Urteil vom Verwaltungsgericht Arnsberg - 4 K 576/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin wendet sich gegen zwei der Beigeladenen vom Beklagten erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigungen zur Errichtung von 2 Windenergieanlagen.
3Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks „Längde 86“ in Hamm, das Teil eines von Außenbereichsflächen umgebenen Siedlungssplitters ist.
4Mit Anträgen vom 10. September 2019 beantragte die Beigeladene beim Beklagten die Errichtung von zwei Windenergieanlagen (WEA) jeweils des Typs Enercon E- 138 EP3 mit einer Nabenhöhe von 130 m und einem Rotordurchmesser von 138 m auf den Grundstücken Gemarkung Freiske, Flur 1 Flurstück 72 (Im Folgenden: WEA 1) und Gemarkung Freiske, Flur 2, Flurstücke 128 und 244 (WEA 2). Den Anträgen waren u.a. Schall- und Schattengutachten jeweils vom 11. September 2019 sowie ein weiteres Gutachten zu den optischen Wirkungen der beiden WEA vom 12. September 2019, jeweils erstellt von der Firma Ramboll CUBE GmbH, beigefügt.
5Der Standort der WEA 1 befindet sich über 800 m, der Standort der WEA 2 über 1800 m von dem von der Klägerin bewohnten Grundstück entfernt. Zwischen den beiden WEA verläuft in west-/östlicher Richtung die Autobahn A2. In einer Entfernung von knapp unter 200 m südwestlich der WEA 2 auf dem Stadtgebiet von Bönen wird eine kleinere ältere WEA (Alt-WEA) betrieben. Östlich der WEA 2 bzw. südöstlich der WEA 1 befindet sich unmittelbar an der A 2 ein größeres Gewerbegebiet mit Logistikzentrum.
6Der Oberbürgermeister der Beklagten erteilte der Beigeladenen mit Bescheiden vom 13. sowie 15. Januar 2020 die Genehmigungen nach § 6 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zur Errichtung und zum Betrieb der WEA 1 (13. Januar, Az.: 915-63.0005/19/1.6.2) und der WEA 2 (15. Januar, Az.: 915-63.0006/19/1.6.2). Die Genehmigungen enthalten unter Einbeziehung der o.g. Gutachten zahlreiche Nebenbestimmungen zum Immissionsschutz. Insbesondere dürfen die WEA danach im gesamten Einwirkungsbereich unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch weitere WEA und andere Anlagen nicht zu einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 der TA Lärm beitragen und gelten für einzelne so bezeichneten Immissionsaufpunkte gemäß dem vorgelegten Schallgutachten jeweils bestimmte Immissionsrichtwerte von tagsüber zwischen 50-60 dB(A) und nachts zwischen 35-45 dB(A) (Nr. 4.1.1.). Ferner muss durch geeignete, für beide WEA gemeinsam betriebene Abschalteinrichtungen sichergestellt werden, dass die Schattenwurfimmissionen aller im dem nach dem entsprechenden Schattengutachten im kritischen Bereich gelegener Wohnhäuser 8 h/a sowie 30 min/d nicht überschreiten (Nrn.4.2.2. und 4.2.3.). Zudem enthält der Bescheid vom 15. Januar 2020 betreffend die WEA 2 die Bedingung, dass diese WEA erst in Betrieb genommen werden darf, wenn die Alt-WEA auf Bönener Gebiet stillgelegt worden und dies der Beklagten angezeigt worden ist (Nr. 0.1).
7Auf entsprechenden Antrag der Beigeladenen machte die Beklagte die beiden Genehmigungsbescheide in der Tageszeitung „Westfälischer Anzeiger“ am 29. Januar 2020 ein erstes Mal öffentlich bekannt. In der Bekanntmachung war nach dem Hinweis „Die Genehmigungsbescheide enthalten folgende Rechtsmittelbelehrung“ der nur auf eine Klagemöglichkeit abstellende Wortlaut der Rechtsmittelbelehrungen der angefochtenen Bescheide wiedergegeben.
8Die Klägerin legte zunächst am 29. Januar 2020 Widersprüche gegen die beiden Genehmigungen ein und hat sodann am 24. Februar 2020 Klage dagegen erhoben. Am gleichen letztgenannten Tage hat die Beklagte die beiden Genehmigungsbescheide im Westfälischen Anzeiger nochmals öffentlich bekannt gemacht. Dieser zweiten Bekanntmachung war neben dem ansonsten unveränderten Text der ersten Bekanntmachung unter der Überschrift „ Auslegung der Bescheide“ noch ein Zusatz zur Widerspruchsmöglichkeit für unbeteiligte Dritte beigefügt. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Widersprüche der Klägerin mit zwei Bescheiden vom 9. September 2020 als jeweils unbegründet zurückgewiesen und mit weiteren Bescheiden vom 10. September 2020 die sofortige Vollziehung der Genehmigungen angeordnet. Wegen der Einzelheiten der Begründungen wird gemäß § 117 Abs.3 Satz 2 VwGO auf die entsprechenden Bescheide verwiesen. Am 7. Januar 2021 hat die Klägerin zudem die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Der Antrag ist durch Beschluss der Kammer vom 25. Januar 2021 (4 L 7/21) abgelehnt worden. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) durch Beschluss vom 16. April 2021 (7 B 184/21) zurückgewiesen.
9Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Die Genehmigungen seien unter Verstoß gegen die Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erteilt worden, weil die erforderliche UVP-Vorprüfung nicht durchgeführt worden sei. Darauf könne sie sich auch berufen. Die UVP-Pflichtigkeit der genehmigten Vorhaben folge schon daraus, dass im Nahbereich eine weitere dritte WEA, nämlich die ALT- WEA auf Bönener Gebiet vorhanden sei, welche zumindest in der Errichtungsphase der beiden Neuanlagen über Monate hinweg weiter betrieben werden dürfe. Zudem seien vier weitere schon vorhandene Anlagen, die im Schallgutachten als Vorbelastung ausgeschlossen worden seien, zu berücksichtigen sowie zwei weitere Neuanlagen im näheren Umfeld gleichzeitig bei der Beklagten beantragt worden. Die relevanten Einwirkungsbereiche aller Anlagen überschnitten sich und würden zu einer Kumalation der negativen Effekte für diverse – im Einzelnen benannte – Schutzgüter führen. Zudem würden auch technische Einrichtungen gemeinschaftlich genutzt und sei mithin ein wirtschaftlicher sowie funktionaler Bezug von mindestens mehr als 3 Anlagen gegeben. Angesichts all dessen sei die ohnehin auch gemeinschaftsrechtlich unzulässige Beurteilung des OVG NRW im Beschwerdeverfahren, vorliegend sei keine zur UVP-Pflicht führende Windfarm gegeben, unzutreffend. Die besagten negativen, im folgenden noch weiter ausgeführten Auswirkungen der Anlagen würden sodann auch die Durchführung einer hier unterbliebenen förmlichen UVP-Prüfung gebieten. Die Genehmigungen verletzten auch im übrigen eigene Rechte der Klägerin. Es sei nicht sichergestellt, dass die zumutbaren Lärmimmissionswerte an ihrem Wohnhaus eingehalten würden. Das eingeholte Schallgutachten weise ihren Wohnort nicht als relevanten Immissionsort aus und lasse daher keine Aussage dazu zu. Es sei auch nicht offenkundig, dass eine solche Sicherstellung anzunehmen sei. Vielmehr seien zahlreiche relevante Vorbelastungen im Gutachten überhaupt nicht berücksichtigt worden. Das seien etwa die Lärmimmissionen durch die schon vorhandenen WEA, eine benachbarte Hundepension, durch nahegelegene Gewerbetriebe, insbesondere aus dem Logistikzentrum, sowie durch landwirtschaftliche Anlagen, insbesondere aus Mastanlagen mit Aktivlüftern. Dass entgegen den Aussagen im Gutachten solche weiteren lärmrelevanten Anlagen vorhanden seien, ergebe sich ohne weiteres aus den vorliegenden Plänen und Fotos. Entsprechendes gelte für die den angegriffenen Genehmigungen zugrundeliegende Annahme, es komme zu keinen unzumutbaren optischen Beeinträchtigungen. Auch insofern sei das Wohngrundstück der Klägerin nicht untersucht worden und die Regelungen zum Schattenwurf seien unzureichend bzw. die Einhaltung der darin bestimmten maximalen Beschattungsdauer nicht gewährleistet, weil die weiteren WEA nicht berücksichtigt und in die Abschaltregelungen mit einbezogen worden seien. Außerdem seien mindestens 10 Wohnhäuser dadurch beeinträchtigt, dass sie in einem Umkreis von weniger als dem dreifachen der Gesamthöhe der WEA lägen. Ferner beeinträchtigten die streitigen Anlagen eine Ausgleichsfläche für Feldlerchen und Kiebitze sowie das Habitat von Rotmilanen, für die ein Horst in weniger als 1 km von den Anlagen festgestellt worden sei. Ein erforderliches Gutachten dazu sei fehlerhaft nicht eingeholt worden. Die Anlagen vergrämten die unter den Anhang II der FFH-Richtlinie fallenden Tiere bzw. führten zu erheblichen Gefährdungen für diese, was eine Verletzung der Vogelschutzrichtlinie begründe. Ein solcher Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht könne nach der – weiter benannten – Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von der jeweils betroffenen Öffentlichkeit, also auch von der Klägerin geltend gemacht werden. Schließlich verstießen die Genehmigungen auch gegen denkmal- und landschaftsschutzrechtliche Bestimmungen, namentlich mit Blick auf die beiden in der Nähe gelegenen Wassertürme.
10Die Klägerin beantragt,
11die der Beigeladenen erteilten Genehmigungen des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 13. und 15. Januar 2020 zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windenergieanlagen (Az.: 915-63.0005/19/1.6.2 (WEA 1) u. 915-63.0006/19/1.6.2 (WEA 2) sowie die an die Klägerin gerichteten Widerspruchsbescheide vom 9. September 2020 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie führt unter Verweisung auf ihre Widerspruchsbescheide noch ergänzend aus: Im Eilverfahren sei bereits zu Recht festgestellt worden, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zur UVP-Prüfung vorliege. Etwas anderes folge auch nicht aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des EuGH, die im übrigen auch nichts dafür hergebe, dass sich die Klägerin auf eine Verletzung artenschutzrechtlicher Bestimmungen berufen könne. Auch ansonsten sei keine Verletzung drittschützender Normen ersichtlich. Angesichts des Schallgutachtens vom 11. September 2019 und der ergänzenden Stellungnahme der Fa. Ramboll Cube GmbH vom 15. Dezember 2020 sei insbesondere von keinen unzulässigen Lärmimmissionen am Wohnhaus der Klägerin auszugehen. Für eine optisch bedrängende Wirkung der Anlagen sei die Entfernung zu ihnen zu groß. Denkmalschutzrechtliche Vorschriften entfalteten keinen Drittschutz zu Gunsten der Klägerin.
15Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
16die Klage abzuweisen.
17Sie führt zur Begründung aus: Aus den im Eilverfahren ergangenen Beschlüssen ergebe sich, dass eine UVP-(Vor)Prüfung nicht erforderlich gewesen und daher zu Recht unterblieben sei. Eine zur UVP-Pflicht führende Windfarm im Sinne der einschlägigen Bestimmungen liege hier – wie im Einzelnen weiter ausgeführt nicht vor – und auch ansonsten gebe es keinen Anknüpfungspunkt für eine solche Pflicht. Ebenso sei in den gerichtlichen Eilbeschlüssen zu Recht eine unzulässige Lärmbelastung für die Klägerin ausgeschlossen werden. Aus dem Schallgutachten vom 11. September 2019 und den dazu in den Eilverfahren vorgelegten weiteren ergänzenden Stellungnahmen des Gutachters vom 15. Dezember 2020 und vom 1. April 2021 lasse sich angesichts der danach an den so bezeichneten Immissionsorten E2 und C deutlich eingehaltenen Immissionsrichtwerte ohne weiteres herleiten, dass entsprechendes auch für das von der Klägerin bewohnte Gebäude anzunehmen sei. Denn dieses liege noch weiter von den streitigen Anlagen entfernt als die besagten Immissionsorte. So befinde sich etwa der Immissionsort C 150 Meter näher zu den Anlagen und der Immissionsort E2 liege sogar mehrere hundert Meter näher dazu. Auch seien vom Gutachter relevante Vorbelastungen nach Ortsbegehung – wie ebenfalls weiter ausgeführt – zutreffend ausgeschlossen worden. Das Klagevorbringen erschöpfe sich insofern in unkonkreten bloßen Behauptungen. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot sei ebenfalls zu verneinen. Angesichts der Entfernung der Anlagen zum Wohngrundstück der Klägerin von über 800 Meter komme eine erdrückende Wirkung der Anlagen ersichtlich nicht in Betracht. Das Grundstück liege auch außerhalb des schattenkritischen Bereichs der Anlagen; zudem werde durch die dazu erlassene Nebenbestimmung 4.2.3 die Einhaltung einer zumutbaren Beschattungsdauer in jedem Fall sichergestellt. Soweit sich die Klägerin auf Verstöße gegen den Arten- und Habitatschutz berufe, könne sie aus diesen naturschutzrechtlichen Vorschriften nach gefestigter Rechtsprechung keinen Drittschutz zu ihren Gunsten herleiten. Im übrigen seien die gerügten Verstöße angesichts der Entfernungen der Anlagen zu den betroffenen Flächen ohnehin nicht gegeben. Entsprechendes zum fehlenden Drittschutz gelte für die vorgetragenen Verstöße gegen das Denkmalrecht, da die Klägerin nicht Eigentümerin der insofern angeblich betroffenen Anlagen sei.
