Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - 4 K 5187/18

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine Baugenehmigung für die Änderung einer Nutzung in eine Wettannahmestelle.
Die Klägerin ist Testamentsvollstreckerin für die Erbengemeinschaft .... Diese ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.-Nr. ..., ...straße ..., Gemarkung der Beklagten. Für das betreffende Gebiet ist nach dem Bebauungsplan ... „...“ der Beklagten, der aus den 1960er Jahren stammt, ein Mischgebiet festgesetzt.
Der Beigeladene beantragte für das benachbarte Grundstück Flst.-Nr. ..., ...straße ..., am 13.03.2017 eine Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung in ein „Ladengeschäft für Wettannahme und Tabakverkauf (Hinweis: ohne Verweildauer)“. Nach den Planunterlagen soll das Ladengeschäft eine Nutzungsfläche von 34,11 qm, eine Toilette mit Vorraum sowie ein angrenzendes Büro mit einer Nutzungsfläche von 20,19 qm haben. Von dem Büro aus erreicht man über eine Wendeltreppe weitere im Keller gelegene Räumlichkeiten. Im Ladengeschäft sollen ausweislich des am 07.04.2017 eingereichten Betriebskonzepts drei Wettterminals aufgestellt sowie sogenannte Quotenmonitore aufgehängt werden; die Betriebszeiten sollen sich auf 10.00 bis 22.00 Uhr belaufen. Die Quotenmonitore seien zwingend erforderlich, denn nur so könnten sich die Besucher ausreichend über die Erfolgsaussichten ihrer Wette informieren. Die Anzahl der Monitore sei bei dem umfassenden Wettangebot zur Verkürzung der Wartezeiten geboten. TV-Monitore seien hingegen nicht geplant; es würden bewegte Bilder übertragen. Auf dem Hinterhof solle ein PKW-Stellplatz für Kunden errichtet werden.
Mit Schreiben vom 06.06.2017 erhob die Klägerin folgende Einwendungen: Die geplante Nutzungsänderung in ein Ladengeschäft sei rechtswidrig, da es sich bei dem Vorhaben nicht nur um eine Wettannahmestelle und damit einen sonstigen Gewerbebetrieb, sondern um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handele. Das Vorhaben lade unter anderem durch das Bereithalten einer Toilette, den Verkauf von Tabak sowie insbesondere das Anbieten von Live-Wetten zum Verweilen ein. Weiterhin sei aufgrund des Angebots an Wettterminals davon auszugehen, dass sich nach dem Betriebskonzept eine größere Gruppe Menschen im Ladengeschäft aufhalten und Wetten abschließen solle. Weiterhin sei diese Vergnügungsstätte auch kerngebietstypisch. Dabei sei insbesondere der Störungsgrad der Vergnügungsstätte maßgeblich für ihre Unverträglichkeit. Es könne nicht auf einen festen Schwellenwert wie bei Spielhallen abgestellt werden. Aufgrund der Planungen und der näheren Umgebung (unter anderem ein Döner-Imbiss und eine Shisha-Bar) sei von einer erhöhten Kundenfrequenz auszugehen. Die vorhandenen und geplanten Vergnügungsstätten führten insgesamt zu einer Magnetwirkung und damit zu mehr Unruhe im Gebiet. Weiterhin verstärke das geplante Wettbüro den bereits im Stadtteil zu beobachtenden Trading-Down-Effekt. Schließlich seien nicht ausreichend PKW-Stellplätze nachgewiesen, da der Beigeladene derzeit von nur einem Stellplatz ausgehe. Mehr als zwei PKWs könnten auf dem Hofgrundstück nicht parken, ohne dass es zu Schwierigkeiten beim Ein- und Ausparken käme.
Am 27.07.2017 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung auf dem Flst.-Nr. ... und wies die Einwendungen der Klägerin zurück: Unter Zugrundelegung des Betriebskonzepts des Beigeladenen sei nicht von einer Vergnügungsstätte, sondern von einer Wettannahmestelle auszugehen. Dafür spreche zum einen die geringe Größe des Ladengeschäfts. Zum anderen sei die Wettannahmestelle nicht auf das Verweilen von Kunden angelegt. Es fehlten Sitzmöglichkeiten; auch würden keine Speisen oder (alkoholische) Getränke verkauft. Die Toiletten müssten für die Beschäftigten vorgehalten werden. Schließlich sei ein PKW-Stellplatz ausreichend.
Gegen die Baugenehmigung legte die Klägerin am 08.08.2017 Widerspruch ein und vertiefte ihre Argumentation: Die PKW-Stellplätze seien unzureichend. Die Baurechtsbehörde habe sich das Betriebskonzept des Beigeladenen zu eigen gemacht, ohne dieses auf Plausibilität zu überprüfen. Dabei verkenne sie, dass gerade die zeitsparende Wettabwicklung zu neuen Wetten führe. Die angebotenen Live-Wetten lüden zum Verweilen ein, sodass die Schwelle zur Vergnügungsstätte überschritten sei. Das Betriebskonzept sehe auch nicht vor, dass die Toiletten lediglich den Mitarbeitern zur Verfügung stünden.
Mit weiteren Schreiben vom 04.09.2017 und vom 06.09.2017 machte die Klägerin geltend, dass die mittlerweile in Betrieb genommene Wettannahmestelle von den Angaben im Betriebskonzept abweiche. So seien tatsächlich neun Monitore aufgehängt und vier Wettterminals aufgestellt worden. Weiterhin sei das Büro im hinteren Teil des Ladengeschäfts deutlich kleiner abgetrennt worden als in den Planungsunterlagen ursprünglich angegeben und es werde auch von Kunden genutzt. Die Beklagte habe daher die Abnahme zu verweigern und eine Nutzungsuntersagung zu verfügen. Bei der Abnahme am 07.09.2017 stellte die Beklagte unter anderem fest, dass insgesamt vier Wettterminals aufgestellt und zehn Bildschirme aufgehängt waren. Außerdem sei ein Kaffeeautomat im Ladengeschäft aufgestellt worden und der vorgesehene Tresen befinde sich, in Abweichung zu den Planungsunterlagen, nicht im Ladengeschäft selbst, sondern als Durchreiche auf der als Büro vorgesehenen Fläche. Die Schlussabnahme erfolgte am 19.10.2017. Bei einer weiteren Kontrolle am 07.11.2017 stellte die Beklagte fest, dass ein LED-TV im Ladengeschäft angebracht worden war. Die Tür zum Büro war geschlossen; dort stand eine Kaffeemaschine, die nicht in Betrieb war. Dass die Toilette nur für Personal zur Verfügung stehe, war nicht kenntlich gemacht. Die Betriebszeiten der Wettannahmestelle waren mit täglich von 11.00 bis 22.30 Uhr ausgewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2018, zugestellt am 31.08.2018, wies das Regierungspräsidium ... den Widerspruch zurück und führte aus: Genehmigt sei eine Vergnügungsstätte. Eine fernmündliche Auskunft des Beigeladenen habe ergeben, dass Franchisegeber die Firma ... sei. Das genehmigte Angebot umfasse danach die Vermittlung von Live-Wetten. Die genehmigte Vergnügungsstätte sei aber nichtkerngebietstypisch und deshalb im Mischgebiet nach Maßgabe der bei Beschluss des Bebauungsplans geltenden Fassung des § 6 BauNVO zulässig. Eine abweichende Bauausführung führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Einwendungen bezüglich der Stellplatzberechnung entfalteten keine drittschützende Wirkung.
