Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 35 K 6559/20
Tenor
Dem Beklagten wird das Ruhegehalt aberkannt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00. N. 1963 in N1. B. E. S. geborene Beklagte trat nach dem Erwerb der Fachoberschulreife am 00. April 1981 in den Polizeivollzugsdienst des Landes O. –X. ein. Er wurde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeiwachtmeister ernannt. Mit Wirkung vom 28. September 1982 wurde der Beklagte unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeioberwachtmeister ernannt. Die Ernennung zum Polizeihauptwachtmeister erfolgte am 00. April 1984 und die Ernennung zum Polizeimeister am 00. April 1986. Dem Beklagten wurde mit Wirkung vom 00. März 1990 die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Der Beklagte wurde am 00. April 1992 befördert und zum Polizeiobermeister ernannt. Nach bestandener II. Fachprüfung erfolgte die Ernennung zum Polizeikommissar mit Wirkung vom 00. September 1997. Der Beklagte wurde am 00. August 2001 zum Kriminaloberkommissar befördert, die Beförderung zum Kriminalhauptkommissar erfolgte am 00. März 2006.
3Der Beklagte wurde ab März 1994 beim Polizeipräsidium E. verwendet. In der Zeit vom 00. Juli 2010 bis 00. August 2010 war er als Sachbearbeiter zur besonderen Verwendung des Inspektionsleiters in der L. 0 tätig. Ab 00. September 2010 wurde der Beklagte in der L. 00, L1. 00 verwendet. Der Beklagte war in der Zeit vom 00. August 2011 bis zum 00. August 2012 zur Polizeidirektion P. / Einsatzleitstelle B. (Land O1. ) abgeordnet. Die vom Beklagten angestrebte Übernahme in den Polizeivollzugsdienst des Landes O1. kam allerdings nicht zustande. Im Anschluss an die Abordnung sollte der Beklagte ab dem 00. August 2012 daher wieder Dienst beim Polizeipräsidium E. versehen.
4Der Beklagte meldete sich jedoch ab dem 00. Juni 2012 unter Vorlage entsprechender privatärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen krank. Bis zu seinem späteren Eintritt in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit verrichtete er keinen Dienst mehr.
5Mit polizeiamtsärztlichem Gutachten des Polizeiärztlichen Dienstes des Polizeipräsidiums N2. vom 00. Januar 2016 wurde festgestellt, dass der Beklagte dauerhaft polizeidienstunfähig und zum derzeitigen Zeitpunkt dienstunfähig nach § 26 BeamtStG sei. Der Beklagte wurde mit Ablauf des 00. Mai 2016 in den Ruhestand versetzt.
6Der Beklagte wurde während seiner aktiven Dienstzeit zuletzt am 00. Oktober 2008 für den Zeitraum vom 00. Oktober 2005 bis zum 00. Juli 2008 beurteilt. Danach entsprachen Leistung und Befähigung des Beklagten voll den Anforderungen.
7Mit Bescheid des niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie vom 00. August 2016 wurde dem Beklagten ab 00. Dezember 2015 ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt. Der Bescheid wurde erst im behördlichen Disziplinarverfahren mit Schriftsatz vom 00. Oktober 2019 vorgelegt.
8Der Beklagte ist verwitwet. Er heiratete im K. 1991. Seine Ehefrau brachte den im N3. 1988 geborenen Sohn mit in die Ehe, der vom Beklagten adoptiert wurde. Die Ehefrau des Beklagten ist am 00. September 2020 verstorben.
9Im Zusammenhang mit der Erkrankung seiner Ehefrau hatte der Beklagte bereits im Jahr 2009 seinen privaten Wohnsitz nach I. / P1. verlegt.
10Der Beklagte erhält Versorgungsbezüge der Besoldungsgruppe A11 (ca. 2.446,- Euro brutto).
11Mit Ausnahme der hier in Rede stehenden Vorwürfe ist der Beklagte disziplinar- und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
12Das Polizeipräsidium E. leitete mit Verfügung vom 00. Juli 2015 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein, das gleichzeitig gemäß § 22 Abs. 2 LDG NRW bis zum Abschluss des gegen den Beklagten laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt wurde. Die Einleitungsverfügung wurde dem Beklagten am 00. August 2015 zugestellt. Dem Beklagten wurde vorgeworfen, er habe der Anordnung vom 00. März 2014, seine Dienstunfähigkeit infolge einer Krankheit durch den zuständigen polizeiärztlichen Dienst überprüfen zu lassen, keine Folge geleistet. In der Konsequenz führe dies dazu, dass er seit dem für den 00. Februar 2014 geplanten Diensteintritt im Rahmen des Wiedereingliederungsplans unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben sein könnte (S. 8 der Einleitungsverfügung).
13Den Vorwürfen lag folgender Sachverhalt zugrunde:
14Das Polizeipräsidium E. forderte den Beklagten mit Schreiben vom . November 2012 aufgrund der langen krankheitsbedingten Abwesenheit auf, sich zur Feststellung seiner aktuellen Einsatz- und Verwendungsfähigkeit mit dem polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums E. in Verbindung zu setzen. Der Beklagte stellte sich am 00. Januar 2013 beim polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums E. vor und wurde durch RMD’in Dr. T.untersucht. Frau Dr. T. führte in ihrer Stellungnahme vom 00. Januar 2013 aus: Unterlagen über vom Beklagten geäußerte Erkrankungen seien ihr nicht zur Verfügung gestellt worden, so dass ihre Beurteilungsmöglichkeiten eingeschränkt seien. Aufgrund ihrer Untersuchungsergebnisse halte sie den Beklagten jedoch für vollschichtig im Innendienst einsetzbar. Er könne allgemeine Verwaltungsaufgaben verrichten und Sachbearbeitertätigkeiten ausführen. Diese seien möglich und zumutbar. Dienst mit der Waffe und Wechseldiensttätigkeiten sollten indes bis zum Vorliegen fachärztlicher Befundberichte unterbleiben. Aussagen zur Wiederherstellung der vollen und uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit könne sie somit erst nach Vorlage dieser Berichte treffen.
15Mit Schreiben vom 00. Februar 2013 wurde dem Beklagten das Untersuchungsergebnis mitgeteilt. Er wurde aufgefordert, bis zum 22. Februar 2013 die noch fehlenden Unterlagen zur weiteren Beurteilung seiner gesundheitlichen Situation einzureichen. Dem kam der Beklagte nicht nach.
16Am 00. Oktober 2013 stellte sich der Beklagte erneut beim polizeiärztlichen Dienst in E. vor. RMD’in Dr. T. führte in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 00. Oktober 2013 aus: Aus polizeiärztlicher Sicht könne der Beklagte – wie bereits in dem Schreiben vom 00. Januar 2013 mitgeteilt – allgemeine Verwaltungsaufgaben verrichten und Sachbearbeitertätigkeiten ausüben. Um entscheiden zu können, inwieweit Einschränkungen für den Polizeivollzugsdienst bestünden, beabsichtige sie, ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten bei Dr. N4. / C. T1. einzuholen. Bis dahin sei der Beklagte nicht geeignet für das Führen einer Dienstwaffe, für Wechseldiensttätigkeiten und Außendienste sowie für Konfliktsituationen mit Rechtsbrechern. Sie wiederhole, dass jedoch Innendiensttätigkeiten (Sachbearbeitung) dem Beklagten zumutbar und möglich seien.
17Auf Veranlassung von RMD’in Dr. T. erstattete der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Neurologie, Dr. N4. aus C. T1., unter dem 00. Dezember 2013 ein psychiatrisch-psychosomatisches Gutachten über den Beklagten. Der Gutachter kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass der Beklagte keinen Dienst mit der Waffe versehen dürfe und er Konflikten mit Rechtsbrechern nicht gewachsen sei. Die Einschränkungen seien nicht von dauerhafter Natur, da die bislang durchgeführten Behandlungen weder ausreichend noch erfolgversprechend gewesen seien. Allgemeine Bürodienste und Verwaltungsarbeiten seien dem Beklagten möglich und zumutbar. Herr Dr. N4. wies in seinem Gutachten darauf hin, dass weder in dem Arztbericht des Dr. H. noch bei der gutachterlichen Exploration am 00. Dezember 2013 Symptome gefunden worden seien, die eine Krankschreibung rechtfertigten.
18RMD’in Dr. T. schloss sich mit Schreiben vom 00. Januar 2014 den Ausführungen des Gutachtens an.
19Mit Schreiben vom 00. Januar 2014 forderte das Polizeipräsidium E. den Beklagten unter Bezugnahme auf den vom Beklagten vorgelegten Wiedereingliederungsplan seiner behandelnden Ärzte vom 00. Dezember 2013 auf, seinen Dienst am 00. Februar 2014 im Rahmen einer Wiedereingliederung im Polizeipräsidium E. aufzunehmen. Nach Auswertung des Fachgutachtens vom 00. Dezember 2013 komme der PÄD zu dem Ergebnis, dass dem Beklagten allgemeine Bürodienste und Verwaltungsarbeiten zumutbar und möglich seien. Das gelte für jede Art von Sachbearbeitertätigkeiten. Eine medizinische Notwendigkeit für einen Telearbeitsplatz bestehe nicht. Der Fachgutachter Dr. N4. weise zudem darauf hin, dass bei der gutachterlichen Exploration am 00. Dezember 2013 keine Symptome gefunden worden seien, die eine Krankschreibung rechtfertigten. Der Beklagte sei zu diesem Zeitpunkt aber durch seinen Arzt, Praxis S. B1. und D. I1. für arbeitsunfähig erklärt worden (AU vom 00. November 2013). Der Beklagte werde daher aufgefordert, im Falle einer Arbeitsunfähigkeit umgehend den polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums E. aufzusuchen. Eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bleibe vorbehalten. Es wurde darauf hingewiesen, dass es die Pflicht des Beklagten sei, zum Dienst zu erscheinen. Das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst stelle ein schwerwiegendes Dienstvergehen dar, welches bis zur disziplinarischen Höchstmaßnahme, dem Entfernen aus dem Dienst, geahndet werden könne.
20Der Beklagte kam der Aufforderung, seinen Dienst am 00. Februar 2014 im Polizeipräsidium E. aufzunehmen, nicht nach. Er legte vielmehr eine auf den 00. Januar 2014 datierte privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Folgebescheinigung) vor, ausgestellt durch die Praxis S1. B1. und D. I1. aus E1. .
21Das Polizeipräsidium E. ordnete daraufhin mit Verfügung vom 00. März 2014 an, dass der Beklagte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 00. Januar 2014 sowie jede weitere privatärztlich attestierte krankheitsbedingte Abwesenheit unverzüglich durch ein Gesundheitszeugnis des zuständigen polizeiärztlichen Dienstes überprüfen und nachzuweisen habe. Zu diesem Zweck werde der Beklagte aufgefordert, unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zugang des Schreibens, beim Polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums E. vorstellig zu werden und erforderliche Untersuchungen vornehmen zu lassen. Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. In der Begründung des Bescheides wurde für den Fall der Nichtbefolgung der dienstlichen Anordnung die Prüfung angekündigt, den Verlust der Dienstbezüge festzustellen. Des Weiteren wurde ausdrücklich auf die Pflicht des Beklagten, zum Dienst zu erscheinen hingewiesen. Das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst stelle ein schwerwiegendes Dienstvergehen dar, welches bis zur disziplinarischen Höchstmaßnahme, dem Entfernen aus dem Beamtenverhältnis, geahndet werden könne.