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Gerichtsakten in den Verfahren 4 L 7/21, 4 L 1053/20, 4 K 688/20, 4 K 689/20, 4 K 718/20 und 4 K 2987/20 Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
20Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
21Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig. Die Klägerin hat das nach § 68 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 110 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Justiz im Lande Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) erforderliche Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt, das mit der Zurückweisung ihrer Widersprüche durch die Bescheide des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 9. September 2020 abgeschlossen worden ist. Die Klagefrist des § 74 Abs.1 Satz 1 VwGO ist angesichts der bereits zuvor erfolgten Klageerhebung ebenfalls eingehalten worden. Die Klägerin ist auch klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Eine Verletzung von Rechten der Klägerin kann nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden.
22Vgl. zu diesem Maßstab: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 148, 353 f. = Baurechtssammlung (BRS) 80 Nr. 79 sowie vom 22. Februar 1994- 1 C 24.92 -, BVerwGE 95, 133.
23Die Klägerin kann geltend machen, dass die angegriffenen Genehmigungsbescheide vom 13. und 15. Januar 2020 gegen die Regelung in § 5 Abs.1 Satz 1 Nr.1 BImSchG verstoßen. Danach sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs.1 BImSchG) und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend. Als Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage sind alle Personen anzusehen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten, oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage sind.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rdnr. 12 und Beschluss vom 24. Juli 2008 - 7 B 19.08 -, juris Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2015 - 8 B 315/15 -, juris Rn.9.
25Ausgehend hiervon ist ein zu Lasten der Klägerin gehender Verstoß gegen § 5 Abs.1 Satz 1 Nr.1 BImSchG nicht von vornherein ausgeschlossen, da sie u.a. – und zumindest insofern noch substantiiert – vorträgt, dass von den genehmigten Anlagen schädliche Umweltauswirkungen in Gestalt von Lärmimmissionen auf ihr Grundstück verursacht würden. Besteht demnach unter dem vorgenannten Aspekt die Möglichkeit, dass die Klägerin in eigenen materiellen Rechtspositionen betroffen ist, so kann offen bleiben, ob ihre Klagebefugnis auch aus weiteren Umständen bzw. sonstigen von ihr als verletzt gerügten Bestimmungen hergeleitet werden kann oder ob dies, wie von der Beklagten und Beigeladenen geltend gemacht wird, nicht der Fall ist.
26Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Genehmigungsbescheide des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 13. und 15. Januar 2020 und die dazu ergangenen Widerspruchsbescheide vom 9. September 2020 verletzen die Klägerin unter keinem der von ihr geltend gemachten Gesichtspunkte in ihren Rechten (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO).
27In Fällen der Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch Dritte ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung maßgeblich.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, Baurecht (BauR) 1998, 995 = juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015- 8 A 959/10 -, BauR 2015, 1138 = juris Rn. 88
29Spätere Änderungen zu Lasten des Betreibers haben außer Acht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, a.a.O. Rdnr. 90.
31Diese Grundsätze schließen es nicht aus, im Rahmen einer derartigen Drittanfechtungsklage nachträglich gewonnene Erkenntnisse zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, die zu Lasten des Bauherrn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, sondern lediglich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage.
32Vgl. dazu auch: BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -,BVerwGE 129, 209; OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015- 8 A 959/10 -, a.a.O. Rdnr. 92.
33Nach Maßgabe dessen ist eine zur Aufhebung der angegriffenen Genehmigungsbescheide führende Rechtsverletzung der Klägerin durch die besagten Genehmigungen nicht festzustellen.
34Es ist im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben, auf den sich die Klägerin gemäß § 4 Abs.3 Nr 1 i.V.m. Abs.1 Satz 1 des Umwelt-Rechtshelfsgesetzes – UmwRG – mit der Folge der Aufhebung der angegriffenen Genehmigungen berufen könnte (hierzu nachfolgend unter I.). Ferner ist der aus § 5 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 6 Abs.1 Nr.1 BImSchG folgende immissionsschutzrechtliche Nachbarschutz gewahrt (hierzu II.). Die genehmigten Windenergieanlagen verstoßen auch nicht zu Lasten der Klägerin gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (hierzu III.) Auf die Verletzung naturschutzrechtlicher Belange, wie beispielsweise des Arten- oder Habitatschutzes, kann die Klägerin sich nicht berufen (hierzu IV.)
35I. Die Klägerin kann sich nicht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG auf Fehler bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) berufen. Entgegen der Ansicht der Klägerin bedurfte es vor der Erteilung der angegriffenen Genehmigungen schon keiner UVP-Vorprüfung, so dass schon deshalb kein zur Aufhebung dieser Genehmigungen führende Fallgestaltung gemäß § 4 Abs. 1 Satz Nr. 1 UmwRG vorliegt; damit einhergehend ist hier erst Recht ohne Belang und bedarf insofern keiner weiteren Befassung, welche Aspekte in einer vorgeschriebenen UVP-Vorprüfung zu untersuchen gewesen wären und ob sich daraus sodann weiter das Erfordernis einer förmlichen UVP-Prüfung ergeben hätte.
36Für die beiden genehmigten beiden WEA bestand für sich genommen keine Pflicht zur UVP-(Vor)Prüfung durch die Beklagte, da § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 UVPG eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles erst für Windfarmen mit 3 bis weniger als 6 WEA (von jeweils mehr als 50 Metern Gesamthöhe) vorschreibt.
37Es kommt auch nicht in Betracht, den beiden genehmigten WEA weitere bei Genehmigungserteilung schon vorhandene oder seinerzeit erst noch zu errichtende WEA hinzuzurechnen, was dann ggfs. zum Erreichen der relevanten Schwellenwerte und zur UVP-Pflichtigkeit auch der hier streitigen WEA geführt hätte.
38Die Bestimmung darüber, unter welchen Voraussetzungen mehrere WEA eine solche wechselseitige Kumulationswirkung entfalten, dass ggfs. eine gemeinsame UVP-Prüfung dieser Anlagen geboten ist, hat der Gesetzgeber – im Sinne einer speziellen, die allgemeine Vorschrift des § 10 Abs. 4 UVPG verdrängenden Regelung für WEA - zunächst in § 2 Abs. 5 UVPG getroffen; die weiteren Folgen beim Vorliegen einer danach relevanten Kumulation im Hinblick darauf, wann und von welchem Anlagenbetreiber eine alle Anlagen in den Blick nehmende UVP-(Vor)Prüfung durchzuführen ist, ordnen sodann die §§ 11, 12 UVPG an.
