Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 1 K 221/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger war Kommissaranwärter und wendet sich gegen seine Entlassung.
3Der 1986 geborene Kläger wurde mit Wirkung zum 1. September2015 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Kommissaranwärter ernannt und stand im Dienst des Beklagten. Ihm wurde das Polizeipräsidium (PP) B als Einstellungs- und Ausbildungsbehörde zugewiesen; zur Absolvierung der fachtheoretischen Ausbildungsabschnitte wurde er an die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV) überwiesen.
4Am 9. März 2017 erstattete eine Mitarbeiterin des PP L Strafanzeige gegen den Kläger wegen Nachstellung, Körperverletzung, Beleidigung, Urkundenfälschung, Hausfriedensbruch und Freiheitsberaubung. Hintergrund war eine gescheiterte Beziehung zu einer Kommissaranwärterin. Die ehemalige Lebensgefährtin des Klägers offenbarte sich am 9. März 2017 der Studierendenberaterin der FHöV und schilderte diverse Vorfälle mit dem Kläger. Die Studierendenberaterin wandte sich an die Ausbildungsleitung des PP L, welche dann Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattete.
5Das PP B erhielt ebenfalls am 9. März 2017 Kenntnis davon, dass gegen den Kläger ein Strafverfahren eingeleitet worden war; Geschädigte in diesem Verfahren waren die ehemalige Lebensgefährtin des Klägers und zwei Mitstudierende. Am darauf folgenden Tag schilderte die ehemalige Lebensgefährtin den der Anzeige zu Grunde liegenden Sachverhalt gegenüber dem PP B . Am selben Tag wurde der Kläger in einem Dienstgespräch zu den Vorwürfen angehört. Das PP B verfügte am 14. März 2017 gemäß § 39 BeamtStG unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein Verbot der Führung der Dienstgesch8;fte. Der Kläger erhob hiergegen Klage (VG 1 K 2041/17).
6Mit Schreiben vom 28. April 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er beabsichtige, ihn gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG zu entlassen. Er gab dem Kläger die Möglichkeit, sich bis zum 12. Mai 2017 zu den Vorwürfen zu äußern. Diese Möglichkeit nahm dieser erst mit Schreiben vom 24. Mai 2017 wahr.
7Mit Bescheid vom 23. Mai 2017 entließ der Beklagte den Kläger aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte er das zu diesem Zeitpunkt noch anhängige Verfahren bei der Staatsanwaltschaft L an, welches durch Anzeige des PP B um Betrugsermittlungen erweitert worden war, sowie das Verhalten des Klägers gegenüber seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Mit Beschluss vom 20. Juli 2017 im Verfahren 1 L 981/17 lehnte die erkennende Kammer den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (1 K 3008/17) gegen den Entlassungsbescheid ab. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde des Klägers hatte Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht NRW stellte mit Beschluss vom 27. September 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her (6 B 977/17). Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Entlassungsverfügung rechtswidrig sei, weil der Beklagten seine Entscheidung in Bezug auf die angeführten Straftaten auf eine nicht gesicherte Tatsachengrundlage gestützt habe. Entfalle - wie hier - eine die Prognoseentscheidung mittragende Erwägung, sei die konkrete vom Dienstherrn getroffene Entscheidung nicht mehr von hinreichenden Erwägungen gestützt und daher insgesamt fehlerhaft. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Behörde in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Ausdruck gebracht hätte, dass bereits eine einzelne Erwägung sie dazu veranlasst habe, die von ihr getroffene Entscheidung vorzunehmen, also insofern bereits alleine tragend sein solle. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen. Das Oberverwaltungsgericht NRW wies jedoch vorsorglich darauf hin, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass der Beklagte eine rechtmäßige, insbesondere hinreichend begründete Entlassungsverfügung erlasse oder auch die bisher vorliegenden Erwägungen ergänze und klarstelle. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2017 hob der Beklagte den Entlassungsbescheid auf; das Klageverfahren wurde durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten beendet. Auch das gegen die Verbotsverfügung vom 14. März 2017 gerichtete Klageverfahren (VG 1 K 2041/17) erledigte sich entsprechend.
8Mit Schreiben vom 27. Oktober 2017 teilte der Beklagte dem Kläger erneut mit, dass er beabsichtige, ihn gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG zu entlassen, und gab ihm die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern.
9Mit Bescheid vom 14. Dezember 2017 wurde der Kläger als Beamter auf Widerruf nach Beteiligung des Personalrats und der Gleichstellungsbeauftragten aus dem Dienst des Beklagten entlassen. Die weitere Ableistung des Vorbereitungsdienstes wurde dem Kläger zugleich untersagt. Der Beklagte verwies auf die fehlende charakterliche Eignung aufgrund von vier Vorwürfen, die alle isoliert betrachtet die Entlassung rechtfertigen würden.
