Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 2 L 497/16
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 7.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit dem dieser ihre Ernennung zur Beamtin auf Probe zurückgenommen und die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet hat.
4Die Antragstellerin war von 2011 bis 2014 Studierende im Studiengang Polizeivollzugsdienst an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (FhöV NRW). Am 1. September 2014 wurde sie als Polizeikommissarin zur Beamtin auf Probe ernannt und anschließend im Polizeipräsidium E. (Polizeipräsidium) eingesetzt.
5Während des Studiums reichte die Antragstellerin am 8. Mai 2013 im Fachmodul FM3 zu dem Seminar „Kindesmisshandlung“ eine Seminararbeit mit dem Titel „Babyklappe – Sinn oder Unsinn?“ und am 23. Mai 2014 ihre Bachelorarbeit mit dem Titel „Militanter Tierschutz“ ein. Zu beiden Arbeiten gab die Antragstellerin die schriftliche Erklärung ab, die Bearbeitung eigenständig und nur mit den zulässigen Hilfsmitteln durchgeführt sowie herangezogene Quellen ordnungsgemäß angegeben zu haben. Zudem versicherte sie, dass die Arbeiten bisher weder in Teilen noch insgesamt als Studienleistung vorgelegt oder veröffentlicht worden seien. Die Arbeiten wurden als bestanden bewertet. Die Seminararbeit erhielt die Note „befriedigend“ (2,7), die Bachelorarbeit die Note „gut“ (2,3).
6Mit Schreiben vom 1. Mai 2015 teilte der damalige Prüfer und Leiter des Seminars „Kindesmisshandlung“ dem Prüfungsausschuss der FhöV NRW mit, er hege einen Täuschungsverdacht gegen die Antragstellerin. Er habe im Nachhinein feststellen müssen, dass die Seminararbeit der Antragstellerin zum Großteil aus der Studienarbeit der L. U. aus dem Jahre 2009 entnommen worden sei. Ein Hinweis auf diese Studienarbeit fehle jedoch in der Seminararbeit der Antragstellerin gänzlich.
7Unter dem 3. September 2015 teilte das Prüfungsamt der FhöV NRW der Antragstellerin mit, dass Anhaltspunkte für ein ordnungswidriges Verhalten nach Teil A § 20 Studienordnung Bachelor (StudO BA) bestünden. Das Prüfungsamt führte zur Begründung im Wesentlichen an, es seien Übereinstimmungen der Seminararbeit mit der Studienarbeit der L1. U. aufgefallen. Zudem bestehe der Verdacht, dass bei der Bachelorarbeit aus verschiedenen Quellen ebenfalls Textpassagen ohne Quellennachweis übernommen worden seien, unter anderem aus der Studienarbeit der D. D1. mit dem Titel „Über Tierrecht, Tierschutz und die Gleichstellung von Mensch und Tier – Eine moralische Betrachtung unter Berücksichtigung Gaitas Position“.
8Mit Schreiben vom 22. September 2015 machte die Antragstellerin von der ihr eingeräumten Anhörungsmöglichkeit Gebrauch und trug vor, die Geltendmachung eines Täuschungsversuches komme nicht (mehr) in Betracht, weil die Bachelor- und Seminararbeit aus Datenschutzgründen nicht mehr vorliegen dürften. Allein § 18 der Verordnung über die Ausbildung und die II. Fachprüfung für den Laufbahnabschnitt II (Bachelor) der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen (VAPPol II Bachelor) bestimme, welche Daten gespeichert werden dürften. Daher fehle es für eine Speicherung der Arbeiten an einer gesetzlichen Grundlage. Außerdem enthalte die Bachelorarbeit Fußnoten, welche die Quelle benennen würden, aus denen zitiert worden sei. Es könne ohne Weiteres aus den angegebenen Quellen nachvollzogen werden, welche Teile aus ihnen übernommen worden seien, sodass kein Täuschungsversuch vorliege.
