Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - 7 K 2089/20

Tenor

Die Verfügung unter Ziffer II des Bescheids des Regierungspräsidiums x vom 27.05.2020 sowie der Bescheid des Regierungspräsidiums x vom 24.03.2022 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist ein wohl am X.1997 geborener afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 04.10.2015 nach Deutschland ein und stellte am 10.08.2016 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), der mit Bescheid des Bundesamts vom 19.09.2017 abgelehnt wurde; im Übrigen wurden keine Abschiebungsverbote festgestellt und dem Kläger wurde eine Abschiebung nach Afghanistan angedroht. Die dagegen gerichtete Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts X vom 03.12.2019 (A 8 K 8532/17) rechtskräftig abgewiesen, ein später vom Kläger gestellter Antrag auf Aussetzung einer Abschiebung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.07.2020 (8 K 2080/20) abgelehnt.
Auch das Asylfolgeschutzgesuch des Klägers vom 26.02.2021 lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 01.03.2021 ab, die Abschiebung wurde aber vorläufig mit Beschluss der Kammer vom 08.03.2021 (A 7 K 617/21) unter Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15.12.2020 - A 11 S 2042/20 - und die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie dramatisch verschlechterte wirtschaftliche und humanitäre Lage in Afghanistan ausgesetzt. Der außerdem nach § 123 VwGO gestellte Antrag gegen das Land Baden-Württemberg wurde am 11.03.2021 zurückgenommen (7 K 600/21). Mit Urteil der Kammer vom 22.10.2021 (A 7 K 616/21) wurde der Bescheid des Bundesamts vom 01.03.2021 aufgehoben und dieses zur Feststellung verpflichtet, dass Abschiebungsverbote hinsichtlich Afghanistan nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen. Diese wurden mit Bescheid des Bundesamts vom 14.12.2021 festgestellt. Derzeit wird der Kläger im Bundesgebiet (nur) geduldet, über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 25.02 2022 ist bislang nicht entschieden worden.
Nach der Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 14.03.2022 ist der Kläger in Deutschland mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er wurde zum ersten Mal am 15.05.2017 mit Strafbefehl des Amtsgerichts X wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt. Weiter wurde er mit Urteil des Amtsgerichts X vom 05.03.2020 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem lag zugrunde, dass er mindestens 800 Gramm Haschisch zu Verkaufszwecken aufbewahrt und einen kleinen Teil davon veräußert hatte. Während der Ermittlungen hatte er sich fünf Monate lang in Untersuchungshaft befunden. Nach seiner Entlassung wurde er mit Strafbefehl des Amtsgerichts X vom 07.11.2020 wegen Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Zuletzt wurde er mit Urteil des Amtsgerichts X vom 30.11.2021 erneut wegen Widerstrands gegen Vollstreckungsbeamte jeweils in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und Beleidigung in fünf tateinheitlichen Fällen sowie Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten und zwei Wochen verurteilt, die auf Bewährung ausgesetzt wurde.
Mit Schreiben des Regierungspräsidiums X vom 04.11.2019 wurde der Kläger zu seiner Ausweisung angehört. Daraufhin wurde er mit Bescheid vom 27.05.2020 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. I) und es wurde angeordnet, dass er aufgrund der Ausweisung für die Dauer von sieben Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung weder in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten darf (Ziff. II). Zur Ausweisung wurde unter anderem vorgetragen, dass der Kläger aufgrund der Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG verwirklicht habe. Die Verhinderung weiterer Straftaten im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität stelle ein überragendes Interesse der Gesellschaft dar. Die Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung durch das Amtsgericht X stehe aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung einer Ausweisung zu spezialpräventiven Zwecken nicht entgegen. Im Übrigen sei diese auch erforderlich, um der Begehung von Straftaten durch andere Ausländer entgegenzuwirken. Hinsichtlich der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots wurde auf die Ausführungen zur Ausweisung, insbesondere die vom Kläger ausgehende Gefahr, verwiesen.
Auf einen Hinweis des Gerichts vom 22.02.2022, dass vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -) das Einreise- und Aufenthaltsverbot ohne das Vorliegen einer Abschiebungsandrohung aufzuheben sein dürfte, ergänzte das Regierungspräsidium seinen Bescheid vom 27.05.2020 mit weiterem Bescheid vom 24.03.2022. Darin wurde verfügt, dass dem Kläger „für den Fall, dass die Ausreiseaufforderung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in seinem Bescheid vom 19.09.2017 objektiv nicht mehr vorliegt“, die Abschiebung zum einen in einen beliebigen Staat außer Afghanistan ohne Setzung einer Ausreisefrist und zum anderen „für den Fall, dass das mit Bescheid des Bundesamts vom 14.12.2021 festgestellte Abschiebungsverbot vollziehbar widerrufen wird“, nach Afghanistan oder in einen anderen Staat, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, angedroht werde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesamt eine Abschiebungsandrohung mit Bescheid vom 19.09.2017 erlassen habe, die weiterhin objektiv vorliege. Da diese Entscheidung nicht vom Regierungspräsidium getroffen worden sei, werde die Abschiebungsandrohung für den Fall erlassen, dass die Abschiebungsandrohung nicht mehr objektiv vorliegen sollte. Dabei handele es sich nicht um eine „Abschiebungsandrohung auf Vorrat“. Auch das Verwaltungsgericht X halte in seinem Beschluss vom 18.05.2017 - A 5 K 2289/17 - eine Abschiebungsandrohung ohne Zielstaatsbezeichnung für zulässig, da es bei einer „Abschiebungsandrohung auf Vorrat“ nur die Abschiebungsandrohung hinsichtlich des bestimmten Staates als rechtswidrig ansehe und nicht die gesamte Abschiebungsandrohung. Des Weiteren wäre eine freiwillige Ausreise des Klägers nach Afghanistan nicht ausgeschlossen. Die vorliegende Entscheidung sei nur wegen der jüngsten Rechtsprechung des EuGH ergangen; mit ihr werde nicht das Ziel verfolgt, die Voraussetzungen für eine Abschiebung zu schaffen, da der Kläger bereits ausreisepflichtig sei.
Am 22.06.2020 hat der Kläger gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 27.05.2020 und in der mündlichen Verhandlung am 13.04.2022 auch gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 24.03.2022 Klagen erhoben. Er macht geltend, dass die strafrechtlichen Vorwürfe ungenügend seien. Er sei bereit, Arbeitsstunden wegen der „Strafe für den Handel mit Drogen“ zu leisten, außerdem habe er Albträume und verletze sich selbst.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide des Regierungspräsidiums X vom 27.05.2020 und vom 24.03.2022 aufzuheben.
Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11 
Zur Begründung hat das Regierungspräsidium im Wesentlichen vorgetragen, dass eine grundlegende Änderung der Einstellung des Klägers zur Rechtsordnung nicht erkennbar sei, sodass weiterhin von einer Wiederholungsgefahr für hochrangige Schutzgüter auszugehen sei. Im Übrigen werde auf den Bescheid vom 27.05.2020 verwiesen.
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Mit Beschluss der Kammer vom 22.02.2022 ist das Verfahren auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden. Nach Erlass des ergänzenden Bescheids vom 24.03.2022 ist nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 04.04.2022 das Verfahren zurück auf die Kammer übertragen worden.
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Dem Gericht liegen außer den Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens auch die Gerichtsakten in den Verfahren A 8 K 8532/17, 8 K 2080/20, A 7 K 617/21, 7 K 600/21 und A 7 K 616/21, die Asylverfahrensakten des Bundesamts (zwei Hefte), die Ausweisungsakten des Regierungspräsidiums X, die Ausländerakten des Landratsamts X (jeweils ein Heft), die Kopien der Bewährungshefte des Amtsgerichts X 2 BWL 75/21 und 2 BWL 14/20 bezüglich der Verurteilungen vom 30.11.2021 und vom 05.03.2020 (zwei Hefte), die Strafakten des Amtsgerichts X.20 Ls 610 Js 33821/19 bezüglich der Verurteilung vom 05.03.2020 sowie hierzu die Kopie des Strafvollstreckungshefts der Staatsanwaltschaft X. Diese sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

 
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A) Die Klage gegen die Bescheide des Regierungspräsidiums X vom 27.05.2020 und vom 24.03.2022 ist zulässig; insbesondere ist die Einbeziehung des letzteren Bescheids als eine zulässige Klageänderung nach § 91 VwGO zu werten, weil diese sachdienlich ist und im Übrigen der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung am 13.04.2022 eingewilligt hat. Die Klage ist auch teilweise begründet.
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I. Die unter Ziffer I des Bescheids vom 27.05.2020 verfügte Ausweisung des Klägers ist im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (siehe BVerwG, Urt. v. 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 18) rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Insofern wird nicht auf das persönliche Verhalten des Ausländers, sondern allein auf dessen Aufenthalt abgestellt (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 16, m.w.N, und v. 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, juris Rn. 17; auch BT-Drs. 18/4097, 25.02.2015, S. 49).
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1. Der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar.
18 
Für die Beurteilung, ob eine entsprechende Gefahr vorliegt, sind die Art und das Ausmaß möglicher Schäden und der Grad der Wahrscheinlichkeit neuer Verfehlungen zueinander in Bezug zu setzen. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Prognose, dass er sich tatsächlich verwirklicht und umgekehrt (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 04.10.2012 - 1 C 13.11 -, juris, Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.03.2017 - 11 S 2029/16 -, juris, Rn. 42, m.w.N., und v. 15.11.2017 - 11 S 1555/16 -, juris Rn. 48).
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Demnach sind hier angesichts der drohenden Schäden für die öffentliche Sicherheit keine hohen Anforderungen an die Wiederholungswahrscheinlichkeit zu stellen.