10So sei dem Kläger auf Antrag Trennungsentschädigung in Form einer Wegstreckenentschädigung bewilligt worden. Es sei festgestellt worden, dass die Meldeadresse des Klägers ab dem 3. Oktober 2016 nicht mit den Angaben in seinen Anträgen übereinstimme. Für die Zeiträume von Oktober 2016 bis Januar 2017 seien 908,79 Euro zur Auszahlung gekommen. Ausweislich des Melderegisters sei der Kläger am 3. Oktober 2016 in die Wohnung N.------straße in L eingezogen und am 15. November 2016 mit seiner damaligen Lebensgefährtin in L in die G.---------straße umgezogen. Seine Wohnung in B habe er zum 3. Oktober 2016 gekündigt; dennoch habe er im Oktober, November und Dezember 2016 sowie im Januar 2017 in den Anträgen auf Festsetzung der Trennungsentschädigung angegeben, in B zu wohnen. Auch im Februar 2017 habe er angegeben in B zu wohnen, es sei jedoch nicht mehr zu einer Auszahlung gekommen. Den Umzug nach L habe der Kläger der personalführenden Stelle nicht mitgeteilt.
11Des Weiteren habe der Kläger im Kurs für Kommissaranwärter der FHöV Kollegen und Vorgesetzte sowohl über sein Alter als auch über seinen beruflichen Werdegang getäuscht. Zunächst habe er angegeben, zu Kursbeginn 26 Jahre alt gewesen zu sein, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits 28 Jahre alt war. Er habe weiter behauptet, die Ausbildung als Vollzugsbeamter der Bundespolizei beendet zu haben und jederzeit wieder in den dortigen Dienst zurückkehren zu können. Zur Bekräftigung seiner Aussage habe der Kläger einem Kollegen einen Dienstausweis und eine Jacke der Bundespolizei gezeigt. Weiter habe er berichtet, während seiner Tätigkeit bei der Bundespolizei Dienst in H. geleistet zu haben und auch an Karneval im Einsatz gewesen zu sein. Gegenüber einem Tutor im PP habe er angegeben, primär in München zur Registrierung der Flüchtlinge eingesetzt worden zu sein und zudem regelmäßig Auslandseinsätze geleistet zu haben. Dies sowie die heimatferne Dienststelle Sankt Augustin habe ihn nach seiner Schilderung dazu bewegt, zur Landespolizei zu wechseln. Zur Überprüfung habe man sich an das Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrums gewandt und die Auskunft erhalten, dass der Kläger die Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei tatsächlich am 17. Januar 2014 nach wiederholtem Nichtbestehen der Zwischenprüfung beendet habe. Überdies habe sich die praktische Verwendung des Klägers in seiner 15-monatigen Ausbildung auf etwa fünf Kalenderwochen beschränkt. Während dieser Zeit seien für die Einsatzhundertschaft, der er zugeordnet gewesen war, keine größeren oder herausragenden Einsatzmaßnahmen zu bewältigen gewesen.
12Gegenüber einer weiteren ehemaligen Lebensgefährtin, die bei der Bundespolizei beschäftigt ist, habe der Kläger ebenfalls behauptet, ausgebildeter Bundespolizist zu sein. Auf deren Vereidigungsfeier habe er Schulterstücke und Stirnmütze eines Polizeikommissars (mit silbernen Sternen sowie silbernem Mützenband) getragen. Die damalige Lebensgefährtin habe nach ihren Aussagen bis zur Beendigung der Beziehung geglaubt, dass der Kläger als Polizeivollzugsbeamter bei der Bundespolizei arbeite. Der Kläger habe zudem gegenüber Kollegen angegeben, aufgrund seiner bei der Bundespolizei bereits abgeschlossenen Ausbildung ein höheres Gehalt als diese zu beziehen. Um diese Angabe zu belegen, habe er eine Besoldungsmitteilung vorgezeigt. Der genannte Auszahlungsbetrag in dieser Mitteilung sei jedoch nur deshalb so hoch gewesen, weil in der Gesamtsumme eine Nachzahlung für den Vormonat enthalten gewesen sei; dies sei jedoch nur bei genauem Hinsehen erkennbar gewesen. Gegenüber POR X habe der Kläger ebenfalls angegeben, ausgebildeter Bundespolizist zu sein. Dessen Sohn, PK Y, habe der Kläger ebenfalls über seinen beruflichen Werdegang getäuscht.