39Nach diesen, das maßgebliche Gemeinschaftsrecht zur Umweltverträglichkeitsprüfung unbedenklich umsetzenden Vorschriften bestand vorliegend bei Erteilung der streitigen Genehmigungen weder wegen schon vorhandener Anlagen (dazu 1.) noch unter dem Aspekt seinerzeit beantragter weiterer Anlagen (dazu 2.) eine UVP-Pflichtigkeit der WEA 1 und 2.
401. Dies folgt bezüglich der von Klägerseite angeführten, bei Genehmigungserteilung bereits vorhandenen älteren WEA schon daraus, dass jene Anlagen in keinem relevanten Kumulationszusammenhang i.S.v. § 2 Abs. 5 UVPG mit den hier streitigen WEA 1 und 2 stehen. Dazu hat die Kammer in ihrem im Eilverfahren - 4 L 7/21 – ergangenen Beschluss vom 25. Januar 2021 im Einzelnen ausgeführt:
41„Eine von der Antragstellerin rügbare Rechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist bei summarischer Prüfung nicht festzustellen. Der insofern im Kern allein erhobene Einwand, vor Erlass der Genehmigungen für die beiden WEA hätte zunächst eine UVP-Vorprüfung nach § 2 Abs. 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.V.m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG durchgeführt werden müssen, weil hier mit der vorhandenen Altanlage auf dem Stadtgebiet Bönen zeitgleich insgesamt 3 WEA errichtet bzw. betrieben würden, sodann noch weitere vorhandene WEA im Schallgutachten geprüft worden seien und folglich eine Windfarm anzunehmen sei, greift nicht durch.
42Es ist zwar zu konstatieren, dass es die Bedingung unter Ziffer 0.1 in der Genehmigung vom 15. Januar 2020 für die so bezeichnete WEA 2 (Grundstück Gemarkung Freiske, Flur 2, Flurstücke 128 und 244), wonach diese Anlage erst nach Stilllegung der unmittelbar benachbarten Altanlage (Gemarkung Osterbönen, Flur 2, Flurstück 9) in Betrieb genommen werden darf, zulässt, zeitgleich zumindest 2 Anlagen (Altanlage und WEA 1) zu betreiben und eine weitere (WEA 2) zumindest zu errichten. Daraus folgt indes nicht, dass aus diesem Grunde hier eine die UVP-Vorprüfung gebietende Windfarm im Sinne der o.g. Bestimmungen gegeben wäre.
43Nach dem das maßgebliche Gemeinschaftsrecht zur Umweltveträglichkeitsprüfung – nur darauf, nicht aber auf die von der Antragstellerin mit der von ihr benannten Rechtsprechung des EuGH angesprochenen Vorgaben des FFH-Rechtsregimes kommt es vorliegend an – umsetzenden § 2 Abs. 5 Satz 1 UVPG sind Windfarmen drei oder mehr WEA, deren Einwirkungsbereich sich überschneidet und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen. Ein funktionaler Zusammenhang wird nach Satz 2 der Vorschrift insbesondere angenommen, wenn sich die WEA in derselben Konzentrationszone oder in einem Gebiet nach § 7 Abs. 3 ROG befinden. Außerhalb dieser genannten – hier nicht einschlägigen – gesetzlichen Voraussetzungen richtet sich die Bewertung, wann ein funktionaler Zusammenhang besteht, nach ähnlichen Kriterien, wie sie in § 10 Abs. 4 UVPG für die Kumulation von Vorhaben aufgestellt worden sind.
44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. November 2020 – 8 A 4256/19 –,
45juris.
46Das Merkmal des funktionalen und wirtschaftlichen Zusammenhangs in § 10 Abs. 4 UVPG knüpft an das Verbot an, eine Umweltverträglichkeitsprüfung eines Vorhabens durch die Aufsplitterung in Einzelvorhaben zu umgehen. Mehrere benachbarte Vorhaben sollen bei wertender Betrachtung als ein einziges Vorhaben anzusehen sein, wenn sie funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen sind und nicht lediglich beziehungslos und gleichsam zufällig nebeneinander verwirklicht werden. Ein entsprechender Zusammenhang kann in einem gemeinsamen betrieblichen oder wirtschaftlichen Zweck liegen oder etwa darin zum Ausdruck kommen, dass der oder die Vorhabenträger ihr Vorgehen durch ineinander greifende Betriebsabläufe oder in sonstiger Weise planvoll und koordiniert durchführen; allein aus der Überschneidung von Einwirkungsbereichen lässt sich hingegen nicht schließen, dass damit auch ein Mindestmaß an technischer, organisatorischer, betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Koordination vorliegt, aus denen sich ein funktionaler Zusammenhang im Sinne von § 2 Abs. 5 UVPG ergeben kann.
47Vgl. zu alledem m.w.N.: OVG NRW, Beschluss vom 20. November 2020 – 8 A 4256/19 –, juris.
48Bei Zugrundelegung dieser Kriterien kann ein funktionaler Zusammenhang zwischen den mit den angefochtenen Bescheiden genehmigten WEA und der bereits auf dem Stadtgebiet von Bönen vorhandenen Altanlage nicht festgestellt werden. Mit der o.g., inhaltlich eindeutig bestimmten Bedingung Ziffer 0.1 wird – unbeschadet des Umstandes, dass sich die Anordnung, im übrigen aber ohnehin sinnvollerweise, (nur) an die Beigeladene richtet – sichergestellt, dass jedenfalls die Beigeladene den Betrieb ihrer WEA 2 erst aufnehmen kann, wenn die benachbarte Altanlage stillgelegt worden ist. Insofern ist die vom Antragsvorbringen thematisierte Frage der (rechtlichen) Möglichkeiten der Beigeladenen oder der Antragsgegnerin, die besagte Stilllegung zu erreichen, letztlich ohne Belang. Damit ist bei einer Maximalbetrachtung allenfalls ein zeitweises potentielles Überschneiden der Einwirkungen aus der Errichtung der WEA 2 sowie der Erichtung/dem Betrieb der WEA 1 sowie dem Betrieb der Altanlage anzunehmen. Eine solche, noch dazu nur die Errichtungsphase der WEA 2 betreffende mögliche Überschneidung der Einwirkungsbereiche kann indes nach dem oben Gesagten in keinem Fall den erforderlichen funktionalen Zusammenhang für eine Windfarm herstellen. Dass ansonsten das erforderliche, auf den Betrieb der Anlagen bezogene Mindestmaß an Koordination im ausgeführten Sinne vorliegen könnte, erschließt sich ebenfalls nicht. Der Umstand, dass die drei WEA, wie gezeigt, gerade nicht gemeinsam betrieben werden dürfen, steht einer solchen Wertung vielmehr entgegen.