20 
a) Der unbestimmte Rechtsbegriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist nach der Begründung des Gesetzgebers (BT-Drs. 18/4097, 25.02.2015, S. 49) im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts zu verstehen (BVerwG, Urt. v. 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 23). Er wird durch die in § 54 Abs. 1 und 2 AufenthG enumerativ aufgeführten Tatbestände konkretisiert. Danach muss der Ausländer zumindest einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen haben (siehe § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG, auch Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 17).
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Hier hat die seit dem 13.03.2020 rechtskräftige Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht X vom 05.03.2020 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Verwirklichung des Tatbestands eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geführt, das unter anderem eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln von mindestens einem Jahr voraussetzt. Neben der Höhe der verhängten Strafe kommen auch die Umstände und die Folgen der Tat erschwerend hinzu. Zwar hatte das Amtsgericht einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen, weil der Kläger umfassende Aufklärungshilfe geleistet habe. Zu seinen Lasten fällt allerdings ins Gewicht, dass es sich bei den aufbewahrten Betäubungsmitteln um eine große Menge - 800 Gramm - von qualitativ hochwertigem Haschisch gehandelt hatte, die der Kläger in den Verkehr bringen wollte. Außerdem hatte er einen Teil davon (sechs Gramm) am 07.10.2019 an einen Minderjährigen (17 Jahre) veräußert. Die übrigen vom Kläger begangenen Straftaten des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung, die am 05.03.2020 und am 07.11.2020 abgeurteilt worden sind, stellen jedenfalls ein schweres Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG dar, da sie offenbar weder vereinzelt noch geringfügig sind (siehe dazu Urt. der Kammer v. 17.03.2021 - 7 K 4368/19 -, n.v.).
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b) Vor diesem Hintergrund besteht auch eine jedenfalls ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass durch den Aufenthalt des Klägers in Deutschland weitere Rechtsgüter beeinträchtigt werden.
23 
aa) Zum einen spricht derzeit überwiegendes dafür, dass der Kläger selbst in absehbarer Zeit erneut straffällig wird.
24 
Dafür reicht es, wenn neue Verfehlungen bei Anwendung praktischer Vernunft immer noch zu befürchten sind und das von ihm ausgehende Risiko im Wesentlichen ein größeres ist als das, was bei jedem Menschen mehr oder weniger besteht. Dies ist anhand der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, bloße Vermutungen genügen nicht. Zu den Umständen, die bei der Prognose zu berücksichtigen sind, gehören - abgesehen von der strafrechtlichen Verurteilung und der ihr zugrundeliegenden Straftat - auch die Persönlichkeit und das Verhalten des Ausländers sowie seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Von Bedeutung ist dabei etwa auch, ob der Ausländer in dasselbe soziale Umfeld, aus dem heraus er die Tat begangen hat, zurückgekehrt ist oder zurückkehren wird (BVerwG, Urt. v. 17.10.1984 - 1 B 61.84 -, juris Rn. 7, v. 28.01.1997 - 1 C 17.94 -, juris Rn. 23, v. 16.11.2000 - 9 C 6.00 -, juris Rn. 17 und 37, und v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, juris Rn. 23; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 40, und v. 12.04.2018 - 11 S 428/18 -, juris Rn. 18).
25 
Vorliegend fallen die hohe Rückfallgefahr und -geschwindigkeit des Klägers negativ ins Gewicht. Dieser wurde sehr bald nach der maßgeblichen Verurteilung vom 05.03.2020 während der laufenden Bewährungszeit erneut straffällig, und zwar am 30.06.2020, worauf die Bewährungszeit zunächst bis 12.09.2022 verlängert wurde (vgl. Strafbefehl des AG X v. 07.11.2020 und Beschluss des AG X v. 03.03.2021 auf S. 81 des Bewährungshefts). Aufgrund erneuter Verurteilung am 30.11.2021 wegen der am 20.03.2021 und am 21.03.2021 begangenen Straftaten wurde die Bewährungszeit noch einmal bis zum 12.03.2023 verlängert (Beschluss des AG X v. 22.02.2022 auf S. 167 des Bewährungshefts). Zwar hatte das Amtsgericht in seinem letzten Urteil dem Kläger noch - unter Zurückstellung von Bedenken - eine positive Legalprognose zuerkannt und lehnte anschließend den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Berufung ab. Allerdings sind Feststellungen der Strafgerichte für die ausländerrechtliche Beurteilung der Wiederholungsgefahr unter anderem wegen des unterschiedlichen zeitlichen Horizonts lediglich ein (wichtiges) Indiz, ohne eine bindende Wirkung zu haben (siehe dazu im Einzelnen etwa BVerfG, Beschl. v. 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 -, juris Rn. 24; BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, juris Rn. 23. und v. 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, juris Rn. 18; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 11.02.2019 - 12 S 2789/18 -, juris Rn. 15, m.w.N.).
26 
Hier konnte sich die Kammer auch nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen, dass dieser auf absehbare Zeit straffrei bleiben wird. Den am 30.06.2020, 20.03.2021 und am 21.03.2021 begangenen Straftaten unter anderem wegen Beleidigungen und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte liegt im Prinzip dasselbe Verhaltensmuster zugrunde. Der Kläger leidet offenbar an psychischen Problemen und versucht diese durch die Aufnahme von Alkohol und anderen (weichen) Drogen zu lindern. Der dadurch hervorgerufene Zustand setzt bei ihm Aggressionen frei, die zu massiven verbalen und manchmal auch physischen Attacken führt. Es spricht derzeit wenig dafür, dass es dem Kläger gelingt, diese Einstellung zu ändern. Denn dieser hat keine ärztliche Hilfe zur Seite, die ihn beim notwendigen Entzug von Suchtmitteln unterstützen würde; eine entsprechende Therapie wurde weder begonnen noch ist eine solche geplant. Der Umstand, dass der Kläger nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung seit drei Monaten keinen Alkohol mehr trinke, vermag die hohe Rückfallgefahr nicht zu widerlegen, zumal er entsprechende Absichten auch schon vor den letzten beiden Straftaten und wieder danach gegenüber seinem Bewährungshelfer bekundet hatte (siehe Berichte des Bewährungshelfers vom 18.11.2020 und 02.07.2021 auf S. 59 und 111 f. des Bewährungsheftes). Schließlich hatten ihn auch die bereits in der Vergangenheit bestehenden persönlichen Bindungen wie die Beziehung zu seiner damaligen (deutschen) Freundin und die Anstellung in einer Glasreinigungsfirma (bis August 2019) nicht von weiterer Straftatenbegehung abgehalten.
27 
bb) Zum anderen besteht unabhängig vom persönlichen Verhalten des Klägers die (theoretische) Möglichkeit, dass ohne seine Ausweisung gegebenenfalls andere Ausländer nicht hinreichend davon abgehalten würden, Straftaten in Deutschland zu begehen (in diesem Sinne BVerwG, Urt. v. 31.08.2004 - 1 C 25.03 -, und v. 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, v. 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, alle juris).
28 
Aufgrund des Prinzips der Verhältnismäßigkeit ist eine solche generalpräventive Betrachtungsweise zwar nicht immer zulässig. Es muss sich zum einen um eine besonders schwerwiegende Straftat handeln, von der eine hohe Gefahr für den Staat oder die Gesellschaft ausgeht, wie dies insbesondere bei Drogendelikten oder Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität der Fall sein kann (BVerwG, Urt. v. 14.02.2012 - 1 C 7.11 -, juris Rn. 24). Zum anderen ist erforderlich, dass das Ausweisungsinteresse noch aktuell ist, denn jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse verliert mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an ein strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist eine Orientierung an den Fristen der Strafverfolgungsverjährung nach §§ 78 ff. StGB angezeigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, und v. 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, beide juris).
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Diese Voraussetzungen sind hier aber jedenfalls hinsichtlich der mit Urteil vom 05.03.2020 abgeurteilten Straftat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfüllt. Denn die Betäubungsmittelkriminalität kann hohen gesellschaftlichen Schaden verursachen, der besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertigt. So wird die Rauschgiftsucht als ein großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit angesehen (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 23.11.2010 - C-145/09 -, juris Rn. 47; BVerwG, Urt. v. 14.05.2013 - 1 C 13.12 -, juris Rn. 12). Auch wenn der Kläger keine sogenannten „harten“ Drogen veräußert und besessen hatte, so hat es sich dafür um eine erhebliche Menge von 800 Gramm Haschisch gehandelt. Außerdem wäre es insbesondere im Hinblick auf die rechtlich zulässige Möglichkeit der Ausweisung anderer Ausländer aufgrund weniger gewichtiger Straftaten nicht gerechtfertigt, die vom Kläger begangene Gewalttat ohne die ausländerrechtliche Konsequenz einer Ausweisung hinzunehmen (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.1994 - 11 S 1884/94 -, juris Rn. 17). Schließlich ist das an diese Straftat anknüpfende generalpräventive Ausweisungsinteresse auch aktuell, da die einfache Verjährungsfrist, welche die untere Grenze bildet (dazu im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, juris Rn. 19), noch nicht verstrichen ist. Die hier am 07.10.2019 beendigte Straftat nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BtMG, welche einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, unterliegt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB einer Verjährungsfrist von fünf Jahren.
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2. Auch nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls überwiegt das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Klägers seine gegenläufigen Interessen.
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Im Rahmen der Abwägung ist neben der abstrakten Einstufung des Ausweisungsinteresses durch den Gesetzgeber vor allem das dem Ausländer vorgeworfene Verhalten, das den Ausweisungsgrund bildet, im Einzelnen zu würdigen und weiter zu gewichten (BVerwG, Urt. v. 27.07.2017 - 1 C 28.16 -, juris Rn. 39; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 50 f.). Dabei sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Zudem sind die Gefahrenprognose sowie die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familienangehörigen in den Blick zu nehmen (BVerfG, Beschl. v. 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 -, juris Rn. 18 f.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 51).