13Der Kläger sei auch unzuverlässig und disziplinlos. Er sei im Mai 2017 aufgefordert worden, die ihm bei Ausbildungsbeginn überlassenen Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände zurückzugeben. Der Termin für diese Rückgabe sei jedoch durch den Kläger mehrmals verschoben worden und habe daher erst im Juli 2017 stattgefunden. Auch habe der Kläger nicht alle Gegenstände zurückgegeben. Zu den nicht rechtzeitig abgegebenen Gegenständen gehöre ein Exemplar der PDV 100. Dieses habe der Kläger erst am 14. Juli 2017 abgegeben und vorgetragen, er habe das Exemplar einem Kommilitonen geliehen, obwohl die Dienstvorschrift als Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch vorgesehen sei. Der Kläger sei zu Beginn seiner Ausbildung darüber belehrt worden, wie mit solchen Verschlusssachen umzugehen sei. Auch wenn er die Dienstvorschrift lediglich einem anderen Kommissaranwärter geliehen habe, habe er für einen Zeitraum von über einem Monat keinen Zugriff mehr auf diese gehabt und habe somit deren sichere Verwahrung nicht gewährleisten können. Überdies habe der Kläger seine Innenhose nicht abgegeben. Diesbezüglich sei seine Ersatzpflicht festgestellt worden und er habe die Zahlung inzwischen geleistet. Auch dies dokumentiere den nicht ordnungsgemäßen Umgang mit den ihm überlassenen Gegenständen. Schließlich habe der Kläger ohne entsprechende Erlaubnis mindestens einmal eine sogenannte „Rotwaffe“, eine Übungspistole, mit nach Hause genommen und sich dort mit dieser fotografiert. Die ehemalige Lebensgefährtin habe die Wohnung, die im Hintergrund auf dem Foto mit der Rotwaffe zu sehen sei, als Wohnung des Klägers identifiziert.
14Auch das klägerische Verhalten gegenüber der ehemaligen Lebensgefährtin rechtfertige die Entlassung. Der Kläger sei im Dezember 2015 eine Beziehung mit der Kollegin eingegangen; Anfang Mai 2016 habe diese Veränderungen am Kläger festgestellt. So habe er von ihr verlangt, dass sie den Sportunterricht nur mit langer Kleidung besuche und dass sie andere Männer zur Begrüßung nicht umarme; sie sollte es zudem unterlassen, längere Gespräche mit anderen Männern zu führen. Der Kläger habe nicht gewollt, dass sie in sozialen Netzwerken Männern "folgt". Er habe darüber informiert werden wollen, wenn sie mit anderen Männern in SMS-Kontakt stehe. Im Rahmen der Beziehung sei es zu lautstarken Wortgefechten und psychischen Zwängen gekommen. Ein "Vertrag", den der Kläger mit der vormaligen Lebensgefährtin aus der Bundespolizei geschlossen habe, in welchem er dieser jeden Kontakt zu anderen Männern untersagte, zeige, dass der Kläger seine Forderung ernst meine und lasse eine nicht hinnehmbare Einstellung gegenüber Frauen erkennen.
15Der Beklagte führte in dem Entlassungsbescheid weiter aus, dass jeder der dargelegten Sachverhalte jeweils die charakterliche Ungeeignetheit des Klägers belege. Jedoch zeige auch eine Betrachtung der Vielzahl der schwerwiegenden Fehlverhaltensweisen in der Gesamtschau, dass die Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst nicht gegeben sei. Das gesamte Verhalten des Klägers biete keine Gewähr dafür, dass er sich während seiner Dienstzeit an Recht und Gesetz halten und seinen Beamtenpflichten nachkommen würde. Das vermögensschädigende Verhalten des Klägers zeige eine gewisse kriminelle Energie, sodass er sich als untragbar für den öffentlichen Dienst erweise. Den genannten Vorwürfen stehe das Recht des Klägers gegenüber, die begonnene Berufsausbildung zu beenden. Für den Kläger spreche, dass er bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Ihm müsse jedoch in Anbetracht seines Alters die volle Einsichts- und Urteilsfähigkeit über das Ausmaß und die Folgen seines Handelns unterstellt werden. Das öffentliche Interesse an einer gerechten und straffreien Amtsführung eines Polizeibeamten überwiege das persönliche Interesse des Klägers. Die Verwehrung der Beendigung des Vorbereitungsdienstes sei auch mit Blick auf die noch verbleibende Dauer der Ausbildung geboten. Überdies solle der Allgemeinheit die Fortzahlung der Bezüge eines Kommissaranwärters erspart bleiben, der gegen allgemeingültige Werte und Normen verstoßen habe.