22Der Beklagte kam der Anordnung nicht nach. Er erhob Klage vor dem Verwaltungsgericht E. (Az.: 2 K 2679/14) und stellte einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage, der ohne Erfolg blieb (Beschluss vom 15. Juli 2014 - 2 L 951/14 -). Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts E. wurde durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land O. –X. (OVG NRW) vom 21. August 2014 zurückgewiesen (Az.: 6 B 910/14). Das Klageverfahren (Az.: 2 K 2679/14) wurde nach Klagerücknahme durch Beschluss des Verwaltungsgerichts E. vom 20. Juli 2015 eingestellt.
23Am 00. April 2014 wurde ein Verlustfeststellungsverfahren gegen den Beklagten eingeleitet. Mit Bescheid vom 00. September 2014 stellte das Polizeipräsidium E. den Verlust der Dienstbezüge ab dem 3. Februar 2014 gemäß § 9 ÜBesG NRW fest und ordnete die sofortige Vollziehung an (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Zur Begründung führte es aus: Der Beklagte sei mit Schreiben vom 00. Januar 2014 aufgefordert worden, seine Wiedereingliederung am 00. Februar 2014 am Dienstort E. anzutreten. Dieser Aufforderung sei der Beklagte nicht nachgekommen, sondern habe eine privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Mit Bescheid vom 00. März 2014 sei ihm gegenüber verfügt worden, dass er diese Bescheinigung sowie weitere privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen unverzüglich durch den Polizeiärztlichen Dienst (PÄD) überprüfen lassen solle. Dieser Verfügung sei der Beklagte ebenfalls nicht nachgekommen. Nach Einschätzung des PÄD sei der Beklagte dienstfähig. Ihm seien allgemeine Bürodienste und Verwaltungsarbeiten zumutbar und möglich. Der Beklagte sei trotz aller Aufforderungen nicht zum Dienst erschienen und sei damit ohne Genehmigung schuldhaft dem Dienst ferngeblieben.
24Der Beklagte erhob mit Schreiben vom 00. September 2014 Widerspruch gegen den Bescheid und stellte beim Verwaltungsgericht E. einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (Az.: 26 L 2169/14). Der Antrag wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts E. vom 10. November 2014 abgelehnt. Der Beklagte erhob Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts E. und legte ein psychiatrisches Gutachten vom 00. Dezember 2014 vor, das von Herrn Dr. (Univ.B1.) A. B2.-T2. erstellt worden war. Die Beschwerde wurde durch Beschluss des OVG NRW vom 31. März 2015 zurückgewiesen (Az.: 3 B 1387/14).
25Der Beklagte begründete seinen Widerspruch mit Schriftsatz vom 00. Mai 2015. Er machte erneut geltend, ein schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst sei zu verneinen. Er habe mit dem Gutachten des Dr. (Univ. B1.) B2.-T2. vom 00. Dezember 2014 seine allgemeine Dienstunfähigkeit belegt. Das Polizeipräsidium E. wies den Widerspruch des Beklagten gegen den Verlustfeststellungsbescheid vom 00. September 2014 mit Widerspruchsbescheid vom 00. Juni 2015 zurück.
26Am 28. Juli 2015 erhob der Beklagte Klage vor dem Verwaltungsgericht E. (Az.: 26 K 5262/15). Er machte geltend, die Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge sei rechtswidrig. Er sei nicht dienstfähig. Ein schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst liege daher nicht vor. Das Verwaltungsgericht E. wies die Klage durch Urteil vom 3. März 2017 ab. In den Entscheidungsgründen heißt es:
27„Der Bescheid des PP E. vom 00. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des PP E. vom 00. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
28Ermächtigungsgrundlage für die vorliegend streitgegenständliche Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge ist § 9 Satz 3 ÜBesG NRW (in der vom 1. Juni 2013 bis zum 30. Juni 2016 gültigen Fassung; seit 1. Juli 2016: § 11 Abs. 1 Landesbesoldungsgesetz Nordrhein-Westfalen). Bleibt der Beamte ohne Genehmigung schuldhaft dem Dienst fern, so verliert er nach § 9 Satz 1 ÜBesG für die Zeit des Fernbleibens seine Bezüge. Gemäß § 9 Satz 3 ÜBesG NRW ist der Verlust der Bezüge festzustellen.
29Gemessen an den Anforderungen dieser Vorschrift erweist sich der angegriffene Bescheid als materiell rechtmäßig. Der Antragsteller ist dem Dienst ab dem 00. Februar 2014 bis zum 00. November 2015 ohne Genehmigung schuldhaft ferngeblieben. Insoweit nimmt das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf seine Ausführungen im Beschluss vom 10. November 2014 – 26 L 2169/14 – sowie auf die Ausführungen des OVG O.-X. in dessen Beschluss vom 31. März 2015 – 3 B 1387/14 –, in deren Rahmen eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Klägers stattgefunden hat, vollinhaltlich Bezug und macht sie sich auch für das Hauptsacheverfahren zu Eigen. Das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung.
30Zusammenfassend ist festzustellen, dass dem Kläger eine Rechtfertigung, dem Dienst ab dem 00. Februar 2014 bis zu der Feststellung seiner Dienstunfähigkeit durch den PÄD des PP N2. am 00. Dezember 2015 fernzubleiben nicht zu Seite stand. Dabei kann dahinstehen, ob er in diesem Zeitraum dienstfähig oder dienstunfähig war. Denn er hat in Bezug auf diesen Zeitraum die von ihm behauptete Dienstunfähigkeit, bei deren Vorliegen ein anzuerkennender Grund für das Fernbleiben vom Dienst anzunehmen wäre, jedenfalls nicht durch amtsärztliche Untersuchung nachgewiesen. Ein solcher Nachweis wäre aber erforderlich gewesen, weil die Verfügung vom 00. März 2014 sofort vollziehbar war. Der Kläger hat jedoch weder die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 00. Januar 2014 noch spätere privatärztlich attestierte krankheitsbedingte Abwesenheiten unverzüglich durch ein Gesundheitszeugnis des zuständigen PÄD überprüfen lassen bzw. nachgewiesen, wie es die Verfügung vom 00. März 2014 erfordert hätte. Die von dem Kläger gegen diese Aufforderung bzw. die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung ergriffenen Rechtsmittel blieben in zwei Instanzen erfolglos,
31vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 – 2 L 951/14 – juris und nachfolgend OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. August 2014 – 6 B 910/14 – juris,
32das Hauptsacheverfahren endete aufgrund einer Zurücknahme der Klage.
33Entscheidend für die Annahme des schuldhaften Fernbleibens des Klägers vom Dienst ohne Genehmigung ab dem 00. Februar 2014 ist somit nicht die im Gutachten des Dr. N4. vom 00. Dezember 2013 und der darauf basierenden Stellungnahme der Polizeiärztin Dr. Schroeder vom 6. Januar 2014 angenommene Dienstfähigkeit des Klägers hinsichtlich allgemeiner Bürodienste und Verwaltungsarbeiten, sondern dass der Kläger seine vorgebrachte Dienstunfähigkeit nicht der sofort vollziehbaren Verfügung vom 00. März 2014 entsprechend durch ein Gesundheitszeugnis des PÄD des PP E. nachgewiesen hat; denn die Vorlage privatärztlicher Arbeits- oder Dienstunfähigkeitsbescheinigungen genügte gerade nicht (mehr), um das Fernbleiben vom Dienst zu rechtfertigen.
34Das vom Kläger als nicht hinreichend aussagekräftig angegriffene Gutachten des Dr. N4. vom 00. Dezember 2013 diente vorliegend lediglich als Ausgangspunkt für die Zweifel an der Richtigkeit der von dem Beamten vorgelegten, dessen Dienstunfähigkeit seit dem 00. Juni 2012 bescheinigenden privatärztlichen Atteste, die den Beklagten berechtigten, einen Nachweis der Dienstunfähigkeit durch ein polizeiärztliches Zeugnis zu verlangen, wie es mit der sofort vollziehbaren Verfügung vom 00. März 2014 geschah,
35siehe dazu VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 – 2 L 951/14 – juris und nachfolgend OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. August 2014 – 6 B 910/14 – juris.
36[…]
37Der Kläger handelte auch schuldhaft. In Ergänzung zu den Ausführungen der Kammer in dem Beschluss vom 10. November 2014 – 26 L 2169/14 –, auf die verwiesen wird, hat der Kläger auch im vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht schlüssig dargelegt, dass es ihm unmöglich oder unzumutbar war, den Nachweis seiner Dienstunfähigkeit durch ein Gesundheitszeugnis des PÄD des PP E. zu führen. Auch hier hat der Kläger lediglich behauptet, er sei erkrankungsbedingt nicht in der Lage gewesen, beim genannten PÄD vorstellig zu werden. Soweit er behauptet, er habe immer wieder versucht, zum Polizeiarzt zu gehen, habe aber Panikattacken gehabt und es nicht geschafft, ist dieser Vortrag entweder schon unsubstantiiert oder aber ungeeignet zu belegen, dass es ihm ausnahmslos unmöglich war, sich einer Untersuchung durch den PÄD in E. zu stellen. Es ist ein einziger Versuch des Klägers am 00. September 2014, den PÄD in E. aufzusuchen, belegt. Die entsprechende Bescheinigung durch den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. X1. bezieht sich ausschließlich auf den 00. September 2014. Dr. (Univ. B1.) B2.-T2. trifft in seinem Gutachten vom 00. Dezember 2014 keine Aussage, der Kläger sei wegen Panikattacken oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage gewesen, den PÄD in E. aufzusuchen. Er gibt lediglich die Angaben des Klägers wieder, macht sich diese jedoch nicht zu eigen.“
38Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts E. vom 3. März 2017 wurde durch Beschluss des OVG NRW vom 8. April 2019 abgelehnt (Az.: 3 A 937/17).
39Das Polizeipräsidium E. setzte das gegen den Beklagten geführte Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 00. Juli 2019 fort und dehnte es gleichzeitig aus. Der Beklagte wurde zudem gemäß § 31 LDG NRW abschließend angehört. In der Begründung wurde ausgeführt: Dem Beklagten sei mit der Einleitungsverfügung vom 00. Juli 2015 zusammenfassend vorgeworfen worden, über einen langen Zeitraum (vom 00. Februar 2014 bis zur Einleitung des Disziplinarverfahrens) unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben zu sein und damit gegen seine Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz nach § 34 Satz 1 BeamtStG und zum allgemeinen Wohlverhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen zu haben. Der Beklagte habe außerdem der Anordnung vom 00. März 2014 zur Überprüfung seiner privatärztlich attestierten krankheitsbedingten Abwesenheit durch ein unverzüglich einzuholendes Gesundheitszeugnis des zuständigen polizeiärztlichen Dienstes, entgegen seiner Pflicht zum Gehorsam nach § 35 Satz 2 BeamtStG, weisungswidrig nicht Folge geleistet. Die Ausdehnung des Disziplinarverfahrens beziehe sich auf das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst in dem Zeitraum von der Einleitung des Disziplinarverfahrens am 00. Juli 2015 bis zum 00. November 2015 und der entsprechenden Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Beklagten durch diesbezügliche Verstöße gegen seine Dienstleistungspflicht nach § 34 Satz 1 BeamtStG sowie gegen seine Pflicht zum Wohlverhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG. Bezugnehmend auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Verwaltungsgerichts E. vom 3. März 2017 (Az.: 26 K 5262/15) stehe aus disziplinarrechtlicher Sicht im Ergebnis fest, dass der Beklagte in dem nunmehr vorgeworfenen Gesamtzeitraum vom 00. Februar 2014 bis zum 00. November 2015 unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben sei.
