Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Bescheid des Regierungspräsidiums vom 27. Dezember 2019 wird in Ziffer II aufgehoben, soweit er dem entgegensteht; die Ziffer III wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5.
Die Berufung wird zugelassen, soweit die Klage gegen die Ziffern I und III des Bescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27. Dezember 2019 gerichtet ist.
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| Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik sowie das damit verbundene neunjährige Einreise- und Aufenthaltsverbot und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. |
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| Er ist am in geboren und Staatsangehöriger. Am 29. Juli 2017 ist der Kläger erstmals in das Bundesgebiet eingereist und stellte am 2. August 2017 einen Asylantrag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend Bundesamt). Mit Bescheid vom 27. Oktober 2017 (Bundesamt) hat dieses dem Kläger subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zuerkannt. Am 16. Mai 2018 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. |
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| Nach dem Auszug des Bundeszentralregisters vom 13. Mai 2022 wurde der Kläger – neben der Anlassverurteilung – mit Strafbefehl des Amtsgerichts vom 8. Juli 2019 (Az.) wegen Beleidigung zu 30 Tagessätzen à 8,- EUR verurteilt. Überdies wurde er durch Urteil des Landgerichts vom 8. Februar 2019 (Az.) wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Diebstahl in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren zehn Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag nach den Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich der schweren Vergewaltigung der folgende Sachverhalt zugrunde: |
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| „Am 09. Juni 2018 gegen 5:30 Uhr traf die 26 Jahre alte [Geschädigte] auf den Kläger und dessen Begleiter […], auf dem Bahnhofsvorplatz in. Siebter die beiden der Zeuge [T.] händigte ihr daraufhin sein Feuerzeug aus und erklärte auf Nachfrage, sie könne dieses behalten. [Die Geschädigte] bedankte sich, überquerte die ging entlang der in Richtung Innenstadt. Hierbei lief sie aufgrund der Wirkung der Verlauf der nach eingenommenen Substanzen – so Fentanyl, Valium, Lyrica und in geringen Mengen auch Alkohol – langsam und schwankend. Der [Kläger], der den unsicheren Gang der Geschädigten bemerkt hatte, folgte ihr mit seinem Begleiter in kurzem Abstand und konnte [sie] etwa auf Höhe des Modegeschäfts „“ in der einholen. Nach einem kurzen Gespräch entfernte sich [der Begleiter], um nach Hause zu fahren, während der [Kläger der Geschädigten] seine Begleitung anbot, die aufgrund ihres Zustandes beim Laufen mehrmals stolperte einmal auch kurz zu Fall kam. Mit der Bemerkung, sie beschützen zu wollen, setzte er mit [ihr] den Weg in Richtung des fort. Dabei machte [sie ihm], der er mehrmals, ‚I love you!‘ Sagte, deutlich, dass er sich ‚eine andere suchen‘ solle, wenn er sexuelle Absichten haben sollte. Mit ihr verschwende er nur seine Zeit. Hierauf reagierte der [Kläger] allerdings nicht; vielmehr begleitete er [die Geschädigte] auf ihrem eingeschlagenen Weg in Richtung Innenstadt weiter. Er führte sie letztlich über einen an der Westseite des Parks an der beginnenden gegangen in das Innere des genommen wie Parks. Im Bereich des westlichenl; wie Parks drückte der [Kläger die Geschädigte] mit dem Rücken auf die dortige Steinmauer, vormals seiner Hand unter ihre Kleidung – ein T-Shirt mit V-Ausschnitt einen BH – und griff ihr an die Brust. Als [die Geschädigte] versuchte, den [Kläger] wegzudrücken, tätig sei ihre Hand fest, küsste sie intensiv am Halsbereich und verursachte dabei aufgrund der starken Sogwirkung einen sogenannten ‚Knutschfleck‘. Trotz der Gegenwehr [der Geschädigten], die versuchte, seine Hand festzuhalten und seinen Körper wegzudrücken, griff der [Kläger] an die unter Bekleidung der Geschädigten, zog er die getragene schwarze Legginghose, eine Strumpfhose und Slip über die Beine nach unten und drang mit mindestens einem Finger vaginal in die Geschädigte ein, was dieser – von ihm billigend in Kauf genommen – Schmerzen bereitete. [Sie] versuchte erneut den [Kläger] wegzudrücken, was er jedoch im Hinblick auf seine überlegene Körperkraft nicht gelang. Sodann drang der [Kläger] mit jedenfalls einem Finger kurz anal in sie ein. Auch forderte der [Kläger] die Geschädigte […] wiederholt auf, ihn hochhalten zu befriedigen durch Öffnen seiner Hose entblößten Penis in ihren Mund einzuführen, was ihm jedoch nicht gelang, da [die Geschädigte] ihren Kopf wegdrehen konnte. Dann zog der [Kläger] seine Hose ein Stück herunter und führte sein erigiertes Glied in die Vagina der Geschädigten ein, während er die Geschädigte, die sich aufzurichten versuchte, festhielt und weiterhin fest auf die Steinmauer drückte. Dabei hing der Kopf [der Geschädigten] nach hinten über die Steinmauer herunter, sodass sie aufgrund der Position starke Schmerzen am Rücken verspürte, was der [Kläger] erkannte, ihm jedoch egal war. Dennoch führte er den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr fort. Ob es bereits dabei zum Samenerguss kam, ließ sich nicht sicher klären. |
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| Nachdem der [Kläger] von [der Geschädigten] abgelassen hatte, begab sich diese in Richtung einer etwas höher am Weg liegenden Parkbank, um sich dort kurz hinzusetzen. [Sie] war dabei der irrigen Auffassung, vom [Kläger] nun nichts mehr befürchten zu müssen, da dieser ja bekommen hatte, was er wollte. Deswegen floh sie auch nicht, als [… der Kläger] gleichfalls zu der Bank kam. Möglicherweise rauchte die Geschädigte dabei gerade eine Zigarette. Nachdem der [Kläger] sich kurz bei der Bank aufgehalten hatte, ohne weiter aktiv zu werden, stieß er [die Geschädigte] unvermittelt nach hinten, worauf sie mit dem Rücken auf der Bank zu liegen kam. Danach fixierte er sie durch Festhalten der Arme und in dem er sich rittlings auf der Parkbank auf diese setzte, um sodann erneut mit jedenfalls einem Finger kurz anal und vaginal in die Geschädigte einzudringen. Entweder hielt der [Kläger] dabei einen Arm der Geschädigten fest oder aber dieser war situationsbedingt an der Parkbank eingeklemmt, was ihre Abwehrmöglichkeiten ebenso einschränkte wie ihre Beweglichkeit. Ebenso versuchte der [Kläger] wieder, seinen Penis in den Mund der Geschädigten einzuführen, was ihm jedoch wiederum nicht gelang, weil sie erneut den Mund schloss und den Kopf wegdrehte. Im Anschluss drang er mit seinem Glied zum zweiten Mal vaginal in die Geschädigte ein, um abermals den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr mit [ihr] zu vollziehen. Beim ersten oder zweiten Geschlechtsverkehr kam der [Kläger] auch zum Samenerguss. |
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| Während der Zeit auf der Parkbank setzte sich die Geschädigte massiv zur Wehr, indem sie in Richtung des [Klägers] trat, ihn am Hals würgte und zudem versuchte mit ihren Fingern Druck auf seine Augen auszuüben. Darüber hinaus rief sie laut um Hilfe. Auch versuchte sie mehrfach, die von ihr getragenen Strumpfhose wieder nach oben über ihre Hüfte zu streifen, um den [Kläger] an seinem Tun zu hindern. In der Folgezeit zerriss der [Kläger] die Strumpfhose der Geschädigten, um nicht weiter bei seinem Vorgehen behindert zu werden und auch ihre weitere Gegenwehr zu unterbinden. Zudem riss der [Kläger] der Geschädigten das von ihr an einer Goldkette getragene Kreuz vom Hals und warf dieses zu Boden. Nachdem der [Kläger] den abermaligen vaginalen Geschlechtsverkehr vollzogen und ihr mit hasserfülltem Blick erklärt hatte, sie werde jetzt ein Kind von ihm kriegen, gelang es der Geschädigten schließlich sich aufzurichten, aufzustehen, sich in einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit des Rucksacks des [Klägers] zu bemächtigen und in Richtung des Parkausgangs zu flüchten. Noch aus dem laufend oder aber erst auf der wählte die durch das Geschehen aufgewühlte Geschädigte gegen 06.39 Uhr den polizeilichen Notruf und konnte der Polizei mit panischer Stimme knapp den Sachverhalt schildern, bevor der [Kläger] Sie einholte und das von ihr auf dem Boden abgelegte Mobiltelefon an sich nahm und sodann in Richtung flüchtete. [Die Geschädigte] folgte dem [Kläger] für kurze Zeit, erkannte aber die Aussichtslosigkeit ihrer Bemühung, den [Kläger] einzuholen und wieder an ihr Handy zu kommen, und kehrte zum zurück, lief durch diesen in Richtung, an der bereits im Polizeifahrzeug – entgegen der Fahrbahn in Richtung – geparkt stand. Da keine Polizeibeamten anwesend waren, kauerte sich die stark verängstigte und nach dem traumatischen Geschehen weinende [Geschädigte] neben das Fahrzeug […]. |
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| Durch diese Tat erlitt [die Geschädigte], wie vom [Kläger] vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen, Blutungen im Genitalbereich, zwei Hämatome am Halsbereich – so zwei rote, fast rundliche Hämatomverfärbungen mit Durchmessern von etwa 3 cm (so genannte ‚Knutschflecken‘), Schürfungen an Rücken und Schulter, auf der linken Gesäßhälfte parallelstreifige Hautrötungen, die jeweils in Fingerbreite nebeneinanderliegen und Längen von 5 bis 8 cm aufweisen, sowie erhebliche Schmerzen. […] |
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| Bei der Tat führt der [Kläger] – wie er wusste – in seiner Hosentasche ein so genanntes ‚Einhandmesser‘ mit einer Klingenlänge von knapp 9 cm mit sich, das er zwar nicht eingesetzt hat, über das er jedoch jederzeit verfügen konnte, da es griffbereit in seiner Hose verwahrt war.“ |
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| Nach den Angaben des Sachverständigen in der Hauptverhandlung des Landgerichts habe bei dem Kläger keine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit bestanden (S. 5 des Urteils). Der Kläger hat sich weder gegenüber der Polizei noch in der Hauptverhandlung zu den Vorwürfen eingelassen, jedoch gegenüber dem Sachverständigen in dem Rahmen der Exploration den Vorwurf der Vergewaltigung mit der Bemerkung von sich gewiesen, es sei zu einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen, weil die Frau die aktivere gewesen sei. |
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| Mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. August 2019 (Az.) wurde die Revision des Klägers verworfen. |
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| Er befand sich seit seiner Festnahme am 9. Juni 2018 aufgrund der Haftbefehle des Amtsgerichts von demselben Tage (Az.) sowie vom 15. Juni 2018 (Az.) zunächst in Untersuchungshaft. Seit dem 31. August 2019 ist er – mit Ausnahme einer zwischenzeitlichen Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt vom 25. November 2020 bis zum 2. Februar 2021 – in der Justizvollzugsanstalt in in Strafhaft. |
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| Mit Schreiben vom 18. Juni 2018, teilte das Regierungspräsidium ihm mit, es sei beabsichtigt, ihn auszuweisen. Ihm wurde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben. Ein weiteres Mal hörte das Regierungspräsidium ihn mit Schreiben vom 14. Oktober 2019 zur beabsichtigten Ausweisung an und räumte die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme ein. |
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| Mit bei dem Regierungspräsidium am 2. Juli 2018 eingegangen Schreiben gab der Kläger an, nicht zurück nach zu können, da er dort zum Militär müsse. Er wolle in Deutschland bleiben, lernen und seiner Familie helfen. Deutschland sei ein gutes Land und gefalle ihm sehr. Er habe „nix gemacht“, wolle raus und weg von den Drogen. In seiner Stellungnahme vom 25. Oktober 2019 bat er, von einer Ausweisung abzusehen, da in seinem Heimatland momentan Krieg sei. In müsse er den Militärdienst antreten. Er wolle in Deutschland bleiben, das zu seiner Heimat geworden sei. Er mache eine Drogentherapie, besuche die Schule und wolle in Zukunft ein straffreies Leben führen. Außerdem sei er in Deutschland verlobt und wolle nach seiner Entlassung aus der Haft heiraten. |
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| Mit Bescheid vom 27. Dezember 2019 wies das Regierungspräsidiums Freiburg den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer I) und lehnte seinen Antrag vom 16. Mai 2018 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer II). Es setzte die Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf neun Jahre fest, beginnend mit seiner Ausreise beziehungsweise seiner Abschiebung (Ziffer III). Zur Begründung führte es an, aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Landgerichts vom 8. Februar 2019 liege ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse in dem Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Er sei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Durch die von ihm begangenen Straftaten habe er die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Bundesrepublik in besonders schwerwiegender Weise beeinträchtigt. Er gehöre der nach § 53 Abs. 3b AufenthG privilegierten Personengruppe an, für deren Ausweisung erhöhte Anforderungen gelten würden. Daher könne er nur ausgewiesen werden, wenn er eine schwere Straftat begangen habe oder eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstelle. Mit seiner Verurteilung erfülle er diese Voraussetzungen. Das Landgericht habe bei der Strafzumessung bezüglich des Diebstahlsdelikts eine Freiheitsstrafe von drei Monaten und bezüglich der schweren Vergewaltigung eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten für schuld- und tatangemessen erachtet. Nach den Feststellungen des Landgerichts sei ein minder schwerer Fall in dem Sinne des § 177 Abs. 9 StGB nicht in Betracht gekommen. Er habe mehrere Regelbeispiele des § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht und somit einen besonders schweren Fall der Vergewaltigung und demnach auch eine schwere Straftat begangen. Wegen seines subsidiären Schutzstatus seien auch die Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zu berücksichtigen. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, da von ihm gegenwärtig eine erhebliche Gefahr für die Begehung weiterer Straftaten und hochrangige Rechtsgüter ausgehe, so dass ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt sei. Er sei trotz seiner relativ kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten und offenbare damit eine erhebliche kriminelle Energie, die die Annahme begründe, dass er auch künftig Straftaten ähnlicher Art und Schwere begehen werde. Es lägen keine verlässlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass er seine Einstellung zur Rechtsordnung grundlegend geändert und sein strafrechtliches Fehlverhalten in einer Weise aufgearbeitet hätte, die eine Wiederholungsgefahr mit hinreichender Sicherheit ausschließen lasse. Dies zeige auch sein Verhalten im Strafprozess, indem er die Faktenlage lebensfremd zu seinen Gunsten verdreht habe, was von einem nicht vorhandenen Schuldbewusstsein zeuge. Dies bestätige sich ebenfalls in seiner ersten Stellungnahme. Auch in seiner zweiten Stellungnahme sei keinerlei Einsicht bezüglich seines Fehlverhaltens zu erkennen. Er habe angeführt, eine Drogentherapie absolvieren zu wollen; damit mache er offensichtlich ausschließlich seinen Rauschmittelkonsum für die Begehung der schweren Straftaten verantwortlich. Sein Teilgeständnis, wonach er mit der Geschädigten Geschlechtsverkehr gehabt habe, sei in keiner Weise geeignet, das kriminelle Gewicht seines Fehlverhaltens zu relativieren, die von ihm ausgehende Wiederholungsgefahr auszuräumen oder wenigstens entscheidungserheblich zu mindern. Dies gelte auch für die vom Gericht angenommene „besondere Haftempfindlichkeit“. Diese Umstände sagten nichts Entscheidendes über seine Bereitschaft zur Begehung schwerer Rechtsverletzungen und der Gefährlichkeit seines Verhaltens aus. Auch laut den Sachverständigengutachten zu seiner Schuldfähigkeit könne eine Alkohol- und Drogenabhängigkeit ausgeschlossen werden. Besondere Umstände, die sein Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen ließen, seien nicht erkennbar. Der Umstand, dass er sich unter Anwendung von Gewalt wiederholt über den Willen der Geschädigten hinweggesetzt habe, offenbare eine von Rücksichtslosigkeit und Gewalttätigkeit geprägte Persönlichkeitsstruktur, die auch unter der von einer längeren Inhaftierung möglicherweise ausgehenden positiven Wirkung die Annahme begründe, dass er Straftaten ähnlicher Art und Schwere begehen werde. An eine Wiederholungsgefahr seien hier auch keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse stehe kein (besonders) schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Die erforderliche Abwägung führe zu einem Überwiegen des Ausweisungsinteresses gegenüber dem Bleibeinteresse. Zu seinen Gunsten sei insbesondere einzustellen, dass ihm der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei und er seit seiner Einreise in die Bundesrepublik fast fünf Monate straffrei gelebt habe. Zudem habe er in Ansätzen die deutsche Sprache erlernt. Andererseits sei er mit einer intensiven Prägung seines Herkunftsstaates aufgewachsen, so dass ihm die dortigen kulturellen Eigenheiten bekannt sein dürften und auch eine Reintegration – nach einem möglichen Wegfall des Abschiebungsverbots – zuzumuten sei. Er habe den Großteil seines Lebens dort verbracht, dort die Schule besucht und gearbeitet. Auch lebten weiterhin mehrere Familienmitglieder dort. Es erschließe sich nicht, wie Deutschland zu seiner „Heimat“ geworden sein solle. Er habe nicht einmal ein Jahr in der Bundesrepublik gelebt, bevor er inhaftiert worden sei. Er habe keinerlei wirtschaftliche Integration erreicht und durch seine zahlreichen Verfehlungen eine bemerkenswerte Integrationsunwilligkeit an den Tag gelegt. Es sei wenig glaubhaft, dass er sich tatsächlich in Deutschland verlobt habe. Abgesehen von drei familiären Besuchen (Cousins und Onkel) habe er ausschließlich Besuch von Personen erhalten, die in dem Strafprozess beteiligt seien. Eine tatsächliche Verlobung wäre vorliegend aber auch nicht geeignet, um von einer Ausweisung absehen zu können. Außerdem sei es ihm nicht gelungen, sich während der Haftzeit straffrei zu führen, sondern er sei immer wieder mit Beleidigungen in Erscheinung getreten. Die mit der Ausweisung für ihn verbundenen Nachteile stünden nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg, weitere Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern. Bedeutende familiäre Beziehungen im Bundesgebiet seien weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Wegen des ihm zugesprochenen subsidiären Schutzstatus werde auf den Erlass einer Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung verzichtet. Die Ausweisung sei hierdurch allerdings nicht ausgeschlossen. Auch sei sie nicht deshalb zu unterlassen, weil sie wegen einer etwaigen Unmöglichkeit der Abschiebung ihre (spezialpräventiven) Zwecke verfehlte. Eine Ausweisung könne ihren ordnungsrechtlichen Zweck unter spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten auch dann erreichen, wenn sie vorerst nicht zu einer Abschiebung führe, sondern „nur“ eine Verschlechterung seiner aufenthaltsrechtlichen Position im Bundesgebiet bewirke. |
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| Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei bereits aufgrund der Sperrwirkung der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG zwingend zu versagen. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 AufenthG vor, er habe aber die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage der Zuerkennung des subsidiären Schutzes verwirkt. |
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| Unter Abwägung aller Gesichtspunkte sei eine Sperrfrist von neun Jahren erforderlich und angemessen, um dem in seiner Person liegenden Gefahrenpotenzial Rechnung tragen zu können. Seiner Ausweisung liege eine strafrechtliche Verurteilung zugrunde, die die Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist nicht bedürfe. Es lägen keinerlei Anzeichen vor, wonach davon ausgegangen werden könne, dass er nicht wieder in ähnlicher Art und Weise straffällig werde. |
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| Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17. Juli 2020, dem Kläger zugestellt am 28. Juli 2020, wurde der mit Bescheid vom 27. Oktober 2017 (Az.) zuerkannte subsidiäre Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zurückgenommen (Ziffer 1 des Bescheids), der subsidiäre Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG wurde nicht zuerkannt (Ziffer 2) und ein Abschiebungsverbot hinsichtlich in dem Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt (Ziffer 3). Der Kläger hat hiergegen keine Klage erhoben. |
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| Die Staatsanwaltschaft erhob (zunächst) unter dem 16. Februar 2021 (Az.) Anklage bei dem Amtsgericht – Schöffengericht – wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung. Nachdem die Anklage auf richterlichen Hinweis am 6. Juli 2021 zunächst zurückgenommen wurde, hat die Staatsanwaltschaft – ebenfalls unter dem Datum 6. Februar 2021 – Anklage vor dem Landgericht erhoben; dieses hat noch nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden. |
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| Mit Bescheid vom 14. Juni 2022 – dem Kläger zugestellt am 21. Juni 2022 – ergänzte das Regierungspräsidium Freiburg seine Ausweisungsentscheidung: Es drohte ihm auf seine Kosten ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung aus der Haft heraus nach oder in einen anderen Staat an, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Bis zum vollziehbaren Widerruf oder der vollziehbaren Rücknahme des durch das Bundesamt mit Bescheid vom 17. Juli 2020 festgestellten Abschiebungsverbots dürfe er nicht nach abgeschoben werden (Ziffer IV). Für den Fall seiner Entlassung aus der Haft ohne Abschiebung forderte es ihn auf, das Gebiet der Bundesrepublik spätestens innerhalb von 30 Tagen nach Haftentlassung zu verlassen und drohte ihm für den Fall, dass er innerhalb dieser Frist nicht freiwillig ausreise, auf seine Kosten die Abschiebung nach oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, an. Bis zum vollziehbaren Widerruf oder der vollziehbaren Rücknahme des durch das Bundesamt mit Bescheid vom 17. Juli 2020 festgestellten Abschiebungsverbots dürfe er nicht nach abgeschoben werden (Ziffer V). |
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| Der Kläger hat bereits am 28. Januar 2020 Klage gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2019 erhoben, die er im Wesentlichen damit begründet, dass er nicht nach ausgewiesen werden dürfe, weil dort immer noch Krieg herrsche. Ihm sei eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, da ihm der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei. Er gelte in als Deserteur und werde vom Militär gesucht. Ein Großteil seiner Familie sei hier in Deutschland, seine Eltern seien auf dem Weg hierher. Deshalb habe er keine Familie mehr in. Auch habe er keine Ausbildung, mit der es möglich wäre, in sein eigenes Geld zu verdienen. Ebenso fehle es ihm an schulischer Bildung. Das sei es, was er sich erhofft habe, in Deutschland machen zu können. |
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| den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 27. Dezember 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. |
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| Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid. |
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| Der Kammer liegen die Akten des Regierungspräsidiums (zwei „Hefte“), das Vollstreckungsheft der Staatsanwaltschaft (ein „Heft“, Az.), die Gefangenenpersonalakte der Justizvollzugsanstalt (zwei Bände) sowie die Strafakten des Landgerichts (Az.) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf diese Akten, die Gerichtsakte sowie die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. |
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| Das Gericht durfte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger nicht in der mündlichen Verhandlung erschienen war, denn in der Ladung ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO). |
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| Die Klage ist zwar insgesamt zulässig, hat aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. |
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| I. Sie ist im Hinblick auf die Ziffern I und III des Bescheids vom 27. Dezember 2019 als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO und hinsichtlich Ziffer II des Bescheids als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. |
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| II. Die Klage ist betreffend die Ziffer III begründet, weil der Bescheid des Regierungspräsidiums vom 27. Dezember 2019 insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (dazu 1.). Im Übrigen ist die Anfechtungsklage unbegründet, weil die unter Ziffer I verfügte Ausweisung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (dazu 2.). |
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| Die gegen Ziffer II des Bescheids des Regierungspräsidiums vom 27. Dezember 2019 gerichtete Verpflichtungsklage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist rechtswidrig und verletzt den Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag. Da die Sache nicht spruchreif ist, ist der Beklagte lediglich zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO (dazu 3.). |
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| 1. Das mit Bescheid vom 27. Dezember 2019 unter Ziffer III angeordnete und auf neun Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. |
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| a) Zwar ist der Tatbestand des § 11 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 AufenthG erfüllt, wonach gegen einen Ausländer, der ausgewiesen worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen ist. |
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| b) Es fehlt aber vorliegend an einer wirksamen Rückkehrentscheidung in dem Sinne der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (nachfolgend: Rückführungsrichtlinie). |
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| aa) Gemäß Art. 3 Nr. 6 Rückführungsrichtlinie geht ein Einreiseverbot „mit einer Rückkehrentscheidung einher“. Es stellt damit eine Ergänzung der Rückkehrentscheidung dar (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 52) und kann ohne eine solche nicht aufrechterhalten werden (EuGH Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 54 und 61; vgl. diesbezüglich auch BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 28. September 2021 – 2 LA 206/21 –, juris Rn. 12, sowie etwa VG Karlsruhe, Urteil vom 1. Oktober 2021 – A 19 K 2563/21 –, juris Rn. 70). |
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| bb) Dass es sich hierbei – in tatsächlicher Hinsicht – um eine wirksame Rückkehrentscheidung handeln muss, ergibt sich aus der Zusammenschau einer methodischen Auslegung der Richtlinie sowie der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in diesem rechtlichen Kontext. |
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| So ist in dem zweiten Erwägungsgrund der Rückführungsrichtlinie ausdrücklich von „einer wirksamen Rückkehr- und Rückübernahmepolitik“ die Rede. Ebenso wird in dem vierten Erwägungsgrund auf eine „wirksame Rückkehrpolitik“ abgehoben. Mit der Rückführungsrichtlinie wird demnach insgesamt intendiert, dass gemäß Art. 3 Nr. 2 Rückführungsrichtlinie illegal in einem Mitgliedstaat aufhältige Ausländer tatsächlich das jeweilige Hoheitsgebiet verlassen. |
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| In diesem Sinne verweist der Europäische Gerichtshof in seiner in seiner Entscheidung vom 24. Februar 2021 (– C-673/19 –, juris Rn. 28) auf den zweiten Erwägungsgrund der Rückführungsrichtlinie und legt die dort enthaltenen Wertungen seiner Entscheidung zugrunde. |
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| Auch hebt der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 3. Juni 2021 (– C-546/19 –, juris Rn. 57) ausdrücklich auf eine „wirksame Rückkehrentscheidung“ (Hervorhebung durch das Gericht) als Voraussetzung für den Erlass eines Einreiseverbots ab. Es laufe Art. 6 Rückführungsrichtlinie zuwider, einen Zwischenstatus von Drittstaatsangehörigen zu dulden, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung und ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befänden und gegebenenfalls einem Einreiseverbot unterlägen, gegen die aber keine wirksame Rückkehrentscheidung bestünde. |
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| Für ein solches Verständnis der Regelung spricht zudem der Umstand, dass ein Einreiseverbot – nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs – seine Wirkung erst ab dem Zeitpunkt entfaltet, in dem der Betreffende das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten tatsächlich verlässt (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 52 m.w.N.). |
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| Schließlich wird nach der Legaldefinition in Art. 3 Nr. 3 Rückführungsrichtlinie der Begriff der „Rückkehr“ als Rückreise definiert, woraus sich ebenfalls herleiten lässt, dass die betreffende Person das jeweilige Hoheitsgebiet tatsächlich verlässt. |
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| cc) In der (deutschen) Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass die Abschiebungsandrohung – und nicht etwa die Ausweisung – als eine Rückkehrentscheidung zu verstehen ist (dazu etwa BVerwG, EuGH-Vorlage vom 9. Mai 2019 – 1 C 14.19 –, juris Rn. 31 f., auch Urteil vom 20. Februar 2020 – 1 C 1.19 –, juris Rn. 14 ff., und Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 41; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember 2018 – A 11 S 1923/17 –, juris Rn. 246 m.w.N., und Beschluss vom 15. Oktober 2013 – 11 S 2114/13 –, juris Rn. 6 f. m.w.N.; VG Freiburg, Urteil vom 26. Januar 2022 – 7 K 826/20 –, juris Rn. 41; VG Freiburg, Urteil vom 17. Mai 2022 – 10 K 5070/19 –, juris Rn. 55; a.A. etwa Oberhäuser, in: NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, § 11 AufenthG Rn. 9). |
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| Auch ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das nur mit einer Ausweisung aus Gründen der Gefahrenabwehr verfügt wurde, ist nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –) am Maßstab der Rückführungsrichtlinie zu messen (BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 53; a.A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris). |
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| Die Rückführungsrichtlinie ist danach generell auf Personen anwendbar, die über keinen Aufenthaltstitel oder keine sonstige Aufenthaltsberechtigung im Aufnahmestaat verfügen (siehe Art. 6 Abs. 4 Rückführungsrichtlinie). |
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| Nach Art. 2 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie findet die Richtlinie Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige. Illegaler Aufenthalt wird gemäß Art. 3 Nr. 2 Rückführungsrichtlinie als die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat bezeichnet, wenn die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in diesen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt werden. Damit reicht es aus, wenn der Betreffende (aktuell) die Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder für den dortigen Aufenthalt nicht erfüllt und „schon allein deswegen“ dort illegal aufhältig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 43 f.). Von der in Art. 2 Abs. 2 lit. b Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit, die Richtlinie auf Drittstaatsangehörige, die aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind, nicht anzuwenden, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht (BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2019 – 1 C 14.19 –, juris Rn. 37, und vom 6. Mai 2020 – 1 C 14.19 –, juris Rn. 2 sowie Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 54; bereits zuvor VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Dezember 2011 – 11 S 897/11 –, juris Rn. 83, und vom 10. Februar 2012 – 11 S 1361/11 –, juris Rn. 87; zuletzt a.A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris Rn. 152 ff.). |