49Nichts anderes gilt im Ergebnis erst Recht mit Blick auf die vom Antragsvorbringen angesprochenen, in der Schallimmissionsprognose der Ramboll CUBE GmbH vom 11. September 2019 unter dem Aspekt einer etwaigen Vorbelastung in den Blick genommenen 4 vorhandenen Anlagen, die sich in westlicher Richtung ca. 3,5 km entfernt befinden. Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass zwischen jenen Anlagen und den hier streitigen WEA (ggf. einschließlich der dort noch vorhandenen Altanlage) ein funktionaler Zusammenhang im oben ausgeführten Sinne gemäß § 2 Abs. 5 UVPG bestünde; dies gilt noch umso mehr, als insofern noch nicht einmal sich überschneidende Einwirkungen ersichtlich sind, sondern diese namentlich für Lärmimmissionen in der o.g. Schallimmissionsprognose plausibel ausgeschlossen werden.“
50An diesen – vom OVG NRW im Beschwerdeverfahren im Beschluss vom 16. April 2021 (7 B 184/21) bestätigten – Erwägungen hält die Kammer auch nach nochmaliger Befassung fest; dem Klägervorbringen lassen sich keine neuen substantiierten Einwände entnehmen, die eine andere Bewertung gebieten könnten.
51Es ist auch nicht feststellbar, dass zum Zeitpunkt der streitigen Genehmigungserteilungen weitere WEA im näheren Bereich beantragt gewesen wären, die nach § 2 Abs. 5 i.V.m. §§ 11, 12 UVPG zu einer UVP-Pflichtigkeit der genehmigten WEA hätten führen können. Soweit die Klägerseite in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, es seien zeitgleich mit den beiden streitgegenständlichen Vorhaben zwei weitere WEA, also insgesamt 4 WEA, beantragt worden, ist dies nach den in der mündlichen Verhandlung erfolgten Angaben der Beklagten, an deren sachlicher Richtigkeit nach dem unten Gesagten zu zweifeln kein Anlass besteht, nicht zutreffend. Die Beklagtenvertreter haben dazu – wenn auch unter teilweiser Korrektur früherer Angaben – mitgeteilt, dass die Genehmigungen für die beiden weiteren von Klägerseite angesprochenen WEA erst mit förmlichen Antrag vom 28. Mai 2020, eingegangen am 2. Juni 2020, beantragt worden sind. Eine solche erst nach erfolgter Zulassung der streitgegenständlichen WEA erfolgte förmliche Beantragung konnte indes nach §§ 11, 12 UVPG allenfalls – bei Vorliegen der Kumulationsvoraussetzungen des § 2 Abs. 5 UVPG – zur UVP-Pflicht der später beantragten WEA, nicht aber zu einer entsprechenden Pflicht bereits der streitigen WEA der Beigeladenen führen.
52Dass die vorbezeichneten Angaben der Beklagten unzutreffend wären, ist weder von der Klägerseite substantiiert dargetan worden noch sonst ersichtlich. Damit einhergehend bedarf es hierzu auch keiner weiteren Ermittlungen. Der von Klägerseite im vorliegenden Zusammenhang allein angeführte, im Termin als Kopie vorgelegte Zeitungsauschnitt ist insofern ohne Aussagekraft. Unbeschadet dessen, dass ein bloßer Zeitungsartikel angesichts der für den allgemeinen Sprachgebrauch typischen Unschärfe des Begriffs „Antrag“ ohnehin nicht unbedingt etwas dafür hergäbe, dass es sich bei darin erwähnten Anträgen tatsächlich um förmliche, zur Bescheidung gestellte Genehmigungsanträge gehandelt haben könnte, lässt die erwähnte Kopie schon kein Datum des Artikels sicher erkennen. Auch die Klägerseite selbst hat ein vor der hier streitigen Genehmigungserteilung liegendes Veröffentlichungsdatum, aus dem geschlussfolgert werden könnte, es seien davor bereits zwei weitere WEA beantragt worden und die gegenteiligen Angaben der Beklagten seien falsch, nicht behauptet. Ohne dass es daher noch entscheidend darauf ankäme, merkt die Kammer gleichwohl an, dass es sich bei dem überreichten Artikel nach Auswertung des allgemein zugänglichen Archivs der Tagezeitung „WA“ offenbar um einen solchen handelt, der erst im August 2020 erschienen ist, mithin also ersichtlich das klägerische Vorbringen zur gleichzeitigen Beantragung von 4 WEA nicht zu stützen vermag und der – bei wohlwollender Betrachtung – in Verkennung der maßgeblichen Kriterien für die anzustellende Beurteilung vorgelegt worden ist.
53Vgl. https://www.wa.de/hamm/rhynern-ort370524/vier-windraeder-hamm-nach-naturenergie-folgt-wind-muenster-13862080.html
54II. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass die streitgegenständlichen WEA, die nach § 4 BImSchG i.V.m. Nr.1.6 des Anhangs 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 19 BImSchG bedürfen, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs.1 BImSchG verursachen. Es sind weder schädliche Umwelteinwirkungen durch anlagenbezogene Lärmimmissionen (hierzu 1.) noch in Gestalt von Schattenwurf zu befürchten (hierzu 2.)
551. Für anlagenbezogene Lärmimmissionen wird der unbestimmte Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen durch die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) in ihrer Fassung vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503) konkretisiert. Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, a.a.O. =juris Rn. 53; BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -,BVerwGE 129, 209, Rdnr. 12.
57Das Vorhaben der Beigeladenen genügt den Anforderungen der TA Lärm und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten. Das im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück liegt, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, im Außenbereich der Stadt Hamm. Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG NRW sind Bewohnern des Außenbereichs von Windenergieanlagen ausgehende Lärmpegel von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts in Anlehnung an die für Mischgebiete nach der TA Lärm festgelegten Grenzwerte zuzumuten.
58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris Rdnr. 6.
59Dieser in den angegriffenen Genehmigungen in der Nebenbestimmung Nr. 4.1.1 mit der allgemeinen Verpflichtung zur Einhaltung der Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm nochmals auch für das Wohnhaus „Längde 86“ der Klägerin zutreffend vorgeschriebene nächtliche Immissionsrichtwert von 45 dB(A) kann bei einem genehmigungskonformen Betrieb der WEA 1 und 2 auch „auf der sicheren Seite liegend“ eingehalten werden.