16Der Kläger hat am 17. Januar 2017 Klage erhoben. Er trägt vor, er habe zwar Anfang Oktober seine Wohnung in gekündigt und habe sich anschließend auch in L unter der Wohnanschrift seiner damaligen Freundin angemeldet, jedoch sei diese Wohnung sehr klein gewesen, sodass er sich unter der Woche überwiegend bei seinen Eltern in T. aufgehalten habe. Auch nachdem er mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin umgezogen sei, habe er sich überwiegend in seinem Elternhaus aufgehalten, um sich um seine Mutter zu kümmern, die zu dieser Zeit mit psychischen Problemen stark belastet gewesen sei. Er sei im Oktober 2018 vom Vorwurf des Betruges freigesprochen worden. Das Strafgericht habe es auch im Rahmen der Hauptverhandlung als erwiesen angesehen, dass er im maßgeblichen Zeitraum tatsächlichen in T. bei seinen Eltern gewohnt habe. Überdies habe er sich auch selbst in einer psychischen Ausnahmesituation befunden, da er gravierenden familiären Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Er habe auch gegenüber seinen Kollegen und Vorgesetzten keine Falschangaben gemacht. Wie seine Aussagen aufgefasst oder interpretiert worden seien, könne er nicht beurteilen. Möglich wäre, dass die Gesprächspartner nicht genau zugehört bzw. Einzelheiten falsch aufgenommen oder vergessen hätten. Auch schließe er Missverständnisse oder Fehlinterpretation nicht aus. Richtig sei zwar, dass es ein Foto gebe, auf dem er mit einer Jacke eines ihm flüchtig bekannten Kommissars zu sehen sei, dieses Foto sei aber nur „spaßeshalber“ erstellt worden. Seine Beziehung zur Kollegin sei privater Natur gewesen, sodass bereits fraglich sei, ob sie überhaupt Gegenstand der Bewertung seiner charakterlichen Eignung sein könne. Schließlich habe sich seine ehemalige Lebensgefährtin aber auch ihm gegenüber nicht korrekt verhalten, so dass er sich überwacht und kontrolliert gefühlt habe. Er habe Frauen und Männer stets gleich behandelt. Bei dem „Vertrag“ zwischen ihm und der damaligen Lebensgefährtin aus der Bundespolizei habe es sich lediglich um eine „Wunschliste“ gehandelt. Schließlich werde die ordnungsgemäße Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Personalrates bestritten.
17Der Kläger beantragt,
18den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2017 zu Ziffer 1 aufzuheben.
19Der Beklagte beantragt,
s="absatzRechts">20<p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen. 21Er verweist zur Begründung auf seine ausführlichen Angaben im angefochtenen Bescheid und ergänzt, auch wenn der Kläger wegen Betruges freigesprochen worden sei, 8;ndere dies nichts an der beamtenrechtlichen Einschätzung seiner charakterlichen Ungeeignetheit. Ein Beamter könne auch unabhängig von der Strafwürdigkeit ein Verhalten an den Tag legen, welches mit dem Verbleib im Polizeidienst nicht zu vereinbaren sei. Der Kläger habe Anträge auf Trennungsgeld über mehrere Monate falsch ausgefüllt, mehrere Wohnortwechsel nicht angezeigt und sei den ihm positiv bekannten Erfordernissen nicht nachgekommen. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen könnten bestätigen, dass der Kläger als ausgebildeter Bundespolizist aufgetreten sei.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Personalakten sowie der Ermittlungsakten aus dem Verfahren der Staatsanwaltschaft verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Entlassungsbescheid vom 14. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Die auf § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG gestützte Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist rechtlich nicht zu beanstanden.
26Der Beklagte war zunächst nicht durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 27. September 2017 im Verfahren 6 B 977/17 daran gehindert, einen neuen Bescheid zu erlassen und dessen sofortige Vollziehung anzuordnen. Entscheidungen nach § 80 Abs. 5 VwGO kommt eine sachliche Bindungswirkung zu. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage hemmt allerdings nur die Vollziehung des angegriffenen Bescheides. Die Bindungswirkung eines solchen Beschlusses hindert die Behörde deshalb im Grundsatz nicht daran, den früheren Bescheid aufzuheben und einen neuen Verwaltungsakt zu erlassen.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1981 – 8 C 69.80 –, juris, Rn. 25; OVG Bremen, Beschluss vom 13. Juli 2018 ̵1; 2 B 174/18 –, juris, Rn. 5; Bayerischer VGH, Beschluss vom 6. Juli 2012 – 10 CS 12.1367 –, juris, Rn. 22.
28Die Behörde darf jedoch nicht den gerichtlichen Aussetzungsbeschluss dadurch unterlaufen, dass sie einen vormaligen Verwaltungsakt durch einen inhaltsgleichen und im Wesentlichen identischen Verwaltungsakt ersetzt und diesen für sofort vollziehbar erklärt.
class="absatzRechts">29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2010 – 13 B 659/10 –, juris, Rn. 29; OVG Bremen, Beschluss vom 13. Juli 2018, – 2 B 174/18 –, a.a.O., Rn. 5; Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80, Rn. 171.
30Die Entlassungsverfügung beinhaltet keine unzulässige Umgehung der Bindungswirkung des Beschlusses vom 27. September 2017, denn die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entlassungsverfügung wurde damit begründet, dass der Beklagte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend beachtet und den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt habe. Inhaltlich verhält er sich nicht zu der Frage, ob der Kläger charakterlich geeignet ist für das Amt des Polizeivollzugsbeamten. Vielmehr ist dem Beschluss zu entnehmen, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass eine rechtmäßige Entlassungsverfügung ergeht. Der Beklagte war deshalb nicht gehindert, eine neue Entscheidung über die Entlassung des Klägers zu treffen.