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| In dem Falle des Klägers ist schon deshalb von einem „illegalen Aufenthalt“ in diesem Sinne auszugehen, weil er keinen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt. Im Übrigen hat die Ausweisung (vgl. hierzu unten, I. 2.) zur Folge, dass nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG der für den Aufenthalt in Deutschland erforderliche Aufenthaltstitel erlischt und der Ausländer kraft Gesetzes (§ 50 AufenthG) zur Ausreise verpflichtet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 42). |
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| Dies gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch dann, wenn der Ausländer – wie hier der Kläger – tatsächlich nicht abgeschoben werden darf (siehe § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK). |
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| Auch unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebende Folgen für die Wirksamkeit der Ausweisung als ausländerrechtliches Instrument der Gefahrenabwehr und der hieran anknüpfenden Kritik des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris Rn. 139 ff.; vgl. auch Urteile vom 7. Dezember 2011 – 11 S 897/11 –, juris Rn. 83, und vom 10. Februar 2012 – 11 S 1361/11 –, juris Rn. 87) kann die Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie in dem vorliegenden Fall nicht verneint werden. Denn der Europäische Gerichtshof hat auf die ausdrückliche Frage des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 09.05.2019 – 1 C 14.19 –, juris) deutlich gemacht, dass auch ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf der Grundlage einer früheren strafrechtlichen Verurteilung zu „nichtmigrationsbedingten Zwecken“ verhängt wurde, unter den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 48, vgl. nunmehr auch BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 53). |
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| dd) Gemessen an dem Vorstehenden fehlt es an einer wirksamen Rückkehrentscheidung, da die unter den Ziffern IV und V des Ergänzungsbescheids des Regierungspräsidiums vom 14. Juni 2022 angeordneten Abschiebungsandrohungen de facto – jedenfalls gegenwärtig – leerlaufen. Ausweislich der vorliegenden Abschiebungsandrohungen wird der Kläger nicht in absehbarer Zeit abgeschoben. |
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| So verfügt der Beklagte unter Ziffer IV wörtlich: |
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| „Ihnen wird die Abschiebung aus der Haft heraus nach oder in einen anderen Staat, in den Sie einreisen dürfen oder der zu Ihrer Übernahme verpflichtet ist, auf Ihre Kosten ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise angedroht. Sie dürfen bis zum vollziehbaren Widerruf oder der vollziehbaren Rücknahme des durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 17.07.2020 festgestellten Abschiebungsverbots nicht nach abgeschoben werden.“ |
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| Und unter Ziffer V heißt es wörtlich: |
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| „Im Fall der Entlassung aus der Haft ohne Abschiebung werden Sie aufgefordert, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland spätestens innerhalb von 30 Tagen nach Haftentlassung zu verlassen. Für den Fall, dass Sie innerhalb dieser Frist nicht freiwillig ausreisen, wird Ihnen die Abschiebung nach oder in einen anderen Staat, in den Sie einreisen dürfen oder der zu Ihrer Übernahme verpflichtet ist, auf Ihre Kosten angedroht. Sie dürfen bis zum vollziehbaren Widerruf oder der vollziehbaren Rücknahme des durch das BAMF mit Bescheid vom 17.07.2020 festgestellten Abschiebungsverbots nicht nach abgeschoben werden.“ |
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| Die Verfügungen knüpfen beide an einen vollziehbaren Widerruf beziehungsweise eine vollziehbare Rücknahme des hinsichtlich von dem Bundesamt festgestellten Abschiebungsverbots an. Ob dieses aber überhaupt jemals widerrufen oder zurückgenommen wird und wann dies gegebenenfalls erfolgt, ist gänzlich ungewiss und derzeit in keiner Weise absehbar. Ausgehend von der gegenwärtigen Lage in ist nicht zu erwarten, dass eine solche Entscheidung durch das Bundesamt alsbald erfolgen wird. Angesichts dessen gehen die verfügten Abschiebungsandrohungen jedoch auf unabsehbare Zeit faktisch ins Leere und sind damit gerade nicht wirksam in dem Sinne der Rückführungsrichtlinie, weshalb das – hierzu akzessorische – Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer III des Bescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27. Dezember 2019 rechtswidrig ist. |
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| 2. Die unter Ziffer I des Bescheides verfügte Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2019 – 1 C 21.18 –, juris Rn. 11; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. März 2017 – 11 S 2029/16 –, juris Rn. 34, m.w.N.) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. |
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| a) Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. § 53 Abs. 1 AufenthG setzt dabei eine umfassende und ergebnisoffene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls voraus, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. Die Abwägung erfolgt dabei nicht auf der Rechtsfolgeseite im Rahmen eines der Ausländerbehörde eröffneten Ermessens, sondern auf der Tatbestandsseite einer nunmehr gebundenen Ausweisungsentscheidung und ist damit gerichtlich voll überprüfbar. Der Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfährt durch die weiteren Ausweisungsvorschriften mehrfache Konkretisierungen (vgl. auch zum Folgenden, BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 – 1 C 3.16 –, juris Rn. 21). So wird einzelnen, in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen durch den Gesetzgeber in den §§ 54, 55 AufenthG ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als „besonders schwerwiegend“ (Abs. 1) oder als „schwerwiegend“ (Abs. 2). Weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen sind hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen. Die in § 54 AufenthG beispielhaft normierten Tatbestände sind gesetzliche Umschreibungen spezieller öffentlicher Interessen an einer Ausweisung in dem Sinne des § 53 Abs. 1 HS. 1 AufenthG und schreiben diesen zugleich ein besonderes Gewicht für die durch § 53 Abs. 1 HS. 2 und Abs. 3 AufenthG geforderte Abwägung zu. Ein Rückgriff auf die allgemeine Formulierung eines öffentlichen Ausweisungsinteresses ist deshalb entbehrlich, wenn der Tatbestand eines besonderen Ausweisungsinteresses nach § 54 AufenthG verwirklicht ist. |
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| b) Die formell rechtmäßige Ausweisungsverfügung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. |
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| aa) In dem Fall des Klägers liegt ein besonders schwerwiegendes (öffentliches) Ausweisungsinteresse sowohl in dem Sinne der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 AufenthG als auch in dem Sinne der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 1a Buchst. c) AufenthG vor. Denn er ist mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts vom 8. Februar 2019 (Az. 3 KLs 230 Js 18983/18 AK 25/18) wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Diebstahl in Tateinheit mit Körperverletzung seiner Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Dabei ging das Landgericht hinsichtlich der Vergewaltigung von einer Einzelstrafe von vier Jahren und neun Monaten aus. |
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| bb) Der Aufenthalt des Klägers gefährdet auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung in dem Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG, da von ihm weiterhin die Gefahr der Begehung von Straftaten ausgeht. Es liegen bereits spezialpräventive Gründe für eine Ausweisung des Klägers vor (1). Zudem stützen auch generalpräventive Erwägungen die Ausweisungsentscheidung (2). Der Kläger genießt zudem nicht (mehr) den besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 53 Abs. 3b AufenthG (3). |
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| (1) In dem weiteren Aufenthalt eines Ausländers in der Bundesrepublik liegt dann eine Gefährdung, wenn nach dem Verhalten des Ausländers damit gerechnet werden muss, dass er selbst (erneut) weitere Straftaten begeht und damit die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigt (Spezialprävention). Darüber hinaus können aber auch allein generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse begründen. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann nämlich auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Ausbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16.17 –, juris Rn. 16). Erforderlich für die von dem Tatrichter in eigener Zuständigkeit zu beantwortende Frage, ob eine Wiederholungsgefahr besteht, ist eine einzelfallbezogene Bewertung, die von dem gegenwärtigen persönlichen Verhalten des Ausländers ausgeht (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 1 C 20.11 –, juris Rn. 23; Urteil vom 15. Januar 2013 – 1 C 10.12 –, juris Rn. 18; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2012 – 11 S 4/12 –, juris Rn. 43; Urteil vom 07. März 2012 – 11 S 3269/11 –, juris Rn. 55). Für die Beurteilung, ob nach dem Verhalten des Ausländers auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts damit zu rechnen ist, dass er erneut die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, bedarf es einer Prognose, bei welcher der Grad der Wahrscheinlichkeit neuer Verfehlungen und Art und Ausmaß möglicher Schäden zu ermitteln und zueinander in Bezug zu setzen sind. Diese Prognoseentscheidung obliegt dem die Ausweisung überprüfenden Gericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 – 1 C 13.11 –, juris Rn. 12 und 18; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 50 m.w.N.). Bei der Frage danach, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 15.0 Januar 2013 – 1 C 10.12 –, juris Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 – 1 C 19.11 –, juris Rn. 16). Dabei sind nicht allein die Strafurteile und die zugrundeliegenden Straftaten zu berücksichtigen, sondern alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Gesamtpersönlichkeit des Ausländers, seine Entwicklung und seine Lebensumstände bis zu dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Gerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 – 1 C 13.11 –, juris Rn. 12). Für bestimmte Fallgruppen besonders schwerer und schädlicher Delikte – so auch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gerade von Kindern – sind an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen (vgl. zu diesen Konstellationen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juli 2003 – 11 S 420/03 –, juris Rn. 26 m.w.N.). Eine Ausweisung darf dann – bei im Übrigen rechtsfehlerfreier Abwägungsentscheidung – bereits vor der Schwelle einer konkreten Wiederholungsgefahr verfügt werden. Ein ausreichender spezialpräventiver Ausweisungsanlass liegt dann vielmehr schon vor, wenn „lediglich eine entfernte Möglichkeit weiterer Straftaten besteht“ beziehungsweise sich eine Wiederholungsgefahr nicht ausschließen lässt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. |
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| Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Kammer aus den Akten die Überzeugung gewonnen (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO), dass nach wie vor eine (erhebliche) Wiederholungsgefahr besteht. Aufgrund der Schwere der von dem Kläger begangenen Tat sind an die Beurteilung der Wiederholungsgefahr vorliegend nur geringe Anforderungen zu stellen. Zwar handelt es sich bei den Taten insgesamt um einen im Sinne des Strafrechts tateinheitlichen Vorgang. Gleichwohl hat der Kläger die Geschädigte in der maßgeblichen Nacht zweimal vergewaltigt und dabei insbesondere auch ihre Vulnerabilität und physische Unterlegenheit aufgrund der von ihr zuvor eingenommenen Substanzen ausgenutzt. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, konnte sich die Kammer keinen persönlichen Eindruck von ihm machen, der Anhaltspunkte für eine anderslautende Beurteilung hätte geben können. |
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| Für eine erhebliche Wiederholungsgefahr spricht zunächst, dass der Kläger die Straftaten – zu denen er bereits rechtskräftig verurteilt worden ist – weiterhin bestreitet und behauptet, der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich erfolgt beziehungsweise könne er sich nicht erinnern. Die Kammer sieht vorliegend keinen Anlass, aufgrund des Bestreitens die strafgerichtlichen Feststellungen in Frage zu stellen. |
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| Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass namentlich im Ordnungsrecht die in einem Strafbefehl – und erst recht die in einem Strafurteil – enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden dürfen, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 – 3 C 37.01 –, juris Rn. 38; Beschluss vom 18. August 2011 – 3 B 6.11 –, juris Rn. 10; Beschluss vom 12. Januar 1977 – VII B 190.76 –, juris). Gewichtige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen in dem Strafurteil bestehen, wenn Wiederaufnahmegründe in dem Sinne des § 359 StPO vorliegen, namentlich im Falle der Beibringung neuer Tatsachen oder Beweismittel, die eine für den Betroffenen günstigere strafrechtliche Entscheidung zu begründen geeignet sind. Es bedarf demzufolge der Darlegung substantiierter, nachprüfbarer Umstände, die eine Unrichtigkeit der im Strafverfahren getroffenen Feststellungen belegen könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 – 3 B 6.11 –, juris Rn. 11). |
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| Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr war der Kläger auch in dem strafgerichtlichen Verfahren nicht geständig; er hat gegenüber den Sachverständigen behauptet, der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich erfolgt. Bei der Darstellung der Tatnacht schildert er die Situation vielmehr so, dass er derjenige sei, der von dem Verhalten der Geschädigten überrumpelt und anschließend von ihr bestohlen worden sei. Eine Eigenverantwortung für das Geschehene ist hierin in keiner Weise zu erblicken. Daran hat sich auch in der Folgezeit nichts geändert, wie sich aus dem Beschluss des Landgerichts vom 30. August 2021 (Az.) sowie dem Vollzugsplan der Justizvollzugsanstalt vom 7. Juni 2021 (dort S. 2) ergibt. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, an der umfassenden Auswertung und Würdigung des Strafgerichts im Rahmen seiner Beweisaufnahme zu zweifeln. Vielmehr können die dort zur Überzeugung des Gerichts festgestellten Umstände auch in diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugrunde gelegt werden. |
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| Ferner fallen die Art und das Ausmaß möglicher Schäden infolge künftiger Verfehlungen des Klägers besonders ins Gewicht. Durch die Begehung von Sexualstraftaten werden besonders sensible Rechtsgüter der Geschädigten tangiert. Dies ist in die Abwägung mit einzustellen. Sollte der Kläger erneut vergleichbare Straftaten begehen, sind die dadurch drohenden Folgen für die Geschädigten als besonders gravierend zu qualifizieren. Dabei kann die Art der in Betracht kommenden Schäden weitreichend sein. |