Die Klägerin hat am 29.08.2018 Klage erhoben. Sie trägt vor: Der Bebauungsplan sei unwirksam, da er nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden sei. Das Vorhaben des Beigeladenen, bei dem es sich um eine Vergnügungsstätte handele, liege in einem faktischen Mischgebiet. Jedoch sei der Gebietsteil, in welchem sich das Vorhaben befinde, nicht überwiegend gewerblich geprägt. Bei dieser Bewertung sei auch die gegenüberliegende (östliche) Seite der ...straße einzubeziehen, in welcher die Wohnnutzung weit überwiege. Gewerbliche Nutzungen beschränkten sich auf der westlichen Straßenseite ohnehin allenfalls auf das Erdgeschoss. Hinsichtlich der Frage, ob es sich um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handele, könne nicht allein auf einen Schwellenwert für Spielhallen zurückgegriffen werden, sondern es seien vielmehr weitere Beurteilungskriterien heranzuziehen. Entscheidend sei, ob sich die Spielhalle als zentrales Dienstleistungsunternehmen im Unterhaltungsbereich darstelle und auf einen größeren Einzugsbereich angelegt sei. Auch die konkrete Verkehrsanbindung sei ein wesentliches Kriterium. So sei das Vorhaben des Beigeladenen aufgrund der Nähe zur Bundesstraße und zur Autobahn schnell von einer Vielzahl potentieller Kunden erreichbar. Bei Wettbüros sei der potenzielle Einzugsbereich weiter zu ziehen als etwa bei Spielhallen, die in der Bevölkerung verbreiteter nachgefragt würden. Eine mit Quotenmonitoren ausgestattete und auf den Abschluss von Live-Wetten ausgerichtete Wettvermittlungsstelle sei auch dann als Vergnügungsstätte zu qualifizieren, wenn es an Sitzgelegenheiten, TV-Bildschirmen oder dem Ausschank von Getränken und Speisen fehle. Die Vielzahl der im Umfeld bereits betriebenen Wettbüros zeige schließlich, dass diese einem größeren Einzugsbereich zur Verfügung stünden. In der unmittelbaren Umgebung zum Vorhaben würden bereits zumindest drei weitere Wettbüros (..., ...straße 19; ..., ... Straße ...; ..., ... Straße ...) sowie zwei Spielotheken betrieben (...straße ... und ...). Aufgrund des einsetzenden Trading-Down-Effekts liege ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 BauNVO vor. Da keine Ermessensreduzierung auf Null angenommen werden könne, sei das Vorhaben auch nicht ausnahmsweise zulässig.
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Die Klägerin beantragt,
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die Baugenehmigung der Beklagten vom 27.07.2017 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 27.07.2018 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt die Bescheide und trägt ergänzend vor: Der Bebauungsplan sei wohl unwirksam, da sich die erforderliche „gedankliche Schnur“ zwischen Satzungsbeschluss und Planzeichnung nicht herstellen lasse. Die nähere Umgebung des Bauvorhabens entspreche jedoch einem Mischgebiet. Der Gebietsteil, in welchem das klägerische Vorhaben belegen ist, sei überwiegend gewerblich geprägt. Aufgrund der gewerblichen Nutzungen in den Erdgeschossen ergebe sich der Eindruck, dass es sich bei der ...straße in diesem Teil um eine Geschäftsstraße und nicht umgekehrt um eine Wohnstraße handele. Dem Vorhaben des Beigeladenen fehle auch die Kerngebietstypizität. Neben der Größe des Betriebs könne auch auf die zur Verfügung stehenden Benutzerplätze abgestellt werden. Bei der Ausstattung der Wettannahmestelle des Beigeladenen könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich mehr als 20 Personen über einen längeren Zeitraum im Ladengeschäft aufhielten. Eine weitreichende Erreichbarkeit aufgrund guter Verkehrsanbindung könne nicht angenommen werden. Vielmehr zähle das Gebiet zu den am dichtesten besiedelten Gebieten in der Stadt. Die von Klägerseite benannten weiteren Wettbüros befänden sich nicht in unmittelbarer Nähe des Vorhabens. Im Ergebnis komme es daher nicht darauf an, ob das Vorhaben ausnahmsweise aufgrund einer „Ermessensreduzierung auf Null“ zugelassen werden könnte. Es entspreche jedoch ständiger Rechtsprechung, dass sich das Ausnahmeermessen auf „Null“ reduziere, wenn keine städtebaulichen Gründe, die nicht bereits von § 15 Abs. 1 BauNVO erfasst seien, einer Ausnahme entgegenstünden.
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Der Beigeladene trägt vor: Es liege schon keine Vergnügungsstätte vor. Die Beklagte habe eine Wettannahmestelle und kein Wettbüro genehmigt. Der faktische Betrieb weiche auch nicht wesentlich vom ursprünglich veranlagten Betriebskonzept ab. Jedenfalls aber fehle es dem Vorhaben an einer Kerngebietstypizität. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor, da keine Prägung des Gebiets in Richtung auf ein Sondergebiet „Vergnügungsviertel“ vorliege. Die benannten Wettbüros lägen schon nicht in unmittelbarer Umgebung des Vorhabens. Ein Trading-Down-Effekt könne daher nicht angenommen werden. Wesentliche Störungen gingen vom Vorhaben des Beigeladenen nicht aus. Der Störungsgrad halte sich in mischgebietsverträglichen Grenzen.
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Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung am 29.05.2019 das Vorhaben und seine nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.
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Dem Gericht haben je ein Band Verwaltungsakten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Freiburg sowie die Bebauungsplanakten „...“ (zwei Bände) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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I. Die Anfechtungsklage ist statthaft (vgl. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) und auch im Übrigen zulässig. Denn die Klägerin, welche als Testamentsvollstreckerin prozessstandschaftlich die Erbengemeinschaft vertritt (vgl. §§ 2197 ff., insb. § 2212 BGB), könnte als Angrenzerin des Vorhabens des Beigeladenen möglicherweise in nachbarschützenden Normen verletzt sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).
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II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn das Vorhaben und damit die angefochtene Baugenehmigung vom 27.07.2018 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 27.07.2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei ist der Prüfungsumfang des Gerichts auf nachbarschützende Vorschriften, insbesondere des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts, beschränkt.