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Dem besonders schwerwiegenden öffentlichen Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG steht hier kein gesetzlich vertyptes Bleibeinteresse des Klägers im Sinne des § 55 Abs. 1 oder 2 AufenthG gegenüber. Dieser ist in Deutschland mehrfach straffällig gewesen, obwohl er erst vor weniger als sieben Jahren eingereist war. Zwar ist positiv zu werten, dass er inzwischen relativ gut deutsch spricht, unbefristet als Mitarbeiter in einer Tankstelle beschäftigt ist und seit circa drei Monaten eine neue Beziehung hat. Allerdings müssen diese Bindungen von der Ausweisung nicht zwingend beeinträchtigt werden. Denn diese gilt hier nur „inlandsbezogen“ und soll nicht zu einer Abschiebung des Klägers führen (dazu unten; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, juris Rn. 144, und v. 15.04.2021 - 12 S 2505/20 -, juris Rn. 130). Zudem sind die genannten Belange nicht derart schutzwürdig, um angesichts der festgestellten hohen Wahrscheinlichkeit für weitere Straftatenbegehung das Interesse an seiner Ausweisung zu überwiegen.
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3. Schließlich ist die Ausweisung des Klägers auch nicht völlig ungeeignet, um ihrem Zweck - der Gefahrenabwehr - zu dienen.
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Zwar wäre es dem Kläger trotz der Ausweisung weiterhin faktisch unverändert möglich, Straftaten im Inland zu begehen. Denn auch wenn die Ausweisung letztlich zur Illegalität des Aufenthalts führt, indem sie einen etwa bestehenden Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), kann die daraus folgende Ausreisepflicht (§ 50 AufenthG) derzeit nicht vollstreckt werden. Eine Abschiebung in das Herkunftsland des Klägers Afghanistan ist nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aktuell unzulässig und es ist kein anderer Staat ersichtlich, der bereit wäre, ihn aufzunehmen (vgl. dazu unten unter II.). Die Ausweisung dürfte hier auch nicht als Grundlage für andere Maßnahmen zur unmittelbaren Verringerung der aktuell drohenden Gefahr gebraucht werden. So können gegen den Kläger trotz der Ausweisung etwa keine Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (z.B. Meldepflichten) angeordnet werden, weil kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG gegeben ist. Es ist auch nicht erst der Ausweisung geschuldet, dass der Aufenthalt des Klägers auf den Bezirk des Landkreises X beschränkt ist (siehe Duldungsbescheinigung des Klägers auf S. 602 der Ausländerakte). Dies folgt vielmehr direkt aus der strafrechtlichen Verurteilung des ohnehin im Sinne des § 58 Abs. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtigen Klägers (vgl. § 61 Abs. 1c Satz 1 Nr. 1 AufenthG; insoweit dürften der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht auch die inzwischen festgestellten Abschiebungsverbote nicht entgegenstehen, vgl. OVG Sachs.-Anhalt, Beschl. v. 22.11.2021 - 2 M 124/21 -, juris Rn. 12).
35 
Es ist dennoch anzunehmen, dass mit der Ausweisung ein genereller Beitrag zur Gefahrenvorsorge geleistet werden kann. Denn auch eine (nur) inlandsbezogene Ausweisung kann zur Folge haben, dass es bei potentiellem Wegfall der Abschiebungsverbote zu einer schnelleren „Entfernung“ des Betroffenen aus dem Bundesgebiet kommt. Diesem wird es nämlich unter Umständen verwehrt, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verfestigen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25.07.2017 - 1 C 12.16 -, juris Rn. 23, und v. 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 48; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, juris Rn. 60; Bay. VGH, Urt. v. 28.06.2016 - 10 B 15.1854 -, Rn. 41; auch Fleuß, in: BeckOK AuslR, Stand: 01.07.2021, § 53 AufenthG Rn. 6). Dies könnte auch dann gelten, wenn nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, juris) eine Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht mehr erlassen werden darf (siehe dazu unten unter III.). So kann von der Ausweisung nach wie vor eine Indizwirkung für andere Entscheidungen der Ausländerbehörden ausgehen. Die Frage der Wiederholungsgefahr stellt sich etwa bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die zu versagen ist, wenn der Ausländer eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat (Satz 3 Nr. 2) oder eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt (Satz 3 Nr. 4; vgl. dazu auch die Mitteilung der Ausländerbehörde an das Bundesamt auf S. 552 der Ausländerakte). Auch der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für längerfristig Geduldete nach § 25 Abs. 5 AufenthG kann das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegenstehen (siehe § 5 Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 AufenthG; vgl. dazu auch Bay. VGH, Urt. v. 28.06.2016 - 10 B 15.1854 -, Rn. 41). Ferner könnte die Ausweisung für die Entscheidung relevant sein, ob dem geduldeten Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung nach § 4a Abs. 5 Satz 2 und Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV erlaubt wird (vgl. Breidenbach, in: Kluth/Hornung/Koch, ZuwanderungsR, 3. Aufl. 2020, § 4 Rn. 666). Vor diesem Hintergrund ist es nicht ausgeschlossen, dass die Ausweisung auch andere Ausländer im Sinne generalpräventiver Erwägungen von weiterer Straftatenbegehung abschrecken kann (BVerwG, Beschl. v. 18.08.1995 - 1 B 55/95 -, juris Rn. 9, auch Urt. v. 31.08.2004 - 1 C 25.03 -, juris Rn. 15; vgl. auch Bay. VGH, Urt. v. 28.06.2016 - 10 B 15.1854 -, Rn. 42).
36 
II. Die mit Bescheid vom 24.03.2022 nachträglich erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
37 
1. Zunächst spricht vieles dafür, dass die Abschiebungsandrohung schon deshalb rechtswidrig sein könnte, weil sie mit einer unzulässigen Nebenbestimmung erlassen wurde. Dieser Mangel dürfte sich auf die Vollstreckungsfähigkeit der Abschiebungsandrohung insgesamt auswirken (zur Zwangsvollstreckung vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.08.1995 - 5 S 71/95 -, juris Rn. 34, und v. 10.01.2013 - 8 S 2919/11 -, juris Rn. 22, m.w.N.).
38 
Zwar sind nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG auch bei belastenden Verwaltungsakten Bedingungen möglich. Danach darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt. Es ist allerdings nicht möglich, wesentliche Voraussetzungen des Verwaltungsakts auf eine Nebenbestimmung „abzuschieben“, d.h. diesbezüglich lediglich in einer Nebenbestimmung eine Regelung zu treffen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2001 - 11 S 2374/99 -, juris Rn. 31). Außerdem sind die Bestimmtheitsanforderungen an Bedingungen besonders hoch; diese müssen klar, verständlich und widerspruchsfrei erkennen lassen, was für den Adressaten und etwaige Drittbetroffene gelten soll (Schröder, in: Schoch/Schneider, Vw-Recht, Stand: August 2021, § 36 VwVfG Rn. 62 und 109). Das Bestimmtheitsgebot nach § 37 Abs. 1 LVwVfG erfordert zudem, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist (BVerwG, Beschl. v. 13.10.2010 - 7 B 50.10 -, juris Rn. 8, und Urt. v. 02.07.2008 - 7 C 38.07 -, juris Rn. 11).
39 
Vorliegend dürfte der Regelungsgehalt der Bestimmung, dass die Abschiebungsandrohung dann ergeht, wenn „die Ausreiseaufforderung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in seinem Bescheid vom 19.09.2017 objektiv nicht mehr vorliegt“, nicht hinreichend klar sein. So ist zum einen nicht deutlich, ob mit dem Begriff „Ausreiseaufforderung“, welche nur die gesetzlich vorgesehene Folge (vgl. § 38 Abs. 1 AsylG) wiedergibt und keinen selbständigen Verwaltungsakt darstellt, die Abschiebungsandrohung des Bundesamts gemeint ist. Zum anderen ist es für den anwaltlich nicht vertretenen Kläger schwer erkennbar, ob dieser Verwaltungsakt „objektiv“ vorliegt oder nicht. Sofern darunter zu verstehen sein soll, dass darauf abgestellt wird, ob von der mit Bescheid vom 19.09.2017 erlassenen Abschiebungsandrohung noch Wirkungen ausgehen oder sich diese mit der nachträglichen Feststellung von Abschiebungsverboten erledigt hat (was zutrifft), handelt es sich um eine Rechtsfrage, die nicht vom Kläger, sondern zunächst vom Regierungspräsidium vor Erlass des Bescheides zu klären wäre. Abgesehen davon bezieht sich die Nebenbestimmung selbst bei deren entsprechender Auslegung entgegen dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG nicht auf den ungewissen Eintritt eines künftigen Ereignisses, sondern auf bereits bestehende Tatsachen, die - aus Sicht des Regierungspräsidiums - rechtlich nicht eindeutig zu interpretieren sind.
40 
2. Letztlich kann es dahinstehen, ob die Abschiebungsandrohung bereits aufgrund der Unzulässigkeit der Nebenbestimmung insgesamt rechtswidrig ist. Denn sie ist jedenfalls auch aus anderen Gründen rechtswidrig.
41 
a) Zunächst ist es dem Regierungspräsidium im vorliegenden Fall verwehrt, eine Abschiebungsandrohung ohne Nennung eines Zielstaats zu erlassen.