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| Hinzukommt dass sich der Kläger bislang auch während seiner Haft nicht anstandslos geführt hat. Vielmehr ist er ein weiteres Mal strafrechtlich verurteilt worden und auch immer wieder durch Störfälle und Fehlverhalten in der Justizvollzugsanstalt in Erscheinung getreten. Neben Beleidigungen der Justizvollzugsanstalts-Bediensteten (vgl. den Strafbefehl des Amtsgerichts vom 8. Juli 2019, Az.) kam es auch immer wieder zu disziplinarischen Maßnahmen gegen den Kläger (vgl. Vollzugsplan der JVA vom 7. Juni 2021, S. 1). Die Verbüßung der Freiheitsstrafe hat er sich damit ersichtlich nicht zur Warnung dienen lassen. Vielmehr akzeptiert er noch immer nicht die Rechtsordnung der Bundesrepublik. |
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| In der Stellungnahme eines Bediensteten aus der Justizvollzugsanstalt vom 16. Juli 2021 anlässlich der Prüfung einer möglichen Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe gemäß § 57 Abs. 1 StGB verweist dieser auf die Dokumentation der Stockwerksbeamten, wonach der Kläger „öfters aggressiv“ sei und auch „Probleme mit Weisungen von weiblichen Bediensteten“ habe (Stellungnahme HS, vom 16. Juli 2022, Bl. 247 der Gerichtsakte). |
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| Ferner wurde das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verlegung in den offenen Vollzug (vgl. § 7 Abs. 1 JVollzGB III) auch unter Hinweis auf die unbearbeitete Gewaltproblematik und die Suchtvorgeschichte verneint (vgl. Vollzugsplan der JVA vom 7. Juni 2021, S. 2). Hinsichtlich einer möglichen Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung heißt es in dem Vollzugsplan der Justizvollzugsanstalt vom 7. Juni 2021 (dort S. 2), dass eine Diagnostik grundsätzlich indiziert sei, derzeit aber wegen mangelnder Deutschkenntnisse und Tatleugnung weiterhin von mangelnder Therapiefähigkeit und -willigkeit auszugehen sei. |
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| Auf eine erhebliche Wiederholungsgefahr deutet auch die Ablehnung der nach § 57 Abs. 1 StGB grundsätzlich möglichen Aussetzung der Vollstreckung des Rests der Freiheitsstrafe zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftzeit durch Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 30. August 2021 (Az.) hin. In der Begründung führt das Landgericht aus, dass besondere Umstände vorlägen, die die von der Erstverbüßung ausgehende, für eine günstige Prognose sprechende Indizwirkung entfallen ließen. Sowohl der soziale als auch der wirtschaftliche Empfangsraum erschienen nicht hinreichend gesichert, eine günstige Sozialprognose könne nicht erstellt werden. Er verfüge über kein geregeltes Einkommen, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er leugne die Tat nach wie vor beziehungsweise gebe an, sich nicht daran erinnern zu können und zu Unrecht verurteilt worden zu sein. Hinzukomme, dass derzeit ein Strafverfahren wegen eines sexuellen Übergriffs auf einen Mitgefangenen anhängig sei, so dass auch keine günstige Kriminalprognose gestellt werden könne. |
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| Der Kläger hat weder in seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Ausweisung noch in der Klagebegründung eine selbstkritische Reflektion der Taten und ihrer Folgen für die Geschädigte erkennen lassen. Er hat nicht ansatzweise zum Ausdruck gebracht, dass er das von ihm begangene Unrecht einsieht oder gar aufgearbeitet hätte. Auch zeigt er keinerlei Empathie für die Geschädigte. Vielmehr hat er allein zielstaatsbezogene Aspekte angeführt, die einer Ausweisung entgegenstehen sollen und seinen Fokus ausschließlich auf seine eigene Situation gerichtet; insbesondere wolle er hier in Deutschland eine (schulische) Ausbildung erfahren und sich eine eigene Existenz aufbauen. |
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| Gegen eine für den Kläger günstige Prognose spricht zudem seine wirtschaftliche Situation. In der Stellungnahme des Sozialdienstes der Justizvollzugsanstalt vom 8. Juli 2021 heißt es hierzu, dass noch Gerichtskosten in Höhe von 25.000,- EUR offen seien, die er nach seiner Entlassung aus der Haft begleichen wolle. Eine berufliche Tätigkeit nach der Entlassung aus der Haft hat er – soweit ersichtlich – gegenwärtig nicht in Aussicht. |
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| Schließlich ist bei dem Landgericht noch immer ein Strafverfahren wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung anhängig (Az.). In diesem Zusammenhang hat das Landgericht am 4. Januar 2022 beschlossen, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob die Gesamtwürdigung des dortigen Angeschuldigte und seiner Taten ergebe, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt einer etwaigen Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich sei (§ 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB). Hierin kommt zum Ausdruck, dass auch das Landgericht von einer erheblichen Gefährdung durch den Kläger ausgeht und ein entsprechendes Rückfallrisiko erblickt. |
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| Für den Kläger streitet zwar der Umstand, dass er während seiner bisherigen Haftzeit die Schule besucht und die Zuteilung zu einer Arbeit beantragt hat (vgl. Vollzugsplan vom 7. Juni 2021, S. 1 f.). Dies allein vermag allerdings die vorstehend begründete Annahme einer (erheblichen) Wiederholungsgefahr nicht infrage zu stellen. |
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| (2) Nach der rechtskräftigen Rücknahme der Zuerkennung des subsidiären Schutzes können auch generalpräventive Gründe die Ausweisung stützen. |
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| An die generalpräventiv begründeten Ausweisungen sind aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen. Erforderlich sind eine schwerwiegende Straftat und ein dringendes Bedürfnis, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch die Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (vgl. zu den Anforderungen an eine generalpräventiv begründete Ausweisung, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. August 2020 – 11 S 2038/19 –, juris Rn. 30, m.w.N.). Dabei kommt es stets auf die Schwere der Straftat im Einzelfall an. Dies setzt voraus, dass die konkreten Umstände der begangenen Straftat oder Straftaten, wie sie sich aus dem Strafurteil und dem vorangegangenen Strafverfahren ergeben, ermittelt und individuell gewürdigt werden. Zur Annahme eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG bedarf es – anders als unter Geltung von § 56 Abs. 1 S. 2 AufenthG a.F. – nicht der Verurteilung wegen besonders schwerwiegender Delikte für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wie Drogendelikte, Delikte im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität oder im Zusammenhang mit Terrorismus. Erforderlich ist lediglich, dass die Ausweisung an Straftaten oder Verhaltensweisen anknüpft, bei denen sie nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet erscheint, andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (Bayerischer VGH, Urteil vom 12. April 2021 – 10 B 19.1716 –, juris Rn. 76 m.w.N.). Erforderlich ist außerdem, dass das Ausweisungsinteresse noch aktuell ist, denn jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse verliert mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an ein strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB (Strafverfolgungsverjährung) angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16.17 –, juris). |
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| Der Kläger wurde wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Diebstahl in Tateinheit mit Körperverletzung rechtskräftig verurteilt. Die Tat liegt in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung etwa vier Jahre zurück und die Verurteilung circa drei Jahre; sie sind damit als aktuell zu bewerten. Andere Ausländer sollen nicht nur durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen von der Begehung vergleichbarer (Sexual-)Straftaten abgehalten werden, sondern auch infolge der konsequenten Anwendung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften. Maßnahmen nach den §§ 53 ff. AufenthG vermögen mitunter eine weiterreichende Wirkung auf die Betroffenen zu entfalten als eine strafrechtliche Sanktion. Insofern ergänzen die Ausweisungstatbestände des Aufenthaltsgesetzes die Straftatbestände im Hinblick auf die generalpräventiven (Abschreckungs-)Wirkungen. |
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| (3) Der Kläger genießt auch nicht mehr den besonderen Ausweisungsschutz des § 53 Abs. 3b AufenthG, da das Bundesamt den subsidiären Schutzstatus bestandskräftig zurückgenommen und (lediglich) ein Abschiebungsverbot in dem Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK hinsichtlich festgestellt hat. |
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| Unbeachtlich ist insoweit, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass die Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Durch die Verwendung des Wortes „besitzt“ in § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine Aufenthaltserlaubnis tatsächlich vorhanden, also dem jeweiligen Ausländer erteilt sein muss. Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat in Bezug auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung klargestellt, dass nur der Inhaber einer Niederlassungserlaubnis geschützt werden soll (s. BT-Drs. 18/4097, S. 53). Das lässt sich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG übertragen, da beide Vorschriften den Begriff „besitzt“ verwenden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 7 A 10866/18 –, juris Rn. 29 m.w.N.). Demnach reicht es auch nicht aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt die Aufenthaltserlaubnis nur beantragt ist oder die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 55 Rn. 6; Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 55 Rn. 10; Fleuß, in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand 1. Mai 2022, § 55 Rn. 22). |
|
| Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig abgelehnt hat (vgl. hierzu Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 55 Rn. 10). Denn der Kläger hat keinen gebundenen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, der durch die rechtswidrige und nicht bestandskräftige Ablehnung verletzt worden wäre. Nur unter diesen Voraussetzungen könnten es die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, und die Gewährleistung eines fairen Verfahrens, Art. 20 Abs. 3 GG, gebieten, den Kläger so zu stellen, als hätte die Ausländerbehörde von Anfang an rechtmäßig gehandelt (OVG Bremen, Urteil vom 10. Mai 2011 – 1 A 306/10 –, juris Rn. 76). Der Kläger hat indes lediglich einen Anspruch gegen den Beklagten auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrags (vgl. unten, I.3.) |
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| dd) Bei der nach Maßgabe des § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG gebotenen Abwägung unter Gewichtung der wechselseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überwiegt das öffentliche Ausweisungsinteresse nach §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und Nr. 1a Buchst. c) AufenthG das private Bleibeinteresse des Klägers. |
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| Bereits das Nichtvorliegen eines typisierten besonders schwerwiegenden oder schwerwiegenden Bleibeinteresses nach § 55 Abs. 1 oder 2 AufenthG als Gegengewicht zu dem hier vorliegenden besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse indiziert das Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausweisung, da bei der Gewichtung der Interessen die gesetzgeberische Wertung in §§ 54 und 55 AufenthG zu beachten ist. Bei der Abwägung sind zudem einzelfallbezogen insbesondere die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Umstände zu berücksichtigen, mithin die Dauer des Aufenthalts des Ausländers in Deutschland, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen in Deutschland wie im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat (vgl. Bauer, in Bergmann/Dienelt Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 67 ff. m.w.N.). Schließlich sind die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG sowie die des Art. 8 EMRK zu beachten. |
|
| (1) Kann eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG mangels einer effektiven Rückkehrentscheidung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris) nicht mit einem befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden (vgl. ausführlich oben, I. 1.), kann sich im Rahmen der Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG auch die Frage stellen, worin im konkreten Einzelfall das öffentliche Ausweisungsinteresse begründet liegt (vgl. auch VG Freiburg, Urteil vom 13. April 2022 – 7 K 2079/20 –, in juris unter dem Az. 2089/20 Rn. 35). Die Unionsrechtswidrigkeit eines Einreise- und Aufenthaltsverbots, das nicht mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht, hat „wiederum nach nationalem Recht Auswirkungen auf die Prüfungsinhalte der Abwägung im Rahmen der Entscheidung über eine Ausweisung“ (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris Rn. 149). |
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| Vor dem Hintergrund des gefahrenabwehrrechtlichen Schwerpunktes der inlandsbezogenen Ausweisung muss daher geprüft werden, inwiefern sie – ohne ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG – die Abwehr oder Reduzierung der Wiederholungsgefahr durch ihren Regelungsgehalt und die an sie knüpfenden Rechtsfolgen überhaupt noch leisten kann (vgl. nur unter bestimmten Voraussetzungen Urteil der Kammer vom 17. Mai 2022 – 10 K 5070/19 –, juris Rn. 96 ff.). |
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| In den Blick zu nehmen sind dabei die ausländerrechtlichen Rechtsfolgen und sonstigen Wirkungen, die eine Ausweisung ohne ein rechtmäßiges befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot entfalten kann. Diese Rechtsfolgen sind an dem Ziel der Ausweisung zu messen, durch sie die von dem Ausländer ausgehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren oder zumindest zu verringern. |
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| Kommt einer Ausweisung ohne befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf ihre gefahrenabwehrrechtliche Zielrichtung überhaupt keine zur Gefahrenabwehr oder -verringerung taugliche Wirkung mehr zu, könnte das öffentliche Ausweisungsinteresse deutlich gemindert sein oder gar entfallen. In der Folge ginge dann die nach § 53 Abs. 1 AufenthG auf der Tatbestandsseite vorausgesetzte Abwägung zu Gunsten des Bleibeinteresses des Ausländers aus beziehungsweise die Tatbestandsvoraussetzung für die Ausweisung entfiele. Dies bedarf in dem vorliegenden Fall indes keiner abschließenden Entscheidung, weil jedenfalls im konkreten Einzelfall des Klägers noch von hinreichenden Wirkungen der Ausweisung auszugehen ist. |
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| Die hier verfügte Ausweisung ändert nichts an dem Umstand, dass der Kläger vorerst im Bundesgebiet bleibt, da das Bundesamt mit Bescheid vom 17. Juli 2020 (Az.) ein Abschiebungsverbot hinsichtlich festgestellt hat, § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK. |
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| Damit könnte er bis zu dem Zeitpunkt, in dem seine Abschiebung wieder möglich sein wird, weiterhin Straftaten begehen. Dennoch geht von der Ausweisung insoweit eine – gefahrenabwehrrechtlich grundsätzlich gebotene – verhaltenssteuernde Wirkung aus. |
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| Eine Ausweisung ohne Abschiebungsandrohung – die sogenannte inlandsbezogene Ausweisung – hat grundsätzlich den Zweck, eine Aufenthaltsverfestigung des Ausländers zu verhindern und soll nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung führen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2017 – 1 C 12.16 –, juris Rn. 23, und vom 22. Februar 2017 – 1 C 3.16 –, juris Rn. 48; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. April 2010 – 11 S 200/10 –, juris Rn. 60; Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – 10 B 15.1854 –, juris Rn. 41). Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Juni 2021 (– C-546/19 –, juris), steht nach Auffassung der Kammer (zuletzt offengelassen von BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6/21 –, juris Rn. 42) dem rechtmäßigen Erlass einer sogenannten inlandsbezogenen Ausweisung grundsätzlich nicht ohne Weiteres entgegen, weil die Ausweisung selbst keine Rückkehrentscheidung darstellt (BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2019 – 1 C 14.19 –, juris) und daher nicht an der Rückführungsrichtlinie zu messen ist (BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 41). |