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1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 34 BauGB und nicht nach § 30 BauGB, weil der für das Flst.-Nr. ... einschlägige Bebauungsplan ... „...“ unwirksam ist. Er leidet unter formalen Mängeln; es fehlt an einer rechtmäßigen Ausfertigung, die Voraussetzung für eine ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.08.1984 - 5 S 3119/83 -, NVwZ 1985, 206; vgl. auch, zu Verordnungen, Urt. v. 24.10.2013 - 1 S 347/13 -, juris Rn. 53). Dies ergibt sich aus Folgendem:
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Die zugehörige Planmappe der Beklagten enthält zwei Planzeichnungen: eine mit Datum vom 02.12.1964 und eine datierend auf den 21.12.1965. Auf der ersten ist der Hinweis angebracht „Überholt durch den Plan vom 21. Dez. 1965“. Beide Planzeichnungen sind vom damaligen (Bau-)Bürgermeister ... ohne Angabe eines Datums unterschrieben. Der Plan vom 21.12.1965 enthält zudem den Hinweis „Zur Offenlegung vom 7.1.1966 bis 18.2.1966. Er ersetzt den Plan vom 2. Dezember 1964.“ Außerdem trägt er einen Genehmigungsvermerk des Regierungspräsidiums ... vom 29.08.1966 sowie einen Vermerk über die Bekanntmachung der Genehmigung und Auslegung des Plans aus dem September 1966. Damit liegt zwar nahe, dass der Gemeinderat der Beklagten den Lageplan in der Fassung vom 21.12.1965 beschlossen hat. Beurkundet wird dies vom zuständigen Bürgermeister mit seiner Unterschrift jedoch nicht, da nicht ersichtlich ist, dass er diese Unterschrift erst nach dem Satzungsbeschluss beigefügt hat. Im Übrigen fehlt seine Unterschrift auf den zugehörigen Bebauungsvorschriften.
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Auch eine „gedankliche Schnur“ zwischen Satzungsbeschluss bzw. etwaigen Gemeinderatsprotokollen und Planzeichnung und zugehörigen textlichen Festsetzungen, die für eine rechtmäßige Ausfertigung eines Bebauungsplans grundsätzlich genügen könnte, indem es den Bebauungsplan mit der nötigen Klarheit in Bezug nimmt, kann nicht hergestellt werden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.11.2017 - 5 S 1006/16 -, juris Rn. 43; Urt. v. 15.06.2016 - 5 S 1375/14 -, juris Rn. 36). In der Planmappe findet sich zwar eine Kopie der vom Oberbürgermeister der Beklagten am 07.06.1966 unterschriebenen Satzung. Im Satzungstext wird jedoch auf den Plan von 02.12.1964 verwiesen und nicht auf den vom Regierungspräsidium genehmigten Plan vom 21.12.1965. Zudem wird dort auf die Bebauungsvorschriften (textlichen Festsetzungen) verwiesen, ohne dass klar würde, welche Fassung gelten soll.
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2. Das Vorhaben des Beigeladenen ist jedoch nach § 34 Abs. 2, § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO ausnahmsweise bauplanungsrechtlich zulässig.
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Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist – in Ermangelung eines Bebauungsplans – ein Vorhaben nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden.
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Festsetzungen im Bebauungsplan vermitteln Drittschutz grundsätzlich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (Gebietserhaltungsanspruch). Dieser Drittschutz gilt auch für faktische Baugebiete im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.08.2013 - 4 B 39.13 -, juris Rn. 3; Beschl. v. 22.12.2011 - 4 B 32.11 -, juris Rn. 5).
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a) Für die Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB sind zunächst, aber nicht nur, die unmittelbaren Nachbargrundstücke von Bedeutung. Die räumlichen Grenzen der näheren Umgebung sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 34 Rn. 21). Dabei reicht die nähere Umgebung so weit, wie sich – erstens – die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und – zweitens – wie die Umgebung ihrerseits die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks prägt (BVerwG, Urt. v. 26.05.1978 - IV C 9.77 -, juris Rn. 33 f.).
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Die nähere Umgebung des Grundstücks Flst.-Nr. ..., ...straße ..., auf dem das Vorhaben des Beigeladenen belegen ist, entspricht einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO. Ein Mischgebiet ist geprägt durch das Nebeneinander von Wohnnutzung und nichtstörenden Gewerbebetrieben (§ 6 Abs. 1 BauNVO). Als nähere Umgebung kann insoweit die (unbeplante) westliche Seite der ...straße zwischen ...straße (im Norden) und ...straße (im Süden) herangezogen werden. Hier finden sich in den oberen Stockwerken vor allem Wohnnutzung und im Erdgeschoss teilweise (nicht störende) gewerbliche Nutzung, sodass ein für Mischgebiete typisches Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungsarten besteht.
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b) In dem (faktischen) Mischgebiet sind gemäß § 6 Abs. 2 BauNVO unter anderem Einzelhandelsbetriebe (Nr. 3) und sonstige Gewerbebetriebe (Nr. 4) sowie nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätten in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind (Nr. 8), zulässig.
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aa) Bei dem Vorhaben des Beigeladenen handelt es sich um eine Vergnügungsstätte im Sinne der BauNVO. Vergnügungsstätten sind auf kommerzielle Unterhaltung ausgerichtete besondere Gewerbebetriebe, die in unterschiedlicher Form unter Ansprache oder Ausnutzung des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs einer bestimmten auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung gewidmet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.09.2018 - 3 S 778/18 -, juris Rn. 30 m.w.N.). Für die Einordnung ist dabei grundsätzlich vom Bauantrag sowie den eingereichten und genehmigten Bauvorlagen und nicht von später eingetretenen Umständen auszugehen. Die Einordnung als Vergnügungsstätte ergibt sich für das Vorhaben des Beigeladenen aus der Auslegung des eingereichten Betriebskonzepts, ein Durchgriff auf den wirklichen Nutzungszweck kommt damit nicht in Betracht (dazu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.08.2017 - 3 S 1102/17 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urt. v. 25.08.2011 - 2 A 38/10 -, juris).
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Das vorgelegte Nutzungskonzept des Beigeladenen bedarf der Auslegung. Deshalb fehlt es noch nicht an der Bestimmtheit der Bauvorlagen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.08.2017 - 3 S 1102/07 -, juris Rn. 20 ff.). Bezeichnet ist das Vorhaben im Bauantrag als „Ladengeschäft für Wettannahme und Tabakverkauf (Hinweis: ohne Verweildauer)“. Entscheidend ist allerdings, was nach den eingereichten Unterlagen und nachfolgenden Ergänzungen als Betriebsweise für das Vorhaben in Betracht gezogen werden muss (OVG NRW, Urt. v. 13.12.2017 - 7 A 880/16 -, juris Rn. 47).
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Nach den Bauvorlagen besteht das Vorhaben aus einem Raum mit drei Wettterminals einer Theke sowie sogenannten Quotenmonitoren. TV-Monitore seien hingegen nicht geplant; es würden keine bewegten Bilder übertragen. Aus dem Widerspruchsbescheid ergibt sich ferner, dass, nach einer Auskunft des Beigeladenen, Franchisegeber die Firma ... sei. Dessen Wettangebot umfasst typischerweise auch Live-Wetten. Dass dieses Angebot an den Wettterminals nicht zur Verfügung stehe, ergibt sich aus den Unterlagen hingegen gerade nicht. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass eine auf diese Art und Weise mit Quotenmonitoren ausgestattete und damit auf den Abschluss von Live-Wetten (technisch) ausgerichtete Wettvermittlungsstelle überwiegend der kommerziellen Unterhaltung unter Ansprache des Spieltriebs dient und damit als Vergnügungsstätte zu qualifizieren ist. Das gilt ferner auch dann, wenn es – wie hier – an Sitzgelegenheiten oder TV-Bildschirmen zur Übertragung von Sportereignissen fehlt, keine Getränke ausgeschenkt oder Speisen verkauft werden. Eine solche Ausstattung, das Bereitstellen von Getränken und Speisen oder auch das Vorhalten von Unterhaltungsspielen sind lediglich (weitere) Indizien für das Vorliegen einer Vergnügungsstätte, aber keine unabdingbare Voraussetzung hierfür (ebenso VGH Bad.-Württ, Urt. v. 18.09.2018 - 3 S 778/18 -, juris Rn. 50 m.w.N.; Bayer. VGH, Beschl. v. 21.05.2015 - 15 CS 15.9 -, juris; OVG NRW, Urt. v. 13.12.2017 - 7 A 880/16 -, juris). Auch dem Zweck „keine Verweildauer“, der lediglich ausdrückt, dass keine Sitzgelegenheiten geschaffen werden, kommt nicht die Bedeutung zu, dass Live-Wetten ausgeschlossen wären. Er bildet kein trennscharfes, rechtlich handhabbares Abgrenzungskriterium für die Frage, ob ein Vorhaben als herkömmlicher Gewerbebetrieb oder als Vergnügungsstätte genehmigt worden ist.