31Die besagte Entlassungsverfügung vom 14. Dezember 2017 genügt den formellen Voraussetzungen. Insbesondere hat der Beklagte den Kläger vor Erlass der Verfügung ordnungsgemäß angehört (§ 28 VwVfG NRW). Ferner wurden sowohl der Personalrat unter dem 16. November 2017 gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 LPVG NRW als auch die Gleichstellungsbeauftragte unter dem 13. November 2017 gemäß §§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 18 Abs. 1, 2 LGG NRW ordnungsgemäß beteiligt.
32Die materiellen Voraussetzungen für die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf lagen zum maß;geblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung am 14. Dezember 2017 ebenfalls vor. Ein Beamter auf Widerruf kann nach § 23 Abs. 4 BeamtStG grundsätzlich bei Vorliegen eines sachlichen Grundes jederzeit entlassen werden. Nach Satz 2 der genannten Bestimmung „soll“ die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden.
33Vorliegend ist ein die Entlassung tragender sachlicher Grund gegeben.
34Der Beklagte rechtfertigt die Entlassung mit der fehlenden charakterlichen Eignung des Klägers. Diese Bewertung im Rahmen des dem Dienstherrn zustehenden Beurteilungsspielraums ist rechtlich nicht zu beanstanden und hält daher einer gerichtlichen Überprüfung stand. Der Beklagte stützt sich im Rahmen der Begründung auf vier Komplexe, welche jeweils isoliert betrachtet die fehlende charakterliche Eignung des Klägers rechtfertigen würden. Dies ist zumindest in Bezug auf die Beantragung von Trennungsentschädigung mittels unzutreffender Daten durch den Kläger in den Monaten Oktober 2016 bis Februar 2017 und die Falschangaben über seine Personalien und seinen beruflichen Werdegang nicht zu beanstanden und kann hinsichtlich der weiteren Vorwürfe dahinstehen.
35Die charakterliche Eignung ist ein Unterfall der persönlichen Eignung. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen Die Zweifel können sich sowohl aus dem dienstlichen als auch aus dem außerdienstlichen Verhalten ergeben.
36Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 – 2 B 17.16 –, juris, Rn. 26, und vom 25. November 2015 – 2 B 38/15 –, juris, Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2019 – 6 B 1551/18 –, juris, Rn. 5.
37Die Einschätzung der charakterlichen Eignung ist dem Dienstherrn vorbehalten. Ihm ist bei der Prognoseentscheidung über die Eignung eines Beamten ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen, der nur eingeschränkt gerichtlich darauf überprüfbar ist, ob der unbestimmte Rechtsbegriff der mangelnden Eignung und gesetzliche Grenzen des Beurteilungsspielraums erkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt oder ob allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt wurden.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 –, juris, Rn. 38 ff.; OVG NRW, Urteil vom 23. September 1998 – 12 A 1123/97 –, juris, Rn. 58.
39Die in der Entlassungsverfügung aufgeführten Vorkommnisse in Bezug auf die durch den Kläger beantragte Trennungsentschädigung in den Monaten Oktober 2016 bis Februar 2017 tragen die Einschätzung des Beklagten, dass der Kläger nicht über die charakterliche Eignung verfügt, die von einem Polizeivollzugsbeamten zu erwarten ist. Beurteilungsfehler sind nicht ersichtlich.
40Der Vorwurf, der Kläger habe in den Monaten von Oktober 2016 bis Januar 2017 mittels unrichtiger Angaben in Anträgen auf Trennungsentschädigung Leistungen erhalten und im Februar 2017 zumindest erneut mittels unrichtiger Angaben einen Antrag gestellt, wobei es nicht zu einer Auszahlung gekommen ist, stützt sich auf gesicherte Erkenntnisse.
41Zu Beginn seiner Ausbildung hatte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Adresse "H1.------straße" angegeben. Im Juni 2016 hat er sodann als neue Anschrift "B. 7, " mitgeteilt. Am 3. Oktober 2016 meldete der Kläger ausweislich einer Bescheinigung des Einwohnermeldeamtes L seine Wohnung in B. ab und seine neue Wohnung in L an. Dort zog er zunächst zu seiner damaligen Freundin in die N.------straße und später mit dieser gemeinsam in die G.---------straße. Mietbeginn in der gemeinsamen Wohnung war laut Mietvertrag der 15. November 2016. Gleichwohl hat der Kläger für die Monate Oktober, November und Dezember 2016 in seinem Antrag auf Festsetzung der Trennungsentschädigung angegeben, Fahrten zwischen seiner Wohnung in "B" (November 2016) bzw. "B" (Dezember 2016) und der Dienststelle "FHÖV" vorgenommen zu haben. Der Antrag des Monats Oktober enthielt neben der Angabe "B" den Zusatz "B. 7". Im Januar und Februar 2017 gab er in demselben Vordruck an, Fahrten zwischen seiner Wohnung in "B" zur Dienststelle "LAFP" vorgenommen zu haben. Zusätzlich füllte der Kläger im Februar 2017 einen weiteren Bewilligungsantrag aus, in welchem er im Feld 3 a) "Ich habe eine eigene Wohnung" handschriftlich: "B. 7, B. " eintrug, obwohl direkt darunter in Ziffer 3 b) die Möglichkeit bestand, unter der Überschrift "Ich wohne noch bei den Eltern in" den Wohnort der Eltern einzutragen.