40Der Beklagte äußerte sich mit Schreiben vom 00. September 2019. Am003. Januar 2020 wurde er im Rahmen der abschließenden Anhörung gemäß § 31 LDG NRW auf eigenen Wunsch mündlich angehört. Er gab an: Im Nachhinein wisse er, dass man es damals hätte anders machen sollen. Er habe den Ärzten und Kliniken vertraut. Er habe aus seiner Sicht, wenngleich nicht im juristischen Sinne, nicht vorsätzlich gehandelt und darauf vertraut, dass sein Verhalten ordnungsgemäß sei und er gegen keine Pflichten verstoße. Die gerichtlichen Entscheidungen, die in der Zwischenzeit ergangen seien, habe er akzeptiert. Er sei durch die Folgewirkung des einbehaltenen Gehalts wirtschaftlich schwer belastet. Er zahle zum einen jeden Monat 250,- Euro an das M. zurück. Zum anderen habe er aufgrund des Verlustes der Dienstbezüge jetzt noch mehr als 40.000,- Euro Schulden, die noch im Laufe der nächsten Jahre zurückgezahlt werden müssten. Er habe jetzt noch T3.-Einträge von über 12.000,- Euro, die er nicht zurückzahlen könne. Die Hypothek für das Haus in L2. sei nicht verlängert worden. Damit es nicht „unter den Hammer komme“, habe sein Schwiegervater sich bereit erklärt, das Haus zu übernehmen. Das Haus in P1. bekomme er seit Jahren nicht ansatzweise wirtschaftlich verkauft. Er habe seit 2014 bzw. 2015 hunderte von Inkasso-, Gerichtsvollzieher- und Vollstreckungsschreiben sowie Gerichtsbeschlüsse erhalten, und aktuell auch noch, die alle bedient werden müssten. Hinzu komme, dass er die Angelegenheit mit sich selbst ausmachen müsse, da er seine Frau aus gesundheitlichen Gründen nicht damit belasten könne. Dies alles belaste ihn extrem, zumal er auch zu 50 % schwerbehindert sei und nach wie vor psychische und kognitive Schwierigkeiten habe. Seine Frau sei schon seit Jahren gesundheitlich nicht mehr in der Lage, einen Beruf auszuüben, auch keine Nebentätigkeit. Der Zustand seiner Frau habe sich im Lauf der letzten Jahre derart verschlechtert, dass sie jetzt nach diversen monatelangen Krankenhausaufenthalten und Operationen in Spezialkliniken in den Pflegegrad 4 eingestuft worden sei. Eine Rehabilitation sei ausgeschlossen. Wenn er sie nicht mehr pflegen könne, müsse sie in ein Pflegeheim. Vielleicht hätte es ihn nicht so hart getroffen, wenn eher über seinen Antrag auf Zurruhesetzung entschieden worden wäre. Es habe vom Antrag bis zur Begutachtung durch die Polizeiärztin 14 Monate gedauert.
41Mit Schreiben vom 00. Juni 2020 wurde sowohl die Schwerbehindertenvertretung als auch die Gleichstellungsbeauftragte über die beabsichtigte Erhebung der Disziplinarklage unterrichtet und beteiligt. Auf Antrag des Beklagten wurde der Personalrat beteiligt. Der Personalrat stimmte der Erhebung der Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts in seiner Sitzung vom 00. September 2020 zu.
42Der Kläger hat am 3. November 2020 die vorliegende Disziplinarklage erhoben, mit der er die Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten begehrt.
43Zur Begründung führt er aus: Aufgrund der bindenden Feststellungen des Urteils des Verwaltungsgerichts E. vom 3. März 2017 (Az.: 26 K 5262/15) stehe fest, dass der Beklagte vom 00. Februar 2014 bis zum 00. November 2015 trotz bestehender Dienstfähigkeit unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben sei. Der Beklagte habe sich zunächst weisungs- und damit pflichtwidrig verhalten, indem er die privatärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht auf die behördliche Weisung vom 00. März 2014 hin durch ein polizeiärztliches Gutachten des PÄD des Polizeipräsidiums E. habe überprüfen lassen. Damit habe der Beklagte seine Pflicht zum Gehorsam nach § 35 Satz 2 BeamtStG a.F. (jetzt: § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) verletzt. Außerdem sei der Beklagte in einem Zeitraum von zusammenhängend annähernd 22 Monaten schuldhaft dem Dienst ferngeblieben. Damit habe er durch sein diesbezügliches Verhalten in erheblicher Weise seine Dienstleistungspflicht unter Verstoß gegen § 34 Satz 1 und 3 BeamtSt i.V.m. § 62 Abs. 1 LBG NRW verletzt. Der Beklagte habe die Pflichtverletzungen im Hinblick auf das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst nach den entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts E. im Urteil vom 3. März 2017 auch vorsätzlich und schuldhaft begangen. Vorsatz und Schuld seien auch in Bezug auf die Verletzung der Gehorsamspflicht gegeben. Der Beklagte habe in Anbetracht der schuldhaft begangenen Pflichtverletzungen ein einheitliches schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Der Beklagte habe durch das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von annähernd 22 Monaten massiv gegen die im Kernbereich liegende Verpflichtung verstoßen, Dienst zu leisten. Damit habe er das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn sowie der Allgemeinheit nicht nur in seinem Fundament erschüttert, sondern endgültig zerstört. Erschwerend komme hinzu, dass dem Beklagten durch die Missachtung der Anordnung vom 00. März 2014 darüber hinaus auch ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht zur Last falle.
44Der Kläger beantragt,
45dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.
46Der Beklagte beantragt,
47die Klage abzuweisen,
48hilfsweise,
49auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
50Der Beklagte rügt, das Disziplinarverfahren sei verspätet eingeleitet worden. Die Pflicht zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens entstehe, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorlägen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigten. Danach hätte das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren spätestens wenige Tage nach Bekanntgabe der Verfügung vom 00. März 2014, allerspätestens aber wenige Tage nach Einreichen der nächsten darauffolgenden Dienstunfähigkeitsbescheinigung eingeleitet werden müssen. Der Dienstvorgesetzte habe bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 00. März 2014 erkannt, dass er seine Dienstpflichten in disziplinarrechtlich relevanter Weise verletzt haben könnte, und habe die ihm vorliegenden und bekannten Tatsachen insoweit bewertet. Ausweislich des Vortrags in dem Klageverfahren 26 K 5262/15 sei das Polizeipräsidium E. ab diesem Zeitpunkt der Auffassung gewesen, dass er zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Einschätzung des PÄD dienstfähig gewesen und damit ohne Genehmigung schuldhaft dem Dienst ferngeblieben sei. Weil er nach Bekanntgabe der Verfügung vom 00. März 2014 die privatärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe überprüfen lassen müssen, sei unmittelbar danach, spätestens aber einige Tage nach Einreichen der folgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Vorstellung beim PÄD offensichtlich gewesen, dass auch in der Nichtbefolgung der Weisung ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten liegen könnte. Das Disziplinarverfahren sei aber erst 15 Monate später eingeleitet worden. Der Kläger habe mithin zugewartet, bis er so lange dem Dienst ferngeblieben sei, dass ein aus seiner Sicht mit der Höchstmaßnahme zu ahndendes Dienstvergehen in Rede gestanden habe. Es sei aber nicht auszuschließen, dass er bei einer rechtzeitigen Einleitung des Disziplinarverfahrens im März 2014 oder bei einer unverzüglichen Ahndung der Pflichtverletzung zu diesem Zeitpunkt mit einer niederschwelligen Disziplinarmaßnahme pflichtenmahnend hätte angehalten werden können, solche Pflichtverletzungen sofort einzustellen und künftig zu vermeiden. Dem stehe nicht entgegen, dass er sich zunächst gerichtlich gegen die Verfügung vom 00. März 2014 zur Wehr gesetzt habe. Diese Verfügung einerseits und die Einleitung des Disziplinarverfahrens andererseits hätten nämlich unterschiedliche Ziele verfolgt. Ihm sei während der gesamten Zeit, also auch in dem disziplinarrechtlich relevanten Zeitraum vom 00. Februar 2014 bis zum 00. November 2015, von seinen behandelnden Ärzten die Dienstunfähigkeit testiert worden. Entsprechende Bescheinigungen habe er jeweils dem Kläger eingereicht. Während dieser Zeit sei es ihm nicht gelungen, sich dem PÄD beim Polizeipräsidium E. vorzustellen. Er sei in der Zeit vom 00. März 2014 bzw. vom 00. Juli 2015 bis zum 30. November 2015 aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen, seinen Dienstpflichten, insbesondere seiner Anwesenheitspflicht nachzukommen oder sich einer polizeiärztlichen Untersuchung beim Polizeipräsidium E. zu unterziehen.
51Durch das Urteil des Verwaltungsgerichts E. vom 3. März 2017 sei nicht festgestellt, ob er dienstfähig gewesen sei. Eben so wenig sei durch das Urteil festgestellt, dass er vorsätzlich gehandelt habe. Er habe nicht vorsätzlich gehandelt. Die Folgerung des Klägers auf Seite 26 der Klageschrift, aus den tatsächlichen Feststellungen in dem genannten Urteil ergebe sich, dass er vorsätzlich gehandelt habe, sei daher nicht möglich. Anhaltspunkte dafür, dass ihm der Verstoß gegen seine Pflichten, zum Dienst zu erscheinen und sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, egal gewesen sei, seien weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen. Hinzu komme, dass er habe darauf vertrauen dürfen, dass er keine Dienstpflichtverletzung begehe, denn es für den gesamten Zeitraum ärztliche Testate vorgelegen, aus denen sich die Dienstunfähigkeit ergeben habe. Im Rahmen der Maßnahmebemessung sei folglich nicht von einem vorsätzlichen unentschuldigten Fernbleiben vom Dienst auszugehen. Zudem sei eine Verletzung der Aufsichtspflicht durch Dienstvorgesetzte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht oder des „Mitverschuldens“ als Mitursache der hier in Rede stehenden dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd zu berücksichtigen, weil der Kläger auf ihn hätte einwirken müssen, als er der Anordnung vom 10. März 2014 nicht nachgekommen sei. Mildernd zu berücksichtigen sei ferner, dass er sich in einer sehr belastenden privaten Situation befunden habe. Seine Dienstunfähigkeit über den gesamten hier in Rede stehenden Zeitraum habe er hinreichend dargelegt. Überdies habe er in diesem Zeitraum auch seine kranke Frau gepflegt. All dies müsse sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen.
52Das Landesamt für C1. und W. für das Land O.-X. hat mit Bescheid vom 00. September 2014 zu viel gezahlte Bezüge in Höhe von 35.257,59 Euro vom Beklagten zurückgefordert. Für die Zeit vom 00. Februar 2014 bis auf weiteres sei der Verlust der Dienstbezüge festgestellt worden, daher sei der Anspruch auf Bezüge mit Ablauf des Februar 2014 erloschen. Die Bezüge seien aber in unveränderter Höhe bis zum 31. Oktober 2014 gezahlt worden. Der Antrag des Beklagten auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist durch Beschluss des Verwaltungsgerichts E. vom 15. April 2016 abgelehnt worden (Az.: 26 L 875/16). Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. September 2014 ist durch Widerspruchsbescheid vom 19. April 2016 zurückgewiesen worden. Die vom Beklagten daraufhin erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht E. (Az.: 26 K 6389/16) ist durch Urteil vom 3. März 2017 abgewiesen worden. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist durch Beschluss des OVG NRW vom 12. April 2019 abgelehnt worden.
53Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der beigezogenen Gerichtsakten 26 L 2169/14 und 26 K 5262/15 sowie 26 L 875/16 und 26 K 6389/16, der beigezogenen Personal- und Disziplinarakten sowie auf die Sachentscheidungen aus den Gerichtsakten 2 L 951/14 und 2 K 2679/14, die sich in den vorliegenden Personal- und Disziplinarakten befinden, ergänzend Bezug genommen.
54Entscheidungsgründe:
55Die Disziplinarklage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
56A.
57I. Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts E. folgt aus § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 3 LDG NRW. Danach ist das Verwaltungsgericht E. zuständig, wenn die Beamtin oder der Beamte im Zeitpunkt der Zustellung der Abschlussentscheidung oder der Erhebung der Disziplinarklage den dienstlichen Wohnsitz im Bereich der Regierungsbezirke E. oder L3. oder außerhalb des Landes hat. Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten ist der Wohnsitz oder, wenn dieser außerhalb des Landes liegt, der letzte dienstliche Wohnsitz im Lande maßgeblich.
58Der Beklagte hatte seinen Wohnsitz bei Klageerhebung in H1./ S2.-Q. und damit außerhalb des Landes. Folglich ist der letzte dienstliche Wohnsitz im Lande maßgeblich. Dieser war beim Polizeipräsidium E. und damit im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts E..
59II. Mängel der Klageschrift oder des behördlichen Disziplinarverfahrens, die einer Entscheidung der Disziplinarkammer in der Sache entgegenstehen würden, liegen nicht vor.
601.
61Der Beklagte beanstandet zwar zu Recht, dass das behördliche Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet worden sei. Hierbei handelt es sich aber nicht um einen Verfahrensfehler, der einer Sachentscheidung entgegenstehen würde.
62Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW hat die dienstvorgesetzte Stelle ein Disziplinarverfahren einzuleiten und die höhere dienstvorgesetzte Stelle hierüber unverzüglich zu unterrichten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Die Pflicht zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens besteht zwar noch nicht, solange es noch Verwaltungsermittlungen bedarf, um festzustellen, ob über einen bloßen Verdacht hinaus verdachtsbegründende Tatsachen vorliegen. Den Dienstvorgesetzten trifft aber eine Einleitungspflicht, sobald er erstmals Kenntnis von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten erlangt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen.
63Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 – 2 C 60/17 -, juris, Rn. 21, und Beschluss vom 18. November 2008 – 2 B 63/08 -, juris, Rn. 10.
64Zweck der Vorschrift ist der Schutz des Beamten. Die disziplinarischen Ermittlungen sollen so früh wie möglich im Rahmen des gesetzlich geordneten Verfahrens mit seinen rechtsstaatlichen Sicherungen zu Gunsten des Beamten geführt werden, wozu insbesondere das Recht des Beamten auf Beweisteilhabe (§ 24 Abs. 4 LDG NRW) zählt. Der Dienstvorgesetzte darf, wenn die Voraussetzungen zur Einleitung vorliegen, nicht abwarten und weiteres Beweismaterial sammeln.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 – 2 C 60/17 -, juris, Rn. 21.
66Nach diesen Maßgaben hat der Kläger als dienstvorgesetzte Stelle das gegen den Beklagten gerichtete behördliche Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet. Die Einleitungsverfügung datiert vom 00. Juli 2015. Unter Beachtung von § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW hätte das Verfahren aber schon deutlich früher, spätestens am 00. April 2014, eingeleitet werden müssen, weil jedenfalls ab diesem Tag der hinreichende Verdacht eines Dienstvergehens bestanden hat, der keiner weiteren Verwaltungsermittlungen mehr bedurfte und sich nicht nur auf eine Bagatelle bezog. Ausweislich eines Vermerks über die disziplinarrechtliche Würdigung des Sachverhalts vom 00. April 2014 (Bl. 7 des Disziplinarvorgangs) war der dienstvorgesetzten Stelle bekannt, dass der Beklagte seinen Dienst am 00. Februar 2014 nicht angetreten hatte und er ungeachtet der Anordnungen in der Verfügung vom 00. März 2014 mit Telefax vom 00. März 2014 abermals nur eine privatärztliche Bescheinigung zum Nachweis seiner fortbestehenden Dienstunfähigkeit vorgelegt hatte.
67Am 00. April 2014 wurde zudem ein Verfahren zur Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge eingeleitet, was den konkreten Verdacht des schuldhaften Fernbleibens vom Dienst voraussetzt. Hierauf hätte die dienstvorgesetzte Stelle (auch) mit der Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens reagieren müssen.
68Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte gegen die Verfügung vom 00. März 2014 Klage erhoben und einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beim Verwaltungsgericht E. gestellt hat. Auch die später vom Beklagten gegen den Verlustfeststellungsbescheid vom 00. September 2014 angestrengten gerichtlichen Verfahren standen der rechtzeitigen Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens nicht entgegen. Der Umstand, dass der Beklagte sowohl gegen die Verfügung vom 00. März 2014 als auch gegen den Bescheid vom 00. September 2014 gerichtlich vorgegangen ist, hätte vom Kläger vielmehr im Zusammenhang mit der Frage einer möglichen Aussetzung des Disziplinarverfahrens nach § 22 Abs. 2 LDG NRW Berücksichtigung finden können.
69Die Disziplinarkammer lässt offen, ob der Verstoß gegen die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW folgende Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens einen wesentlichen Mangel im Sinne von § 54 Abs. 1 LDG NRW darstellt. Der Begriff des Mangels der Vorschrift erfasst Verletzungen von Verfahrensregeln, die im behördlichen Disziplinarverfahren von Bedeutung sind.
70Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2018 – 2 C 60/17 -, juris, Rn. 22, und vom 29. März 2012 – 2 A 11/10 -, juris, Rn. 22.
71Hierunter fallen Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze, die den äußeren Ablauf des behördlichen Disziplinarverfahrens bis zur abschließenden behördlichen Entscheidung, also bis zur Erhebung der Disziplinarklage oder bis zu dem Erlass einer Disziplinarverfügung, betreffen.
72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 – 2 B 63/08 -, juris, Rn. 14.
73Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne der Einleitungsvorschriften (§ 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW), wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 – 2 C 60/17 -, juris, Rn. 23.
75Selbst wenn es sich bei der verspäteten Einleitung des Disziplinarverfahrens um einen wesentlichen Mangel im Sinne von § 54 Abs. 1 LDG NRW handeln sollte, so steht dieser Mangel einer Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Die Klage ist insbesondere nicht deswegen abzuweisen, weil der Mangel nachträglich nicht mehr geheilt werden kann. Das Verfahren ist aber auch nicht gemäß § 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW einzustellen: Liegt ein wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklage vor, kann das Gericht gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW dem Dienstherrn zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels eine Frist setzen. Wird der Mangel innerhalb der Frist nicht beseitigt, wird das Disziplinarverfahren durch Beschluss des Gerichts eingestellt (§ 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW). Das vorliegende Verfahren ist indes nicht gemäß § 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW einzustellen, denn das Gericht hat dem Kläger keine Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt und auch nicht setzen können, weil es dem Kläger sonst etwas objektiv Unmögliches aufgegeben hätte. Das verspätet eingeleitete Disziplinarverfahren kann nicht mehr rechtzeitig eingeleitet werden.
76Die verspätete Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vielmehr im Rahmen der Zumessungserwägungen berücksichtigt werden: Verzögert der Dienstvorgesetzte entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW die Einleitung des Disziplinarverfahrens, so kann dies bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 LDG NRW als mildernder Umstand berücksichtigt werden, wenn die verzögerte Einleitung für das weitere Fehlverhalten des Beamten ursächlich war.
77Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2018 – 2 C 60/17 -, juris, Rn. 21, und vom 29. März 2012 – 2 A 11/10 -, juris, Rn. 20.
782.
79Soweit der Beklagte beanstandet, das Dienstvergehen sei vom Kläger nicht zeitnah mit einer niederschwelligen Disziplinarmaßnahme geahndet worden, ergibt sich hieraus kein Verfahrensmangel.
80Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere jeweils für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 – 2 C 60/17 -, juris, Rn. 30 ff.
82Aus der Begründung des Bundesverwaltungsgerichts ergeben sich allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass bei einem entsprechenden Verstoß ein (wesentlicher) Verfahrensmangel vorliegen könnte. Vielmehr kann eine unterlassene zeitnahe niederschwellige disziplinare Ahndung von Dienstpflichtverletzungen im Rahmen der Zumessungserwägungen Berücksichtigung finden.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 – 2 C 60/17 -, juris, Rn. 36.
843.
85Das behördliche Disziplinarverfahren ist mit Verfügung vom 00. Juli 2019 wirksam auf den Zeitraum von der Einleitung des Disziplinarverfahrens am 00. Juli 2015 bis zum 00. November 2015 ausgedehnt worden.
86Gemäß § 19 Abs. 1 LDG NRW kann das Disziplinarverfahren bis zum Erlass einer Entscheidung nach den §§ 33 bis 35 LDG NRW auf neue Handlungen ausgedehnt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Die Ausdehnung ist aktenkundig zu machen. Hier hat der Dienstvorgesetzte das behördliche Disziplinarverfahren durch die Verfügung vom 18. Juli 2019 gleichzeitig fortgesetzt und auf den Zeitraum vom 00. Juli 2015 bis 00. November 2015 ausgedehnt sowie den Beklagten gemäß § 31 LDG NRW abschließend angehört. Dies ist nicht zu beanstanden. Es ist bereits fraglich, ob es sich bei dem dem Beklagten vorgeworfenen fortgesetzten unerlaubten Fernbleiben vom Dienst um „neue“ Handlungen im Sinne von § 19 Abs. 1 LDG NRW handelt. Jedenfalls ist das behördliche Disziplinarverfahren durch die Verfügung vom 00. Juli 2019 – und damit vor Erhebung der Disziplinarklage – ausdrücklich auf den Zeitraum vom 00. Juli 2015 bis 00. November 2015 ausgedehnt worden.
87Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2021 – 3d A 4887/18.O – juris, Rn. 92 ff.
884.
89Weitere Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift sind vom Beklagten nicht geltend gemacht worden. Das Disziplinarverfahren leidet auch sonst an keinem für die disziplinarrechtliche Beurteilung erheblichen Fehler, der einer Sachentscheidung entgegenstehen könnte.
90B.
91Die Disziplinarklage ist begründet. Dem Beklagten ist wegen eines schweren einheitlichen innerdienstlichen Dienstvergehens (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) das Ruhegehalt abzuerkennen.
92Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begehen Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Der Beklagte ist in der Zeit vom 00. Februar 2014 bis 00. November 2015 und damit für eine Gesamtdauer von ca. 22 Monaten schuldhaft unerlaubt dem Dienst ferngeblieben. Er hat zudem weisungswidrig die privatärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für diesen Zeitraum nicht durch ein Gesundheitszeugnis des Polizeiärztlichen Dienstes des Polizeipräsidiums E. überprüfen lassen, obwohl ihm dies durch Verfügung vom 00. März 2014 auferlegt worden war.
93Der Beklagte hat hierdurch ein schweres Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, das unter angemessener Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes sowie des Umfangs der von ihm verletzten Pflichten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht.
94I.
95In tatsächlicher Hinsicht legt die Disziplinarkammer ihrer Entscheidung die in dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. März 2017 (Az.: 26 K 5262/15) über den Verlust der Dienstbezüge getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu Grunde.