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bb) Weiterhin handelt es sich beim Vorhaben des Beigeladenen nicht etwa um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Typisch für Kerngebiete ist eine Vergnügungsstätte, wie das Vorhaben des Beigeladenen, dann, wenn sie als zentraler Dienstleistungsbetrieb einen größeren Einzugsbereich besitzt und für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar ist oder jedenfalls erreichbar sein soll. Für die Beurteilung des Störpotenzials der Vergnügungsstätte und damit auch einer Kerngebietstypizität kommt es maßgeblich auf die Betriebsgröße als Indikator für ihre Bedeutung, die Größe ihres Einzugsbereichs und die Erreichbarkeit für ein größeres und allgemeines Publikum an. Hierbei handelt es sich freilich nur um einen wesentlichen Anhalt, denn maßgeblich ist letztlich die im jeweiligen Einzelfall auf der Einschätzung der tatsächlichen örtlichen Situation beruhende Beurteilung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.09.2018 - 8 S 2254/17 -, juris Rn. 48 m.w.N.). Bei Spielhallen wird in der Rechtsprechung regelmäßig auf einen Schwellenwert von 100 qm abgestellt, der gelegentlich auch auf Wettbüros übertragen wird (OVG Berlin-Brandenbg., Beschl. v. 29.01.2018 - OVG 2 S 37.17 -, juris Rn. 12; vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 22.03.2018 - 9 K 2588/15 -, juris Rn. 39). Teilweise wird dies jedoch mit guten Gründen in Zweifel gezogen und jedenfalls für Spielhallen vor allem auf die zur Verfügung stehenden Benutzerplätze abgestellt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.02.2011 - 3 S 445/09 -, juris Rn. 31), wobei eine Kerngebietstypizität abhängig von weiteren Indizien wohl erst über (etwa) zwanzig Plätzen angenommen werden kann.
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Hier ist aufgrund der eher geringen Größe (34,11 qm) und der Anzahl an Benutzerplätzen davon auszugehen, dass das Vorhaben noch nicht kerngebietstypisch ist. Daran ändert die Zahl von drei Wettterminals, an denen gegebenenfalls gleichzeitig mehrere Nutzer spielen können, nichts. Auch im Übrigen ergeben sich nach den maßgeblichen Bauvorlagen keine ausreichenden Anzeichen dafür, dass das Vorhaben auf das Verweilen vieler Kunden angelegt ist: Es bestehen keine Sitzmöglichkeiten, Getränke werden nicht angeboten und die Toilette soll nur den Angestellten zur Verfügung stehen. Die Wettannahmestelle des Beigeladenen hat auch keine derartig gute Verkehrsanbindung, als dass eine abweichende Beurteilung gerechtfertigt wäre (vgl. VG Köln, Urt. v. 15.08.2017 - 2 K 5567/15 -, juris Rn. 70). Die Auffahrt zur Bundesstraße ... ist nur über die vielbefahrene und zu Teilen verkehrsberuhigte ...straße möglich. In unmittelbarer Umgebung befinden sich kaum frei verfügbare Parkplätze, da es sich um eine dichtbesiedelte und stark frequentierte Gegend handelt.
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cc) Das Vorhaben ist dennoch nicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO allgemein zulässig. Denn der Gebietsteil, in welchem das Vorhaben des Beigeladenen liegt, ist – wie der Ortstermin gezeigt hat – nicht durch überwiegend gewerbliche Nutzungen geprägt. Bei der im Rahmen des § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO vorzunehmenden Beurteilung, ob ein Gebietsteil eines Mischgebietes überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt ist, ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BVerwG, Beschl. v. 13.06.2005 - 4 B 36.05 -, juris). Eine überwiegend gewerbliche Nutzung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn im Wesentlichen nur in den Erdgeschossen Läden und Gastwirtschaften betrieben werden, im Übrigen aber Wohnnutzung vorliegt und einzelne Gebäude ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.1993 - 8 S 1609/92 -, juris).
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Bei ganzheitlicher Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten im maßgeblichen Umfeld ergibt sich keine überwiegende Prägung durch gewerbliche Nutzung. Mischgebiete sind zwar durch das Nebeneinander von Wohn- und Gewerbenutzung geprägt, im vorliegenden Gebietsteil liegt jedoch trotz des durchaus vorhandenen Gewerbes (noch) kein Überwiegen der gewerblichen Nutzung vor. Die Kammer geht zwar davon aus, dass der ...straße aufgrund der Befahrungsintensität trennende Wirkung zukommt, sodass für die Beurteilung nur ihre westliche Seite maßgeblich ist. Dort finden sich jedoch nur im Erdgeschoss gewerbliche Nutzungen und dies nicht etwa durchgehend. So findet sich im Erdgeschoss der Gebäude ... Wohnnutzung. Insgesamt entsteht im maßgeblichen Abschnitt der ...straße nicht der Eindruck, es handele sich um eine Geschäftsstraße, in der lediglich auch gewohnt wird (vgl. Bayer. VGH, Urt. v. 18.08.1995 - 26 B 94.952 - juris Rn. 19).