9Der Prüfungsausschuss der FhöV NRW beschloss in seiner Sitzung am 6. Oktober 2015 einstimmig, sowohl die Seminararbeit als auch die Bachelorarbeit der Antragstellerin gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 StudO BA mit „nicht ausreichend“ zu bewerten und eine Wiederholungsmöglichkeit der Prüfungen auszuschließen. Außerdem stellte der Ausschuss fest, dass die Antragstellerin damit die gesamte Bachelorprüfung nicht bestanden habe.
10Daraufhin teilte die FhöV NRW der Antragstellerin mit Bescheid vom 17. November 2015, zugestellt am 1. Dezember 2015, mit, dass sie bei der Erstellung der beiden Arbeiten getäuscht habe. Bei der Seminararbeit sei eine deutliche Übereinstimmung mit der Arbeit der L1. U. aus dem Jahre 2009 zu erkennen. Diese Arbeit werde an keiner Stelle zitiert. Außerdem sei auch die Bachelorarbeit in weiten Teilen fast wörtlich oder sinngemäß mit geringen Abänderungen und Auslassungen aus einer Vielzahl von Quellen übernommen worden, ohne dass dies in geeigneter Weise kenntlich gemacht worden sei. Insbesondere seien Abschnitte aus der Studienarbeit der D. D1. wörtlich übernommen worden. Die FhöV NRW wertete sodann beide Arbeiten nachträglich mit „5,0 – nicht ausreichend“ und schloss jeweils eine Wiederholungsmöglichkeit aus.
11Unter dem 30. November 2015 hörte das Polizeipräsidium die Antragstellerin zur beabsichtigten Rücknahme ihrer Ernennung zur Beamtin auf Probe an und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 trug die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass eine Rücknahme der Ernennung erst nach Abschluss der prüfungsrechtlichen Angelegenheit erfolgen könne. Im Übrigen sei kein schwerwiegender Täuschungsversuch anzunehmen. Hinsichtlich fast jeder problematischen Textstelle liege eine Fußnote vor, in der auf die Quelle verwiesen werde. So könne jeder Leser feststellen, welcher Teil aus ihr übernommen worden sei.
12Mit Schriftsatz vom 4. Januar 2016 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid der FhöV NRW vom 17. November 2015. Unter dem 25. Januar 2016 wies das Prüfungsamt den Widerspruch als unstatthaft mit der Begründung zurück, dass ein Widerspruchsverfahren nur stattfinde, soweit die Bewertung einer Prüfungsleistung im Vordergrund stehe. Hierunter sei die inhaltliche Bewertung einer Prüfungsleistung zu verstehen. Vorliegend sei die Bewertung jedoch aufgrund der Feststellung eines ordnungswidrigen Verhaltens vorgenommen worden, nicht in Ausfüllung eines prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums.
13Ebenfalls am 25. Januar 2016 erließ das Polizeipräsidium den streitgegenständlichen Bescheid, in dem es die Ernennung der Antragstellerin zur Beamtin auf Probe mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknahm und die sofortige Vollziehbarkeit der Rücknahme anordnete. Das Polizeipräsidium begründete die Rücknahme insbesondere damit, dass die Antragstellerin ihren Dienstherrn über eine den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Seminararbeit und eine den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Bachelorarbeit getäuscht habe, um somit in arglistiger Art und Weise die Laufbahnbefähigung zu erhalten und die darauf folgende Ernennung zu erlangen. Damit habe sie ihre Ernennung durch arglistige Täuschung im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG herbeigeführt. Zur weiteren Begründung nahm das Polizeipräsidium Bezug auf den Bescheid der FhöV vom 17. November 2015.
14Gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums vom 25. Januar 2016 hat die Antragstellerin am 17. Februar 2016 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
15Zur Begründung trägt sie über ihre bisherigen Stellungnahmen hinaus vor, dass die nachträglichen Prüfungsbescheide der FhöV noch nicht bestandskräftig seien. Selbst wenn man eine Täuschung annehmen wollte, sei sie nicht derart schwerwiegend, dass sie den Ausschluss eines Wiederholungsversuches rechtfertigen könne. Jedenfalls habe die Antragstellerin ohne Täuschungsvorsatz gehandelt. Ihr sei auch gar nicht bekannt gewesen, wie man richtig wissenschaftlich arbeitet. Ferner habe sie sich zur Zeit der Erstellung der Arbeiten in einer psychisch schwierigen Situation befunden. Zudem habe der Personalrat beteiligt werden müssen und die Gleichstellungsbeauftragte sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
16Die Antragstellerin beantragt,
17die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums E. vom 25. Januar 2016 wiederherzustellen.
18Der Antragsgegner beantragt,
19den Antrag abzulehnen.
20Er ist der Auffassung, der Rücknahmebescheid sei rechtmäßig. Die Antragsgegnerin habe bewusst getäuscht. Eine Beteiligung des Personalrates sei nicht erforderlich gewesen und die Gleichstellungsbeauftragte sei ordnungsgemäß beteiligt worden.
21Am 25. Februar 2016 hat die Antragstellerin Klage (2 K 2159/16) gegen den Bescheid der FhöV NRW vom 17. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 2016 erhoben.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 2 L 497/16 und 2 K 1552/16 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Polizeipräsidiums sowie der Gerichtsakte 2 K 2159/16 und der dort beigezogenen Verwaltungsvorgänge der FhöV NRW Bezug genommen.
23II.
24Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 2 K 1552/16 hat keinen Erfolg. Der gemäß § 80 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthafte Antrag ist nicht begründet.
25Widerspruch und Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt haben gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt unter anderem dann, wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Dabei ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag bei Überwiegen des Interesses des Antragstellers die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Fehlt es, wie etwa im Falle einer unzulänglichen Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, bereits an einer ordnungsgemäßen Vollziehungsanordnung, kann einstweiliger Rechtsschutz auch in der Weise gewährt werden, dass die Vollziehungsanordnung durch das Gericht aufgehoben wird.
26Die zusammen mit dem Rücknahmebescheid vom 25. Januar 2016 ergangene Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Aus der Begründung ergibt sich, dass der Antragsgegner die Interessen der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung einer Klage und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abgewogen und aus welchen Gründen er ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Durchsetzung der Rücknahme der Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Probe angenommen hat. Insbesondere hat der Antragsgegner verdeutlicht, dass das öffentliche Interesse an der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch uneingeschränkt geeignete Polizeivollzugsbeamte schwerer wiegt als das persönliche Interesse der Antragstellerin an der einstweiligen Fortsetzung des Beamtenverhältnisses auf Probe unter Fortzahlung der Dienstbezüge.
27Inwieweit diese in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Begründung inhaltlich tragfähig ist, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unerheblich.
28Die sodann dem Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO obliegende eigene Prüfung, ob das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung überwiegt, geht zuungunsten der Antragstellerin aus. Hierbei ist zu prüfen, ob die angegriffene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Denn an der sofortigen Vollziehung rechtmäßiger Entscheidungen besteht regelmäßig, an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Entscheidungen hingegen niemals ein öffentliches Interesse.
29Der angefochtene Rücknahmebescheid ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Ernennung als Beamtin auf Probe wegen Herbeiführung der Ernennung durch arglistige Täuschung ist § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG in Verbindung mit § 18 Abs. 2 LBG NRW.
30Formelle Mängel des Bescheides vom 25. Januar 2016 bestehen nicht. Das Anhörungserfordernis nach § 18 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW in Verbindung mit § 28 Abs. 1 VwVfG NRW wurde gewahrt. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2015 hat die Antragstellerin zu der beabsichtigten Rücknahme der Ernennung Stellung genommen.
31Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war eine Beteiligung des Personalrates nicht erforderlich. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW in Verbindung mit § 72 LPVG NRW können mitbestimmungsbedürftige Maßnahmen nur mit Zustimmung des Personalrates getroffen werden. Diese Vorschriften sind jedoch nicht einschlägig, da es sich bei der Rücknahme der Ernennung einer Beamtin auf Probe nicht um eine mitbestimmungsbedürftige Maßnahme handelt.
32Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Januar 2015 – 2 K 6231/13 –, juris, Rn. 30.
33§ 72 LPVG NRW regelt, bei welchen Maßnahmen der Personalrat zu beteiligen ist. Die Rücknahme der Ernennung wird in der umfangreichen Aufzählung nicht genannt. Ein Beteiligungserfordernis kann auch nicht im Wege eines Erst-Recht-Schlusses aus der die Entlassung betreffenden Bestimmung des § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 LPVG NRW gefolgert werden. Denn zum einen spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber angesichts der detaillierten Regelung im § 72 LPVG NRW bewusst die Entscheidung getroffen hat, den Tatbestand der Rücknahme der Ernennung nicht zu benennen. Zum anderen sind die Mitbestimmungstatbestände im Landespersonalvertretungsgesetz abschließend normiert und keiner erweiternden Auslegung zugänglich.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2013 – 6 A 2586/12 –, juris, Rn. 6.
35Aus diesen Gründen bleibt auch der Einwand der Antragstellerin, der Personalrat sei entgegen § 65 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW nicht rechtzeitig und umfassend unterrichtet worden, ohne Erfolg. Denn nach dieser Vorschrift ist der Personalrat „zur Durchführung seiner Aufgaben“ zu unterrichten. Ist aber die Beteiligung des Personalrates bei der Rücknahme einer Ernennung nicht vorgesehen, ist auch keine Unterrichtung erforderlich, um eine wirksame Entscheidung über die Rücknahme der Ernennung zu treffen.
36Weiterhin ist die Gleichstellungsbeauftragte ordnungsgemäß beteiligt worden, vgl. § 17 und § 18 Abs. 2 LGG NRW. Ausweislich der unter Ziffer 3 der Verfügung des Polizeipräsidiums vom 25. Januar 2016 angebrachten Paraphe hat sie den angegriffenen Bescheid vor Abgang am 27. Januar 2016 erhalten. Hätte die Gleichstellungsbeauftragte Einwände gegen die Entscheidung vorbringen wollen oder weitere Zeit zur Prüfung benötigt, hätte es ihr oblegen, dies gegenüber dem Polizeipräsidium geltend zu machen. Im Übrigen wäre das Unterlassen einer etwa erforderlichen Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei einer wie hier nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG gebundenen Entscheidung gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich.
37Das Polizeipräsidium hat die Ernennung der Antragstellerin auch rechtzeitig zurückgenommen. Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW muss die Ernennung innerhalb einer Frist von sechs Monaten zurückgenommen werden, nachdem die dienstvorgesetzte Stelle von der Ernennung und dem Grund der Rücknahme Kenntnis erlangt hat. Diese Frist ist gewahrt. Die FhöV NRW hat das Polizeipräsidium mit Schreiben vom 17. November 2015 davon in Kenntnis gesetzt, dass die beiden Arbeiten der Antragstellerin im Nachhinein mit „5,0 – nicht ausreichend“ bewertet worden sind, sie von einer weiteren Wiederholungsmöglichkeit ausgeschlossen wurde und sie damit die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden hat. Am 25. Januar 2016 und damit innerhalb der vorgenannten Frist hat das Polizeipräsidium den angefochtenen Rücknahmebescheid erlassen.
38Der angegriffene Bescheid erweist sich auch als materiell rechtmäßig. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG in Verbindung mit § 18 Abs. 2 LBG NRW ist die Ernennung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt wurde. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der zu Ernennende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, jedoch in Kauf nahm, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Unrichtige Angaben sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde hiernach gefragt hat oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können. Eine arglistige Täuschung liegt nach alledem dann vor, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Ernennungsbehörde auf Grund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen oder – umgekehrt – der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 1985 – 2 C 30.84 –, juris, Rn. 24 m. w. N.