96Danach ist der Beklagte in der Zeit vom 00. Februar 2014 bis zum 00. November 2015 unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben, denn ihm stand eine Rechtfertigung, dem Dienst in diesem Zeitraum fernzubleiben, nicht zur Seite. Der Beklagte war in diesem Zeitraum weder beurlaubt oder freigestellt, noch war er wegen nachgewiesener Dienstunfähigkeit vom Dienst befreit. Der Beklagte hat in Bezug auf diesen Zeitraum die von ihm behauptete und privatärztlich attestierte Dienstunfähigkeit nicht durch Gesundheitszeugnisse des polizeiärztlichen Dienstes nachgewiesen, obwohl dies durch die sofort vollziehbare Verfügung vom 00. März 2014 ihm gegenüber angeordnet worden war. Der Beklagte hat weder die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 00. Januar 2014 noch die späteren privatärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen unverzüglich durch ein Gesundheitszeugnis des zuständigen PÄD überprüfen lassen und die von ihm behauptete Dienstunfähigkeit nachgewiesen.
97Das Verwaltungsgericht E. hat in dem rechtskräftigen Urteil vom 3. März 2017 zudem festgestellt, dass der Beklagte schuldhaft handelte.
98Diese tatsächlichen Feststellungen sind für die Disziplinarkammer gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW bindend, denn das vorliegende Disziplinarverfahren hat denselben Sachverhalt zum Gegenstand und eine Lösung von den in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts E. vom 3. März 2017 getroffenen Feststellungen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW kommt nicht in Betracht.
991.
100Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW sind die tatsächlichen Feststellungen u.a. eines rechtskräftigen Urteils in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 BBesG bzw. § 9 ÜBesG NRW (heute: § 11 Abs. 1 LBesG NRW) über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden worden ist, für das sachgleiche Disziplinarverfahren bindend. Die gesetzliche Bindungswirkung dient der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz. Sie soll verhindern, dass zu ein- und demselben Geschehensablauf durch verschiedene Gerichte unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden.
101Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 11, und Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 – 2 B 79/18 -, juris, Rn. 8 m.w.N., und vom 28. August 2017 – 2 B 76/16 -, juris, Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 17. April 2018 – 3d A 1047/15.O -, juris, Rn. 65 ff.; VG Trier, Urteil vom 18. April 2019 – 3 K 5849/18.TR -, juris, Rn. 40.
102Die Bindungswirkung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW bezieht sich dabei auf die tatsächlichen Feststellungen, auf denen das rechtskräftige Urteil beruht, und zwar sowohl hinsichtlich des äußeren als auch des inneren Tatbestandes.
103Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 16. Mai 2018 – 37 K 7058/16.BDG -, S. 14 des Urteilabdrucks; Köhler, in: Köhler/Baunack, BDG, 7. Auflage, 2021, § 57, Rn. 6; Urban, in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 57, Rn. 6; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2014 – 2 B 60/14 -, juris, Rn. 11 (zur Bindungswirkung eines Strafurteils hinsichtlich sämtlicher tatsächlicher Feststellungen, die den Strafausspruch tragen).
1042.
105Anlass, sich von den tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 3. März 2017 zu lösen, ist nicht gegeben.
106Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW hat das Disziplinargericht die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die „offenkundig unrichtig" sind. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung nur ausnahmsweise und unter eng begrenzten Voraussetzungen der Fall. Die Bindungswirkung soll verhindern, dass zu ein- und demselben Sachverhalt unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Eine Lösung kann demgemäß nur erfolgen, wenn das Disziplinargericht ansonsten gezwungen wäre, gleichsam „sehenden Auges" auf der Grundlage eines aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts oder offenkundig bzw. inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden. Dies ist etwa der Fall, wenn die Tatsachenfeststellungen in Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig sind oder in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung, wenn Beweismittel eingeführt werden, die vorher nicht zur Verfügung standen und nach denen die Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen. Wird im gerichtlichen Disziplinarverfahren das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen geltend gemacht, so sind die Verwaltungsgerichte allerdings erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist. Pauschale Behauptungen genügen nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW ergeben kann.
107Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 12 m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 17. April 2018 – 3d A 1047/15.O -, juris, Rn. 73 m.w.N.; VGH Bayern, Beschluss vom 21. August 2006 – 16b D 05.150 -, juris, Rn. 42.
108Hieran fehlt es im vorliegenden Fall: Der Beklagte hat weder Widersprüche zu Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung aufgezeigt, noch hat er eine offenkundige Unrichtigkeit aus sonstigen Gründen dargelegt oder neue Beweismittel vorgelegt. Es sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, die erhebliche Zweifel an der Feststellung wecken könnten, der Beklagte sei in der Zeit vom 00. Februar 2014 bis zum 00. November 2015 ohne Genehmigung schuldhaft dem Dienst ferngeblieben.
109a)
110Soweit der Beklagte geltend macht, er sei im Zeitraum vom 00. März 2014 bis zum 00. November 2015, jedenfalls aber in der Zeit vom 00. Juli 2015 bis zum 00. Dezember 2015 dienstunfähig gewesen, weil ihm die Dienstunfähigkeit von seinen Ärzten durchgehend attestiert worden sei, ist dieser Vortrag nicht geeignet, erhebliche Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 3. März 2017 zu begründen. Auf die Frage, ob der Beklagte in dem fraglichen Zeitraum dienstfähig oder dienstunfähig war, kommt es nämlich nicht an. Das Verwaltungsgericht E. hat die Frage, ob der Beklagte in dem Zeitraum vom 00. Februar 2014 bis 00. November 2015 dienstfähig oder dienstunfähig war, in seiner Entscheidung vom 3. März 2017 dahinstehen lassen (vgl. S. 6 des Urteilabdrucks). Es hat für die Annahme des schuldhaften Fernbleibens des Beklagten vom Dienst ohne Genehmigung ab dem 00. Februar 2014 vielmehr entscheidend darauf abgestellt, dass der Beklagte seine vorgebrachte Dienstunfähigkeit nicht der sofort vollziehbaren Verfügung vom 00. März 2014 entsprechend durch ein Gesundheitszeugnis des polizeiärztlichen Dienstes des Polizeipräsidiums E. nachgewiesen habe; denn die Vorlage privatärztlicher Arbeits- oder Dienstunfähigkeitsbescheinigungen habe gerade nicht (mehr) genügt, um das Fernbleiben vom Dienst zu rechtfertigen (vgl. S. 7 des Urteilabdrucks).
111Diese Begründung lässt „offenkundige Unrichtigkeiten“ nicht erkennen: Die Dienstfähigkeit ist zwar ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst. Dienstunfähigkeit liegt vor, wenn der Beamte wegen seines körperlichen oder geistigen Befindens nicht imstande ist, den ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben nachzukommen.
112Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 17 m.w.N.
113Ein typischer Anwendungsfall der Dienstunfähigkeit liegt in der Erkrankung des Beamten, die das Fernbleiben vom Dienst rechtfertigt. Der Rechtfertigungsgrund greift auch dann ein, wenn der Beamte sich schuldhaft in einen krankhaften Zustand versetzt hat. Solange ein Beamter dienstunfähig ist, ist er von der Dienstleistungspflicht befreit, weil er sie nicht erfüllen kann.
114Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 17 m.w.N.
115Der Beamte muss die Erkrankung aber spätestens am folgenden Tag anzeigen und auf Verlangen des Dienstherrn durch ärztliches Attest, bei längerer Dauer auch wiederholt, nachweisen. Die medizinische Beurteilung eines Amts- oder Polizeiarztes oder eines vom Amts- oder Polizeiarzt hinzugezogenen Facharztes genießt für die Entscheidung über die aktuelle Dienstfähigkeit (Arbeitsfähigkeit) eines Beamten Vorrang vor der medizinischen Beurteilung eines Privatarztes, wenn beide hinsichtlich desselben Krankheitsbildes inhaltlich voneinander abweichen. Dieser Vorrang im Konfliktfall hat seinen Grund in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amts- oder Polizeiarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu behalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht Dienstherrn und Beamten gleichermaßen fern.
116Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 18 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 31. März 2015 – 3 B 1387/14 -, S. 3 des Urteilabdrucks.
117Hier ist dem Beklagten durch die sofort vollziehbare Verfügung vom 00. März 2014 aufgegeben worden, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 00. Januar 2014 sowie jede weitere privatärztlich attestierte krankheitsbedingte Abwesenheit unverzüglich durch ein Gesundheitszeugnis des zuständigen polizeiärztlichen Dienstes überprüfen zu lassen und nachzuweisen. Die Anordnung beinhaltet damit das Verlangen des Dienstherrn, Dienstunfähigkeit infolge Krankheit nachzuweisen, und konkretisiert in entscheidender Weise die Pflichten des Beklagten im Zusammenhang mit diesem Nachweis. Kommt ein Beamter einer solchen – wirksamen – Anordnung nicht nach, kann er dem Dienstherrn Dienstunfähigkeit für den Zeitraum seines Fernbleibens vom Dienst nicht entgegenhalten.
118Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 20; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. Juni 2018 – 2 A 11723/17 -, juris, Rn. 65; VG Trier, Urteil vom 18. April 2019 – 3 K 5849/18.TR -, juris, Rn. 50 m.w.N.
119Soweit der Beklagte auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2012 (Az.: 2 C 7/11) verweist, ergibt sich hieraus keine andere Bewertung. Die Entscheidung ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. In der Entscheidung geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen ein Beamter in den Ruhestand versetzt werden kann, wenn er sich weigert, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Die Weigerung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, kann nach dem aus § 444 ZPO abgeleiteten, auch im Verwaltungsverfahren geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz zum Nachteil des betroffenen Polizeivollzugsbeamten gewertet werden. Danach kann im Rahmen freier Beweiswürdigung auf die Dienstunfähigkeit geschlossen werden, wenn der Beamte durch sein Verhalten die Feststellung seines Gesundheitszustandes bewusst verhindert. Die Verpflichtung, sich zur Nachprüfung der Dienstfähigkeit nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen, ginge ins Leere, wenn aus einer unberechtigten Weigerung keine Rückschlüsse gezogen werden könnten. Andernfalls hätte es der Beamte in der Hand, die für die Vorbereitung der Feststellung seiner Dienstfähigkeit erforderliche ärztliche Untersuchung erheblich zu erschweren oder zu vereiteln.
120Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 – 2 C 7/11 -, juris, Rn. 14.
121Im vorliegenden Fall verhält es sich gerade umgekehrt: Der Dienstherr ist aufgrund des Ergebnisses der polizeiärztlichen und fachärztlichen Untersuchungen, die Ende 2013 stattgefunden haben, davon ausgegangen, dass dem Beklagten allgemeine Bürodienste und Verwaltungsarbeiten zumutbar und möglich seien. In dieser Konstellation ginge die Anordnung, privatärztliche Krankschreibungen durch den polizeiärztlichen Dienst überprüfen zu lassen, ins Leere, wenn aus der unberechtigten Weigerung des Beamten der Rückschluss gezogen werden könnte, er sei dienstunfähig.
122b)
123Soweit der Beklagte darüber hinaus geltend macht, aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen zu sein, sich einer polizeiärztlichen Untersuchung beim Polizeipräsidium Düsseldorf zu unterziehen bzw. beim polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums zu erscheinen, dringt er damit im vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht durch. Dieses Vorbringen lässt eine „offenkundige Unrichtigkeit“ der Feststellung des Verwaltungsgerichts E. in dem Urteil vom 3. März 2017, der Beklagte habe schuldhaft gehandelt, nicht erkennen.