60Dem Gebäude der Klägerin wird durch die angegriffene Genehmigung und die oben erläuterte Vorgabe der Zielwerte eines Mischgebietes ein ausreichender Schutz vor unzumutbaren Lärmimmissionen vermittelt. Es ist zwar in der Regel nicht ausreichend, dem Anlagenbetreiber (lediglich) vorzugeben, dass er mit seiner Anlage bestimmte Immissionsrichtwerte nicht überschreiten darf. Eine solche Regelung würde den Nachbarn unangemessen benachteiligen, da er im Regelfall die Einhaltung der Immissionsrichtwerte nicht selbst überprüfen kann. Aus diesem Grund genügt die Festlegung des maßgeblichen Immissionsrichtwerts zur Sicherung der Nachbarrechte grundsätzlich nur dann, wenn feststeht, dass die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten. Ist dies nicht der Fall, muss sich grundsätzlich aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ergeben, welche konkreten betrieblichen Tätigkeiten und Nutzungen zugelassen sind, um zu gewährleisten, dass die Begrenzung der Immissionen nicht nur auf dem Papier steht.
61vgl. zu diesem Erfordernis: OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013- 8 A 96/12 -, juris Rdnr. 9 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen.
62Diesen Anforderungen wird vorliegend entsprochen. Nach der zum Gegenstand des Genehmigungsbescheides gemachten Schallprognose der Fa. Ramboll CUBE GmbH vom 11. September 2019 und deren im gerichtlichen Eilverfahren - 4 L 1053/20 -erfolgten Ergänzung vom 15. Dezember 2020 sind am Wohnhaus der Klägerin keine den relevanten Richtwert von 45 dB(A) überschreitenden Beurteilungspegel zu erwarten.
63Hierzu hat die Kammer bezüglich des Wohngrundstücks der Klägerin in dem im Eilverfahren - 4 L 7/21 ergangenen Beschluss vom 25. Januar 2021 im Einzelnen ausgeführt:
64„Auch im übrigen lässt das Antragsvorbringen eine relevante Rechtswidrigkeit zu Lasten der Antragstellerin nicht erkennen.
65Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Rüge, mit den streitigen Genehmigungen werde nicht in ausreichenden Maße sichergestellt, dass es nicht zu unzulässigen Lärmimmissionen auf dem Grundstück der Antragstellerin komme.
66In den streitigen Genehmigungen vom 13. und 15. Januar 2020 ist in deren Ziffer 4.1.1 der Nebenbestimmungen angeordnet, dass die Geräuschimmissionen der jeweiligen WEA u.a. am Immissionsaufpunkt E2 – hierbei handelt es sich um das Wohngebäude „Wilhelm-Lange-Str. 52“ der Antragsteller im Parallelverfahren 4 L 1053/20 – gemäß der zur Genehmigung gehörenden Schallimmissionsprognose der Ramboll CUBE GmbH vom 11. September 2019 unter Einbeziehung aller Vorbelastungen durch weitere WEA und Anlagen die Immissionsrichtwerte von tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) nicht überschreiten dürfen. Diese für die hier betroffene Wohnnutzung auch der Antragstellerin im Außenbereich zumutbaren, in keinem Fall zu hoch angesetzten Werte werden nach der weiteren Prognose im besagten Schallgutachten bei Berücksichtigung des in den Nebenbestimmungen angeordneten schallreduzierten Nachtbetriebs (Ziffer 4.1.4) sowie von Reflexions-/Abschirmeffekten am oben genannten Grundstück voraussichtlich eingehalten ( Bl. 611 BA 2= S. 28 der genannten Prognose). Damit ist zugleich erst Recht sichergestellt, dass am Wohnhaus der Antragstellerin, welches gegenüber dem Immissionsaufpunkt E2 einen nochmals um nahezu 300 m vergrößerten Abstand zur nächstgelegenen WEA 1 aufweist, keine unzumutbaren Lärmimmissionen auftreten werden. Dass die Prognose mit durchgreifenden Fehlern behaftet wäre, erschließt sich bei summarischer Prüfung nicht.
67Soweit die Antragsstellerin einwendet, das Schallgutachten habe die Vorbelastungen durch Lärmimmissionen fehlerhaft vernachlässigt, folgen daraus bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Tauglichkeit der Prognose. Dies gilt zunächst bezüglich des Vorbringens einer Vorbelastung durch den Lärm einer Hundepension auf dem Grundstück „Wilhelm-Lange-Str. 52“. Insofern kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um eine baurechtlich zugelassene und insofern hier zu berücksichtigende Nutzung handelt. Diesbezüglich kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den Beteiligten bekannten Feststellungen im Beschluss der Kammer vom heutigen Tage im Parallelverfahren – 4 L 1053/20 – verwiesen werden.
68Dass in der von den Genehmigungen umfassten Schallimmissionsprognose sonstige relevante Vorbelastungen, die die prognostizierte Einhaltung der festgesetzten Richtwerte am Wohnhaus der Antragstellerin in Zweifel ziehen würden, fehlerhaft unberücksichtigt geblieben wären, erschließt sich auch in Ansehung des Antragsvorbringens nicht. Das in der Nähe befindliche, immerhin aber über 1.600 m südöstlich gelegene Logistikzentrum kann insofern als relevante Vorbelastung im oben ausgeführten Sinne nach der im Parallelverfahren – 4 L 1053/20 – für das Grundstück „Wilhelm-Lange-Str. 52“ eingereichten ergänzenden Stellungnahme der Ramboll Deutschland GmbH vom 15. Dezember 2020 ausgeschlossen werden; entsprechendes gilt erst Recht für das noch weiter vom Logistikzentrum entfernt liegende Grundstück der Antragstellerin. Dass die in der besagten Stellungnahme zur Begründung genannten Feststellungen bei summarischer Prüfung ernstlich zweifelhaft wären, ist nicht anzunehmen. Die bei unterstellter voller Ausschöpfung der rechtlich zulässigen Emissionskontigente ermittelte Irrelevanz als relevante Vorbelastung im hier betroffenen Bereich erscheint hinreichend plausibel; durchgreifende substantiierte Einwände dagegen liefert auch das Antragsvorbringen letztlich nicht.
69Es fehlt bei der gebotenen summarischen Prüfung auch an belastbaren Anhaltspunkten dafür, dass sonstige vorhandene, in erheblichem Umfang lärmemittierende Betriebe, etwa größere Mastanlagen mit Aktivlüftern, die sich als relevante Vorbelastung am Wohnhaus der Antragstellerin auswirken könnten, fehlerhaft nicht berücksichtigt worden wären. Nach den Angaben der Antragsgegnerin und des Erstellers der Schallimmissionsprognose, der eine Luftbildauswertung mit anschließender Begehung der Örtlichkeiten zugrundelag, sind derartige Betriebe im relevanten Umfeld nicht vorhanden. Aus den überreichten Verwaltungsvorgängen ergibt sich für die Kammer keine aufdrängende Unrichtigkeit dieser Angaben; hierfür benennt auch das Antragsvorbringen keine konkreten Betriebe, die eine andere Bewertung nahelegen könnten.