40Die Ernennung muss zudem durch die arglistige Täuschung herbeigeführt, also verursacht worden sein. Hat ein Beamtenbewerber die Ernennungsbehörde arglistig getäuscht, so genügt es für den Ursachenzusammenhang zwischen Täuschung und Ernennung, dass die Behörde ohne die Täuschung den Bewerber nicht alsbald ernannt, sondern zunächst weitere Prüfungen und Erwägungen angestellt und erst sodann auf vervollständigter Grundlage über seine Bewerbung entschieden hätte.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1999 – 2 C 20.98 –, juris, Rn. 13 m. w. N.
42Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme der Ernennung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG vor. Die Antragstellerin hat ihre Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt. Sie hat durch ihr Verhalten falsche Tatsachen vorgespiegelt, nämlich den rechtmäßigen Erwerb der Laufbahnbefähigung als Voraussetzung für die Ernennung zur Beamtin auf Probe im Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes, die in Wahrheit nicht vorlagen. Zur Erlangung der betreffenden Laufbahnbefähigung sind das Ableisten des Vorbereitungsdienstes und das Bestehen der Fachprüfung erforderlich (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBG NRW, §§ 4 Abs. 1, 12 Abs. 2 LVO Pol). Fachprüfung ist hier die II. Fachprüfung, d. h. die Bachelorprüfung, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 VAPPol II Bachelor. Die Bachelorprüfung hat die Antragstellerin allerdings in Wahrheit – wie sich nachträglich herausgestellt hat – rechtswidrig durch Täuschung erlangt. Denn sie hat bei der Erstellung der Seminararbeit vom 8. Mai 2013 mit dem Titel „Babyklappe – Sinn oder Unsinn?“ und bei der Bachelorarbeit vom 23. Mai 2014 zum Thema „Militanter Tierschutz“ schwerwiegende Täuschungsversuche begangen, die zu einer Bewertung der beiden Leistungen durch die FhöV NRW mit „nicht ausreichend“ unter jeweiligem Ausschluss einer Wiederholungsmöglichkeit und damit zur Bewertung der gesamten Bachelorprüfung als nicht bestanden geführt haben.
43Diese mit Bescheid der FhöV NRW vom 17. November 2015 bekannt gegebene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 20 StudO BA. Nach Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift können als Folgen eines ordnungswidrigen Verhaltens, namentlich eines Täuschungsversuchs z. B. durch Mitführen oder sonstiges Nutzen nicht zugelassener Hilfsmittel nach den Umständen des Einzelfalles ausgesprochen werden, dass die Studienleistung, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht, mit „nicht ausreichend" bewertet wird (Nr. 2) und dass in besonders schweren Fällen die Kandidatin oder der Kandidat von einer Wiederholung der Studienleistung ausgeschlossen wird (Nr. 3). Wird ein ordnungswidriges Verhalten im Sinne des Absatzes 1 erst nachträglich bekannt, ist die betroffene Studienleistung in der Regel für nicht bestanden zu erklären; im Übrigen gilt Abs. 1 (§ 20 Abs. 2 Satz 1 StudO BA). Ist die Wiederholung aus von dem Kandidaten zu vertretenden Gründen nicht möglich, hat der Prüfungsausschuss die Bachelorprüfung für nicht bestanden zu erklären (§ 20 Abs. 2 Satz 2 StudO BA).