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dd) Die Zulassung des Vorhabens des Beigeladenen scheitert auch nicht im Einzelfall an § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Nach dieser Vorschrift sind die bei den einzelnen Baugebieten aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage und Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dem Vorhaben kann jedoch kein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch, der in § 15 Abs. 1 BauNVO Ausdruck findet, durch einen (drohenden) Trading-Down-Effekt entgegengehalten werden (zur Anwendbarkeit auf faktische Baugebiete BVerwG, Beschl. v. 16.12.2008 - 4 B 68.08 -, juris Rn. 4). Für die Bauleitplanung ist geklärt, dass die Verhinderung eines solchen Effekts einen besonderen städtebaulichen Grund im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO darstellt, der den Ausschluss von bestimmten Unterarten von Vergnügungsstätten rechtfertigen kann. Ob ein solcher Trading-Down-Effekt zu bejahen ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen der städtebaulichen Konfliktlage, die es mit der (Änderungs-)Planung zu bewältigen gilt. Das Bundesverwaltungsgericht geht in diesem Zusammenhang allerdings davon aus, dass es einem allgemeinen städtebaulichen Erfahrungssatz entspricht, dass sich Vergnügungsstätten negativ auf ihre Umgebung auswirken können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.09.2008 - 4 BN 9.08 - juris Rn. 8; zum Ganzen VG Karlsruhe, Urt. v. 22.03.2018 - 9 K 2588/15 -, juris Rn. 46 ff.). Für die Rechtfertigung eines Ausschlusses von bestimmten Vergnügungsstätten nach § 1 Abs. 9 BauNVO ist daher der strenge Nachweis eines Trading-Down-Effekt nicht erforderlich. Die Bauleitplanung ist zukunftsgerichtet und auf Vorsorge ausgerichtet. Daher genügt es für die Annahme eines den Ausschluss bestimmter Unterarten von Vergnügungsstätten rechtfertigenden besonderen städtebaulichen Grunds, wenn der Plangeber hiermit einer abstrakt auf der Grundlage allgemeiner städtebaulicher Erfahrungssätze drohenden Gefahr eines Attraktivitätsverlusts und einer Imageverschlechterung und letztlich des „Umkippens“ des Kerngebiets in ein Vergnügungsviertel begegnen will. Anders ist dies, wenn es – wie hier – um die Zulassung eines bestimmten Vorhabens geht. Diesem kann ein Trading-Down-Effekt – als ein Umstand, der einen Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO begründet – nur dann entgegengehalten werden, wenn dieser tatsächlich bereits eingetreten ist und durch die Zulassung des Vorhabens verstärkt würde oder wenn die Zulassung des Vorhabens jedenfalls nachweislich einen Trading-Down-Effekt einleitete (OVG NRW, Urt. v. 25.03.2014 - 2 A 2679/12 -, juris Rn. 118; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.11.2003 - 5 S 2726/02 -, juris Rn. 40). Ab wann in einem solchen Fall von einem Trading-Down-Effekt auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, etwa durch Angabe einer bestimmten Anzahl solcher Vergnügungsstätten, sondern nur mit Blick auf die Umstände des konkreten Einzelfalls beantworten (dazu BVerwG, Beschl. v. 04.09.2008 - 4 BN 9.08 -, juris).
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Für die Einleitung eines Trading-Down-Effekts infolge der Zulassung der beantragten Vergnügungsstätte ist jedoch bislang nichts ersichtlich. Auch die Klägerin verweist insoweit vielmehr lediglich allgemein auf die Gefahr eines solchen Effekts („städtebaulicher Erfahrungssatz“) bei der Häufung von Vergnügungsstätten in einem bestimmten Gebiet. Zwar finden sich durchaus weitere Vergnügungsstätten im Stadtteil „...“. Allerdings liegen diese nicht in der engeren maßgeblichen Umgebung des Vorhabens des Beigeladenen und des Grundstücks der Klägerin. Soweit die Klägerin auf die benachbarten Gaststätten hinweist, die von Besuchern der Wettannahmestelle aufgesucht würden, können diese im Mischgebiet regelhaft zulässigen Betriebe (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) einen Trading-Down-Effekt nicht begründen. Ihren Auswirkungen, einer durch sie etwa begründeten städtebaulichen Unruhe, wäre ggf. über § 15 Abs. 2 BauNVO zu begegnen.
40 
ee) Das Vorhaben des Beigeladenen ist nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässig, da der Beigeladene einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zulassung des Vorhabens hat. Nach § 31 Abs. 1 BauGB, der aufgrund des Verweises in § 34 Abs. 2 BauGB auch für faktische Baugebiete entsprechend Anwendung findet, können von den Festsetzungen des Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Da diese dem Zweck der Ermächtigung entsprechend zu treffen ist (§ 40 LVwVfG), können insoweit nur städtebauliche Gründe berücksichtigt werden. Eine Ausnahme ist im Bebauungsplan bzw. im Gebietscharakter selbst angelegt, sodass sie sich nicht allein auf die Zulassung von Vorhaben in atypischen Einzelfällen beschränkt. Ausnahmen sind teilweise für die sinnvolle Nutzung eines Baugebiets wünschenswert. Andererseits besteht die Möglichkeit diese Nutzungen im Rahmen der Planung einzuschränken (vgl. § 1 Abs. 9 BauNVO). Eine Ausnahme darf aber auch nicht dazu dienen, den Bebauungsplan bzw. den Gebietscharakter in seinen Grundzügen zu verändern. Ausnahmsweise zugelassene Vorhaben müssen quantitativ deutlich hinter der Regelbebauung zurückbleiben. Sie dürfen keine prägende Wirkung auf das Baugebiet haben. Eine Versagung kommt demnach nur in Betracht, wenn die Gemeinde hierfür beachtliche städtebauliche Gründe anführen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.11.2003 - 5 S 2726/02 -, juris Rn. 40 f.; Urt. v. 31.01.1997 - 8 S 3167/96 -, juris Rn. 22; Bayer. VGH, Urt. v. 15.12.2010 - 2 B 09.2419 -, juris Rn. 39; VG Karlsruhe, Urt. v. 22.03.2018 - 9 K 2588/15 -, juris; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Bd. 2, 75. EGL 2010, § 31 Rn. 20 ff.). Da vorliegend städtebauliche Gründe, die nicht bereits über § 15 Abs. 1 BauNVO Berücksichtigung finden könnten, nicht vorgetragen und auch im Übrigen nicht ersichtlich sind, bleibt für eine ablehnende Ermessensentscheidung kein Raum („Ermessensreduktion auf Null“).
41 
3. Soweit die Klägerin auf fehlende Stellplätze hinweist, kommt dem Stellplatzerfordernis (vgl. § 37 LBO) grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung zu. Denn die Pflicht zur Herstellung notwendiger Stellplätze dient allein dem öffentlichen Interesse an der Entlastung öffentlicher Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr. Ein nachbarschützender Verstoß gegen die Verpflichtung zur Errichtung der für eine ordnungsgemäße Nutzung notwendigen Stellplätze liegt erst dann vor, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn – auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung seines Grundstücks – bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind (zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.01.2008 - 3 S 2773/07 -, juris). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
42 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Gründe für die Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO) liegen keine vor.
43 
Beschluss vom 24.06.2019
44 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500,- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013), wobei die Kammer das wirtschaftliche Interesse an der Anfechtung der Nutzungsänderung innerhalb des vorgegebenen Streitwertrahmens als eher gering einstuft (vgl. allgemein dazu VGH Bad.-Württ., 06.06.2017 - 8 S 1041/17 -, juris).
45 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit betreffend den Streitwert wird auf § 68 GKG verwiesen.

Gründe

 
20 
I. Die Anfechtungsklage ist statthaft (vgl. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) und auch im Übrigen zulässig. Denn die Klägerin, welche als Testamentsvollstreckerin prozessstandschaftlich die Erbengemeinschaft vertritt (vgl. §§ 2197 ff., insb. § 2212 BGB), könnte als Angrenzerin des Vorhabens des Beigeladenen möglicherweise in nachbarschützenden Normen verletzt sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).
21 
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn das Vorhaben und damit die angefochtene Baugenehmigung vom 27.07.2018 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 27.07.2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei ist der Prüfungsumfang des Gerichts auf nachbarschützende Vorschriften, insbesondere des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts, beschränkt.