42Dies stellt der Kläger auch in seiner Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft L in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren und im hiesigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht in Abrede. Vielmehr behauptet er, sich unter der Woche nicht in L, sondern in T. bei seinen Eltern aufgehalten zu haben. Zudem habe er schlicht vergessen, den Beklagten über seine Umzüge zu informieren; auch habe er sich während der gesamten Zeit in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Zu Recht stellt der Beklagte bei der Bewertung dieses Sachverhaltes zunächst darauf ab, dass sich Polizeibeamte rechtstreu verhalten und die Rechtsordnung achten müssen. Es sei nicht tragbar, dass ein Beamter, der an der Aufklärung von Straftaten beteiligt ist und an deren Verhinderung mitwirken soll, selbst rechtsmissbräuchliches Verhalten zeige. Die Beantragung von Trennungsentschädigung durch wahrheitswidrigen Angaben stelle eine bewusste Täuschung dar, ein solches unangemessenes Verhalten verstoße gegen die Kernpflichten eines Polizeivollzugsbeamten. Diese in der angegriffenen Entlassungsverfügung im Einzelnen näher begründete Beurteilung ist nachvollziehbar und verständlich.
43Selbst wenn dem Kläger, wie dieser vorträgt, lediglich ein grober Verstoß gegen seine Sorgfaltspflicht unterstellt werden könnte und die unrichtige Wohnortangabe nicht vorsätzlich, sondern nachlässig getätigt worden wäre, kann auch hierin - wie der Beklagte zutreffend in der Entlassungsverfügung anführt - ein Eignungsmangel erblickt werden. In den Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die ordnungsgemäße und detailgenaue Bearbeitung von Vorgängen einen wesentlichen Aspekt der polizeilichen Arbeit darstelle. Die vermehrte Angabe unzutreffender Tatsachen ließe den Rückschluss zu, dass der Kläger nicht mit der erforderlichen Genauigkeit arbeiten könne. Die Behauptung des Kl8;gers, er habe schlicht vergessen, die Adressänderung mitzuteilen und habe sich tatsächlich im streitgegenständlichen Zeitpunkt bei seinen Eltern aufgehalten - dies kann als wahr unterstellt werden, so dass der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung abgelehnt werden konnte - ändert nichts an der Tatsache, dass der Kläger falsche Angaben getätigt hat. Seine Behauptung, er habe die falsche Adresse eingetragen, weil er familiäre Probleme gehabt und unter psychischem Druck gestanden habe, ist als bloße Schutzbehauptung zu qualifizieren. Dies insbesondere deshalb, da der Kläger nicht einfach untätig geblieben ist, sondern über einen Zeitraum von fünf Monaten hinweg in Eigeninitiative Anträge mit einer falschen Wohnortangabe ausfüllte. Dass er zu jedem dieser Zeitpunkte derart konzentrationslos war, dass ihm die Niederschrift unwahrer Tatsachen nicht auffiel, ist lebensfremd. Auch wenn er sich tatsächlich in dem streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend bei seinen Eltern aufgehalten hat und davon ausging, dass der tatsächliche Aufenthalt für die Beantragung der Trennungsentschädigung maßgeblich sei, hätte er (wenigstens) als Wohnort "T. " eintragen müssen und eben nicht "B" nebst einer mit T. nicht übereinstimmenden Postleitzahl. Unerklärlich bleibt auch bei Wahrunterstellung der Behauptung des Klägers, weshalb dieser im Antrag von Oktober 2016 und Februar 2017 als Wohnort die Anschrift einer Wohnung eintrug, die er längst gekündigt hatte. Ob dem Beklagten tatsächlich ein finanzieller Schaden durch die Falschangaben des Klägers entstanden ist, mag für die strafrechtliche Bewertung von maßgeblicher Bedeutung sein, ist im vorliegenden Entlassungsverfahren für die Überprüfung der Entscheidung, dem Kläger charakterliche Ungeeignetheit zu attestieren, jedoch nicht ausschlaggebend.
44Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob der klägerische Freispruch im Strafverfahren erfolgte, weil ein Anspruch auf Trennungsentschädigung unterstellt wurde und das Elternhaus in T. und die Wohnung in B. in geringer Distanz zueinander liegen, oder ob - so die Auffassung des Beklagten - dem Kläger angesichts der angemeldeten Wohnung in L kein Anspruch auf Trennungsentschädigung zustand, weil er aus freiwilligem privatem Entschluss an einem anderen Ort übernachtete. Denn der Dienstherr kann auch dann beurteilungsfehlerfrei die mangelnde charakterliche Eignung annehmen, wenn der Beamte - unabhängig von der Strafwürdigkeit - ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das mit dem Verbleib im Polizeidienst nicht zu vereinbaren ist. Ferner kann der Dienstherr im Rahmen einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu einer vom Ergebnis des Strafverfahrens abweichenden Einschätzung gelangen.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2017 – 6 B 977/17 –, juris, Rn. 8; OVG NRW, Beschlüsse vom 17. August 2017 - 6 B 751/17-, juris, Rn. 8 ff., und vom 4. Dezember 2008 - 6 B 1520/08 -, juris, Rn. 6.