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| Der Zweck, die Aufenthaltsverfestigung des Ausländers zu verhindern, wurde bei der sogenannten inlandsbezogenen Ausweisung bislang durch die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG erreicht, das seine Wirkungen unabhängig von der tatsächlichen Ausreise aus dem Bundesgebiet entfaltet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris Rn. 140). |
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| Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris) und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach auch ein allein an eine Ausweisung geknüpftes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie mit einer Rückführungsentscheidung einhergehen muss (BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 51 ff.), führt eine sogenannte inlandsbezogene Ausweisung – wie auch hier (vgl. unten, I. 3.) – nicht mehr zu einer sogenannten „Titelerteilungssperre“ nach § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG. |
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| Die Ausweisung – ohne ein Einreise- und Aufenthaltsverbot – bewirkt lediglich, dass ein bestehender Aufenthaltstitel gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG erlischt. Diese Wirkung ist in dem vorliegenden Fall jedoch unbeachtlich, weil der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung keinen Aufenthaltstitel hatte und derzeit im Bundesgebiet nur geduldet wird (vgl. § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG). Gegen den Kläger können aufgrund der Ausweisung auch keine Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG (z.B. Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk) angeordnet werden, weil kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG gegeben ist. Für den Erlass einer Verfügung nach § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG ist die Ausweisung keine tatbestandliche Voraussetzung. |
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| Die Ausweisung kann jedoch in der Zukunft nach einem Widerruf der mit Bescheid des Bundesamts vom 17. Juli 2020 getroffenen Feststellung eines Abschiebungsverbots dazu führen, dass mit Erlass einer Rückkehrentscheidung in der Gestalt einer Abschiebungsandrohung auch ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen wäre, welches dann eine Titelerteilungssperre zur Folge hätte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt der Ausweisung eine – wenn auch nur latent – verhaltenssteuernde Wirkung hinsichtlich des Klägers zu. |
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| Ferner führt die zusätzliche Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen dazu, dass der Ausweisung weitere Wirkungen zukommen, die geeignet sind, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorzubeugen. Denn sie kann auch bei Vorliegen von Abschiebungsverboten oder -hindernissen insofern eine selbständige Bedeutung haben, als dass sie andere Ausländer im Sinne generalpräventiver Erwägungen von weiterer Straftatenbegehung abschrecken kann (BVerwG, Beschluss vom 18. August 1995 – 1 B 55.95 –, juris Rn. 9, auch Urteil vom 31. August 2004 – 1 C 25.03 –, juris Rn. 15; vgl. auch Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – 10 B 15.1854 –, Rn. 42). |
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| Diese Wirkungen sind – unabhängig von den begrenzten rechtlichen Wirkungen der inlandsbezogenen Ausweisung in dem vorliegenden Fall – nach Auffassung der Kammer noch ausreichend, um überhaupt von einem berechtigten öffentlichen Interesse an der Ausweisung ausgehen zu können (vgl. bereits in diesem Sinne Urteil der Kammer vom 17. Mai 2022 – 10 K 5070/19 –, juris Rn. 108). In diese Wertung fließt auch ein, dass der Gesetzgeber die Ausweisung als gebundene Entscheidung ausgestaltet hat, die von der Ausländerbehörde zu treffen ist, wenn der Tatbestand erfüllt ist. Eine Ermessensentscheidung, in deren Rahmen auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und damit der Grad der Eignung im Verhältnis zur Intensität der Rechtsbeeinträchtigung zu prüfen wäre, ist gerade nicht vorgesehen. |
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| Offen bleiben kann nach alledem, ob eine inlandsbezogene Ausweisung auch dann als rechtmäßig anzusehen wäre, wenn sie nicht (auch) auf generalpräventive Gründe gestützt werden kann. |
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| Auch im Übrigen überwiegt das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse etwaige Bleibeinteressen des Klägers. Er ist erst im Erwachsenenalter in die Bundesrepublik eingereist. Anhaltspunkte einer gelungenen Integration sind nicht ersichtlich, wenngleich die Kammer nicht verkennt, dass der Kläger gewisse Sprachkenntnisse erworben hat. Er hat jenseits eines – nach seinen Angaben – in Deutschland lebenden Onkels allerdings keinerlei persönliche oder soziale Bindungen an die Bundesrepublik und ist auch wirtschaftlich nicht integriert. Vielmehr zeigt er bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit, dass er die Rechtsordnung der Bundesrepublik nicht akzeptiert. Es ist nicht erkennbar, dass sich der Kläger die rechtlichen Werte der Bundesrepublik zu eigen gemacht hat. Von einer Rechtstreue, die ihn im besonderen Maße mit der Bundesrepublik verbindet, ist insbesondere vor dem Hintergrund der Anlassverurteilung nicht auszugehen. |
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| Auch kann er sich nicht mit Erfolg auf eine (vermeintliche) Entwurzelung in berufen. Es ist insofern völlig unsubstantiiert dargelegt, dass sich mittlerweile seine vollständige (Kern-)Familie in der Bundesrepublik aufhalten soll und er keinerlei familiäre Bindungen mehr nach habe. Vielmehr ist der Kläger in aufgewachsen und sozialisiert. Er hat dort die Schule besucht und sollte ein Medizinstudium absolvieren, was er indes nicht schaffte, weil er in der Schule nicht gut genug war (LG, Urteil vom 8. Februar 2019, Az.). Er begann daraufhin ein Studium der Rechtswissenschaften, das er jedoch abbrach, und war stattdessen als Taxifahrer tätig (LG, Urteil vom 8. Februar 2019, Az.). |
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| Soweit der Kläger geltend macht, er könne nicht nach ausgewiesen werden, weil dort gegenwärtig Krieg herrsche, so verkennt er damit, dass ihm trotz der Ausweisung derzeit gerade keine Abschiebung droht. Einer Ausweisung steht das festgestellte Abschiebungsverbot in dem Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG indes nicht entgegen. |
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| 3. Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unter Ziffer II. des Bescheids vom 27. Dezember 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil er zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG hat, § 113 Abs. 5 S. 1 und 2 VwGO. |
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| Der Klageantrag umfasst bei sachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) nicht nur die Erteilung der am 16. Mai 2018 beantragten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 2 AufenthG, sondern auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus (sonstigen) humanitären Gründen nach jeder in Betracht kommenden Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 C 14.05 –, juris Rn. 11). |
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| Soweit der Kläger mit seiner Klage die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis verfolgt (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO) ist die Klage insoweit teilweise abzuweisen, da er keinen gebundenen Anspruch hierauf hat. |
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| b) Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. |
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| Hiernach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Zwar hat das Bundesamt mit Bescheid vom 17. Juli 2020 festgestellt, dass ein Abschiebungsverbot mit Blick auf vorliegt. Indes verwirklicht der Kläger den zwingenden Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 AufenthG. Danach wird die Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat. Dies ist hier im Hinblick auf das Verbrechen der schweren Vergewaltigung der Fall (vgl. zur Einordnung der Vergewaltigung als Straftat von erheblicher Bedeutung etwa Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. April 2019 – 10 C 18.2425 –, juris Rn. 10). |
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| c) Der Kläger hat indes zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG. Hiernach kann einem Ausländer, der – wie der Kläger – vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. |
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| aa) Maßgeblich dafür ist, ob der Kläger in einen anderen Staat, insbesondere seinen Herkunftsstaat, einreisen kann (Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 25 Rn. 104). Eine freiwillige Ausreise ist aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse in der Person des Ausländers – für die Reise oder im Zielstaat – entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen (Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 25 Rn. 104). Ausreisehindernisse können sich auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ergeben (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 C 14.05 –, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 4. April 2014 – 10 C 12.497 –, juris Rn. 22; Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 25 Rn. 107; kritisch Maaßen/Kluth, in: BeckOK Ausländerrecht, 33. Ed., Stand 1. April 2022, § 25 AufenthG Rn. 131, 138). Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich in dem Sinne des § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 C 14.05 –, juris Rn. 17). |
|
| Diese Voraussetzungen sind mit der Feststellung des Bestehens eines Abschiebungsverbots für den Herkunftsstaat nach § 60 Abs. 5 AufenthG mit Bescheid des Bundesamts vom 17. Juli 2020 erfüllt. Hieran ist der Beklagte nach § 42 S. 1 AsylG gebunden. |
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| bb) Dem Anspruch des Klägers steht auch § 25 Abs. 5 S. 3 AufenthG nicht entgegen. Hiernach darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden liegt nach § 25 Abs. 4 S. 4 AufenthG insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt. Die Hinderung an der Ausreise beruht auf der verbindlichen Feststellung des Bestehens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG durch das Bundesamt und nicht auf einem Verhalten des Klägers. |
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| cc) Zwar liegen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG in dem Falle des Klägers nicht vor. Denn es besteht ein Ausweisungsinteresse. Ferner ist er auch nicht mit dem erforderlichen Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG ist jedoch unter anderem in den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu prüfen, ob von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden kann. Die Entscheidung steht damit im Ermessen des Beklagten. Der Kläger kann daher lediglich eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beanspruchen. Dementsprechend kann nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO das Verwaltungsgericht den Beklagten nur verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. |
|
| Der Beklagte hat bislang überhaupt kein Ermessen ausgeübt, sondern ist von einer Sperrwirkung der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG ausgegangen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes lägen nicht vor. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot war indes wegen des Verstoßes gegen Unionsrecht aufzuheben. |
|
| Bei der Ermessensentscheidung, ob nach § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abgesehen wird, wird der Beklagte neben den Gesichtspunkten, die es nahelegen, an diesen Voraussetzungen festzuhalten, auch die Aspekte zu berücksichtigen habe, die dafürsprechen, auf ihre Einhaltung zu verzichten und die begehrte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Insbesondere wird abzuwägen sein, welches Gewicht dem öffentlichen Interesse an der Erfüllung der jeweiligen Regelerteilungsvoraussetzung gegenüber dem privaten Interesse des Ausländers an der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zukommt (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 11 LA 139/13 –, juris Rn. 8). Darüber hinaus werden die Wertungen des Gesetzgebers in Erwägung zu ziehen sein, die der Schaffung der Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG zugrunde liegen und die sich aus dem systematischen Zusammenhang ergeben, in dem diese Regelung steht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 11 LA 139/13 –, juris Rn. 8; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 4. April 2014 – 10 C 12.497 –, juris Rn. 29). |
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| IV. Die Berufung ist zuzulassen, soweit die Klage gegen die Ziffern I. und III. des Bescheids des Regierungspräsidiums vom 27. Dezember 2019 gerichtet ist. Dies beruht auf § 124a Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 1 Nr. 3 VwGO. Insoweit hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Denn die Rechtmäßigkeit einer inlandsbezogenen Ausweisung und eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach nationalem Recht, welches nur mit einer aufgrund der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht wirksamen Rückkehrentscheidung einhergeht, ist bislang nicht geklärt. |
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| Das Gericht durfte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger nicht in der mündlichen Verhandlung erschienen war, denn in der Ladung ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO). |
|
| Die Klage ist zwar insgesamt zulässig, hat aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. |
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| I. Sie ist im Hinblick auf die Ziffern I und III des Bescheids vom 27. Dezember 2019 als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO und hinsichtlich Ziffer II des Bescheids als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. |
|
| II. Die Klage ist betreffend die Ziffer III begründet, weil der Bescheid des Regierungspräsidiums vom 27. Dezember 2019 insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (dazu 1.). Im Übrigen ist die Anfechtungsklage unbegründet, weil die unter Ziffer I verfügte Ausweisung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (dazu 2.). |
|
| Die gegen Ziffer II des Bescheids des Regierungspräsidiums vom 27. Dezember 2019 gerichtete Verpflichtungsklage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist rechtswidrig und verletzt den Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag. Da die Sache nicht spruchreif ist, ist der Beklagte lediglich zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO (dazu 3.). |
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| 1. Das mit Bescheid vom 27. Dezember 2019 unter Ziffer III angeordnete und auf neun Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. |
|
| a) Zwar ist der Tatbestand des § 11 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 AufenthG erfüllt, wonach gegen einen Ausländer, der ausgewiesen worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen ist. |
|
| b) Es fehlt aber vorliegend an einer wirksamen Rückkehrentscheidung in dem Sinne der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (nachfolgend: Rückführungsrichtlinie). |
|