70Ferner ist im Rahmen der erstellten Schallimmissionsprognose zu Recht auch keine Vorbelastung durch die auf dem Gebiet der Stadt Bönen vorhandene Altanlage ins Auge gefasst worden, da die beiden streitigen neuen WEA – wie oben gezeigt – nach dem Inhalt der angefochtenen Genehmigung für die WEA 2 nicht gemeinsam mit jener Altanlage betrieben werden dürfen.“
71An diesen Feststellungen hält die Kammer nach nochmaliger Prüfung fest. Die besagte, bereits im Eilverfahren getroffene Feststellung zur Einhaltung des Immissionrichtwertes von (nachts) 45 dB(A) am Wohnhaus der Klägerin wird zudem auch dadurch ganz nachhaltig bestätigt, dass für den im Schallgutachten vom 11. September 2019 so bezeichneten Immissionspunkt C, bei dem es sich unzweifelhaft um das Wohnhaus der Klägerin im Parallelverfahren - 4 K 688/20 - , „In der Lengde 3“, handelt, in plausibler Weise ein Beurteilungspegel von lediglich 41 dB(A) prognostiziert wird. Dieser Immissionsort liegt indes in vergleichbarer nordöstlicher Richtung zur WEA 1 nochmals ca. 100 Meter näher zu derselben als das Grundstück der Klägerin, bei dem mithin jedenfalls kein höherer Beurteilungspegel zu erwarten ist. Es sind auch keine substantiierten Anhaltspunkte mehr dafür dargetan worden oder ersichtlich, dass die Ausführungen der Kammer im Eilbeschluss zur Plausibilität der gutachterlichen Feststellungen über das Fehlen relevanter Vorbelastungen der von Klägerseite geltend gemachten Art unzutreffend sein könnten. Angesichts dessen kann insbesondere auch darauf Bezug genommen werden und bedarf es hierzu keiner weiteren Erwägungen.
722. Das Grundstück der Klägerin wird auch nicht durch den Schattenwurf der genehmigten Windenergieanlagen und insbesondere der nächstgelegenen WEA 1 unzumutbar beeinträchtigt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Belästigung durch den von Windenergieanlagen zu erwartenden Schattenwurf dann als zumutbar für die Nachbarschaft gilt, wenn die nach einer „worst-case“-Berechnung maximal mögliche Einwirkdauer im Sinne der astronomisch maximal möglichen Beschattungsdauer am jeweiligen Immissionsort nicht mehr als 30 Stunden im Jahr - entsprechend einer realen, d.h. im langjährigen Mittel für hiesige Standorte zu erwartenden Einwirkdauer von maximal acht Stunden im Jahr - und darüber hinaus nicht mehr als 30 Minuten am Tag beträgt. Zwar gibt es für den von Windenergieanlagen verursachten Schattenwurf keine feste, wissenschaftlich abgesicherte Grenze, deren Überschreitung stets die Annahme einer schädlichen Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs.1 und 2 BImSchG und damit einer Nachbarrechtsverletzung nach sich ziehen müsste. Dem wird aber dadurch Rechnung getragen, dass diese Faustformel nicht nach der Art eines Rechtssatzes angewandt wird. Vielmehr sind wie allgemein bei der Frage nach dem Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen im Rahmen einer wertenden Betrachtung die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen.
73Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6.Mai 2016 – 8 B 866/15 -, BauR 2016, 1760 = juris, Rn. 27ff und vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris Rdnr. 20 f.
74.
75Umstände, die im vorliegenden Einzelfall eine geringere Höchstbeschattungsdauer als 30 Minuten am Tag und acht Stunden im Jahr als zumutbar erscheinen lassen, sind indes von den Klägerin nicht vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Daher sind der Klägerin als Bewohnerin des Außenbereichs aufgrund der gesetzlich bestehenden Privilegierung von Windenergieanlagen für einen Zeitraum von jeweils höchstens 30 Minuten pro Tag und acht Stunden insgesamt pro Jahr auch Maßnahmen zumutbar, durch die sie den Wirkungen der streitigen WEA ausweichen oder sich vor ihnen schützen kann, etwa durch ein zeitweiliges Ausweichen in andere Räumlichkeiten des Hauses, das Anbringen von blickdichten Gardinen oder eine Bepflanzung des Grundstücks.
76Vgl. hierzu: OVG NRW, OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2012- 8 A 339/12 -, juris, Rdnr. 22 ff.
77Nach der Schattenwurfprognose der Fa. Ramboll Cube GmbH vom 11. September 2019, die ebenfalls von den angegriffenen Genehmigungen mit umfasst wird, ist indes schon nicht davon auszugehen, dass das Grundstück der Klägerin überhaupt im so bezeichneten schattenkritischen Bereich der beiden WEA 1 und 2 liegen wird, in dem die besagten zulässigen Höchstwerte erreicht werden könnten. Im übrigen wird durch die Nebenbestimmungen in Ziffer 4. 2 der angefochtenen Genehmigungen für die Wohnhäuser im festgestellten schattenkritischen Bereich verbindlich festgeschrieben, dass die nach dem oben Gesagten zumutbare Beschattungsdauer nicht überschritten werden darf (Ziffer 4.2.3.) und durch geeignete, vernetzte Abschalteinrichtungen sicherzustellen ist. Dass diese Nebenbestimmungen entgegen der Auffassung des Klagevorbringens die vorhandene Altanlage auf dem Stadtgebiet von Bönen im hier interessierenden Zusammenhang nicht mit in den Blick nehmen musste, liegt auf der Hand. Denn unbeschadet der Frage, ob deren Schattenwurf überhaupt auf das Grundstück der Klägerin einwirken kann, ist jedenfalls – wie gezeigt – ein gleichzeitiger gemeinsamer Betrieb mit beiden streitigen neuen WEA rechtlich nicht zulässig.
78III. Der Klägerin steht auch nicht deshalb ein nachbarliches Abwehrrecht gegen die genehmigten Anlagen zu, weil – wie vornehmlich in Bezug auf die WEA 1 geltend macht - von dieser optisch bedrängende Wirkungen ausgehen, die gegen das bauplanungsrechtliche, bei Außenbereichsvorhaben in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot verstoßen.
79Bei der Prüfung, ob eine Windenergieanlage sich in einer optisch bedrängenden und damit bauplanungsrechtlich unzumutbaren Weise auf eine benachbarte Wohnnutzung auswirkt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des OVG NRW, der das erkennende Gericht folgt, stets eine Bewertung des konkreten Einzelfalles vorzunehmen. Diese orientiert sich im Ausgangspunkt an den folgenden groben Einheitswerten:
80Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + ½ Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand tritt die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt.
81Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.
82Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.