22 
1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 34 BauGB und nicht nach § 30 BauGB, weil der für das Flst.-Nr. ... einschlägige Bebauungsplan ... „...“ unwirksam ist. Er leidet unter formalen Mängeln; es fehlt an einer rechtmäßigen Ausfertigung, die Voraussetzung für eine ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.08.1984 - 5 S 3119/83 -, NVwZ 1985, 206; vgl. auch, zu Verordnungen, Urt. v. 24.10.2013 - 1 S 347/13 -, juris Rn. 53). Dies ergibt sich aus Folgendem:
23 
Die zugehörige Planmappe der Beklagten enthält zwei Planzeichnungen: eine mit Datum vom 02.12.1964 und eine datierend auf den 21.12.1965. Auf der ersten ist der Hinweis angebracht „Überholt durch den Plan vom 21. Dez. 1965“. Beide Planzeichnungen sind vom damaligen (Bau-)Bürgermeister ... ohne Angabe eines Datums unterschrieben. Der Plan vom 21.12.1965 enthält zudem den Hinweis „Zur Offenlegung vom 7.1.1966 bis 18.2.1966. Er ersetzt den Plan vom 2. Dezember 1964.“ Außerdem trägt er einen Genehmigungsvermerk des Regierungspräsidiums ... vom 29.08.1966 sowie einen Vermerk über die Bekanntmachung der Genehmigung und Auslegung des Plans aus dem September 1966. Damit liegt zwar nahe, dass der Gemeinderat der Beklagten den Lageplan in der Fassung vom 21.12.1965 beschlossen hat. Beurkundet wird dies vom zuständigen Bürgermeister mit seiner Unterschrift jedoch nicht, da nicht ersichtlich ist, dass er diese Unterschrift erst nach dem Satzungsbeschluss beigefügt hat. Im Übrigen fehlt seine Unterschrift auf den zugehörigen Bebauungsvorschriften.
24 
Auch eine „gedankliche Schnur“ zwischen Satzungsbeschluss bzw. etwaigen Gemeinderatsprotokollen und Planzeichnung und zugehörigen textlichen Festsetzungen, die für eine rechtmäßige Ausfertigung eines Bebauungsplans grundsätzlich genügen könnte, indem es den Bebauungsplan mit der nötigen Klarheit in Bezug nimmt, kann nicht hergestellt werden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.11.2017 - 5 S 1006/16 -, juris Rn. 43; Urt. v. 15.06.2016 - 5 S 1375/14 -, juris Rn. 36). In der Planmappe findet sich zwar eine Kopie der vom Oberbürgermeister der Beklagten am 07.06.1966 unterschriebenen Satzung. Im Satzungstext wird jedoch auf den Plan von 02.12.1964 verwiesen und nicht auf den vom Regierungspräsidium genehmigten Plan vom 21.12.1965. Zudem wird dort auf die Bebauungsvorschriften (textlichen Festsetzungen) verwiesen, ohne dass klar würde, welche Fassung gelten soll.
25 
2. Das Vorhaben des Beigeladenen ist jedoch nach § 34 Abs. 2, § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO ausnahmsweise bauplanungsrechtlich zulässig.
26 
Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist – in Ermangelung eines Bebauungsplans – ein Vorhaben nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden.
27 
Festsetzungen im Bebauungsplan vermitteln Drittschutz grundsätzlich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (Gebietserhaltungsanspruch). Dieser Drittschutz gilt auch für faktische Baugebiete im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.08.2013 - 4 B 39.13 -, juris Rn. 3; Beschl. v. 22.12.2011 - 4 B 32.11 -, juris Rn. 5).
28 
a) Für die Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB sind zunächst, aber nicht nur, die unmittelbaren Nachbargrundstücke von Bedeutung. Die räumlichen Grenzen der näheren Umgebung sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 34 Rn. 21). Dabei reicht die nähere Umgebung so weit, wie sich – erstens – die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und – zweitens – wie die Umgebung ihrerseits die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks prägt (BVerwG, Urt. v. 26.05.1978 - IV C 9.77 -, juris Rn. 33 f.).
29 
Die nähere Umgebung des Grundstücks Flst.-Nr. ..., ...straße ..., auf dem das Vorhaben des Beigeladenen belegen ist, entspricht einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO. Ein Mischgebiet ist geprägt durch das Nebeneinander von Wohnnutzung und nichtstörenden Gewerbebetrieben (§ 6 Abs. 1 BauNVO). Als nähere Umgebung kann insoweit die (unbeplante) westliche Seite der ...straße zwischen ...straße (im Norden) und ...straße (im Süden) herangezogen werden. Hier finden sich in den oberen Stockwerken vor allem Wohnnutzung und im Erdgeschoss teilweise (nicht störende) gewerbliche Nutzung, sodass ein für Mischgebiete typisches Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungsarten besteht.
30 
b) In dem (faktischen) Mischgebiet sind gemäß § 6 Abs. 2 BauNVO unter anderem Einzelhandelsbetriebe (Nr. 3) und sonstige Gewerbebetriebe (Nr. 4) sowie nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätten in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind (Nr. 8), zulässig.
31 
aa) Bei dem Vorhaben des Beigeladenen handelt es sich um eine Vergnügungsstätte im Sinne der BauNVO. Vergnügungsstätten sind auf kommerzielle Unterhaltung ausgerichtete besondere Gewerbebetriebe, die in unterschiedlicher Form unter Ansprache oder Ausnutzung des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs einer bestimmten auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung gewidmet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.09.2018 - 3 S 778/18 -, juris Rn. 30 m.w.N.). Für die Einordnung ist dabei grundsätzlich vom Bauantrag sowie den eingereichten und genehmigten Bauvorlagen und nicht von später eingetretenen Umständen auszugehen. Die Einordnung als Vergnügungsstätte ergibt sich für das Vorhaben des Beigeladenen aus der Auslegung des eingereichten Betriebskonzepts, ein Durchgriff auf den wirklichen Nutzungszweck kommt damit nicht in Betracht (dazu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.08.2017 - 3 S 1102/17 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urt. v. 25.08.2011 - 2 A 38/10 -, juris).
32 
Das vorgelegte Nutzungskonzept des Beigeladenen bedarf der Auslegung. Deshalb fehlt es noch nicht an der Bestimmtheit der Bauvorlagen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.08.2017 - 3 S 1102/07 -, juris Rn. 20 ff.). Bezeichnet ist das Vorhaben im Bauantrag als „Ladengeschäft für Wettannahme und Tabakverkauf (Hinweis: ohne Verweildauer)“. Entscheidend ist allerdings, was nach den eingereichten Unterlagen und nachfolgenden Ergänzungen als Betriebsweise für das Vorhaben in Betracht gezogen werden muss (OVG NRW, Urt. v. 13.12.2017 - 7 A 880/16 -, juris Rn. 47).