| aa) Gemäß Art. 3 Nr. 6 Rückführungsrichtlinie geht ein Einreiseverbot „mit einer Rückkehrentscheidung einher“. Es stellt damit eine Ergänzung der Rückkehrentscheidung dar (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 52) und kann ohne eine solche nicht aufrechterhalten werden (EuGH Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 54 und 61; vgl. diesbezüglich auch BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 28. September 2021 – 2 LA 206/21 –, juris Rn. 12, sowie etwa VG Karlsruhe, Urteil vom 1. Oktober 2021 – A 19 K 2563/21 –, juris Rn. 70). |
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| bb) Dass es sich hierbei – in tatsächlicher Hinsicht – um eine wirksame Rückkehrentscheidung handeln muss, ergibt sich aus der Zusammenschau einer methodischen Auslegung der Richtlinie sowie der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in diesem rechtlichen Kontext. |
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| So ist in dem zweiten Erwägungsgrund der Rückführungsrichtlinie ausdrücklich von „einer wirksamen Rückkehr- und Rückübernahmepolitik“ die Rede. Ebenso wird in dem vierten Erwägungsgrund auf eine „wirksame Rückkehrpolitik“ abgehoben. Mit der Rückführungsrichtlinie wird demnach insgesamt intendiert, dass gemäß Art. 3 Nr. 2 Rückführungsrichtlinie illegal in einem Mitgliedstaat aufhältige Ausländer tatsächlich das jeweilige Hoheitsgebiet verlassen. |
|
| In diesem Sinne verweist der Europäische Gerichtshof in seiner in seiner Entscheidung vom 24. Februar 2021 (– C-673/19 –, juris Rn. 28) auf den zweiten Erwägungsgrund der Rückführungsrichtlinie und legt die dort enthaltenen Wertungen seiner Entscheidung zugrunde. |
|
| Auch hebt der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 3. Juni 2021 (– C-546/19 –, juris Rn. 57) ausdrücklich auf eine „wirksame Rückkehrentscheidung“ (Hervorhebung durch das Gericht) als Voraussetzung für den Erlass eines Einreiseverbots ab. Es laufe Art. 6 Rückführungsrichtlinie zuwider, einen Zwischenstatus von Drittstaatsangehörigen zu dulden, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung und ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befänden und gegebenenfalls einem Einreiseverbot unterlägen, gegen die aber keine wirksame Rückkehrentscheidung bestünde. |
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| Für ein solches Verständnis der Regelung spricht zudem der Umstand, dass ein Einreiseverbot – nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs – seine Wirkung erst ab dem Zeitpunkt entfaltet, in dem der Betreffende das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten tatsächlich verlässt (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 52 m.w.N.). |
|
| Schließlich wird nach der Legaldefinition in Art. 3 Nr. 3 Rückführungsrichtlinie der Begriff der „Rückkehr“ als Rückreise definiert, woraus sich ebenfalls herleiten lässt, dass die betreffende Person das jeweilige Hoheitsgebiet tatsächlich verlässt. |
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| cc) In der (deutschen) Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass die Abschiebungsandrohung – und nicht etwa die Ausweisung – als eine Rückkehrentscheidung zu verstehen ist (dazu etwa BVerwG, EuGH-Vorlage vom 9. Mai 2019 – 1 C 14.19 –, juris Rn. 31 f., auch Urteil vom 20. Februar 2020 – 1 C 1.19 –, juris Rn. 14 ff., und Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 41; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember 2018 – A 11 S 1923/17 –, juris Rn. 246 m.w.N., und Beschluss vom 15. Oktober 2013 – 11 S 2114/13 –, juris Rn. 6 f. m.w.N.; VG Freiburg, Urteil vom 26. Januar 2022 – 7 K 826/20 –, juris Rn. 41; VG Freiburg, Urteil vom 17. Mai 2022 – 10 K 5070/19 –, juris Rn. 55; a.A. etwa Oberhäuser, in: NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, § 11 AufenthG Rn. 9). |
|
| Auch ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das nur mit einer Ausweisung aus Gründen der Gefahrenabwehr verfügt wurde, ist nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –) am Maßstab der Rückführungsrichtlinie zu messen (BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 53; a.A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris). |
|
| Die Rückführungsrichtlinie ist danach generell auf Personen anwendbar, die über keinen Aufenthaltstitel oder keine sonstige Aufenthaltsberechtigung im Aufnahmestaat verfügen (siehe Art. 6 Abs. 4 Rückführungsrichtlinie). |
|
| Nach Art. 2 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie findet die Richtlinie Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige. Illegaler Aufenthalt wird gemäß Art. 3 Nr. 2 Rückführungsrichtlinie als die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat bezeichnet, wenn die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in diesen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt werden. Damit reicht es aus, wenn der Betreffende (aktuell) die Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder für den dortigen Aufenthalt nicht erfüllt und „schon allein deswegen“ dort illegal aufhältig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 43 f.). Von der in Art. 2 Abs. 2 lit. b Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit, die Richtlinie auf Drittstaatsangehörige, die aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind, nicht anzuwenden, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht (BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2019 – 1 C 14.19 –, juris Rn. 37, und vom 6. Mai 2020 – 1 C 14.19 –, juris Rn. 2 sowie Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 54; bereits zuvor VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Dezember 2011 – 11 S 897/11 –, juris Rn. 83, und vom 10. Februar 2012 – 11 S 1361/11 –, juris Rn. 87; zuletzt a.A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris Rn. 152 ff.). |
|
| In dem Falle des Klägers ist schon deshalb von einem „illegalen Aufenthalt“ in diesem Sinne auszugehen, weil er keinen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt. Im Übrigen hat die Ausweisung (vgl. hierzu unten, I. 2.) zur Folge, dass nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG der für den Aufenthalt in Deutschland erforderliche Aufenthaltstitel erlischt und der Ausländer kraft Gesetzes (§ 50 AufenthG) zur Ausreise verpflichtet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 42). |
|
| Dies gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch dann, wenn der Ausländer – wie hier der Kläger – tatsächlich nicht abgeschoben werden darf (siehe § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK). |
|
| Auch unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebende Folgen für die Wirksamkeit der Ausweisung als ausländerrechtliches Instrument der Gefahrenabwehr und der hieran anknüpfenden Kritik des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris Rn. 139 ff.; vgl. auch Urteile vom 7. Dezember 2011 – 11 S 897/11 –, juris Rn. 83, und vom 10. Februar 2012 – 11 S 1361/11 –, juris Rn. 87) kann die Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie in dem vorliegenden Fall nicht verneint werden. Denn der Europäische Gerichtshof hat auf die ausdrückliche Frage des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 09.05.2019 – 1 C 14.19 –, juris) deutlich gemacht, dass auch ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf der Grundlage einer früheren strafrechtlichen Verurteilung zu „nichtmigrationsbedingten Zwecken“ verhängt wurde, unter den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris Rn. 48, vgl. nunmehr auch BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 53). |
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| dd) Gemessen an dem Vorstehenden fehlt es an einer wirksamen Rückkehrentscheidung, da die unter den Ziffern IV und V des Ergänzungsbescheids des Regierungspräsidiums vom 14. Juni 2022 angeordneten Abschiebungsandrohungen de facto – jedenfalls gegenwärtig – leerlaufen. Ausweislich der vorliegenden Abschiebungsandrohungen wird der Kläger nicht in absehbarer Zeit abgeschoben. |
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| So verfügt der Beklagte unter Ziffer IV wörtlich: |
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| „Ihnen wird die Abschiebung aus der Haft heraus nach oder in einen anderen Staat, in den Sie einreisen dürfen oder der zu Ihrer Übernahme verpflichtet ist, auf Ihre Kosten ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise angedroht. Sie dürfen bis zum vollziehbaren Widerruf oder der vollziehbaren Rücknahme des durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 17.07.2020 festgestellten Abschiebungsverbots nicht nach abgeschoben werden.“ |
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| Und unter Ziffer V heißt es wörtlich: |
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| „Im Fall der Entlassung aus der Haft ohne Abschiebung werden Sie aufgefordert, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland spätestens innerhalb von 30 Tagen nach Haftentlassung zu verlassen. Für den Fall, dass Sie innerhalb dieser Frist nicht freiwillig ausreisen, wird Ihnen die Abschiebung nach oder in einen anderen Staat, in den Sie einreisen dürfen oder der zu Ihrer Übernahme verpflichtet ist, auf Ihre Kosten angedroht. Sie dürfen bis zum vollziehbaren Widerruf oder der vollziehbaren Rücknahme des durch das BAMF mit Bescheid vom 17.07.2020 festgestellten Abschiebungsverbots nicht nach abgeschoben werden.“ |
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| Die Verfügungen knüpfen beide an einen vollziehbaren Widerruf beziehungsweise eine vollziehbare Rücknahme des hinsichtlich von dem Bundesamt festgestellten Abschiebungsverbots an. Ob dieses aber überhaupt jemals widerrufen oder zurückgenommen wird und wann dies gegebenenfalls erfolgt, ist gänzlich ungewiss und derzeit in keiner Weise absehbar. Ausgehend von der gegenwärtigen Lage in ist nicht zu erwarten, dass eine solche Entscheidung durch das Bundesamt alsbald erfolgen wird. Angesichts dessen gehen die verfügten Abschiebungsandrohungen jedoch auf unabsehbare Zeit faktisch ins Leere und sind damit gerade nicht wirksam in dem Sinne der Rückführungsrichtlinie, weshalb das – hierzu akzessorische – Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer III des Bescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27. Dezember 2019 rechtswidrig ist. |
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| 2. Die unter Ziffer I des Bescheides verfügte Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2019 – 1 C 21.18 –, juris Rn. 11; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. März 2017 – 11 S 2029/16 –, juris Rn. 34, m.w.N.) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. |
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| a) Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. § 53 Abs. 1 AufenthG setzt dabei eine umfassende und ergebnisoffene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls voraus, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. Die Abwägung erfolgt dabei nicht auf der Rechtsfolgeseite im Rahmen eines der Ausländerbehörde eröffneten Ermessens, sondern auf der Tatbestandsseite einer nunmehr gebundenen Ausweisungsentscheidung und ist damit gerichtlich voll überprüfbar. Der Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfährt durch die weiteren Ausweisungsvorschriften mehrfache Konkretisierungen (vgl. auch zum Folgenden, BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 – 1 C 3.16 –, juris Rn. 21). So wird einzelnen, in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen durch den Gesetzgeber in den §§ 54, 55 AufenthG ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als „besonders schwerwiegend“ (Abs. 1) oder als „schwerwiegend“ (Abs. 2). Weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen sind hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen. Die in § 54 AufenthG beispielhaft normierten Tatbestände sind gesetzliche Umschreibungen spezieller öffentlicher Interessen an einer Ausweisung in dem Sinne des § 53 Abs. 1 HS. 1 AufenthG und schreiben diesen zugleich ein besonderes Gewicht für die durch § 53 Abs. 1 HS. 2 und Abs. 3 AufenthG geforderte Abwägung zu. Ein Rückgriff auf die allgemeine Formulierung eines öffentlichen Ausweisungsinteresses ist deshalb entbehrlich, wenn der Tatbestand eines besonderen Ausweisungsinteresses nach § 54 AufenthG verwirklicht ist. |
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| b) Die formell rechtmäßige Ausweisungsverfügung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. |
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| aa) In dem Fall des Klägers liegt ein besonders schwerwiegendes (öffentliches) Ausweisungsinteresse sowohl in dem Sinne der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 AufenthG als auch in dem Sinne der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 1a Buchst. c) AufenthG vor. Denn er ist mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts vom 8. Februar 2019 (Az. 3 KLs 230 Js 18983/18 AK 25/18) wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Diebstahl in Tateinheit mit Körperverletzung seiner Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Dabei ging das Landgericht hinsichtlich der Vergewaltigung von einer Einzelstrafe von vier Jahren und neun Monaten aus. |
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| bb) Der Aufenthalt des Klägers gefährdet auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung in dem Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG, da von ihm weiterhin die Gefahr der Begehung von Straftaten ausgeht. Es liegen bereits spezialpräventive Gründe für eine Ausweisung des Klägers vor (1). Zudem stützen auch generalpräventive Erwägungen die Ausweisungsentscheidung (2). Der Kläger genießt zudem nicht (mehr) den besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 53 Abs. 3b AufenthG (3). |
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| (1) In dem weiteren Aufenthalt eines Ausländers in der Bundesrepublik liegt dann eine Gefährdung, wenn nach dem Verhalten des Ausländers damit gerechnet werden muss, dass er selbst (erneut) weitere Straftaten begeht und damit die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigt (Spezialprävention). Darüber hinaus können aber auch allein generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse begründen. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann nämlich auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Ausbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16.17 –, juris Rn. 16). Erforderlich für die von dem Tatrichter in eigener Zuständigkeit zu beantwortende Frage, ob eine Wiederholungsgefahr besteht, ist eine einzelfallbezogene Bewertung, die von dem gegenwärtigen persönlichen Verhalten des Ausländers ausgeht (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 1 C 20.11 –, juris Rn. 23; Urteil vom 15. Januar 2013 – 1 C 10.12 –, juris Rn. 18; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2012 – 11 S 4/12 –, juris Rn. 43; Urteil vom 07. März 2012 – 11 S 3269/11 –, juris Rn. 55). Für die Beurteilung, ob nach dem Verhalten des Ausländers auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts damit zu rechnen ist, dass er erneut die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, bedarf es einer Prognose, bei welcher der Grad der Wahrscheinlichkeit neuer Verfehlungen und Art und Ausmaß möglicher Schäden zu ermitteln und zueinander in Bezug zu setzen sind. Diese Prognoseentscheidung obliegt dem die Ausweisung überprüfenden Gericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 – 1 C 13.11 –, juris Rn. 12 und 18; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 50 m.w.N.). Bei der Frage danach, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 15.0 Januar 2013 – 1 C 10.12 –, juris Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 – 1 C 19.11 –, juris Rn. 16). Dabei sind nicht allein die Strafurteile und die zugrundeliegenden Straftaten zu berücksichtigen, sondern alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Gesamtpersönlichkeit des Ausländers, seine Entwicklung und seine Lebensumstände bis zu dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Gerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 – 1 C 13.11 –, juris Rn. 12). Für bestimmte Fallgruppen besonders schwerer und schädlicher Delikte – so auch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gerade von Kindern – sind an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen (vgl. zu diesen Konstellationen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juli 2003 – 11 S 420/03 –, juris Rn. 26 m.w.N.). Eine Ausweisung darf dann – bei im Übrigen rechtsfehlerfreier Abwägungsentscheidung – bereits vor der Schwelle einer konkreten Wiederholungsgefahr verfügt werden. Ein ausreichender spezialpräventiver Ausweisungsanlass liegt dann vielmehr schon vor, wenn „lediglich eine entfernte Möglichkeit weiterer Straftaten besteht“ beziehungsweise sich eine Wiederholungsgefahr nicht ausschließen lässt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. |