124Das Verwaltungsgericht E. hat in seiner Entscheidung vom 3. März 2017 unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 10. November 2014 (Az.: 26 L 2169/14) festgestellt, der Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Zur Begründung hat es hierzu ausgeführt, der Beklagte habe auch im Klageverfahren nicht schlüssig dargelegt, dass es ihm unmöglich oder unzumutbar gewesen sei, den Nachweis seiner Dienstunfähigkeit durch ein Gesundheitszeugnis des PÄD des PP E. zu führen. Er habe lediglich behauptet, er sei erkrankungsbedingt nicht in der Lage gewesen, beim PÄD in E. vorstellig zu werden. Soweit er behauptet habe, er habe immer wieder versucht, zum Polizeiarzt zu gehen, habe aber Panikattacken gehabt und es nicht geschafft, sei dieser Vortrag entweder schon unsubstantiiert oder aber ungeeignet zu belegen, dass es ihm ausnahmslos unmöglich gewesen sei, sich einer Untersuchung durch den PÄD des PP E. zu stellen. Es sei nur ein einziger Versuch des Beklagten am 00. September 2014, den PÄD in E. aufzusuchen, belegt. Die entsprechende Bescheinigung durch den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. X1. beziehe sich ausschließlich auf den 00. September 2014. Dr. (Univ. B1.) B2.-T2. treffe in seinem Gutachten vom 00. Dezember 2014 keine Aussage, dass der Kläger wegen Panikattacken oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, den PÄD in E. aufzusuchen. Er gebe lediglich die Angaben des Beklagten wieder, mache sich diese jedoch nicht zu eigen.
125Das Oberverwaltungsgericht für das Land O.-X. hat hierzu in seinem Beschluss vom 8. April 2019 (Az.: 3 A 937/17), mit dem der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts E. vom 3. März 2017 abgelehnt wurde, ausgeführt, hinsichtlich des Vorbringens des Beklagten, sein gesundheitlicher Zustand im Zeitraum des ihm vorgeworfenen unerlaubten Fernbleibens, d.h. ab dem 00. Februar 2014 bis zur Wiederaufnahme der Zahlung der Bezüge ab der polizeiärztlichen Feststellung seiner Dienstunfähigkeit am 00. Dezember 2015, habe es ihm nicht möglich gemacht, beim polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums E. vorstellig zu werden, geschweige denn zum Dienst zu erscheinen, fehle es sowohl an der gebotenen Substantiierung als auch der Darlegung tatsächlicher Umstände, die dieses Vorbringen untermauern könnten.
126Der Beklagte hat im vorliegenden Verfahren wiederum nur behauptet, in der Zeit vom 00. März 2014 bis zum 00. November 2015 nicht in der Lage gewesen zu sein, zu einer Untersuchung bei dem polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums E. zu erscheinen, ohne dies zu konkretisieren. Das Vorbringen ist pauschal und unsubstantiiert, denn der Beklagte hat nach wie vor keine tatsächlichen Umstände z.B. in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht dargelegt, die sein Vorbringen untermauern könnten.
127Der Beklagte hat auch keine neuen Beweismittel in das Verfahren eingeführt, die vorher nicht zur Verfügung standen und nach denen die Tatsachenfeststellungen in dem Urteil vom 3. März 2017 zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen könnten.
128II.
129Die disziplinarrechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts ergibt, dass sich der Beklagte eines schweren innerdienstlichen Dienstvergehens schuldig gemacht hat, das zur Aberkennung des Ruhegehalts führt. Der Beklagte hätte als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Dienst entfernt werden müssen (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW).
130Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er die ihm obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt. Der Beklagte hat durch das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst gegen die Dienstleistungspflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW (in der bis zum 30. Juni 2016 geltenden Fassung) und zugleich gegen seine Pflicht zu vollem persönlichem Einsatz (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) verstoßen. Durch die Weigerung, der Anordnung vom 10. März 2014 zu folgen, hat der Beklagte darüber hinaus gegen die Folgepflicht aus § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, die dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen, verstoßen.
131Die Pflichtverletzungen erfolgten innerdienstlich, denn sie betrafen unmittelbar die Dienstausübung des Beklagten.
132Der Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht und die Pflicht zu vollem persönlichem Einsatz erfolgte nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts E. im Urteil vom 3. März 2017 auch schuldhaft, denn der Verlust der Dienstbezüge (hier: nach § 9 ÜBesG NRW) setzt voraus, dass dem Beamten das Fernbleiben vom Dienst im Sinne eines schuldhaften Verhaltens vorgeworfen werden kann.
133Die Disziplinarkammer geht von einem (bedingt) vorsätzlichen Verhalten des Beklagten aus. Sie ist hinsichtlich der konkreten Form des Verschuldens (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) nicht an die Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts E. vom 3. März 2017 gebunden. Die Bindungswirkung aus § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW bezieht sich nur auf die tatsächlichen Feststellungen, auf denen das rechtskräftige Urteil beruht, und zwar sowohl hinsichtlich des äußeren als auch des inneren Tatbestandes.
134Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 16. Mai 2018 – 37 K 7058/16.BDG -, S. 14 des Urteilabdrucks; Köhler, in: Köhler/Baunack, BDG, 7. Auflage, 2021, § 57, Rn. 6; Urban, in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 57, Rn. 6.
135Keine Bindung tritt hingegen ein bei Feststellungen, die nicht den gesetzlichen Tatbestand betreffen.
136Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2014 – 2 B 60/14 -, juris, Rn. 11, und vom 1. März 2012 – 2 B 120/11 -, juris, Rn. 13; Köhler, in: Köhler/Baunack, BDG, 7. Auflage, 2021, § 57, Rn. 8.
137Für die Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge genügt die Feststellung eines schuldhaften Verhaltens des Beamten. Es kommt – anders als im Strafrecht – nicht darauf an, ob der Beamte vorsätzlich oder fahrlässig handelte. Folglich erstreckt sich die Bindungswirkung auch nur auf die Feststellung eines schuldhaften Verhaltens, nicht hingegen darauf, ob der Beamte vorsätzlich oder fahrlässig handelte.
138Die Verletzung der Dienstleistungspflicht durch das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst ist dem Beamten fahrlässig oder vorsätzlich möglich. Ein Irrtum des Beamten über seine Pflicht zur Dienstleistung entlastet ihn nur, wenn dieser Irrtum unvermeidbar war.
139Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 23, und Beschluss vom 20. Januar 2009 – 2 B 4/08 -, juris, Rn. 38 ff., 44.
140Fahrlässig handelt ein Beamter in Bezug auf seine Anwesenheitspflicht im Dienst, wenn er darauf vertraut, dienstunfähig zu sein, bei zumutbarer Selbsteinschätzung seines gesundheitlichen Zustands aber hätte erkennen müssen, zur – wenn auch eingeschränkten – Dienstausübung in der Lage zu sein. Ein Beamter, der ungenehmigt keinen Dienst leistet, handelt hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Dienstfähigkeit" dagegen bedingt vorsätzlich, wenn er ernsthaft für möglich hält, dienstfähig zu sein, und im Hinblick darauf billigend in Kauf nimmt, die Dienstleistungspflicht zu verletzen. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Beamte mit dem von ihm für möglich gehaltenen Erfolg ausdrücklich oder konkludent einverstanden ist, sondern auch dann, wenn er sich mit einem an sich unerwünschten, aber notwendigerweise eintretenden Erfolg um seines erstrebten Zieles willen abfindet.
141Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 26 m.w.N.
142An diesem Maßstab orientiert, hat der Beklagte bei seinem unerlaubten Fernbleiben vom Dienst in der Zeit vom 00. Februar 2014 bis 00. November 2015 nicht nur (grob) fahrlässig, sondern bedingt vorsätzlich gehandelt.
143Der Dienstherr hat gegenüber dem Beklagten durch Verfügung vom 00. März 2014 angeordnet, dass der Beklagte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 00. Januar 2014 sowie jede weitere privatärztlich attestierte krankheitsbedingte Abwesenheit unverzüglich durch ein Gesundheitszeugnis des zuständigen polizeiärztlichen Dienstes überprüfen zu lassen und nachzuweisen habe. Mit dieser Anordnung hat der Dienstherr die Voraussetzungen konkretisiert, unter denen der Beklagte wegen einer Erkrankung von der Dienstleistungspflicht befreit ist. Diese Bedingungen hat der Beklagte trotz der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung nicht eingehalten und ist damit bedingt vorsätzlich dem Dienst ferngeblieben.
144Er konnte nicht darauf vertrauen, keine Dienstpflichtverletzung zu begehen, wenn er der für sofort vollziehbar erklärten Anordnung vom 00. März 2014 keine Folge leisten würde. Dies gilt insbesondere, nachdem das Verwaltungsgericht E. den Antrag des Beklagten auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Untersuchungsanordnung durch Beschluss vom 15. Juli 2014 (Az.: 2 L 951/14) abgelehnt hatte und die Beschwerde gegen diesen Beschluss durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land O.-X. vom 21. August 2014 zurückgewiesen worden war (Az.: 6 B 910/14).
145Der Einwand des Beklagten, er habe von seinen ihn behandelnden Ärzten während des gesamten Zeitraums vom 00. Februar 2014 bis 00. November 2015 die Auskunft erhalten, er sei dienstunfähig, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Diese Einlassung ist schlichtweg nicht nachvollziehbar: Der Beklagte war bereits mit Schreiben des Polizeipräsidiums E. vom 00. Januar 2014 unter Bezugnahme auf den vom Beklagten vorgelegten Wiedereingliederungsplan seiner behandelnden Ärzte aufgefordert worden, seinen Dienst am 00. Februar 2014 im Polizeipräsidium E. aufzunehmen, und im Falle einer Arbeitsunfähigkeit umgehend den polizeiärztlichen Dienst des Polizeipräsidiums E. aufzusuchen; eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bleibe vorbehalten. Bereits damit hatte der Dienstherr unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass ein privatärztliches Attest als Nachweis der Dienstunfähigkeit nicht ausreichen würde. Nachdem der Beklagte den Dienst am 00. Februar 2014 nicht angetreten hatte, folgte die Anordnung vom 00. März 2014, mit der dem Beklagten aufgegeben wurde, privatärztliche Krankschreibungen durch den polizeiärztlichen Dienst überprüfen zu lassen. In Anbetracht der für jeden Beamten leicht erkennbaren Pflicht, zum Dienst zu erscheinen, soweit keine Dienstunfähigkeit nachgewiesen oder andere rechtlich wirksame Hinderungsgründe vorliegen, konnte der Beklagte insofern gerade nicht mehr davon ausgehen, dass privatärztliche Krankschreibungen zum Nachweis seiner Dienstunfähigkeit ausreichen.
146Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte sich im Hinblick auf die Bedingungen zum Nachweis seiner Dienstunfähigkeit in einem Irrtum befunden haben könnte. Ein solcher Irrtum wäre im Übrigen vor dem Hintergrund der unmissverständlich formulierten Anordnung vom 00. März 2014 leicht vermeidbar gewesen. Der Beklagte hat damit den Erfolgseintritt, nämlich die Verletzung seiner Pflicht, zum Dienst zu erscheinen, billigend in Kauf genommen und damit bedingt vorsätzlich gehandelt.