33 
Nach den Bauvorlagen besteht das Vorhaben aus einem Raum mit drei Wettterminals einer Theke sowie sogenannten Quotenmonitoren. TV-Monitore seien hingegen nicht geplant; es würden keine bewegten Bilder übertragen. Aus dem Widerspruchsbescheid ergibt sich ferner, dass, nach einer Auskunft des Beigeladenen, Franchisegeber die Firma ... sei. Dessen Wettangebot umfasst typischerweise auch Live-Wetten. Dass dieses Angebot an den Wettterminals nicht zur Verfügung stehe, ergibt sich aus den Unterlagen hingegen gerade nicht. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass eine auf diese Art und Weise mit Quotenmonitoren ausgestattete und damit auf den Abschluss von Live-Wetten (technisch) ausgerichtete Wettvermittlungsstelle überwiegend der kommerziellen Unterhaltung unter Ansprache des Spieltriebs dient und damit als Vergnügungsstätte zu qualifizieren ist. Das gilt ferner auch dann, wenn es – wie hier – an Sitzgelegenheiten oder TV-Bildschirmen zur Übertragung von Sportereignissen fehlt, keine Getränke ausgeschenkt oder Speisen verkauft werden. Eine solche Ausstattung, das Bereitstellen von Getränken und Speisen oder auch das Vorhalten von Unterhaltungsspielen sind lediglich (weitere) Indizien für das Vorliegen einer Vergnügungsstätte, aber keine unabdingbare Voraussetzung hierfür (ebenso VGH Bad.-Württ, Urt. v. 18.09.2018 - 3 S 778/18 -, juris Rn. 50 m.w.N.; Bayer. VGH, Beschl. v. 21.05.2015 - 15 CS 15.9 -, juris; OVG NRW, Urt. v. 13.12.2017 - 7 A 880/16 -, juris). Auch dem Zweck „keine Verweildauer“, der lediglich ausdrückt, dass keine Sitzgelegenheiten geschaffen werden, kommt nicht die Bedeutung zu, dass Live-Wetten ausgeschlossen wären. Er bildet kein trennscharfes, rechtlich handhabbares Abgrenzungskriterium für die Frage, ob ein Vorhaben als herkömmlicher Gewerbebetrieb oder als Vergnügungsstätte genehmigt worden ist.
34 
bb) Weiterhin handelt es sich beim Vorhaben des Beigeladenen nicht etwa um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Typisch für Kerngebiete ist eine Vergnügungsstätte, wie das Vorhaben des Beigeladenen, dann, wenn sie als zentraler Dienstleistungsbetrieb einen größeren Einzugsbereich besitzt und für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar ist oder jedenfalls erreichbar sein soll. Für die Beurteilung des Störpotenzials der Vergnügungsstätte und damit auch einer Kerngebietstypizität kommt es maßgeblich auf die Betriebsgröße als Indikator für ihre Bedeutung, die Größe ihres Einzugsbereichs und die Erreichbarkeit für ein größeres und allgemeines Publikum an. Hierbei handelt es sich freilich nur um einen wesentlichen Anhalt, denn maßgeblich ist letztlich die im jeweiligen Einzelfall auf der Einschätzung der tatsächlichen örtlichen Situation beruhende Beurteilung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.09.2018 - 8 S 2254/17 -, juris Rn. 48 m.w.N.). Bei Spielhallen wird in der Rechtsprechung regelmäßig auf einen Schwellenwert von 100 qm abgestellt, der gelegentlich auch auf Wettbüros übertragen wird (OVG Berlin-Brandenbg., Beschl. v. 29.01.2018 - OVG 2 S 37.17 -, juris Rn. 12; vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 22.03.2018 - 9 K 2588/15 -, juris Rn. 39). Teilweise wird dies jedoch mit guten Gründen in Zweifel gezogen und jedenfalls für Spielhallen vor allem auf die zur Verfügung stehenden Benutzerplätze abgestellt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.02.2011 - 3 S 445/09 -, juris Rn. 31), wobei eine Kerngebietstypizität abhängig von weiteren Indizien wohl erst über (etwa) zwanzig Plätzen angenommen werden kann.
35 
Hier ist aufgrund der eher geringen Größe (34,11 qm) und der Anzahl an Benutzerplätzen davon auszugehen, dass das Vorhaben noch nicht kerngebietstypisch ist. Daran ändert die Zahl von drei Wettterminals, an denen gegebenenfalls gleichzeitig mehrere Nutzer spielen können, nichts. Auch im Übrigen ergeben sich nach den maßgeblichen Bauvorlagen keine ausreichenden Anzeichen dafür, dass das Vorhaben auf das Verweilen vieler Kunden angelegt ist: Es bestehen keine Sitzmöglichkeiten, Getränke werden nicht angeboten und die Toilette soll nur den Angestellten zur Verfügung stehen. Die Wettannahmestelle des Beigeladenen hat auch keine derartig gute Verkehrsanbindung, als dass eine abweichende Beurteilung gerechtfertigt wäre (vgl. VG Köln, Urt. v. 15.08.2017 - 2 K 5567/15 -, juris Rn. 70). Die Auffahrt zur Bundesstraße ... ist nur über die vielbefahrene und zu Teilen verkehrsberuhigte ...straße möglich. In unmittelbarer Umgebung befinden sich kaum frei verfügbare Parkplätze, da es sich um eine dichtbesiedelte und stark frequentierte Gegend handelt.
36 
cc) Das Vorhaben ist dennoch nicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO allgemein zulässig. Denn der Gebietsteil, in welchem das Vorhaben des Beigeladenen liegt, ist – wie der Ortstermin gezeigt hat – nicht durch überwiegend gewerbliche Nutzungen geprägt. Bei der im Rahmen des § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO vorzunehmenden Beurteilung, ob ein Gebietsteil eines Mischgebietes überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt ist, ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BVerwG, Beschl. v. 13.06.2005 - 4 B 36.05 -, juris). Eine überwiegend gewerbliche Nutzung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn im Wesentlichen nur in den Erdgeschossen Läden und Gastwirtschaften betrieben werden, im Übrigen aber Wohnnutzung vorliegt und einzelne Gebäude ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.09.1993 - 8 S 1609/92 -, juris).
37 
Bei ganzheitlicher Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten im maßgeblichen Umfeld ergibt sich keine überwiegende Prägung durch gewerbliche Nutzung. Mischgebiete sind zwar durch das Nebeneinander von Wohn- und Gewerbenutzung geprägt, im vorliegenden Gebietsteil liegt jedoch trotz des durchaus vorhandenen Gewerbes (noch) kein Überwiegen der gewerblichen Nutzung vor. Die Kammer geht zwar davon aus, dass der ...straße aufgrund der Befahrungsintensität trennende Wirkung zukommt, sodass für die Beurteilung nur ihre westliche Seite maßgeblich ist. Dort finden sich jedoch nur im Erdgeschoss gewerbliche Nutzungen und dies nicht etwa durchgehend. So findet sich im Erdgeschoss der Gebäude ... Wohnnutzung. Insgesamt entsteht im maßgeblichen Abschnitt der ...straße nicht der Eindruck, es handele sich um eine Geschäftsstraße, in der lediglich auch gewohnt wird (vgl. Bayer. VGH, Urt. v. 18.08.1995 - 26 B 94.952 - juris Rn. 19).