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| Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Kammer aus den Akten die Überzeugung gewonnen (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO), dass nach wie vor eine (erhebliche) Wiederholungsgefahr besteht. Aufgrund der Schwere der von dem Kläger begangenen Tat sind an die Beurteilung der Wiederholungsgefahr vorliegend nur geringe Anforderungen zu stellen. Zwar handelt es sich bei den Taten insgesamt um einen im Sinne des Strafrechts tateinheitlichen Vorgang. Gleichwohl hat der Kläger die Geschädigte in der maßgeblichen Nacht zweimal vergewaltigt und dabei insbesondere auch ihre Vulnerabilität und physische Unterlegenheit aufgrund der von ihr zuvor eingenommenen Substanzen ausgenutzt. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, konnte sich die Kammer keinen persönlichen Eindruck von ihm machen, der Anhaltspunkte für eine anderslautende Beurteilung hätte geben können. |
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| Für eine erhebliche Wiederholungsgefahr spricht zunächst, dass der Kläger die Straftaten – zu denen er bereits rechtskräftig verurteilt worden ist – weiterhin bestreitet und behauptet, der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich erfolgt beziehungsweise könne er sich nicht erinnern. Die Kammer sieht vorliegend keinen Anlass, aufgrund des Bestreitens die strafgerichtlichen Feststellungen in Frage zu stellen. |
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| Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass namentlich im Ordnungsrecht die in einem Strafbefehl – und erst recht die in einem Strafurteil – enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden dürfen, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 – 3 C 37.01 –, juris Rn. 38; Beschluss vom 18. August 2011 – 3 B 6.11 –, juris Rn. 10; Beschluss vom 12. Januar 1977 – VII B 190.76 –, juris). Gewichtige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen in dem Strafurteil bestehen, wenn Wiederaufnahmegründe in dem Sinne des § 359 StPO vorliegen, namentlich im Falle der Beibringung neuer Tatsachen oder Beweismittel, die eine für den Betroffenen günstigere strafrechtliche Entscheidung zu begründen geeignet sind. Es bedarf demzufolge der Darlegung substantiierter, nachprüfbarer Umstände, die eine Unrichtigkeit der im Strafverfahren getroffenen Feststellungen belegen könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 – 3 B 6.11 –, juris Rn. 11). |
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| Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr war der Kläger auch in dem strafgerichtlichen Verfahren nicht geständig; er hat gegenüber den Sachverständigen behauptet, der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich erfolgt. Bei der Darstellung der Tatnacht schildert er die Situation vielmehr so, dass er derjenige sei, der von dem Verhalten der Geschädigten überrumpelt und anschließend von ihr bestohlen worden sei. Eine Eigenverantwortung für das Geschehene ist hierin in keiner Weise zu erblicken. Daran hat sich auch in der Folgezeit nichts geändert, wie sich aus dem Beschluss des Landgerichts vom 30. August 2021 (Az.) sowie dem Vollzugsplan der Justizvollzugsanstalt vom 7. Juni 2021 (dort S. 2) ergibt. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, an der umfassenden Auswertung und Würdigung des Strafgerichts im Rahmen seiner Beweisaufnahme zu zweifeln. Vielmehr können die dort zur Überzeugung des Gerichts festgestellten Umstände auch in diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugrunde gelegt werden. |
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| Ferner fallen die Art und das Ausmaß möglicher Schäden infolge künftiger Verfehlungen des Klägers besonders ins Gewicht. Durch die Begehung von Sexualstraftaten werden besonders sensible Rechtsgüter der Geschädigten tangiert. Dies ist in die Abwägung mit einzustellen. Sollte der Kläger erneut vergleichbare Straftaten begehen, sind die dadurch drohenden Folgen für die Geschädigten als besonders gravierend zu qualifizieren. Dabei kann die Art der in Betracht kommenden Schäden weitreichend sein. |
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| Hinzukommt dass sich der Kläger bislang auch während seiner Haft nicht anstandslos geführt hat. Vielmehr ist er ein weiteres Mal strafrechtlich verurteilt worden und auch immer wieder durch Störfälle und Fehlverhalten in der Justizvollzugsanstalt in Erscheinung getreten. Neben Beleidigungen der Justizvollzugsanstalts-Bediensteten (vgl. den Strafbefehl des Amtsgerichts vom 8. Juli 2019, Az.) kam es auch immer wieder zu disziplinarischen Maßnahmen gegen den Kläger (vgl. Vollzugsplan der JVA vom 7. Juni 2021, S. 1). Die Verbüßung der Freiheitsstrafe hat er sich damit ersichtlich nicht zur Warnung dienen lassen. Vielmehr akzeptiert er noch immer nicht die Rechtsordnung der Bundesrepublik. |
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| In der Stellungnahme eines Bediensteten aus der Justizvollzugsanstalt vom 16. Juli 2021 anlässlich der Prüfung einer möglichen Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe gemäß § 57 Abs. 1 StGB verweist dieser auf die Dokumentation der Stockwerksbeamten, wonach der Kläger „öfters aggressiv“ sei und auch „Probleme mit Weisungen von weiblichen Bediensteten“ habe (Stellungnahme HS, vom 16. Juli 2022, Bl. 247 der Gerichtsakte). |
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| Ferner wurde das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verlegung in den offenen Vollzug (vgl. § 7 Abs. 1 JVollzGB III) auch unter Hinweis auf die unbearbeitete Gewaltproblematik und die Suchtvorgeschichte verneint (vgl. Vollzugsplan der JVA vom 7. Juni 2021, S. 2). Hinsichtlich einer möglichen Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung heißt es in dem Vollzugsplan der Justizvollzugsanstalt vom 7. Juni 2021 (dort S. 2), dass eine Diagnostik grundsätzlich indiziert sei, derzeit aber wegen mangelnder Deutschkenntnisse und Tatleugnung weiterhin von mangelnder Therapiefähigkeit und -willigkeit auszugehen sei. |
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| Auf eine erhebliche Wiederholungsgefahr deutet auch die Ablehnung der nach § 57 Abs. 1 StGB grundsätzlich möglichen Aussetzung der Vollstreckung des Rests der Freiheitsstrafe zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftzeit durch Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 30. August 2021 (Az.) hin. In der Begründung führt das Landgericht aus, dass besondere Umstände vorlägen, die die von der Erstverbüßung ausgehende, für eine günstige Prognose sprechende Indizwirkung entfallen ließen. Sowohl der soziale als auch der wirtschaftliche Empfangsraum erschienen nicht hinreichend gesichert, eine günstige Sozialprognose könne nicht erstellt werden. Er verfüge über kein geregeltes Einkommen, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er leugne die Tat nach wie vor beziehungsweise gebe an, sich nicht daran erinnern zu können und zu Unrecht verurteilt worden zu sein. Hinzukomme, dass derzeit ein Strafverfahren wegen eines sexuellen Übergriffs auf einen Mitgefangenen anhängig sei, so dass auch keine günstige Kriminalprognose gestellt werden könne. |
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| Der Kläger hat weder in seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Ausweisung noch in der Klagebegründung eine selbstkritische Reflektion der Taten und ihrer Folgen für die Geschädigte erkennen lassen. Er hat nicht ansatzweise zum Ausdruck gebracht, dass er das von ihm begangene Unrecht einsieht oder gar aufgearbeitet hätte. Auch zeigt er keinerlei Empathie für die Geschädigte. Vielmehr hat er allein zielstaatsbezogene Aspekte angeführt, die einer Ausweisung entgegenstehen sollen und seinen Fokus ausschließlich auf seine eigene Situation gerichtet; insbesondere wolle er hier in Deutschland eine (schulische) Ausbildung erfahren und sich eine eigene Existenz aufbauen. |
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| Gegen eine für den Kläger günstige Prognose spricht zudem seine wirtschaftliche Situation. In der Stellungnahme des Sozialdienstes der Justizvollzugsanstalt vom 8. Juli 2021 heißt es hierzu, dass noch Gerichtskosten in Höhe von 25.000,- EUR offen seien, die er nach seiner Entlassung aus der Haft begleichen wolle. Eine berufliche Tätigkeit nach der Entlassung aus der Haft hat er – soweit ersichtlich – gegenwärtig nicht in Aussicht. |
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| Schließlich ist bei dem Landgericht noch immer ein Strafverfahren wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung anhängig (Az.). In diesem Zusammenhang hat das Landgericht am 4. Januar 2022 beschlossen, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob die Gesamtwürdigung des dortigen Angeschuldigte und seiner Taten ergebe, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt einer etwaigen Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich sei (§ 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB). Hierin kommt zum Ausdruck, dass auch das Landgericht von einer erheblichen Gefährdung durch den Kläger ausgeht und ein entsprechendes Rückfallrisiko erblickt. |
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| Für den Kläger streitet zwar der Umstand, dass er während seiner bisherigen Haftzeit die Schule besucht und die Zuteilung zu einer Arbeit beantragt hat (vgl. Vollzugsplan vom 7. Juni 2021, S. 1 f.). Dies allein vermag allerdings die vorstehend begründete Annahme einer (erheblichen) Wiederholungsgefahr nicht infrage zu stellen. |
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| (2) Nach der rechtskräftigen Rücknahme der Zuerkennung des subsidiären Schutzes können auch generalpräventive Gründe die Ausweisung stützen. |
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| An die generalpräventiv begründeten Ausweisungen sind aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen. Erforderlich sind eine schwerwiegende Straftat und ein dringendes Bedürfnis, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch die Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (vgl. zu den Anforderungen an eine generalpräventiv begründete Ausweisung, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. August 2020 – 11 S 2038/19 –, juris Rn. 30, m.w.N.). Dabei kommt es stets auf die Schwere der Straftat im Einzelfall an. Dies setzt voraus, dass die konkreten Umstände der begangenen Straftat oder Straftaten, wie sie sich aus dem Strafurteil und dem vorangegangenen Strafverfahren ergeben, ermittelt und individuell gewürdigt werden. Zur Annahme eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG bedarf es – anders als unter Geltung von § 56 Abs. 1 S. 2 AufenthG a.F. – nicht der Verurteilung wegen besonders schwerwiegender Delikte für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wie Drogendelikte, Delikte im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität oder im Zusammenhang mit Terrorismus. Erforderlich ist lediglich, dass die Ausweisung an Straftaten oder Verhaltensweisen anknüpft, bei denen sie nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet erscheint, andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (Bayerischer VGH, Urteil vom 12. April 2021 – 10 B 19.1716 –, juris Rn. 76 m.w.N.). Erforderlich ist außerdem, dass das Ausweisungsinteresse noch aktuell ist, denn jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse verliert mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an ein strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB (Strafverfolgungsverjährung) angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16.17 –, juris). |
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| Der Kläger wurde wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Diebstahl in Tateinheit mit Körperverletzung rechtskräftig verurteilt. Die Tat liegt in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung etwa vier Jahre zurück und die Verurteilung circa drei Jahre; sie sind damit als aktuell zu bewerten. Andere Ausländer sollen nicht nur durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen von der Begehung vergleichbarer (Sexual-)Straftaten abgehalten werden, sondern auch infolge der konsequenten Anwendung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften. Maßnahmen nach den §§ 53 ff. AufenthG vermögen mitunter eine weiterreichende Wirkung auf die Betroffenen zu entfalten als eine strafrechtliche Sanktion. Insofern ergänzen die Ausweisungstatbestände des Aufenthaltsgesetzes die Straftatbestände im Hinblick auf die generalpräventiven (Abschreckungs-)Wirkungen. |
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| (3) Der Kläger genießt auch nicht mehr den besonderen Ausweisungsschutz des § 53 Abs. 3b AufenthG, da das Bundesamt den subsidiären Schutzstatus bestandskräftig zurückgenommen und (lediglich) ein Abschiebungsverbot in dem Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK hinsichtlich festgestellt hat. |
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| Unbeachtlich ist insoweit, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass die Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Durch die Verwendung des Wortes „besitzt“ in § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine Aufenthaltserlaubnis tatsächlich vorhanden, also dem jeweiligen Ausländer erteilt sein muss. Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat in Bezug auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung klargestellt, dass nur der Inhaber einer Niederlassungserlaubnis geschützt werden soll (s. BT-Drs. 18/4097, S. 53). Das lässt sich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG übertragen, da beide Vorschriften den Begriff „besitzt“ verwenden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 7 A 10866/18 –, juris Rn. 29 m.w.N.). Demnach reicht es auch nicht aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt die Aufenthaltserlaubnis nur beantragt ist oder die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 55 Rn. 6; Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 55 Rn. 10; Fleuß, in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand 1. Mai 2022, § 55 Rn. 22). |
|
| Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig abgelehnt hat (vgl. hierzu Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 55 Rn. 10). Denn der Kläger hat keinen gebundenen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, der durch die rechtswidrige und nicht bestandskräftige Ablehnung verletzt worden wäre. Nur unter diesen Voraussetzungen könnten es die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, und die Gewährleistung eines fairen Verfahrens, Art. 20 Abs. 3 GG, gebieten, den Kläger so zu stellen, als hätte die Ausländerbehörde von Anfang an rechtmäßig gehandelt (OVG Bremen, Urteil vom 10. Mai 2011 – 1 A 306/10 –, juris Rn. 76). Der Kläger hat indes lediglich einen Anspruch gegen den Beklagten auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrags (vgl. unten, I.3.) |