44Der Tatbestand von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 StudO BA ist erfüllt. Der für den Ausschluss von einer Wiederholung der Studienleistung erforderliche besonders schwere Fall eines ordnungswidrigen Verhaltens ist gegeben. Dies gilt zunächst eindeutig und offensichtlich für die Seminararbeit vom 8. Mai 2013 mit dem Titel „Babyklappe – Sinn oder Unsinn?“. Große Teile dieser Arbeit sind der Studienarbeit der L1. U. mit dem Titel „Babyklappe – Fluch oder Segen?“ entnommen. Dies wurde von der Antragstellerin weder an den betreffenden Stellen kenntlich gemacht noch wird die Quelle überhaupt an irgendeiner Stelle der Seminararbeit erwähnt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Bescheid der FhöV NRW vom 17. November 2015, denen die Antragstellerin nicht substantiiert entgegen getreten ist, wird Bezug genommen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Täuschungsversuch der Antragstellerin als schwerwiegend eingestuft wurde. Die Gründe hierfür, insbesondere der festgestellte beträchtliche Umfang der Täuschung hinsichtlich eines Anteils an der Seminararbeit von über 90 Prozent, hat der Prüfungsausschuss im Protokoll zur Sitzung am 6. Oktober 2015 unter TOP 4 nachvollziehbar dargelegt. Diese Erwägung hat sich die Fachhochschule im Bescheid vom 17. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 2016 zu eigen gemacht. Ermessensfehler auf der Rechtsfolgenseite sind ebenfalls nicht ersichtlich, § 114 VwGO. Die Entscheidung zeigt, dass die FhöV NRW ihr Ermessen erkannt und fehlerfrei ausgeübt hat. Es wurden die Umstände des Einzelfalles in den Blick genommen und eine individuelle Abwägung der betroffenen Grundrechte, namentlich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) vorgenommen. Wenn die FhöV NRW bei dieser Ausgangslage den weitreichenden Täuschungsversuch, das hohe Maß an Täuschungsenergie und das mit dem Studium angestrebte Berufsziel eines Polizeibeamten betont, ist dies nicht zu beanstanden. Auch auf die angeführten generalpräventiven Erwägungen konnte sich die FhöV NRW zur Begründung der Entscheidung stützen. Schon die Berücksichtigung der erwähnten Chancengleichheit für alle Prüfungsteilnehmer erfordert einen gewissen Abschreckungseffekt, weil sie sich ansonsten kaum verwirklichen lässt. Der vorliegende Fall bietet auch hinreichend Anlass dafür, allen zukünftigen Prüfungsteilnehmern vor Augen zu führen, dass ordnungswidriges Verhalten in besonders schweren Fällen zu drastischen Rechtsfolgen führen kann. Zugunsten der Antragstellerin lassen sich keine Umstände anführen, die diese Wertungen auch nur ansatzweise erschüttern könnten. Insbesondere ihr Hinweis auf ihre schwierige persönliche und psychische Situation während der Erstellung der Seminararbeit entschuldigt die von ihr begangene Täuschung nicht und lässt die Entscheidung ebenso wenig unverhältnismäßig erscheinen wie die weitreichenden persönlichen Konsequenzen für die Antragstellerin, die von der FhöV NRW ebenfalls bei ihrer Entscheidung in den Blick genommen wurden. Etwaige persönliche und insbesondere einhergehende psychische Probleme während der Abfassung der Seminararbeit hätte die Antragstellerin überdies im Rahmen eines Prüfungsrücktritts nach § 19 StudO BA geltend machen müssen. Schließlich lässt sich der hier in Rede stehende Täuschungsversuch nicht mit mangelnder Kenntnis einer wissenschaftlich korrekten Arbeits- und Zitierweise erklären. Auch im Übrigen bestehen vor allem in Anbetracht der schriftlichen Eigenständigkeitserklärung keine Zweifel an einem vorsätzlichen Handeln der Antragstellerin.
45Führt schon die Bewertung der Seminararbeit unter Ausschluss einer Wiederholungsmöglichkeit gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 StudO BA zur nachträglichen Bewertung der gesamten Bachelorprüfung als nicht bestanden, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob auch die Bachelorarbeit der Antragstellerin zu Recht als besonders schwerer Fall eines Täuschungsversuchs gewertet wurde. Gleichwohl weist das Gericht darauf hin, dass ebenfalls hinsichtlich dieser Studienleistung die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StudO-BA vorliegen und Ermessensfehler insoweit nicht ersichtlich sind. Zwar ist der Anteil von Textpassagen, die gänzlich ohne ordnungsgemäße Kennzeichnung aus anderen Quellen, insbesondere der Studienarbeit der D. D1. , übernommen wurden, nicht so hoch wie bei der Seminararbeit. Die Qualifizierung als (schwerwiegende) Täuschungshandlung rechtfertigt sich aber durch die vom Prüfungsausschuss laut des bereits zitierten Sitzungsprotokolls in den Fokus gerückte und auch in dem Prüfungsbescheid betonte collagenartige Zusammenstellung der Bachelorarbeit aus einer Vielzahl nicht korrekt kenntlich gemachter Originalquellen, die eine eigenständige Leistung kaum erkennen lässt.