42 
Gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 AufenthG soll in der Abschiebungsandrohung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll. Eine Ausnahme hiervon gilt nach älterer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein Absehen von der Zielstaatsbestimmung rechtfertigen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die Staatsangehörigkeit des Ausländers ungeklärt ist und kein anderer aufnahmebereiter Staat erkennbar ist. Dementsprechend sollte es auch möglich sein, bei Aufhebung einer rechtswidrigen Zielstaatsbezeichnung die Abschiebungsandrohung im Übrigen unberührt zu lassen (§ 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG; vgl. auch BVerwG, Urt. v. v. 25.07.2000 - 9 C 42.99 -, juris Rn. 13, und v. 10.07.2003 - 1 C 21.02 -, juris Rn. 13; Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2021, § 59 AufenthG Rn. 55; Berlit, GK-AuslR, Stand: 01.12.2016, § 59 AufenthG Rn. 63).
43 
Nach Inkrafttreten der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie, RFRL) am 13.01.2009 bzw. dem Ablauf der Umsetzungsfrist am 24.12.2010 darf jedoch nicht mehr offen gelassen werden, in welches Land der Betroffene abgeschoben werden soll (in diesem Sinne auch Anm. v. Hoppe/Bauer zu EuGH, Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, NVwZ 2021, 1207, 1211; Berlit, GK-AuslR, Stand: 01.12.2016, § 59 AufenthG Rn. 65). Die Abschiebungsandrohung stellt nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (BVerwG, EuGH-Vorlage v. 09.05.2019 - 1 C 14.19 -, juris Rn. 31 f., auch Urt. v. 20.02.2020 - 1 C 1.19 -, juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 246, m.w.N., und Beschl. v. 15.10.2013 - 11 S 2114/13 -, juris Rn. 6 f., m.w.N.; a.A. etwa Oberhäuser, in: NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, § 11 AufenthG Rn. 9). Eine Rückkehrentscheidung ist danach die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird. Eine Rückkehrverpflichtung bezieht sich gemäß Art. 3 Nr. 3 RFRL auf das Herkunftsland des Drittstaatsangehörigen, ein Transitland oder ein anderes Drittland, in das der betreffende Drittstaatsangehörige freiwillig zurückkehren will und in dem er aufgenommen wird. So ist es nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs rechtlich unmöglich, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ein Zielland in rechtlich zulässiger Weise nicht festgelegt werden kann (EuGH, Urt. v. 24.02.2021 - C-673/19 -, juris Rn. 42).
44 
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass auch nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine besonderen Umstände vorliegen, die ein Absehen von der Zielstaatsbezeichnung rechtfertigen (in diesem Sinne bereits VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.06.1996 - 13 S 1281/95 -, juris). Die Staatsangehörigkeit des Klägers ist geklärt und es steht ausweislich des Urteils der Kammer vom 22.10.2021 (A 7 K 616/21) fest, dass dieser in sein Herkunftsland nicht abgeschoben werden kann. Dementsprechend wäre auch das Bundesamt nicht befugt, eine Abschiebungsandrohung zu erlassen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Zudem ist derzeit kein anderer Staat ersichtlich, in den er in absehbarer Zeit abgeschoben werden könnte (dazu auch Hocks, NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, § 59 AufenthG Rn. 8; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 59 AufenthG Rn. 52). Das Regierungspräsidium hat vielmehr die Abschiebungsandrohung offensichtlich nur aus dem Grund erlassen, das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufrechtzuerhalten (dazu unten unter III.). Eine tatsächliche Abschiebung des Klägers ist dagegen unstreitig nicht geplant. Eine solche vorsorgliche Androhung der Abschiebung ist - abgesehen von § 18a Abs. 2 AsylG - gesetzlich nicht vorgesehen (Gordzielik, in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Aufl. 2021, § 59 Rn. 8, mit Verw. auf BVerwG, Urt. v. 30.08.2005 - 1 C 29.04 -, juris Rn. 16).
45 
b) Es ist auch nicht zulässig, eine Abschiebungsandrohung nach Afghanistan „für den Fall des Widerrufs der Abschiebungsverbote durch das Bundesamt“ zu erlassen.
46 
Zum einen ist es nicht möglich, wesentliche Voraussetzungen des Verwaltungsakts auf eine Nebenbestimmung „abzuschieben“ und sich gleichsam von der Verantwortung für den Erlass des Verwaltungsakts zu lösen (vgl. bereits oben). Zum anderen wäre die Abschiebungsandrohung auch ohne die unzulässige Nebenbestimmung rechtswidrig. Denn einer Abschiebung nach Afghanistan stehen die bereits festgestellten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen. Es spricht aktuell nichts dafür, dass Rückführungen nach Afghanistan in absehbarer Zeit wieder möglich sein werden. Die Ankündigung einer Abschiebung kann indes nicht auf eine zwangsläufig rechtswidrige Handlung gerichtet sein (Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2021, § 59 AufenthG Rn. 55; Berlit, GK-AuslR, Stand: 01.12.2016, § 59 AufenthG Rn. 39; Gordzielik, in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Aufl. 2021, § 59 Rn. 8).
47 
Soweit der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 03.06.2021 ausgeführt hat, dass eine Rückkehrentscheidung auch gegen Drittstaatsangehörige ergehen könne, die wegen des Grundsatzes der Nichtzurückweisung nicht abgeschoben werden dürfen, weil der Vollzug der Abschiebung nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 1 lit. a RFRL aufgeschoben werden kann (EuGH, 03.06.2021 - C-546/19 -, juris Rn. 58 f.), dürfte dies mit der Rückführungsrichtlinie und der früheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht in Einklang zu bringen sein. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass der Aufschub der Abschiebung nur für solche Fälle gelten soll, in denen erst nach der bestandskräftigen Rückkehrentscheidung eine Situation eintritt, die die Beachtung des non-refoulement gebietet (so Anm. v. Hoppe/Bauer zu EuGH, Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, NVwZ 2021, 1207, 1211). Denn Art. 5 RFRL bestimmt, dass der Grundsatz der Nichtzurückweisung bereits bei der Umsetzung der Richtlinie, damit vor Erlass der Rückkehrentscheidung (EuGH, Urt. v. 11.03.2021 - C-112/20 -, juris), einzuhalten ist. Dementsprechend soll auch eine inlandsbezogene Ausweisung gerade nicht zur Abschiebung des Betroffenen führen (EuGH, Urt. v. 24.06.2015 - C-373/13 -, juris Rn. 73 f.).
48 
c) Die Abschiebungsandrohung ist schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil sie dem Kläger ermessensfehlerhaft keine Frist zur freiwilligen Ausreise einräumt (§ 114 VwGO).
49 
Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, dem Art. 7 Abs. 1 Satz 1 RFRL zugrunde liegt, ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Abgesehen von Fällen, in denen sich der Betroffene auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet (§ 59 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG), kann von einer Frist auch dann gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abgesehen werden, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will (Nr. 1), oder von ihm eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (Nr. 2; vgl. auch Art. 7 Abs. 4 RFRL). Auf eine Fristsetzung darf danach nur dann verzichtet werden, wenn aus dringenden öffentlichen Interessen noch nicht einmal eine kurze Ausreisefrist eingeräumt werden kann und auch die sofortige Abschiebung durchführbar ist (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.12.2020 - 12 S 3065/20 -, juris Rn. 29; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 59 AufenthG Rn. 17 und 29; Berlit, in: GK-AuslR, Stand: 01.12.2016, § 59 Rn. 103, m.w.N.).
50 
Vorliegend hat das Regierungspräsidium offensichtlich von seinem Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Im angegriffenen Bescheid vom 24.03.2022 finden sich keine Ausführungen dazu, aus welchem Grund es nicht zumutbar sein soll, dem Kläger eine Frist zur freiwilligen Ausreise einzuräumen. Dies gilt umso mehr, als dass eine Abschiebung weder nach Afghanistan noch in irgendeinen anderen Staat derzeit faktisch durchführbar ist (vgl. oben). Selbst wenn - was nicht der Fall ist - diesbezüglich auf die Ausführungen zur Ausweisung im Bescheid vom 27.05.2020 verwiesen worden wäre, würde dies dem Maßstab des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und Art. 7 Abs. 4 RFRL widersprechen. Denn dieser stellt alleine auf die vom Betroffenen selbst ausgehende Gefahr ab, während das Regierungspräsidium die Ausweisungsverfügung auch generalpräventiv begründet hat (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.12.2020 - 12 S 3065/20 -, juris Rn. 28).
51 
Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Abschiebungsandrohung entgegen einer früher vertretenen Ansicht auch nicht teilweise aufrechterhalten werden kann, wenn (nur) die Ausreisefrist rechtswidrig ist (zur früheren Auffassung vgl. für das Asylverfahren insbes. BVerwG, Urt. v. 03.04.2001 - 9 C 22.00 -, juris Rn. 9; im Übrigen auch VG Freiburg, Beschl. v. 21.06.2021 - 10 K 1074/21 -, juris Rn. 28; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 59 AufenthG Rn. 23 und 25). Denn nach dem Wortlaut des Art. 7 RFRL ist die Frist zur freiwilligen Ausreise untrennbar mit der Rückkehrentscheidung verbunden („Eine Rückkehrentscheidung sieht … eine angemessene Frist … vor.“; vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.12.2020 - 12 S 3065/20 -, juris Rn. 34, mit Verweis auf Beschl. v. 22.03.2018 - 11 S 2776/17 -, juris Rn. 3 f.).