83Vgl. zu allem: OVG NRW, Urteil vom 6. August 2006 - 8 A 2726/05 -, BauR 2007, 74 und Beschluss vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris Rn. 32.
84Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt die Einzelfallprüfung, dass von der hier vorrangig in den Blick zu nehmenden WEA 1 keine optisch bedrängende Wirkung für die klägerische Wohnnutzung ausgeht. Diese Anlage mit einer Gesamthöhe von knapp über 199 m (130,03 m Nabenhöhe zuzüglich der Hälfte des Rotordurchmessers von 138,25 m) soll in einem Abstand von über 800 m und damit mehr als dem 4-fachen ihrer Gesamthöhe zum Wohnhaus der Klägerin errichtet werden. In einer solchen Fallgestaltung führt die Einzelfallprüfung nach den oben genannten Maßstäben regeImäßig zu dem Ergebnis, dass keine optisch bedrängende Wirkung anzunehmen ist. Dass hier auf Grund besonderer Einzelfallumstände ausnahmsweise eine andere Bewertung angezeigt sein könnte, erschließt sich in Ansehung des vorliegenden, dazu insbesondere in den überreichten Verwaltungsvorgängen befindlichen, Karten- und Lichtbildmaterials nicht; dafür liefert auch das Klagevorbringen selbst keine substantiierten und durchgreifenden Anhaltspunkte.
85IV. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung habitat-, artenschutzrechtlicher oder landschaftsschutzrechtlicher Vorschriften berufen. Jedenfalls eine eigene Rechtsverletzung der Klägerin ist insoweit ausgeschlossen. Solche Verbote sind nach dem Prüfprogramm des § 6 Abs.1 Nr.2 BImSchG Belange des Naturschutzes im Sinne des § 35 Abs.3 Satz 1 Nr.5 BauGB. Das Naturschutzrecht konkretisiert die öffentlichen Belange im Sinne des § 35 Abs.3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
86Vgl. BVerwG, Urt. vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 -, NVwZ 2013, 1411= juris, Rn. 6.
87Dienen Naturschutz und Landschaftspflege dem Allgemeininteresse, so werden private Rechte hierdurch nicht geschützt.
88Vgl. für Planungsentscheidungen: BVerwG, Urteil vom 28. März 2007- 9 A 17/06 -, juris, Rdnr. 16 und OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2015- 11 D 12/12.AK -, juris, Rdnr. 77; für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen: OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2015- 8 B 483/15 -, n.v.
89Insbesondere die Bestimmungen in §§ 32 ff. BNatSchG begründen keine subjektiven Rechte der Klägerin, auf deren Verletzung sich die Klägerin berufen könnte. Entsprechendes gilt für die Verbote aus § 44 BNatSchG.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2021 – 7 C 3/20 – sowie OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2018 – 8 A 47/17 –, jeweils juris.
91Angesichts dessen kann hier dahinstehen, ob die streitigen Genehmigungen wegen einer in der Nähe gelegenen Ausgleichsfläche für bestimmte Vogelarten oder aber wegen eines Rotmilanvorkommens etwaig gegen habitat- oder artenschutzrechtliche Vorschriften des vorstehend genannten nationalen Rechts verstoßen. Eine relevante Rechtsverletzung der Klägerin, auf die sie sich berufen könnte, ergäbe sich daraus nicht.
92Etwas anderes im Sinne einer rügbaren eigenen Rechtsverletzung folgt auch nicht aus dem klägerischen Vorbringen, es liege jedenfalls auch ein Verstoß gegen die Vogelschutzrichtlinie vor und darauf könne sich die Klägerin als Teil der betroffenen Öffentlichkeit gemäß der Aarhus-Konvention nach der Rechtsprechung des EuGH auch berufen. Die unionsrechtlichen Bestimmungen zum Natur- und Artenschutz, verleihen dem Einzelnen auch in Verbindung mit den allgemeinen Gewährleistungen der Grundrechtscharta und der Aarhus-Konvention grundsätzlich keine von ihm einklagbaren subjektiven Rechte. Etwas anderes gilt in Ansehung der Rechtsprechung des EuGH nur dort, wo die jeweilige unionsrechtliche Bestimmung den Schutz gerade (auch) des Einzelnen unmittelbar, also nicht als bloßen Reflex, bezweckt und der Verstoß gegen eine solche Bestimmung mithin folglich eine unmittelbare Rechtsbetroffenheit dieses Einzelnen bewirkt.
93Vgl. so unter umfänglicher Auswertung der Spruchpraxis des EuGH: BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2021 - 7 C 3/20 -, juris.
94Eine derartige Fallgestaltung, wie sie etwa auch dem vom Klagevorbringen zitierten Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2019 zugrunde lag, ist vorliegend ersichtlich nicht betroffen. Die von Klägerseite angeführte Vogelschutzrichtlinie (RL 2009/147/EG) bezweckt den Schutz der davon erfassten Vogelarten, eine unmittelbare Schutzfunktion für private Dritte wie die Klägerin kommt ihr hingegen nicht zu. Entsprechendes gilt nach der vorbezeichneten Rechtsprechung des BVerwG in gleicher Weise für die FFH-Richtlinie. Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Ermittlung und Bewertung, ob die streitigen Genehmigungen mit den zugelassenen Standorten der WEA 1 und 2 ggf. gegen die erwähnten unionsrechtlichen Bestimmungen verstoßen. Eine relevante Rechtsverletzung zu Lasten der Klägerin stünde selbst im Falle eines solchen Verstoßes nicht in Rede.
95Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen Sachantrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
96Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs.1 und 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
97Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.
98Rechtsmittelbelehrung:
99Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
100Die Berufung ist nur zuzulassen,
1011. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
1022. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
1033. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
1044. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1055. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
106Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster; Postanschrift: Postfach 6309, 48033 Münster) einzureichen. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss.
107Der Antrag auf Zulassung der Berufung und dessen Begründung können in schriftlicher Form oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) eingereicht werden.
108Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigte zugelassen.
109Gießau
110B e s c h l u s s :
111Ferner hat die Kammer
112beschlossen:
113Der Streitwert wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
114Gründe:
115Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Danach ist der Streitwert, soweit - wie hier - nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Kammer orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Katalogs ist bei Klagen drittbetroffener Privater gegen Beeinträchtigungen durch eine Windenergieanlage ein Streitwert von 15.000,00 Euro je Anlage,
116vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2015 - 8 B 315/15 -, a.a.O. Rdnr. 75,
117anzusetzen, so dass sich bei zwei streitgegenständlichen Windenergieanlagen ein Streitwert von 30.000,00 Euro ergibt.
118Rechtsmittelbelehrung:
119Gegen die Streitwertfestsetzung können die Beteiligten beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR nicht überschreitet.
120Die Beschwerde kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) eingereicht werden.
121Gießau
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