38 
dd) Die Zulassung des Vorhabens des Beigeladenen scheitert auch nicht im Einzelfall an § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Nach dieser Vorschrift sind die bei den einzelnen Baugebieten aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage und Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dem Vorhaben kann jedoch kein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch, der in § 15 Abs. 1 BauNVO Ausdruck findet, durch einen (drohenden) Trading-Down-Effekt entgegengehalten werden (zur Anwendbarkeit auf faktische Baugebiete BVerwG, Beschl. v. 16.12.2008 - 4 B 68.08 -, juris Rn. 4). Für die Bauleitplanung ist geklärt, dass die Verhinderung eines solchen Effekts einen besonderen städtebaulichen Grund im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO darstellt, der den Ausschluss von bestimmten Unterarten von Vergnügungsstätten rechtfertigen kann. Ob ein solcher Trading-Down-Effekt zu bejahen ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen der städtebaulichen Konfliktlage, die es mit der (Änderungs-)Planung zu bewältigen gilt. Das Bundesverwaltungsgericht geht in diesem Zusammenhang allerdings davon aus, dass es einem allgemeinen städtebaulichen Erfahrungssatz entspricht, dass sich Vergnügungsstätten negativ auf ihre Umgebung auswirken können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.09.2008 - 4 BN 9.08 - juris Rn. 8; zum Ganzen VG Karlsruhe, Urt. v. 22.03.2018 - 9 K 2588/15 -, juris Rn. 46 ff.). Für die Rechtfertigung eines Ausschlusses von bestimmten Vergnügungsstätten nach § 1 Abs. 9 BauNVO ist daher der strenge Nachweis eines Trading-Down-Effekt nicht erforderlich. Die Bauleitplanung ist zukunftsgerichtet und auf Vorsorge ausgerichtet. Daher genügt es für die Annahme eines den Ausschluss bestimmter Unterarten von Vergnügungsstätten rechtfertigenden besonderen städtebaulichen Grunds, wenn der Plangeber hiermit einer abstrakt auf der Grundlage allgemeiner städtebaulicher Erfahrungssätze drohenden Gefahr eines Attraktivitätsverlusts und einer Imageverschlechterung und letztlich des „Umkippens“ des Kerngebiets in ein Vergnügungsviertel begegnen will. Anders ist dies, wenn es – wie hier – um die Zulassung eines bestimmten Vorhabens geht. Diesem kann ein Trading-Down-Effekt – als ein Umstand, der einen Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO begründet – nur dann entgegengehalten werden, wenn dieser tatsächlich bereits eingetreten ist und durch die Zulassung des Vorhabens verstärkt würde oder wenn die Zulassung des Vorhabens jedenfalls nachweislich einen Trading-Down-Effekt einleitete (OVG NRW, Urt. v. 25.03.2014 - 2 A 2679/12 -, juris Rn. 118; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.11.2003 - 5 S 2726/02 -, juris Rn. 40). Ab wann in einem solchen Fall von einem Trading-Down-Effekt auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, etwa durch Angabe einer bestimmten Anzahl solcher Vergnügungsstätten, sondern nur mit Blick auf die Umstände des konkreten Einzelfalls beantworten (dazu BVerwG, Beschl. v. 04.09.2008 - 4 BN 9.08 -, juris).
39 
Für die Einleitung eines Trading-Down-Effekts infolge der Zulassung der beantragten Vergnügungsstätte ist jedoch bislang nichts ersichtlich. Auch die Klägerin verweist insoweit vielmehr lediglich allgemein auf die Gefahr eines solchen Effekts („städtebaulicher Erfahrungssatz“) bei der Häufung von Vergnügungsstätten in einem bestimmten Gebiet. Zwar finden sich durchaus weitere Vergnügungsstätten im Stadtteil „...“. Allerdings liegen diese nicht in der engeren maßgeblichen Umgebung des Vorhabens des Beigeladenen und des Grundstücks der Klägerin. Soweit die Klägerin auf die benachbarten Gaststätten hinweist, die von Besuchern der Wettannahmestelle aufgesucht würden, können diese im Mischgebiet regelhaft zulässigen Betriebe (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) einen Trading-Down-Effekt nicht begründen. Ihren Auswirkungen, einer durch sie etwa begründeten städtebaulichen Unruhe, wäre ggf. über § 15 Abs. 2 BauNVO zu begegnen.
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ee) Das Vorhaben des Beigeladenen ist nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässig, da der Beigeladene einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zulassung des Vorhabens hat. Nach § 31 Abs. 1 BauGB, der aufgrund des Verweises in § 34 Abs. 2 BauGB auch für faktische Baugebiete entsprechend Anwendung findet, können von den Festsetzungen des Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Da diese dem Zweck der Ermächtigung entsprechend zu treffen ist (§ 40 LVwVfG), können insoweit nur städtebauliche Gründe berücksichtigt werden. Eine Ausnahme ist im Bebauungsplan bzw. im Gebietscharakter selbst angelegt, sodass sie sich nicht allein auf die Zulassung von Vorhaben in atypischen Einzelfällen beschränkt. Ausnahmen sind teilweise für die sinnvolle Nutzung eines Baugebiets wünschenswert. Andererseits besteht die Möglichkeit diese Nutzungen im Rahmen der Planung einzuschränken (vgl. § 1 Abs. 9 BauNVO). Eine Ausnahme darf aber auch nicht dazu dienen, den Bebauungsplan bzw. den Gebietscharakter in seinen Grundzügen zu verändern. Ausnahmsweise zugelassene Vorhaben müssen quantitativ deutlich hinter der Regelbebauung zurückbleiben. Sie dürfen keine prägende Wirkung auf das Baugebiet haben. Eine Versagung kommt demnach nur in Betracht, wenn die Gemeinde hierfür beachtliche städtebauliche Gründe anführen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.11.2003 - 5 S 2726/02 -, juris Rn. 40 f.; Urt. v. 31.01.1997 - 8 S 3167/96 -, juris Rn. 22; Bayer. VGH, Urt. v. 15.12.2010 - 2 B 09.2419 -, juris Rn. 39; VG Karlsruhe, Urt. v. 22.03.2018 - 9 K 2588/15 -, juris; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Bd. 2, 75. EGL 2010, § 31 Rn. 20 ff.). Da vorliegend städtebauliche Gründe, die nicht bereits über § 15 Abs. 1 BauNVO Berücksichtigung finden könnten, nicht vorgetragen und auch im Übrigen nicht ersichtlich sind, bleibt für eine ablehnende Ermessensentscheidung kein Raum („Ermessensreduktion auf Null“).
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3. Soweit die Klägerin auf fehlende Stellplätze hinweist, kommt dem Stellplatzerfordernis (vgl. § 37 LBO) grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung zu. Denn die Pflicht zur Herstellung notwendiger Stellplätze dient allein dem öffentlichen Interesse an der Entlastung öffentlicher Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr. Ein nachbarschützender Verstoß gegen die Verpflichtung zur Errichtung der für eine ordnungsgemäße Nutzung notwendigen Stellplätze liegt erst dann vor, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn – auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung seines Grundstücks – bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind (zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.01.2008 - 3 S 2773/07 -, juris). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Gründe für die Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO) liegen keine vor.
43 
Beschluss vom 24.06.2019
44 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500,- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013), wobei die Kammer das wirtschaftliche Interesse an der Anfechtung der Nutzungsänderung innerhalb des vorgegebenen Streitwertrahmens als eher gering einstuft (vgl. allgemein dazu VGH Bad.-Württ., 06.06.2017 - 8 S 1041/17 -, juris).
45 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit betreffend den Streitwert wird auf § 68 GKG verwiesen.

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