52 
III. Auch die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Ziffer II des Bescheids vom 27.05.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
53 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Diese Vorschrift ist unionsrechtlich dahin auszulegen, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn es an eine Rückkehrentscheidung - also eine Abschiebungsandrohung (vgl. oben) - anknüpft (EuGH, Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, juris; VG Freiburg, Urt. v. 26.01.2022 - 7 K 826/20 -, juris Rn. 37 ff., m.w.N.). Dies folgt aus Art. 11 Abs. 1 und Art. 3 Nr. 6 RFRL, wonach ein Einreiseverbot „mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht“. Eine Abschiebungsandrohung liegt hier nicht vor, da der nachträglich erlassene Bescheid vom 24.03.2022 aufgehoben wird (zu den Gründen siehe oben unter II.). Soweit das Regierungspräsidium auf die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 19.09.2017 verweist, ist diese mit der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten mit Urteil der Kammer vom 22.10.2021 (A 7 K 616/21) gegenstandslos geworden.
54 
Wie bereits im Urteil der Kammer vom 26.01.2022 (7 K 826/20) ausgeführt, ist das deutsche Einreise- und Aufenthaltsverbot - trotz bestehender Bedenken - nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -) insgesamt am Maßstab der Rückführungsrichtlinie zu messen (a.A. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.04.2021 - 12 S 2505/20 -, juris). Diese ist generell auf alle Personen anwendbar, die über keinen Aufenthaltstitel oder keine sonstige Aufenthaltsberechtigung im Aufnahmestaat verfügen (siehe Art. 6 Abs. 4 RFRL). Auch eine (einfache) Duldung oder die Feststellung von Abschiebungsverboten - wie hier - ändert nichts an der formellen Illegalität des Aufenthalts, solange dem Betroffenen kein Aufenthaltstitel erteilt wird (EuGH, Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, juris Rn. 43 f.; VG Freiburg, Urt. v. 26.01.2022 - 7 K 826/20 -, juris Rn. 45; zur Anwendbarkeit der RFRL bei subsidiär Schutzberechtigten vgl. VG Freiburg, Urt. v. 21.12.2021 - 8 K 1235/20 -, juris Rn. 59, zum Status von Flüchtlingen, denen Aufenthaltstitel aus Gründen der Gefahrenabwehr entzogen werden können vgl. EuGH, Urt. v. 24.06.2015 - C-373/13 -, juris Rn. 95). Denn von der in Art. 2 Abs. 2 lit. b RFRL vorgesehenen Möglichkeit, die Richtlinie auf Drittstaatsangehörige, die aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind, nicht anzuwenden, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht (BVerwG, Beschl. v. 09.05.2019 - 1 C 14.19 -, juris Rn. 37, und v. 06.05.2020 - 1 C 14.19 -, juris Rn. 2; bereits zuvor VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 83, und v. 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, juris Rn. 87).
55 
B) Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO.
56 
C) Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen.
57 
Die vorliegende Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hinsichtlich der Fragen, zum einen ob eine Ausweisungsverfügung ohne ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in Fällen wie dem vorliegenden noch geeignet ist, der Gefahrenabwehr zu dienen, und zum anderen, ob eine Abschiebungsandrohung, die erlassen wurde, obwohl eine Abschiebung des Betroffenen in absehbarer Zeit weder beabsichtigt noch tatsächlich möglich sein wird, aufrechterhalten werden kann. Hierzu gibt es (noch) keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
58 
In Bezug auf das Einreise- und Aufenthaltsverbot weicht die hier vertretene Auffassung (wie bereits im Urteil der Kammer vom 26.01.2022 - 7 K 826/20) im Einklang mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -) vom Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15.04.2021 - 12 S 2505/20 - ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), da es als unvereinbar mit der Rückführungsrichtlinie angesehen wird, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot alleine auf der Grundlage einer Ausweisungsverfügung zu erlassen.
59 
Beschluss
60 
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
61 
Gründe
62 
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2 i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG. Der Wert des Streitgegenstands einer Anfechtungsklage gegen eine Ausweisung ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG einheitlich auf 5.000 EUR festzusetzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 08.07.2019 - 11 S 45/19 -, juris, Rn. 19, m.w.N.). Das formal mit der Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot führt nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.08.2020 - 11 S 2038/19 -, juris Rn. 45). Weil die Abschiebungsandrohung nachträglich in einem gesonderten Bescheid erlassen worden ist, ist die entsprechende Klage streitwerterhöhend. Dabei geht die Kammer von einem Streitwert von 2.500 EUR aus.

Gründe

 
14 
A) Die Klage gegen die Bescheide des Regierungspräsidiums X vom 27.05.2020 und vom 24.03.2022 ist zulässig; insbesondere ist die Einbeziehung des letzteren Bescheids als eine zulässige Klageänderung nach § 91 VwGO zu werten, weil diese sachdienlich ist und im Übrigen der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung am 13.04.2022 eingewilligt hat. Die Klage ist auch teilweise begründet.
15 
I. Die unter Ziffer I des Bescheids vom 27.05.2020 verfügte Ausweisung des Klägers ist im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (siehe BVerwG, Urt. v. 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 18) rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Insofern wird nicht auf das persönliche Verhalten des Ausländers, sondern allein auf dessen Aufenthalt abgestellt (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 16, m.w.N, und v. 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, juris Rn. 17; auch BT-Drs. 18/4097, 25.02.2015, S. 49).
17 
1. Der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar.
18 
Für die Beurteilung, ob eine entsprechende Gefahr vorliegt, sind die Art und das Ausmaß möglicher Schäden und der Grad der Wahrscheinlichkeit neuer Verfehlungen zueinander in Bezug zu setzen. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Prognose, dass er sich tatsächlich verwirklicht und umgekehrt (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 04.10.2012 - 1 C 13.11 -, juris, Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.03.2017 - 11 S 2029/16 -, juris, Rn. 42, m.w.N., und v. 15.11.2017 - 11 S 1555/16 -, juris Rn. 48).
19 
Demnach sind hier angesichts der drohenden Schäden für die öffentliche Sicherheit keine hohen Anforderungen an die Wiederholungswahrscheinlichkeit zu stellen.
20 
a) Der unbestimmte Rechtsbegriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist nach der Begründung des Gesetzgebers (BT-Drs. 18/4097, 25.02.2015, S. 49) im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts zu verstehen (BVerwG, Urt. v. 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 23). Er wird durch die in § 54 Abs. 1 und 2 AufenthG enumerativ aufgeführten Tatbestände konkretisiert. Danach muss der Ausländer zumindest einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen haben (siehe § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG, auch Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 17).
21 
Hier hat die seit dem 13.03.2020 rechtskräftige Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht X vom 05.03.2020 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Verwirklichung des Tatbestands eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geführt, das unter anderem eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln von mindestens einem Jahr voraussetzt. Neben der Höhe der verhängten Strafe kommen auch die Umstände und die Folgen der Tat erschwerend hinzu. Zwar hatte das Amtsgericht einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen, weil der Kläger umfassende Aufklärungshilfe geleistet habe. Zu seinen Lasten fällt allerdings ins Gewicht, dass es sich bei den aufbewahrten Betäubungsmitteln um eine große Menge - 800 Gramm - von qualitativ hochwertigem Haschisch gehandelt hatte, die der Kläger in den Verkehr bringen wollte. Außerdem hatte er einen Teil davon (sechs Gramm) am 07.10.2019 an einen Minderjährigen (17 Jahre) veräußert. Die übrigen vom Kläger begangenen Straftaten des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung, die am 05.03.2020 und am 07.11.2020 abgeurteilt worden sind, stellen jedenfalls ein schweres Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG dar, da sie offenbar weder vereinzelt noch geringfügig sind (siehe dazu Urt. der Kammer v. 17.03.2021 - 7 K 4368/19 -, n.v.).
22 
b) Vor diesem Hintergrund besteht auch eine jedenfalls ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass durch den Aufenthalt des Klägers in Deutschland weitere Rechtsgüter beeinträchtigt werden.
23 
aa) Zum einen spricht derzeit überwiegendes dafür, dass der Kläger selbst in absehbarer Zeit erneut straffällig wird.
24 
Dafür reicht es, wenn neue Verfehlungen bei Anwendung praktischer Vernunft immer noch zu befürchten sind und das von ihm ausgehende Risiko im Wesentlichen ein größeres ist als das, was bei jedem Menschen mehr oder weniger besteht. Dies ist anhand der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, bloße Vermutungen genügen nicht. Zu den Umständen, die bei der Prognose zu berücksichtigen sind, gehören - abgesehen von der strafrechtlichen Verurteilung und der ihr zugrundeliegenden Straftat - auch die Persönlichkeit und das Verhalten des Ausländers sowie seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Von Bedeutung ist dabei etwa auch, ob der Ausländer in dasselbe soziale Umfeld, aus dem heraus er die Tat begangen hat, zurückgekehrt ist oder zurückkehren wird (BVerwG, Urt. v. 17.10.1984 - 1 B 61.84 -, juris Rn. 7, v. 28.01.1997 - 1 C 17.94 -, juris Rn. 23, v. 16.11.2000 - 9 C 6.00 -, juris Rn. 17 und 37, und v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, juris Rn. 23; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 40, und v. 12.04.2018 - 11 S 428/18 -, juris Rn. 18).
25 
Vorliegend fallen die hohe Rückfallgefahr und -geschwindigkeit des Klägers negativ ins Gewicht. Dieser wurde sehr bald nach der maßgeblichen Verurteilung vom 05.03.2020 während der laufenden Bewährungszeit erneut straffällig, und zwar am 30.06.2020, worauf die Bewährungszeit zunächst bis 12.09.2022 verlängert wurde (vgl. Strafbefehl des AG X v. 07.11.2020 und Beschluss des AG X v. 03.03.2021 auf S. 81 des Bewährungshefts). Aufgrund erneuter Verurteilung am 30.11.2021 wegen der am 20.03.2021 und am 21.03.2021 begangenen Straftaten wurde die Bewährungszeit noch einmal bis zum 12.03.2023 verlängert (Beschluss des AG X v. 22.02.2022 auf S. 167 des Bewährungshefts). Zwar hatte das Amtsgericht in seinem letzten Urteil dem Kläger noch - unter Zurückstellung von Bedenken - eine positive Legalprognose zuerkannt und lehnte anschließend den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Berufung ab. Allerdings sind Feststellungen der Strafgerichte für die ausländerrechtliche Beurteilung der Wiederholungsgefahr unter anderem wegen des unterschiedlichen zeitlichen Horizonts lediglich ein (wichtiges) Indiz, ohne eine bindende Wirkung zu haben (siehe dazu im Einzelnen etwa BVerfG, Beschl. v. 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 -, juris Rn. 24; BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, juris Rn. 23. und v. 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, juris Rn. 18; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 11.02.2019 - 12 S 2789/18 -, juris Rn. 15, m.w.N.).