46Den Umstand eines rechtswidrig durch Täuschung erworbenen Bachelorabschlusses hat die Antragstellerin bei ihrer Ernennung verschwiegen und damit bei der Ernennungsbehörde einen Irrtum über eine wesentliche Voraussetzung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe, nämlich den ordnungsgemäßen Erwerb der erforderlichen Laufbahnbefähigung als Nachweis über die fachliche Eignung, erregt. Diese Täuschung war auch arglistig und kausal für die Ernennung. Die Antragstellerin muss erkannt oder jedenfalls damit gerechnet und billigend in Kauf genommen haben, dass die Ernennungsbehörde auf Grund ihres Verhaltens der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben angesehen hat, obwohl solche in Wahrheit vorlagen. Der Antragstellerin musste auch bewusst gewesen sein, dass der Antragsgegner sie nicht ernannt hätte, wenn er von den Umständen der Erlangung der Laufbahnbefähigung Kenntnis gehabt hätte. Es ist auch davon auszugehen, dass der Antragsgegner sie tatsächlich nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen hätte, wenn er von dem durch Täuschung erwirkten Bachelorabschluss und der somit rechtswidrig erlangten Laufbahnbefähigung Kenntnis gehabt hätte.
47Liegen hiernach die Voraussetzung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG vor, hat dies zwingend die Rücknahme der betreffenden Ernennung zur Folge; ein Ermessen stand dem Antragsgegner bei dieser Entscheidung nicht zu.
48Vergeblich macht die Antragstellerin geltend, die streitige Rücknahme ihrer Ernennung könne nicht ausgesprochen werden, solange das prüfungsrechtliche Verfahren nicht unanfechtbar abgeschlossen ist. Das Polizeipräsidium durfte nach Erlass des Prüfungsbescheides der FhöV NRW vom 17. November 2015, durch den das prüfungsrechtliche Verwaltungsverfahren abgeschlossen wurde, von einem hinreichend geklärten Sachverhalt ausgehen und diesen seiner Entscheidung über die Rücknahme der Ernennung zugrunde legen. Im Übrigen ist der Bescheid der FhöV NRW vom 17. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2016 rechtmäßig, wie bereits oben ausgeführt wurde.
49Soweit die Antragstellerin schließlich rügt, mangels gesetzlicher Grundlage hätten ihre beiden Arbeiten aus Datenschutzgründen nicht mehr verwertet werden dürfen, greift dieser Einwand nicht durch. Das Prüfungsamt war berechtigt, die Arbeiten zur nachträglichen Feststellung eines Täuschungsversuches zu speichern. Wie sich aus § 20 Abs. 2 und 3 StudO BA ergibt, dürfen Prüfungsleistungen wegen eines ordnungswidrigen Verhaltens nachträglich innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren seit ihrer Ablegung für nicht bestanden erklärt werden. Aus dieser Regelung lässt sich schließen, dass die Prüfungsleistungen mindestens für diesen Zeitraum aufbewahrt und gespeichert werden dürfen und es liegt eine durch Rechtsvorschrift erlaubte zulässige Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von § 4 Abs. 1 a) LDSG NRW vor. Die Antragstellerin dürfte durch das Anerkennen der Studienordnung zudem in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt haben, vgl. § 4 Abs. 1 b) LDSG NRW.
50Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, Ziffer 1.5 Streitwertkatalog (die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge auf der Basis des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 9 BBesO, wobei wegen des vorläufigen Charakters des vorliegenden Eilverfahrens wiederum die Hälfte anzusetzen ist). Hier ist das Nichtbestehen eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betroffen, denn die Rücknahme der Ernennung führt dazu, dass (rückwirkend) kein Beamtenverhältnis bestanden hat.
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