46Es ist dem Beklagten daher nicht verwehrt, bei seiner Bewertung den Blick auf die Falschangaben zu richten und einen Vermögensschaden nicht in den Mittelpunkt seiner Einschätzung zu stellen. Überdies geht der Beklagte gerade davon aus, dass der Kläger - auch bei Wahrunterstellung seiner Angaben - keinen Anspruch auf Trennungsentschädigung gehabt hätte.
47Ausgehend von der dem Dienstherrn zustehenden Einschätzungsprärogative sind die durch den Kläger getätigten Falschangaben zu seiner Person und seinem Werdegang ebenfalls ein die Entlassung rechtfertigender charakterlicher Mangel. Der Beklagte konnte die Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers auch auf diesen Sachverhalt stützen.
48Den Akten lässt sich entnehmen, dass mehrere Kommilitonen und Lehrpersonal des LAFP NRW, ein Tutor des Klägers, ein Freund des Klägers und dessen Vater übereinstimmend angegeben haben, der Kläger habe behauptet, die Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei abgeschlossen und an diversen öffentlichkeitswirksamen Einsätzen als Bundespolizist teilgenommen zu haben. Auch habe er vorgetragen, aufgrund seiner Vorerfahrungen ein höheres Gehalt als seine Kommilitonen zu beziehen. Der Kläger habe überdies geschildert, wegen einer anstehenden Versetzung nach München zur Landespolizei gewechselt zu sein, wobei er immer noch die Möglichkeit habe, wieder zurück in den Dienst der Bundespolizei zu gehen. Im Entlassungsbescheid wird in Bezug auf diese Vorkommnisse zutreffend darauf hingewiesen, dass der Polizeidienst maßgeblich durch Vertrauen der Kollegen untereinander gekennzeichnet und das gegenseitige Vertrauen zudem maßgebliche Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit sei. Insbesondere in Einsatzsituationen sei es unabdingbar, dass man sich auf Feststellungen, Kenntnisse und Aussagen seiner Kolleginnen und Kollegen uneingeschränkt verlassen könne, und dies sei angesichts der Schilderungen des Klägers bei ihm nicht der Fall.
49Dabei weist weder der ermittelte Sachverhalt Defizite auf, noch ist die Einschätzung des Beklagten rechtlich zu beanstanden, dass sich aus diesem die charakterliche Ungeeignetheit des Klägers ergibt. Auch zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger in erheblichem Maße gegenüber Kommilitonen und anderen Personen unwahre Tatsachen über seinen beruflichen Werdegang und seine polizeilichen Erfahrungen äußerte, die letztlich bei diesen ein der Wahrheit widersprechendes Persönlichkeitsbild des Klägers hervorriefen. Die Akten enthalten schriftliche Stellungnahmen, Vernehmungen, die durch den Beklagten im Rahmen des Entlassungsverfahrens durchgeführt und protokolliert wurden, und Aussagen im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen. Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Personen den Kläger übereinstimmend fälschlicherweise beschuldigen wollten, liegen offenkundig nicht vor und wurden auch vom Kläger nicht vorgetragen. Sein Vorbringen, er sei von Kollegen und Vorgesetzten möglicherweise missverstanden worden, ist nicht geeignet, Zweifel an deren Aussagen zu wecken. Dass der Kläger von einer Vielzahl von Personen in Gänze falsch verstanden wurde oder diese nicht richtig zugehört hätten, ist lebensfremd und bedarf keiner weiteren Ausführungen.