26 
Hier konnte sich die Kammer auch nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen, dass dieser auf absehbare Zeit straffrei bleiben wird. Den am 30.06.2020, 20.03.2021 und am 21.03.2021 begangenen Straftaten unter anderem wegen Beleidigungen und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte liegt im Prinzip dasselbe Verhaltensmuster zugrunde. Der Kläger leidet offenbar an psychischen Problemen und versucht diese durch die Aufnahme von Alkohol und anderen (weichen) Drogen zu lindern. Der dadurch hervorgerufene Zustand setzt bei ihm Aggressionen frei, die zu massiven verbalen und manchmal auch physischen Attacken führt. Es spricht derzeit wenig dafür, dass es dem Kläger gelingt, diese Einstellung zu ändern. Denn dieser hat keine ärztliche Hilfe zur Seite, die ihn beim notwendigen Entzug von Suchtmitteln unterstützen würde; eine entsprechende Therapie wurde weder begonnen noch ist eine solche geplant. Der Umstand, dass der Kläger nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung seit drei Monaten keinen Alkohol mehr trinke, vermag die hohe Rückfallgefahr nicht zu widerlegen, zumal er entsprechende Absichten auch schon vor den letzten beiden Straftaten und wieder danach gegenüber seinem Bewährungshelfer bekundet hatte (siehe Berichte des Bewährungshelfers vom 18.11.2020 und 02.07.2021 auf S. 59 und 111 f. des Bewährungsheftes). Schließlich hatten ihn auch die bereits in der Vergangenheit bestehenden persönlichen Bindungen wie die Beziehung zu seiner damaligen (deutschen) Freundin und die Anstellung in einer Glasreinigungsfirma (bis August 2019) nicht von weiterer Straftatenbegehung abgehalten.
27 
bb) Zum anderen besteht unabhängig vom persönlichen Verhalten des Klägers die (theoretische) Möglichkeit, dass ohne seine Ausweisung gegebenenfalls andere Ausländer nicht hinreichend davon abgehalten würden, Straftaten in Deutschland zu begehen (in diesem Sinne BVerwG, Urt. v. 31.08.2004 - 1 C 25.03 -, und v. 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, v. 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, alle juris).
28 
Aufgrund des Prinzips der Verhältnismäßigkeit ist eine solche generalpräventive Betrachtungsweise zwar nicht immer zulässig. Es muss sich zum einen um eine besonders schwerwiegende Straftat handeln, von der eine hohe Gefahr für den Staat oder die Gesellschaft ausgeht, wie dies insbesondere bei Drogendelikten oder Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität der Fall sein kann (BVerwG, Urt. v. 14.02.2012 - 1 C 7.11 -, juris Rn. 24). Zum anderen ist erforderlich, dass das Ausweisungsinteresse noch aktuell ist, denn jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse verliert mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an ein strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist eine Orientierung an den Fristen der Strafverfolgungsverjährung nach §§ 78 ff. StGB angezeigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, und v. 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, beide juris).
29 
Diese Voraussetzungen sind hier aber jedenfalls hinsichtlich der mit Urteil vom 05.03.2020 abgeurteilten Straftat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfüllt. Denn die Betäubungsmittelkriminalität kann hohen gesellschaftlichen Schaden verursachen, der besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertigt. So wird die Rauschgiftsucht als ein großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit angesehen (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 23.11.2010 - C-145/09 -, juris Rn. 47; BVerwG, Urt. v. 14.05.2013 - 1 C 13.12 -, juris Rn. 12). Auch wenn der Kläger keine sogenannten „harten“ Drogen veräußert und besessen hatte, so hat es sich dafür um eine erhebliche Menge von 800 Gramm Haschisch gehandelt. Außerdem wäre es insbesondere im Hinblick auf die rechtlich zulässige Möglichkeit der Ausweisung anderer Ausländer aufgrund weniger gewichtiger Straftaten nicht gerechtfertigt, die vom Kläger begangene Gewalttat ohne die ausländerrechtliche Konsequenz einer Ausweisung hinzunehmen (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.1994 - 11 S 1884/94 -, juris Rn. 17). Schließlich ist das an diese Straftat anknüpfende generalpräventive Ausweisungsinteresse auch aktuell, da die einfache Verjährungsfrist, welche die untere Grenze bildet (dazu im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, juris Rn. 19), noch nicht verstrichen ist. Die hier am 07.10.2019 beendigte Straftat nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BtMG, welche einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, unterliegt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB einer Verjährungsfrist von fünf Jahren.
30 
2. Auch nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls überwiegt das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Klägers seine gegenläufigen Interessen.
31 
Im Rahmen der Abwägung ist neben der abstrakten Einstufung des Ausweisungsinteresses durch den Gesetzgeber vor allem das dem Ausländer vorgeworfene Verhalten, das den Ausweisungsgrund bildet, im Einzelnen zu würdigen und weiter zu gewichten (BVerwG, Urt. v. 27.07.2017 - 1 C 28.16 -, juris Rn. 39; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 50 f.). Dabei sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Zudem sind die Gefahrenprognose sowie die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familienangehörigen in den Blick zu nehmen (BVerfG, Beschl. v. 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 -, juris Rn. 18 f.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 51).
32 
Dem besonders schwerwiegenden öffentlichen Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG steht hier kein gesetzlich vertyptes Bleibeinteresse des Klägers im Sinne des § 55 Abs. 1 oder 2 AufenthG gegenüber. Dieser ist in Deutschland mehrfach straffällig gewesen, obwohl er erst vor weniger als sieben Jahren eingereist war. Zwar ist positiv zu werten, dass er inzwischen relativ gut deutsch spricht, unbefristet als Mitarbeiter in einer Tankstelle beschäftigt ist und seit circa drei Monaten eine neue Beziehung hat. Allerdings müssen diese Bindungen von der Ausweisung nicht zwingend beeinträchtigt werden. Denn diese gilt hier nur „inlandsbezogen“ und soll nicht zu einer Abschiebung des Klägers führen (dazu unten; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, juris Rn. 144, und v. 15.04.2021 - 12 S 2505/20 -, juris Rn. 130). Zudem sind die genannten Belange nicht derart schutzwürdig, um angesichts der festgestellten hohen Wahrscheinlichkeit für weitere Straftatenbegehung das Interesse an seiner Ausweisung zu überwiegen.
33 
3. Schließlich ist die Ausweisung des Klägers auch nicht völlig ungeeignet, um ihrem Zweck - der Gefahrenabwehr - zu dienen.
34 
Zwar wäre es dem Kläger trotz der Ausweisung weiterhin faktisch unverändert möglich, Straftaten im Inland zu begehen. Denn auch wenn die Ausweisung letztlich zur Illegalität des Aufenthalts führt, indem sie einen etwa bestehenden Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), kann die daraus folgende Ausreisepflicht (§ 50 AufenthG) derzeit nicht vollstreckt werden. Eine Abschiebung in das Herkunftsland des Klägers Afghanistan ist nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aktuell unzulässig und es ist kein anderer Staat ersichtlich, der bereit wäre, ihn aufzunehmen (vgl. dazu unten unter II.). Die Ausweisung dürfte hier auch nicht als Grundlage für andere Maßnahmen zur unmittelbaren Verringerung der aktuell drohenden Gefahr gebraucht werden. So können gegen den Kläger trotz der Ausweisung etwa keine Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (z.B. Meldepflichten) angeordnet werden, weil kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG gegeben ist. Es ist auch nicht erst der Ausweisung geschuldet, dass der Aufenthalt des Klägers auf den Bezirk des Landkreises X beschränkt ist (siehe Duldungsbescheinigung des Klägers auf S. 602 der Ausländerakte). Dies folgt vielmehr direkt aus der strafrechtlichen Verurteilung des ohnehin im Sinne des § 58 Abs. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtigen Klägers (vgl. § 61 Abs. 1c Satz 1 Nr. 1 AufenthG; insoweit dürften der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht auch die inzwischen festgestellten Abschiebungsverbote nicht entgegenstehen, vgl. OVG Sachs.-Anhalt, Beschl. v. 22.11.2021 - 2 M 124/21 -, juris Rn. 12).