147Soweit es den Verstoß gegen die Folgepflicht aus § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG betrifft, liegt ebenfalls ein schuldhaftes und vorsätzliches Verhalten des Beklagten vor. Der Beklagte hat die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung vom 00. März 2014, mit der ihm aufgegeben wurde, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 00. Januar 2014 sowie jede weitere privatärztlich attestierte krankheitsbedingte Abwesenheit unverzüglich durch ein Gesundheitszeugnis des zuständigen polizeiärztlichen Dienstes überprüfen zu lassen und nachzuweisen, bewusst ignoriert. Er ist ihr selbst dann nicht nachgekommen, nachdem das Verwaltungsgericht E. seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 15. Juli 2014 abgelehnt hatte und die Beschwerde gegen diesen Beschluss ohne Erfolg blieb.
148III.
149Das vom Beklagten begangene Dienstvergehen führt nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Gesichtspunkte zur Aberkennung des Ruhegehalts. Der Beklagte hat durch das von ihm im Kernbereich seiner Dienstpflichten begangene Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Als noch im Dienst befindlicher Beamter hätte er aus dem Dienst entfernt werden müssen (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW).
150Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall zu verhängen ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens. Das Persönlichkeitsbild der Beamtin oder des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist (§ 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 LDG NRW). Hierzu sind die genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Entscheidung einzustellen, um dem im Disziplinarrecht geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen. Die Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalles in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
151Vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6/14 -, juris, Rn. 12, vom 18. Juni 2015 – 2 C 9/14 -, juris, Rn. 25, und vom 25. Juli 2013 – 2 C 63/11 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 24. Juli 2020 – 3d A 1739/19.O -, juris, Rn. 96.
152Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Funktionssicherung des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten.
153Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 C 38/10 -, juris, Rn. 11 m.w.N.
1541.
155Als maßgebendes Bemessungskriterium ist gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW zunächst die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte.
156Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015, – 2 C 6/14 -, juris, Rn. 16; OVG NRW, Urteile vom 28. Juli 2021 – 3d A 2195/19.O -, juris, Rn. 105, und vom 24. Juli 2020 – 3d A 1739/19.O -, juris, Rn. 98.
157Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen. Hiervon ausgehend kommt es für die endgültige Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist.
158Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2013 – 2 C 62/11 -, juris, Rn. 39, und vom 28. Juli 2011 – 2 C 16/10 -, juris, Rn. 29; OVG NRW, Urteile vom 28. April 2021 – 3d A 1650/20.O -, juris, Rn. 75, und vom 24. Juli 2020 – 3d A 1739/19.O -, juris, Rn. 99.
159Das vom Beklagten begangene Dienstvergehen wiegt so schwer, dass die Aberkennung des Ruhegehalts indiziert ist.
160Das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst kann ein schweres Dienstvergehen darstellen, das auch die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen kann. Das Gebot, zum Dienst zu erscheinen, ist Grundpflicht eines jeden Beamten. Diese beamtenrechtliche Grundpflicht fordert von einem Beamten vor allem, sich während der vorgeschriebenen Zeit an dem vorgeschriebenen Ort aufzuhalten und dort die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen.
161Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 21 m.w.N.
162Wer dem Dienst vorsätzlich unerlaubt fernbleibt, missachtet damit zwangsläufig die Dienstpflichten zum vollen beruflichen Einsatz und zur Befolgung dienstlicher Anordnungen. Nur die pflichtgemäße Dienstleistung der Beamten und anderer Beschäftigter setzt die Verwaltung in die Lage, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Das Erfordernis der Dienstleistung und die Bedeutung ihrer Unterlassung sind für jeden leicht zu erkennen. Setzt sich ein Beamter über diese Erkenntnis hinweg, zeigt er ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit. Je länger der Beamte schuldhaft dem Dienst fernbleibt, desto schwerer wiegt die hierin liegende Dienstpflichtverletzung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt vorsätzliches unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst regelmäßig zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, wenn es über Monate andauert oder in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreicht.
163Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/19 -, juris, Rn. 21 m.w.N.
164Vorsätzliches unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von mehreren Monaten ist danach regelmäßig geeignet, das für das Beamtenverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten zu zerstören. Aufgrund der Bedeutung und der leichten Einsehbarkeit der Pflicht, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, offenbart das Fernbleiben über einen derart langen Zeitraum ein besonders hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und Pflichtvergessenheit. Daher ist in diesen Fällen die Entfernung aus dem Dienst grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme.
165Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 6/2019 -, juris, Rn. 22 m.w.N, und Beschluss vom 31. Juli 2017 – 2 B 30/17 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 24. Juli 2020 – 3d A 1739/19.O -, juris, Rn. 105.
166Im vorliegenden Fall ist der Beklagte seiner Dienstleistungspflicht über einen Zeitraum von insgesamt fast 22 Monaten vorsätzlich nicht nachgekommen, so dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist. Der Beklagte hat durch sein Verhalten gegen die im Kernbereich liegende Verpflichtung verstoßen, seinem Dienstherrn die in seinem Beruf verpflichtende Dienstleistung zu erbringen. Damit hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und seinem Dienstherrn nicht nur grundlegend erschüttert, sondern endgültig zerstört. Der Beklagte hat aufgrund der Bedeutung und der leichten Einsehbarkeit der Pflicht, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, sowie durch sein Fernbleiben vom Dienst über einen langen Zeitraum von fast 22 Monaten ein besonders hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und Pflichtvergessenheit gezeigt.
167Erschwerend hinzu tritt der Verstoß gegen die Folgepflicht, der zwar bei weitem nicht so schwer wiegt wie das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst. Allerdings zeigt auch die hartnäckige Weigerung, der Anordnung vom 00. März 2014 nachzukommen, ein hohes Maß an Pflichtvergessenheit, das geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn nachhaltig zu erschüttern.
1682.
169Für die Bestimmung der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme kommt es weiter darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LDG NRW derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist.
170Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63/11 -, juris, Rn. 17 m.w.N., und Beschluss vom 1. März 2012- 2 B 140/11 -, juris, Rn. 9; OVG NRW, Urteile vom 24. Juli 2020 – 3d A 1739/19.O -, juris, Rn. 108, und vom 17. April 2018 – 3d A 1047/15.O -, juris, Rn. 157.
171Im vorliegenden Fall sind keine außergewöhnlichen Umstände erkennbar, die zu einem Abweichen von der durch die Schwere des Dienstvergehens indizierten Disziplinarmaßnahme führen könnten.
172a)
173Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor und nach der Tat. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.
174Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 2 B 37/12 -, juris, Rn. 21; OVG NRW, Urteile vom 24. Juli 2020 – 3d A 1739/19.O -, juris, Rn. 111 m.w.N., und vom 17. April 2018 – 3d A 1047/15.O -, juris, Rn. 160.
175aa)
176Von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte persönlichkeitsbezogene Milderungsgründe, die zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen könnten,
177vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35/13 -, juris, Rn. 27,
178liegen nicht vor.
179Das Verhalten des Beklagten stellt sich insbesondere nicht als einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat im Zuge einer plötzlich entstandenen Versuchungssituation dar. Dies würde voraussetzen, dass die Dienstpflichtverletzung eine Kurzschlusshandlung darstellt, die durch eine spezifische Versuchungssituation hervorgerufen worden ist, und dass sich eine Wiederholung in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten ausschließen lässt.
180Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2014 – 2 B 60/14 -, juris, Rn. 29, m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 24. Juli 2020 – 3d A 1739/19.O -, juris, Rn. 113.
181Dem Beklagten fällt indes ein fortdauernder Pflichtenverstoß über einen Zeitraum von annähernd zwei Jahren zur Last, so dass keine einmalige Entgleisung vorliegt.
182Es ist auch nichts dafür dargelegt oder sonst ersichtlich, dass bei dem Beklagten eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB vorliegen könnte, so dass eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB, die in aller Regel dem Ausspruch der Höchstmaßnahme entgegensteht,
183vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2013 – 2 B 76/12 -, juris, Rn. 19,
184als anerkannter Milderungsgrund ausscheidet.
185bb)
186Stehen dem Beklagten keine in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „anerkannten" Milderungsgründe zur Seite, bedeutet dies nicht, dass die entlastenden Aspekte seines Persönlichkeitsbildes bei der Maßnahmebemessung unberücksichtigt bleiben dürften. Sie sind vielmehr auch dann, wenn sie keinen der anerkannten Milderungsgründe verwirklichen, insgesamt mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dabei bieten die Milderungsgründe Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen im Einzelfall wiegt.
187Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63/11 -, juris, Rn. 25; Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35/13 -, juris, Rn. 21; OVG NRW, Urteil vom 29. September 2021 – 3d A 148/20.O -, juris, Rn. 117.
188Ausgehend von diesen Maßstäben kommt den in den Blick zu nehmenden entlastenden Gesichtspunkten weder isoliert betrachtet noch in ihrer Gesamtheit ein solches Gewicht zu, dass sie eine Maßnahmemilderung für das dem Beklagten zur Last fallende Dienstvergehen rechtfertigen.
189(1)
190Der Milderungsgrund der „Entgleisung während einer inzwischen überwundenen negativen Lebensphase" im Tatzeitraum kann dem Beklagten nicht zu Gute gehalten werden. Eine so genannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums kann je nach den Umständen des Einzelfalles mildernd berücksichtigt werden. Dies gilt allerdings nur für außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Hinzukommen muss, dass er die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat. Die Berücksichtigung einer schwierigen, inzwischen überwundenen Lebensphase liegt dabei vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge der Lebensumstände darstellt.
191Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3/12 -, juris, Rn. 40 f., und Beschlüsse vom 22. März 2016 – 2 B 43/15 -, juris, Rn. 11, und vom 9. Oktober 2014 – 2 B 60/14 -, juris, Rn. 32; OVG NRW, Urteil vom 29. September 2021 – 3d A 148/20.O -, juris, Rn. 120.
192Es muss sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann.
193Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2016 – 2 B 49/15 -, juris, Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 29. September 2021 – 3d A 148/20.O -, juris, Rn. 122.
194Insoweit hat die Disziplinarkammer das Vorbringen des Beklagten in den Blick genommen, er habe sich in einer sehr belastenden privaten Situation befunden. Er sei über den gesamten in Rede stehenden Zeitraum krank gewesen. Überdies habe er in diesem Zeitraum auch seine kranke Frau gepflegt. Allerdings ist auch dieses Vorbringen des Beklagten pauschal und unsubstantiiert. Der Beklagte behauptet zudem nicht einmal selbst, durch die belastende private Situation während des gesamten Tatzeitraums völlig aus der Bahn geworfen gewesen zu sein. Hierfür ist auch aus den vorliegenden Akten nichts ersichtlich. Wie sich aus dem Gutachten des Herrn Dr. N4. vom 00. Dezember 2013 ergibt, hat der Beklagte bei seiner Untersuchung am 00. Dezember 2013 z.B. angegeben, seine Frau sei 2010 herzinsuffizient geworden; es habe geheißen, es helfe nur noch eine Transplantation. 2011 habe er ein Jahr unbezahlten Urlaub genommen, um seine Frau zu pflegen. Jetzt lebe sie aber immer noch, es gehe ihr besser. Das Ganze auch ohne Transplantation. Die Mediziner hätten hierfür keine Erklärung.
195(2)
196Da der Beklagte sich auch nicht auf einen Verbotsirrtum berufen kann (s.o.), scheidet eine entsprechende Berücksichtigung im Rahmen der nach § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW gebotenen Abwägung aus.
197(3)
198Einen durchgreifenden Milderungsgrund sieht die Disziplinarkammer auch nicht darin, dass das behördliche Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet worden ist (s.o.).
199Die verspätete Einleitung des Disziplinarverfahrens kann bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als mildernder Umstand zu berücksichtigen sein, wenn die verzögerte Einleitung für das weitere Fehlverhalten des Beamten ursächlich war.
200Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 – 2 C 60/17 -, juris, Rn. 21 m.w.N.
201Dies lässt sich aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles allerdings mit hinreichender Sicherheit ausschließen. Es bestehen keine vernünftigen Zweifel, dass der Beklagte sein pflichtwidriges Verhalten auch dann nicht beendet hätte, wenn der Kläger das Disziplinarverfahren entsprechend seiner Verpflichtung aus § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW rechtzeitig, nämlich spätestens am 15. April 2014, eingeleitet hätte.
202Hierfür spricht insbesondere, dass der Beklagte auch nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens am 23. Juli 2015 der mit Verfügung vom 00. März 2014 angeordneten Überprüfung von privatärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch den polizeiärztlichen Dienst nicht nachgekommen ist, sondern weiterhin lediglich privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht hat. Auch zuvor schon hatte sich der Beklagte weder durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts E. vom 15. Juli 2014, mit dem sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt wurde (Az.: 2 L 951/14), noch durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land O.- X. vom 21. August 2014, mit dem die Beschwerde gegen diese Entscheidung zurückgewiesen wurde (Az.: 6 B 910/14), beeindrucken lassen und ihn dazu bewogen, der Verfügung vom 00. März 2014 nunmehr nachzukommen. Auch der Verlustfeststellungsbescheid vom 00. September 2014 hat keine Änderung im Verhalten des Beklagten bewirken können – selbst nachdem der Antrag des Beklagten auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid durch Beschluss des Verwaltungsgerichts E. vom 10. November 2014 abgelehnt worden war (Az.: 26 L 2169/14) und das Oberverwaltungsgericht für das Land O.-X. die Beschwerde des Beklagten durch Beschluss vom 31. März 2015 zurückgewiesen hatte (Az.: 3 B 1387/14).
203(4)
204Das Vorbringen des Beklagten, der Kläger habe das Nichterscheinen zu amtsärztlichen Untersuchungen und das unentschuldigte Nichterscheinen zum Dienst nicht durch zunächst niederschwellige Maßnahmen – wie Verweis oder Geldbuße – unverzüglich geahndet und so pflichtenmahnend auf ihn eingewirkt, stellt ebenfalls keinen durchgreifenden Entlastungsgrund dar.
205Zwar verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere jeweils für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt.
206Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 – 2 C 60/17 -, juris, Rn. 30.
207Diese Überlegungen sind aber aus verschiedenen Gründen auf das vorliegende Verfahren nicht übertragbar. Bei dem vom Beklagten begangenen Dienstvergehen handelt es sich nicht um ein Dienstvergehen, das sich durch leichtere bis schwerere einzelne Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum auszeichnet, sondern es handelt sich um ein Dauerdelikt, das sich ohne Unterbrechung über den Zeitraum vom 00. Februar 2014 bis 00. November 2015 erstreckt. Es ist insofern nicht ersichtlich, wann der Dienstherr zeitnah zur begangenen Pflichtverletzung mit einer niederschwelligen disziplinaren Maßnahme auf den Beklagten hätte einwirken können, zumal im Disziplinarrecht der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens gilt.
208Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2021 – 2 A 9/20 -, juris, Rn. 3; Gansen in: Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, 34. Update November 2021, 2.8.1, Rn. 40.
209Hinzu kommt, dass selbst dann, wenn mit der Einleitung des Verlustfeststellungsverfahrens am 00. April 2014 gleichzeitig das behördliche Disziplinarverfahren eingeleitet worden wäre, dies voraussichtlich nicht zu einer zeitnahen niederschwelligen Disziplinarmaßnahme geführt hätte. Es ist vielmehr anzunehmen, dass der Dienstherr das behördliche Disziplinarverfahren wegen des laufenden Verlustfeststellungsverfahrens zunächst gemäß § 22 Abs. 2 LDG NRW ausgesetzt hätte. Danach kann das Disziplinarverfahren ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Bei dem Verlustfeststellungsverfahren handelt es sich um ein anderes gesetzlich geordnetes Verfahren und die Entscheidung in diesem Verfahren ist in einem sachgleichen Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung.
210Schließlich kann im Fall des Beklagten angesichts seiner hartnäckigen Weigerung, der Anordnung vom 00. März 2014 Folge zu leisten und privatärztliche Krankschreibungen durch den polizeiärztlichen Dienst überprüfen und die von ihm geltend gemachte Dienstunfähigkeit nachweisen zu lassen, ausgeschlossen werden, dass mit einer zeitnahen niederschwelligen Disziplinarmaßnahme pflichtenmahnend auf den Beklagten hätte eingewirkt werden können. Da sich der Beklagte weder durch gerichtliche Entscheidungen, noch durch die Einleitung des Verlustfeststellungsverfahrens, noch durch die Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens zu einer Änderung seines Verhaltens hat bewegen lassen, drängt sich der Eindruck einer fehlenden „Erreichbarkeit“ des Beklagten (auch) durch disziplinarrechtliche Maßnahmen auf.
211(5)
212Soweit der Beklagte eine mögliche Mitverursachung des Dienstvergehens durch den Dienstherrn bzw. ein Mitverschulden geltend macht, kann ihn dies ebenfalls nicht durchgreifend entlasten.
213Ein Mitverschulden von Vorgesetzten – etwa im Hinblick auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung der Dienstaufsicht – kann sich tatmildernd zugunsten des Beamten auswirken. Mangelnde Dienstaufsicht kann als Ursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme dann mildernd berücksichtigt werden, wenn Kontrollmaßnahmen durch Vorgesetzte aufgrund besonderer Umstände unerlässlich waren und pflichtwidrig unterlassen wurden.
214Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 – 2 WD 49/02 -, juris, Rn. 23; OVG NRW, Urteile vom 28. Juli 2021 – 3d A 2195/19.O -, juris, Rn. 169, und vom 25. Juni 2020 – 3d A 166/16.O -, juris, Rn. 124 m.w.N.
215Solche Umstände sind hier aber weder dargelegt, noch sonst ersichtlich. Soweit der Beklagte dem Kläger vorwirft, dieser habe nicht überwacht, ob er sich amtsärztlichen Untersuchungen unterziehen würde, trifft dieser Vorwurf nicht zu. Der Kläger hat kontrolliert, ob der Beklagte der Verfügung vom 00. März 2014 nachkommt. Anderenfalls hätte er z.B. kein Verlustfeststellungsverfahren einleiten können, nachdem der Beklagte – entgegen der Anordnung – weiterhin nur privatärztliche Krankschreibungen eingereicht hatte.
216Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, wie der Dienstherr auf ihn hätte einwirken können, um ihn dazu zu bewegen, der Anordnung vom 00. März 2014 nachzukommen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte bewusst und gewollt die Verfügung vom 00. März 2014 missachtet und sich nach der polizeiärztlichen Untersuchung Ende 2013 keiner weiteren derartigen Untersuchung mehr gestellt, sondern sich mit der Vorlage privatärztlicher Krankschreibungen zu seiner Arbeitsunfähigkeit begnügt hat, obwohl diese Verhaltensweise nach der Verfügung vom 00. März 2014 für den Dienstherrn offensichtlich und für jeden erkennbar ungenügend war. Eine mangelnde Dienstaufsicht oder gar ein Mitverschulden des Dienstherrn lässt sich insoweit jedenfalls nicht feststellen.
217(6)
218Für den Beklagten sprechen seine fehlende strafrechtliche und disziplinarrechtliche Vorbelastung sowie die langjährige unbeanstandete Dienstausübung.
219Allerdings führt das im Übrigen beanstandungsfreie dienstliche und außerdienstliche Verhalten weder für sich genommen noch in der Gesamtschau zu einem anderen Abwägungsergebnis. Eine langjährige Dienstleistung ohne Beanstandungen fällt jedenfalls bei einer gravierenden Dienstpflichtverletzung, wie sie hier in Rede steht, neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht mildernd ins Gewicht. Jeder Beamte ist verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das inner- und außendienstliche Verhalten abgesenkt werden. Weder die langjährige Beachtung der Dienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen sind deshalb geeignet, schwere Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen.
220Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2013 - 2 B 63/12 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteile vom 29. September 2021 – 3d A 148/20.O -, juris, Rn. 137, und vom 24. Juli 2020 – 3d A 1739/19.O -, juris, Rn. 127.
2213.
222Auch unter Berücksichtigung des Bemessungskriteriums „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ ist es wegen der Schwere des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe geboten, für das Fehlverhalten des Beklagten die disziplinare Höchstmaßnahme zu verhängen.
223Das Bemessungskriterium (§ 13 Abs. 2 Satz 3 LDG NRW) erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.
224Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Juli 2021 – 3d A 2195/19.O -, juris, Rn. 183 m.w.N.
225Die Würdigung aller Aspekte unter Beachtung auch dieses Kriteriums führt bei prognostischer Beurteilung zu der Bewertung, dass der Dienstherr und die Allgemeinheit dem Beklagten nach dem von ihm begangenen schweren Dienstvergehen (ausgehend von einem aktiven Beamten) kein Vertrauen mehr in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen können, weil die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums bei einem Fortbestehen des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen und der vollständige Vertrauensverlust nicht zu beheben ist. Der Beklagte hat gegen leicht einsehbare Pflichten im Kernbereich des Pflichtenkreises eines Beamten verstoßen, deren strikte Einhaltung auch in den Augen der Allgemeinheit von zentraler Bedeutung ist. Sein pflichtwidriges Verhalten hat sich über einen Zeitraum von ca. 22 Monaten hingezogen. Innerhalb dieses Zeitraums hat der Beklagte nicht von seinem pflichtwidrigen Handeln Abstand genommen, sondern an seinem Vorgehen unbeirrt festgehalten. Durch das festgestellte pflichtwidrige Verhalten hat er das Vertrauen von Dienstherrn und Allgemeinheit endgültig verloren. Er ist auch unter Berücksichtigung der für ihn sprechenden Gesichtspunkte als Beamter untragbar geworden. Wäre er noch im aktiven Dienst, wäre er aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen. Nach seiner Zurruhesetzung ist ihm das Ruhegehalt abzuerkennen.
226IV.
227Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insoweit hat die Disziplinarkammer die für den Beklagten eintretenden schwerwiegenden Folgen in persönlicher und auch finanzieller Hinsicht in seine Maßnahmeerwägungen einbezogen. Durch sein besonders schweres Fehlverhalten und mangels durchgreifender Milderungsgründe hat der Beklagte allerdings die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist dann die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Entsprechendes gilt für einen Ruhestandsbeamten. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein musste, dass er hiermit seine berufliche Existenz und die damit verbundene Pension aufs Spiel setzt.
228Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Juli 2020 – 3d A 1739/19.O -, juris, Rn. 132.
229Die Gesamtdauer des Disziplinarverfahrens von inzwischen annähernd sieben Jahren führt ebenfalls nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme. Die Dauer des Verlustfeststellungsverfahrens und des Disziplinarverfahrens bietet keine Handhabe, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist. Eine lange Dauer des Verfahrens ist nicht geeignet, das vom Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen.
230Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2014 – 2 B 66/14 -, juris, Rn. 7 m.w.N., und Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63/11 -, juris, Rn. 40.
231Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 1 VwGO.
232Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
233Rechtsmittelbelehrung:
234Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung Berufung an den Disziplinarsenat des Oberverwaltungsgerichts in Münster eingelegt werden. Die Berufung ist bei der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich einzulegen.
235Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
236Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
237In der Berufungsschrift ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen und anzugeben, inwieweit es angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden; die Anträge sind zu begründen.
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