class="absatzRechts">50Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den vorstehenden Komplex bereits isoliert betrachtet als Grund für Zweifel an der charakterlichen Geeignetheit des Klägers heranzieht. Das Verhalten des Klägers hat in seinem Umfang notorische Züge erreicht und hebt sich besonders dadurch hervor, dass er über Jahre hinweg sowohl im beruflichen als auch privaten Bereich unwahre Tatsachen behauptete und sich damit hervorheben wollte. Bemerkenswert ist, dass das Lügenkonstrukt des Klägers über seinen Werdegang derart tief in seiner Persönlichkeit verwurzelt gewesen zu sein schien, dass er nicht nur Kollegen, sondern auch seine ehemaligen Lebensgefährtinnen über die abgeschlossene Ausbildung bei der Bundespolizei täuschte. Auch wenn die Behauptung des Klägers entsprechend dem Beweisbeschluss in der mündlichen Verhandlung als wahr unterstellt werden kann, er habe bei der Vereidigungsfeier seiner ehemaligen Partnerin bei der Bundespolizei die Uniform des gehobenen Dienstes nur kurz für Fotografien ausgeliehen und angezogen, so vermittelte er jedenfalls in diesem Zeitraum und gerade durch das Posieren auf verschiedenen Fotos, jeweils mit einer Haltung, die deutlich gegen das Überziehen einer Jacke "spaßeshalber" spricht, ausgebildeter Polizist des gehobenen Dienstes zu sein. In verschiedenen Chat-Verläufen (WhatsApp) geben die ehemaligen Lebensgefährtinnen des Klägers überdies an, beide davon ausgegangen zu sein, dass der Kläger ausgebildeter Bundespolizist sei. Auch der Kläger selbst gibt in einer Nachricht, welche er an eine der Ex-Partnerinnen geschrieben hat, an, er sei Polizeimeister gewesen und nun Kommissaranwärter. Als diese ihm später vorhält, er habe gelogen und sei kein ausgebildeter Bundespolizist, reagiert der Kläger lediglich ausweichend mit lachenden Emojis und den Worten: "Ist klar, Oh Mann".
51Gegen den Ansatz des Beklagten, der Kläger habe durch sein Verhalten in besonderem Maße gegen die Wahrheitspflicht im Rahmen des innerdienstlichen Pflichtenkreises eines jeden Beamten verstoßen und dadurch das ihm entgegengebrachte Vertrauen seiner Kollegen, Vorgesetzten und seines Dienstherrn nachhaltig zerstört, ist nichts zu erinnern. Der Beklagte hat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums auch zutreffend darauf abgestellt, dass dem gegenseitigen Vertrauen unter Kollegen im Polizeidienst eine besondere Wertigkeit zukommt, da diese Tätigkeit mit erheblichen Gefahrensituationen verbunden sein kann, in denen die Aufrichtigkeit der Beamten eine herausragende Rolle spielt.
52Vor dem Hintergrund, dass bereits die beiden dargelegten Komplexe jeweils kontextfrei und für sich allein betrachtet Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers rechtfertigen, kann dahinstehen, ob - wie der Entlassungsbescheid weiter ausführt - das Frauenbild des Klägers und dessen Verhalten seinen beiden ehemaligen Lebensgefährtinnen gegenüber einen Eignungsmangel begründen, und ob ihm tatsächlich die vom Beklagten monierte Disziplinlosigkeit und Unzuverlässigkeit vorgehalten werden kann.
53atzLinks">Der Beklagte hat auch das ihm nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG eingeräumte Ermessen fehlerfrei unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgeübt. Für Ermessensfehler gibt es keine Anhaltspunkte.
54Das dem Dienstherrn eingeräumte Ermessen ist im Falle eines Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst erheblich eingeschränkt. Gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG soll dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Eine Entlassung nach § 23 Abs. 4 BeamtStG kommt damit nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht.
55Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2009 - 6 B 320/09 -, juris, Rn. 7.
56§ 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 GG zu qualifizieren ist, sondern auch dort, wo - wie hier - ein Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht.
57Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Februar 2019 – 6 B 1551/18 –, juris, Rn. 17, und vom 16. August 2016, – 6 B 656/16 –, juris, Rn. 4 ff. m w. N.
58§ 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG steht jedoch im Streitfall der Entlassung des Klägers vor Ende des Vorbereitungsdienstes nicht entgegen.
59Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung (vgl. § 9 BeamtStG) den Anforderungen der Laufbahn – hier des (gehobenen) Polizeivollzugsdienstes – nicht gerecht wird. Insofern genügen berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Widerrufsbeamten.
60Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 2 B 47.09 -, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2017 – 6 B 977/17 –, a.a.O., Rn. 4; Bayerischer VGH, Beschluss vom 13. November 2014 – 3 CS 14.1864 –, juris, Rn. 22.
61Bei einem Vorbereitungsdienst, der - wie hier - keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt, sondern mit dem der Staat für seinen eigenen Bedarf ausbildet, darf der Dienstherr daher die persönliche Eignung an den Maßstäben messen, die er für die Übertragung eines Amtes auf Lebenszeit zugrunde legt.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2019 – 6 B 1551/18 –, a.a.O., Rn. 22; OVG NRW, Urteil vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 -, juris, Rn. 121; OVG Bremen, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 2 B 174/18 -, juris, Rn. 22.
63Hiervon ausgehend ist im Streitfall die Entlassung auch vor Ende des Vorbereitungsdienstes möglich; der Beklagte hat zutreffend einen entsprechenden Ausnahmefall angenommen. Der Beklagte hegt - wie dargelegt - berechtigterweise Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe bzw. auf Lebenszeit entgegenstehen würden. Dann ist es gerechtfertigt, dem Beamten die Möglichkeit der Ableistung des Vorbereitungsdienstes im Sinne des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG zu verwehren. Dies eröffnet ihm zugleich die Möglichkeit einer beruflichen Neuorientierung.
64Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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