35 
Es ist dennoch anzunehmen, dass mit der Ausweisung ein genereller Beitrag zur Gefahrenvorsorge geleistet werden kann. Denn auch eine (nur) inlandsbezogene Ausweisung kann zur Folge haben, dass es bei potentiellem Wegfall der Abschiebungsverbote zu einer schnelleren „Entfernung“ des Betroffenen aus dem Bundesgebiet kommt. Diesem wird es nämlich unter Umständen verwehrt, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verfestigen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25.07.2017 - 1 C 12.16 -, juris Rn. 23, und v. 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 48; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, juris Rn. 60; Bay. VGH, Urt. v. 28.06.2016 - 10 B 15.1854 -, Rn. 41; auch Fleuß, in: BeckOK AuslR, Stand: 01.07.2021, § 53 AufenthG Rn. 6). Dies könnte auch dann gelten, wenn nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, juris) eine Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht mehr erlassen werden darf (siehe dazu unten unter III.). So kann von der Ausweisung nach wie vor eine Indizwirkung für andere Entscheidungen der Ausländerbehörden ausgehen. Die Frage der Wiederholungsgefahr stellt sich etwa bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die zu versagen ist, wenn der Ausländer eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat (Satz 3 Nr. 2) oder eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt (Satz 3 Nr. 4; vgl. dazu auch die Mitteilung der Ausländerbehörde an das Bundesamt auf S. 552 der Ausländerakte). Auch der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für längerfristig Geduldete nach § 25 Abs. 5 AufenthG kann das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegenstehen (siehe § 5 Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 AufenthG; vgl. dazu auch Bay. VGH, Urt. v. 28.06.2016 - 10 B 15.1854 -, Rn. 41). Ferner könnte die Ausweisung für die Entscheidung relevant sein, ob dem geduldeten Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung nach § 4a Abs. 5 Satz 2 und Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV erlaubt wird (vgl. Breidenbach, in: Kluth/Hornung/Koch, ZuwanderungsR, 3. Aufl. 2020, § 4 Rn. 666). Vor diesem Hintergrund ist es nicht ausgeschlossen, dass die Ausweisung auch andere Ausländer im Sinne generalpräventiver Erwägungen von weiterer Straftatenbegehung abschrecken kann (BVerwG, Beschl. v. 18.08.1995 - 1 B 55/95 -, juris Rn. 9, auch Urt. v. 31.08.2004 - 1 C 25.03 -, juris Rn. 15; vgl. auch Bay. VGH, Urt. v. 28.06.2016 - 10 B 15.1854 -, Rn. 42).
36 
II. Die mit Bescheid vom 24.03.2022 nachträglich erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
37 
1. Zunächst spricht vieles dafür, dass die Abschiebungsandrohung schon deshalb rechtswidrig sein könnte, weil sie mit einer unzulässigen Nebenbestimmung erlassen wurde. Dieser Mangel dürfte sich auf die Vollstreckungsfähigkeit der Abschiebungsandrohung insgesamt auswirken (zur Zwangsvollstreckung vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.08.1995 - 5 S 71/95 -, juris Rn. 34, und v. 10.01.2013 - 8 S 2919/11 -, juris Rn. 22, m.w.N.).
38 
Zwar sind nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG auch bei belastenden Verwaltungsakten Bedingungen möglich. Danach darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt. Es ist allerdings nicht möglich, wesentliche Voraussetzungen des Verwaltungsakts auf eine Nebenbestimmung „abzuschieben“, d.h. diesbezüglich lediglich in einer Nebenbestimmung eine Regelung zu treffen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2001 - 11 S 2374/99 -, juris Rn. 31). Außerdem sind die Bestimmtheitsanforderungen an Bedingungen besonders hoch; diese müssen klar, verständlich und widerspruchsfrei erkennen lassen, was für den Adressaten und etwaige Drittbetroffene gelten soll (Schröder, in: Schoch/Schneider, Vw-Recht, Stand: August 2021, § 36 VwVfG Rn. 62 und 109). Das Bestimmtheitsgebot nach § 37 Abs. 1 LVwVfG erfordert zudem, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist (BVerwG, Beschl. v. 13.10.2010 - 7 B 50.10 -, juris Rn. 8, und Urt. v. 02.07.2008 - 7 C 38.07 -, juris Rn. 11).
39 
Vorliegend dürfte der Regelungsgehalt der Bestimmung, dass die Abschiebungsandrohung dann ergeht, wenn „die Ausreiseaufforderung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in seinem Bescheid vom 19.09.2017 objektiv nicht mehr vorliegt“, nicht hinreichend klar sein. So ist zum einen nicht deutlich, ob mit dem Begriff „Ausreiseaufforderung“, welche nur die gesetzlich vorgesehene Folge (vgl. § 38 Abs. 1 AsylG) wiedergibt und keinen selbständigen Verwaltungsakt darstellt, die Abschiebungsandrohung des Bundesamts gemeint ist. Zum anderen ist es für den anwaltlich nicht vertretenen Kläger schwer erkennbar, ob dieser Verwaltungsakt „objektiv“ vorliegt oder nicht. Sofern darunter zu verstehen sein soll, dass darauf abgestellt wird, ob von der mit Bescheid vom 19.09.2017 erlassenen Abschiebungsandrohung noch Wirkungen ausgehen oder sich diese mit der nachträglichen Feststellung von Abschiebungsverboten erledigt hat (was zutrifft), handelt es sich um eine Rechtsfrage, die nicht vom Kläger, sondern zunächst vom Regierungspräsidium vor Erlass des Bescheides zu klären wäre. Abgesehen davon bezieht sich die Nebenbestimmung selbst bei deren entsprechender Auslegung entgegen dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG nicht auf den ungewissen Eintritt eines künftigen Ereignisses, sondern auf bereits bestehende Tatsachen, die - aus Sicht des Regierungspräsidiums - rechtlich nicht eindeutig zu interpretieren sind.
40 
2. Letztlich kann es dahinstehen, ob die Abschiebungsandrohung bereits aufgrund der Unzulässigkeit der Nebenbestimmung insgesamt rechtswidrig ist. Denn sie ist jedenfalls auch aus anderen Gründen rechtswidrig.
41 
a) Zunächst ist es dem Regierungspräsidium im vorliegenden Fall verwehrt, eine Abschiebungsandrohung ohne Nennung eines Zielstaats zu erlassen.
42 
Gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 AufenthG soll in der Abschiebungsandrohung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll. Eine Ausnahme hiervon gilt nach älterer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein Absehen von der Zielstaatsbestimmung rechtfertigen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die Staatsangehörigkeit des Ausländers ungeklärt ist und kein anderer aufnahmebereiter Staat erkennbar ist. Dementsprechend sollte es auch möglich sein, bei Aufhebung einer rechtswidrigen Zielstaatsbezeichnung die Abschiebungsandrohung im Übrigen unberührt zu lassen (§ 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG; vgl. auch BVerwG, Urt. v. v. 25.07.2000 - 9 C 42.99 -, juris Rn. 13, und v. 10.07.2003 - 1 C 21.02 -, juris Rn. 13; Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2021, § 59 AufenthG Rn. 55; Berlit, GK-AuslR, Stand: 01.12.2016, § 59 AufenthG Rn. 63).
43 
Nach Inkrafttreten der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie, RFRL) am 13.01.2009 bzw. dem Ablauf der Umsetzungsfrist am 24.12.2010 darf jedoch nicht mehr offen gelassen werden, in welches Land der Betroffene abgeschoben werden soll (in diesem Sinne auch Anm. v. Hoppe/Bauer zu EuGH, Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, NVwZ 2021, 1207, 1211; Berlit, GK-AuslR, Stand: 01.12.2016, § 59 AufenthG Rn. 65). Die Abschiebungsandrohung stellt nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (BVerwG, EuGH-Vorlage v. 09.05.2019 - 1 C 14.19 -, juris Rn. 31 f., auch Urt. v. 20.02.2020 - 1 C 1.19 -, juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 246, m.w.N., und Beschl. v. 15.10.2013 - 11 S 2114/13 -, juris Rn. 6 f., m.w.N.; a.A. etwa Oberhäuser, in: NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, § 11 AufenthG Rn. 9). Eine Rückkehrentscheidung ist danach die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird. Eine Rückkehrverpflichtung bezieht sich gemäß Art. 3 Nr. 3 RFRL auf das Herkunftsland des Drittstaatsangehörigen, ein Transitland oder ein anderes Drittland, in das der betreffende Drittstaatsangehörige freiwillig zurückkehren will und in dem er aufgenommen wird. So ist es nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs rechtlich unmöglich, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ein Zielland in rechtlich zulässiger Weise nicht festgelegt werden kann (EuGH, Urt. v. 24.02.2021 - C-673/19 -, juris Rn. 42).
44 
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass auch nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine besonderen Umstände vorliegen, die ein Absehen von der Zielstaatsbezeichnung rechtfertigen (in diesem Sinne bereits VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.06.1996 - 13 S 1281/95 -, juris). Die Staatsangehörigkeit des Klägers ist geklärt und es steht ausweislich des Urteils der Kammer vom 22.10.2021 (A 7 K 616/21) fest, dass dieser in sein Herkunftsland nicht abgeschoben werden kann. Dementsprechend wäre auch das Bundesamt nicht befugt, eine Abschiebungsandrohung zu erlassen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Zudem ist derzeit kein anderer Staat ersichtlich, in den er in absehbarer Zeit abgeschoben werden könnte (dazu auch Hocks, NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, § 59 AufenthG Rn. 8; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 59 AufenthG Rn. 52). Das Regierungspräsidium hat vielmehr die Abschiebungsandrohung offensichtlich nur aus dem Grund erlassen, das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufrechtzuerhalten (dazu unten unter III.). Eine tatsächliche Abschiebung des Klägers ist dagegen unstreitig nicht geplant. Eine solche vorsorgliche Androhung der Abschiebung ist - abgesehen von § 18a Abs. 2 AsylG - gesetzlich nicht vorgesehen (Gordzielik, in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Aufl. 2021, § 59 Rn. 8, mit Verw. auf BVerwG, Urt. v. 30.08.2005 - 1 C 29.04 -, juris Rn. 16).
45 
b) Es ist auch nicht zulässig, eine Abschiebungsandrohung nach Afghanistan „für den Fall des Widerrufs der Abschiebungsverbote durch das Bundesamt“ zu erlassen.
