, wenn er sich in Bezug auf die hierdurch verursachten Mehrkosten ganz oder teilweise im Kostenfestsetzungsverfahren beim Unterhaltsschuldner schadlos halten kann.

12

Über die vorgenannten Erwägungen hinaus ist die Anspruchsstellung auch deshalb mutwillig, weil die Antragstellerin ohne erkennbaren Grund nach übereinstimmender Erledigungserklärung im April 2018 mehr als zwei Jahre mit der Stellung eines bezifferten Antrages zugewartet hat. Mit dieser Vorgehensweise hat sie dafür gesorgt, dass sämtliche Unterhaltsansprüche gemäß § 51 Abs.2 FamGKG in die Berechnung des Verfahrenswertes einfließen, wodurch der Verfahrenswert (und damit die Verfahrenskosten) merklich erhöht werden. Ein verständiger, kostenbewusster Unterhaltsgläubiger, der die Verfahrenskosten selbst zu tragen hat, hätte seine Ansprüche zeitnah nach Erhalt der Auskunft beziffert - dies mit der Folge, dass der Verfahrenswert für die laufenden Unterhaltsansprüche gem. § 51 Abs.1 FamGKG auf die Summe der Ansprüche für die ersten zwölf Monate nach Antragseinreichung begrenzt wird.

13

2. Aufgrund der Mutwilligkeit der Antragstellung ist, wie das Familiengericht im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, die Verfahrenskostenhilfe nicht insgesamt zu versagen. Vielmehr ist Folge des Mutwillens allein, dass die Mehrkosten, die durch die kostenerhöhende Vorgehensweise entstehen, von der Verfahrenskostenhilfebewilligung ausgenommen werden (ähnlich Oberlandesgericht Hamm aaO). Aus diesem Grund muss sich die Antragstellerin die im Verfahren 1 F 27/18 abgerechneten Gebühren anrechnen lassen. Darüber hinaus kann Verfahrenskostenhilfe nur für einen Verfahrenswert von 6.782,00 € verlangt werden. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin das Auskunftsverfahren unter dem 11. April 2018 für erledigt erklärt hatte, wäre es ihr unter Zubilligung einer Prüfungs- und Überlegungsfrist bis Ende Mai 2018 möglich und zumutbar gewesen, einen bezifferten Antrag zu stellen. Für die Wertberechnung wäre hiernach gemäß § 51 Abs.2 FamGKG auf den Unterhaltszeitraum von Januar bis Mai 2018 sowie gemäß § 51 Abs.1 FamGKG auf den Zeitraum von Juni 2018 bis Mai 2019 abzustellen. Hiernach hätte der Verfahrenswert insgesamt nur 6.782,00 € (anstatt - 5- nunmehr 10.275,00 €) betragen. Soweit das Erstgericht dagegen die Verfahrenskostenhilfe auf den Zeitraum von Januar bis März 2018 begrenzt hat, hat es einen zu strengen Maßstab angelegt, denn die Antragstellerin hatte durchaus Interesse an der Titulierung des laufenden Unterhaltes (näher hierzu Reichling, aaO Rn. 44).

III.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs.1 Satz 2 FamFG, 127 Abs.4 ZPO i.V.m. Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs.2 FamGKG.

15

Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 113 Abs.1 Satz 2 FamFG, 127 Abs.2 Satz 2, 574 Abs.1 Satz 1 Nr.1 und 2, Abs.2 Nr.1, Abs.3 Satz 1 ZPO. Die Frage, ob in der vorliegenden Konstellation Mutwilligkeit im Sinne des § 114 Abs.2 ZPO anzunehmen ist und welche Konsequenzen sich hieraus ergeben, hat grundsätzliche Bedeutung und erfordert zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Es handelt sich um eine Frage, die das Verfahren über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe betrifft (zu diesem Erfordernis anstatt vieler BGH, Beschluss vom 21. November 2002, V ZB 40/02 = NJW 2003, 1126).

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