46 
Zum einen ist es nicht möglich, wesentliche Voraussetzungen des Verwaltungsakts auf eine Nebenbestimmung „abzuschieben“ und sich gleichsam von der Verantwortung für den Erlass des Verwaltungsakts zu lösen (vgl. bereits oben). Zum anderen wäre die Abschiebungsandrohung auch ohne die unzulässige Nebenbestimmung rechtswidrig. Denn einer Abschiebung nach Afghanistan stehen die bereits festgestellten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen. Es spricht aktuell nichts dafür, dass Rückführungen nach Afghanistan in absehbarer Zeit wieder möglich sein werden. Die Ankündigung einer Abschiebung kann indes nicht auf eine zwangsläufig rechtswidrige Handlung gerichtet sein (Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2021, § 59 AufenthG Rn. 55; Berlit, GK-AuslR, Stand: 01.12.2016, § 59 AufenthG Rn. 39; Gordzielik, in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Aufl. 2021, § 59 Rn. 8).
47 
Soweit der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 03.06.2021 ausgeführt hat, dass eine Rückkehrentscheidung auch gegen Drittstaatsangehörige ergehen könne, die wegen des Grundsatzes der Nichtzurückweisung nicht abgeschoben werden dürfen, weil der Vollzug der Abschiebung nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 1 lit. a RFRL aufgeschoben werden kann (EuGH, 03.06.2021 - C-546/19 -, juris Rn. 58 f.), dürfte dies mit der Rückführungsrichtlinie und der früheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht in Einklang zu bringen sein. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass der Aufschub der Abschiebung nur für solche Fälle gelten soll, in denen erst nach der bestandskräftigen Rückkehrentscheidung eine Situation eintritt, die die Beachtung des non-refoulement gebietet (so Anm. v. Hoppe/Bauer zu EuGH, Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, NVwZ 2021, 1207, 1211). Denn Art. 5 RFRL bestimmt, dass der Grundsatz der Nichtzurückweisung bereits bei der Umsetzung der Richtlinie, damit vor Erlass der Rückkehrentscheidung (EuGH, Urt. v. 11.03.2021 - C-112/20 -, juris), einzuhalten ist. Dementsprechend soll auch eine inlandsbezogene Ausweisung gerade nicht zur Abschiebung des Betroffenen führen (EuGH, Urt. v. 24.06.2015 - C-373/13 -, juris Rn. 73 f.).
48 
c) Die Abschiebungsandrohung ist schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil sie dem Kläger ermessensfehlerhaft keine Frist zur freiwilligen Ausreise einräumt (§ 114 VwGO).
49 
Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, dem Art. 7 Abs. 1 Satz 1 RFRL zugrunde liegt, ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Abgesehen von Fällen, in denen sich der Betroffene auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet (§ 59 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG), kann von einer Frist auch dann gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abgesehen werden, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will (Nr. 1), oder von ihm eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (Nr. 2; vgl. auch Art. 7 Abs. 4 RFRL). Auf eine Fristsetzung darf danach nur dann verzichtet werden, wenn aus dringenden öffentlichen Interessen noch nicht einmal eine kurze Ausreisefrist eingeräumt werden kann und auch die sofortige Abschiebung durchführbar ist (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.12.2020 - 12 S 3065/20 -, juris Rn. 29; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 59 AufenthG Rn. 17 und 29; Berlit, in: GK-AuslR, Stand: 01.12.2016, § 59 Rn. 103, m.w.N.).
50 
Vorliegend hat das Regierungspräsidium offensichtlich von seinem Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Im angegriffenen Bescheid vom 24.03.2022 finden sich keine Ausführungen dazu, aus welchem Grund es nicht zumutbar sein soll, dem Kläger eine Frist zur freiwilligen Ausreise einzuräumen. Dies gilt umso mehr, als dass eine Abschiebung weder nach Afghanistan noch in irgendeinen anderen Staat derzeit faktisch durchführbar ist (vgl. oben). Selbst wenn - was nicht der Fall ist - diesbezüglich auf die Ausführungen zur Ausweisung im Bescheid vom 27.05.2020 verwiesen worden wäre, würde dies dem Maßstab des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und Art. 7 Abs. 4 RFRL widersprechen. Denn dieser stellt alleine auf die vom Betroffenen selbst ausgehende Gefahr ab, während das Regierungspräsidium die Ausweisungsverfügung auch generalpräventiv begründet hat (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.12.2020 - 12 S 3065/20 -, juris Rn. 28).
51 
Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Abschiebungsandrohung entgegen einer früher vertretenen Ansicht auch nicht teilweise aufrechterhalten werden kann, wenn (nur) die Ausreisefrist rechtswidrig ist (zur früheren Auffassung vgl. für das Asylverfahren insbes. BVerwG, Urt. v. 03.04.2001 - 9 C 22.00 -, juris Rn. 9; im Übrigen auch VG Freiburg, Beschl. v. 21.06.2021 - 10 K 1074/21 -, juris Rn. 28; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 59 AufenthG Rn. 23 und 25). Denn nach dem Wortlaut des Art. 7 RFRL ist die Frist zur freiwilligen Ausreise untrennbar mit der Rückkehrentscheidung verbunden („Eine Rückkehrentscheidung sieht … eine angemessene Frist … vor.“; vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.12.2020 - 12 S 3065/20 -, juris Rn. 34, mit Verweis auf Beschl. v. 22.03.2018 - 11 S 2776/17 -, juris Rn. 3 f.).
52 
III. Auch die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Ziffer II des Bescheids vom 27.05.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
53 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Diese Vorschrift ist unionsrechtlich dahin auszulegen, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn es an eine Rückkehrentscheidung - also eine Abschiebungsandrohung (vgl. oben) - anknüpft (EuGH, Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, juris; VG Freiburg, Urt. v. 26.01.2022 - 7 K 826/20 -, juris Rn. 37 ff., m.w.N.). Dies folgt aus Art. 11 Abs. 1 und Art. 3 Nr. 6 RFRL, wonach ein Einreiseverbot „mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht“. Eine Abschiebungsandrohung liegt hier nicht vor, da der nachträglich erlassene Bescheid vom 24.03.2022 aufgehoben wird (zu den Gründen siehe oben unter II.). Soweit das Regierungspräsidium auf die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 19.09.2017 verweist, ist diese mit der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten mit Urteil der Kammer vom 22.10.2021 (A 7 K 616/21) gegenstandslos geworden.
54 
Wie bereits im Urteil der Kammer vom 26.01.2022 (7 K 826/20) ausgeführt, ist das deutsche Einreise- und Aufenthaltsverbot - trotz bestehender Bedenken - nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -) insgesamt am Maßstab der Rückführungsrichtlinie zu messen (a.A. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.04.2021 - 12 S 2505/20 -, juris). Diese ist generell auf alle Personen anwendbar, die über keinen Aufenthaltstitel oder keine sonstige Aufenthaltsberechtigung im Aufnahmestaat verfügen (siehe Art. 6 Abs. 4 RFRL). Auch eine (einfache) Duldung oder die Feststellung von Abschiebungsverboten - wie hier - ändert nichts an der formellen Illegalität des Aufenthalts, solange dem Betroffenen kein Aufenthaltstitel erteilt wird (EuGH, Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -, juris Rn. 43 f.; VG Freiburg, Urt. v. 26.01.2022 - 7 K 826/20 -, juris Rn. 45; zur Anwendbarkeit der RFRL bei subsidiär Schutzberechtigten vgl. VG Freiburg, Urt. v. 21.12.2021 - 8 K 1235/20 -, juris Rn. 59, zum Status von Flüchtlingen, denen Aufenthaltstitel aus Gründen der Gefahrenabwehr entzogen werden können vgl. EuGH, Urt. v. 24.06.2015 - C-373/13 -, juris Rn. 95). Denn von der in Art. 2 Abs. 2 lit. b RFRL vorgesehenen Möglichkeit, die Richtlinie auf Drittstaatsangehörige, die aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind, nicht anzuwenden, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht (BVerwG, Beschl. v. 09.05.2019 - 1 C 14.19 -, juris Rn. 37, und v. 06.05.2020 - 1 C 14.19 -, juris Rn. 2; bereits zuvor VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 83, und v. 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, juris Rn. 87).
55 
B) Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO.
56 
C) Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen.
57 
Die vorliegende Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hinsichtlich der Fragen, zum einen ob eine Ausweisungsverfügung ohne ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in Fällen wie dem vorliegenden noch geeignet ist, der Gefahrenabwehr zu dienen, und zum anderen, ob eine Abschiebungsandrohung, die erlassen wurde, obwohl eine Abschiebung des Betroffenen in absehbarer Zeit weder beabsichtigt noch tatsächlich möglich sein wird, aufrechterhalten werden kann. Hierzu gibt es (noch) keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
58 
In Bezug auf das Einreise- und Aufenthaltsverbot weicht die hier vertretene Auffassung (wie bereits im Urteil der Kammer vom 26.01.2022 - 7 K 826/20) im Einklang mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 03.06.2021 - C-546/19 -) vom Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15.04.2021 - 12 S 2505/20 - ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), da es als unvereinbar mit der Rückführungsrichtlinie angesehen wird, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot alleine auf der Grundlage einer Ausweisungsverfügung zu erlassen.
59 
Beschluss
60 
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
61 
Gründe
62 
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2 i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG. Der Wert des Streitgegenstands einer Anfechtungsklage gegen eine Ausweisung ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG einheitlich auf 5.000 EUR festzusetzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 08.07.2019 - 11 S 45/19 -, juris, Rn. 19, m.w.N.). Das formal mit der Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot führt nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.08.2020 - 11 S 2038/19 -, juris Rn. 45). Weil die Abschiebungsandrohung nachträglich in einem gesonderten Bescheid erlassen worden ist, ist die entsprechende Klage streitwerterhöhend. Dabei geht die Kammer von einem Streitwert von 2.500 EUR aus.

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