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| dd) Bei der nach Maßgabe des § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG gebotenen Abwägung unter Gewichtung der wechselseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überwiegt das öffentliche Ausweisungsinteresse nach §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und Nr. 1a Buchst. c) AufenthG das private Bleibeinteresse des Klägers. |
|
| Bereits das Nichtvorliegen eines typisierten besonders schwerwiegenden oder schwerwiegenden Bleibeinteresses nach § 55 Abs. 1 oder 2 AufenthG als Gegengewicht zu dem hier vorliegenden besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse indiziert das Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausweisung, da bei der Gewichtung der Interessen die gesetzgeberische Wertung in §§ 54 und 55 AufenthG zu beachten ist. Bei der Abwägung sind zudem einzelfallbezogen insbesondere die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Umstände zu berücksichtigen, mithin die Dauer des Aufenthalts des Ausländers in Deutschland, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen in Deutschland wie im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat (vgl. Bauer, in Bergmann/Dienelt Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 67 ff. m.w.N.). Schließlich sind die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG sowie die des Art. 8 EMRK zu beachten. |
|
| (1) Kann eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG mangels einer effektiven Rückkehrentscheidung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris) nicht mit einem befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden (vgl. ausführlich oben, I. 1.), kann sich im Rahmen der Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG auch die Frage stellen, worin im konkreten Einzelfall das öffentliche Ausweisungsinteresse begründet liegt (vgl. auch VG Freiburg, Urteil vom 13. April 2022 – 7 K 2079/20 –, in juris unter dem Az. 2089/20 Rn. 35). Die Unionsrechtswidrigkeit eines Einreise- und Aufenthaltsverbots, das nicht mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht, hat „wiederum nach nationalem Recht Auswirkungen auf die Prüfungsinhalte der Abwägung im Rahmen der Entscheidung über eine Ausweisung“ (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris Rn. 149). |
|
| Vor dem Hintergrund des gefahrenabwehrrechtlichen Schwerpunktes der inlandsbezogenen Ausweisung muss daher geprüft werden, inwiefern sie – ohne ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG – die Abwehr oder Reduzierung der Wiederholungsgefahr durch ihren Regelungsgehalt und die an sie knüpfenden Rechtsfolgen überhaupt noch leisten kann (vgl. nur unter bestimmten Voraussetzungen Urteil der Kammer vom 17. Mai 2022 – 10 K 5070/19 –, juris Rn. 96 ff.). |
|
| In den Blick zu nehmen sind dabei die ausländerrechtlichen Rechtsfolgen und sonstigen Wirkungen, die eine Ausweisung ohne ein rechtmäßiges befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot entfalten kann. Diese Rechtsfolgen sind an dem Ziel der Ausweisung zu messen, durch sie die von dem Ausländer ausgehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren oder zumindest zu verringern. |
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| Kommt einer Ausweisung ohne befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf ihre gefahrenabwehrrechtliche Zielrichtung überhaupt keine zur Gefahrenabwehr oder -verringerung taugliche Wirkung mehr zu, könnte das öffentliche Ausweisungsinteresse deutlich gemindert sein oder gar entfallen. In der Folge ginge dann die nach § 53 Abs. 1 AufenthG auf der Tatbestandsseite vorausgesetzte Abwägung zu Gunsten des Bleibeinteresses des Ausländers aus beziehungsweise die Tatbestandsvoraussetzung für die Ausweisung entfiele. Dies bedarf in dem vorliegenden Fall indes keiner abschließenden Entscheidung, weil jedenfalls im konkreten Einzelfall des Klägers noch von hinreichenden Wirkungen der Ausweisung auszugehen ist. |
|
| Die hier verfügte Ausweisung ändert nichts an dem Umstand, dass der Kläger vorerst im Bundesgebiet bleibt, da das Bundesamt mit Bescheid vom 17. Juli 2020 (Az.) ein Abschiebungsverbot hinsichtlich festgestellt hat, § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK. |
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| Damit könnte er bis zu dem Zeitpunkt, in dem seine Abschiebung wieder möglich sein wird, weiterhin Straftaten begehen. Dennoch geht von der Ausweisung insoweit eine – gefahrenabwehrrechtlich grundsätzlich gebotene – verhaltenssteuernde Wirkung aus. |
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| Eine Ausweisung ohne Abschiebungsandrohung – die sogenannte inlandsbezogene Ausweisung – hat grundsätzlich den Zweck, eine Aufenthaltsverfestigung des Ausländers zu verhindern und soll nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung führen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2017 – 1 C 12.16 –, juris Rn. 23, und vom 22. Februar 2017 – 1 C 3.16 –, juris Rn. 48; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. April 2010 – 11 S 200/10 –, juris Rn. 60; Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – 10 B 15.1854 –, juris Rn. 41). Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Juni 2021 (– C-546/19 –, juris), steht nach Auffassung der Kammer (zuletzt offengelassen von BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6/21 –, juris Rn. 42) dem rechtmäßigen Erlass einer sogenannten inlandsbezogenen Ausweisung grundsätzlich nicht ohne Weiteres entgegen, weil die Ausweisung selbst keine Rückkehrentscheidung darstellt (BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2019 – 1 C 14.19 –, juris) und daher nicht an der Rückführungsrichtlinie zu messen ist (BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 41). |
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| Der Zweck, die Aufenthaltsverfestigung des Ausländers zu verhindern, wurde bei der sogenannten inlandsbezogenen Ausweisung bislang durch die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG erreicht, das seine Wirkungen unabhängig von der tatsächlichen Ausreise aus dem Bundesgebiet entfaltet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2021 – 12 S 2505/20 –, juris Rn. 140). |
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| Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 3. Juni 2021 – C-546/19 –, juris) und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach auch ein allein an eine Ausweisung geknüpftes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie mit einer Rückführungsentscheidung einhergehen muss (BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21 –, juris Rn. 51 ff.), führt eine sogenannte inlandsbezogene Ausweisung – wie auch hier (vgl. unten, I. 3.) – nicht mehr zu einer sogenannten „Titelerteilungssperre“ nach § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG. |
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| Die Ausweisung – ohne ein Einreise- und Aufenthaltsverbot – bewirkt lediglich, dass ein bestehender Aufenthaltstitel gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG erlischt. Diese Wirkung ist in dem vorliegenden Fall jedoch unbeachtlich, weil der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung keinen Aufenthaltstitel hatte und derzeit im Bundesgebiet nur geduldet wird (vgl. § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG). Gegen den Kläger können aufgrund der Ausweisung auch keine Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG (z.B. Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk) angeordnet werden, weil kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG gegeben ist. Für den Erlass einer Verfügung nach § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG ist die Ausweisung keine tatbestandliche Voraussetzung. |
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| Die Ausweisung kann jedoch in der Zukunft nach einem Widerruf der mit Bescheid des Bundesamts vom 17. Juli 2020 getroffenen Feststellung eines Abschiebungsverbots dazu führen, dass mit Erlass einer Rückkehrentscheidung in der Gestalt einer Abschiebungsandrohung auch ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen wäre, welches dann eine Titelerteilungssperre zur Folge hätte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt der Ausweisung eine – wenn auch nur latent – verhaltenssteuernde Wirkung hinsichtlich des Klägers zu. |
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| Ferner führt die zusätzliche Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen dazu, dass der Ausweisung weitere Wirkungen zukommen, die geeignet sind, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorzubeugen. Denn sie kann auch bei Vorliegen von Abschiebungsverboten oder -hindernissen insofern eine selbständige Bedeutung haben, als dass sie andere Ausländer im Sinne generalpräventiver Erwägungen von weiterer Straftatenbegehung abschrecken kann (BVerwG, Beschluss vom 18. August 1995 – 1 B 55.95 –, juris Rn. 9, auch Urteil vom 31. August 2004 – 1 C 25.03 –, juris Rn. 15; vgl. auch Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – 10 B 15.1854 –, Rn. 42). |
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| Diese Wirkungen sind – unabhängig von den begrenzten rechtlichen Wirkungen der inlandsbezogenen Ausweisung in dem vorliegenden Fall – nach Auffassung der Kammer noch ausreichend, um überhaupt von einem berechtigten öffentlichen Interesse an der Ausweisung ausgehen zu können (vgl. bereits in diesem Sinne Urteil der Kammer vom 17. Mai 2022 – 10 K 5070/19 –, juris Rn. 108). In diese Wertung fließt auch ein, dass der Gesetzgeber die Ausweisung als gebundene Entscheidung ausgestaltet hat, die von der Ausländerbehörde zu treffen ist, wenn der Tatbestand erfüllt ist. Eine Ermessensentscheidung, in deren Rahmen auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und damit der Grad der Eignung im Verhältnis zur Intensität der Rechtsbeeinträchtigung zu prüfen wäre, ist gerade nicht vorgesehen. |
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| Offen bleiben kann nach alledem, ob eine inlandsbezogene Ausweisung auch dann als rechtmäßig anzusehen wäre, wenn sie nicht (auch) auf generalpräventive Gründe gestützt werden kann. |
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| Auch im Übrigen überwiegt das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse etwaige Bleibeinteressen des Klägers. Er ist erst im Erwachsenenalter in die Bundesrepublik eingereist. Anhaltspunkte einer gelungenen Integration sind nicht ersichtlich, wenngleich die Kammer nicht verkennt, dass der Kläger gewisse Sprachkenntnisse erworben hat. Er hat jenseits eines – nach seinen Angaben – in Deutschland lebenden Onkels allerdings keinerlei persönliche oder soziale Bindungen an die Bundesrepublik und ist auch wirtschaftlich nicht integriert. Vielmehr zeigt er bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit, dass er die Rechtsordnung der Bundesrepublik nicht akzeptiert. Es ist nicht erkennbar, dass sich der Kläger die rechtlichen Werte der Bundesrepublik zu eigen gemacht hat. Von einer Rechtstreue, die ihn im besonderen Maße mit der Bundesrepublik verbindet, ist insbesondere vor dem Hintergrund der Anlassverurteilung nicht auszugehen. |
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| Auch kann er sich nicht mit Erfolg auf eine (vermeintliche) Entwurzelung in berufen. Es ist insofern völlig unsubstantiiert dargelegt, dass sich mittlerweile seine vollständige (Kern-)Familie in der Bundesrepublik aufhalten soll und er keinerlei familiäre Bindungen mehr nach habe. Vielmehr ist der Kläger in aufgewachsen und sozialisiert. Er hat dort die Schule besucht und sollte ein Medizinstudium absolvieren, was er indes nicht schaffte, weil er in der Schule nicht gut genug war (LG, Urteil vom 8. Februar 2019, Az.). Er begann daraufhin ein Studium der Rechtswissenschaften, das er jedoch abbrach, und war stattdessen als Taxifahrer tätig (LG, Urteil vom 8. Februar 2019, Az.). |
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| Soweit der Kläger geltend macht, er könne nicht nach ausgewiesen werden, weil dort gegenwärtig Krieg herrsche, so verkennt er damit, dass ihm trotz der Ausweisung derzeit gerade keine Abschiebung droht. Einer Ausweisung steht das festgestellte Abschiebungsverbot in dem Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG indes nicht entgegen. |
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| 3. Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unter Ziffer II. des Bescheids vom 27. Dezember 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil er zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG hat, § 113 Abs. 5 S. 1 und 2 VwGO. |
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| Der Klageantrag umfasst bei sachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) nicht nur die Erteilung der am 16. Mai 2018 beantragten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 2 AufenthG, sondern auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus (sonstigen) humanitären Gründen nach jeder in Betracht kommenden Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 C 14.05 –, juris Rn. 11). |
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| Soweit der Kläger mit seiner Klage die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis verfolgt (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO) ist die Klage insoweit teilweise abzuweisen, da er keinen gebundenen Anspruch hierauf hat. |
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| b) Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. |
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| Hiernach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Zwar hat das Bundesamt mit Bescheid vom 17. Juli 2020 festgestellt, dass ein Abschiebungsverbot mit Blick auf vorliegt. Indes verwirklicht der Kläger den zwingenden Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 AufenthG. Danach wird die Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat. Dies ist hier im Hinblick auf das Verbrechen der schweren Vergewaltigung der Fall (vgl. zur Einordnung der Vergewaltigung als Straftat von erheblicher Bedeutung etwa Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. April 2019 – 10 C 18.2425 –, juris Rn. 10). |
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| c) Der Kläger hat indes zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG. Hiernach kann einem Ausländer, der – wie der Kläger – vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. |
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| aa) Maßgeblich dafür ist, ob der Kläger in einen anderen Staat, insbesondere seinen Herkunftsstaat, einreisen kann (Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 25 Rn. 104). Eine freiwillige Ausreise ist aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse in der Person des Ausländers – für die Reise oder im Zielstaat – entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen (Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 25 Rn. 104). Ausreisehindernisse können sich auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ergeben (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 C 14.05 –, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 4. April 2014 – 10 C 12.497 –, juris Rn. 22; Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 25 Rn. 107; kritisch Maaßen/Kluth, in: BeckOK Ausländerrecht, 33. Ed., Stand 1. April 2022, § 25 AufenthG Rn. 131, 138). Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich in dem Sinne des § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 C 14.05 –, juris Rn. 17). |
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| Diese Voraussetzungen sind mit der Feststellung des Bestehens eines Abschiebungsverbots für den Herkunftsstaat nach § 60 Abs. 5 AufenthG mit Bescheid des Bundesamts vom 17. Juli 2020 erfüllt. Hieran ist der Beklagte nach § 42 S. 1 AsylG gebunden. |
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| bb) Dem Anspruch des Klägers steht auch § 25 Abs. 5 S. 3 AufenthG nicht entgegen. Hiernach darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden liegt nach § 25 Abs. 4 S. 4 AufenthG insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt. Die Hinderung an der Ausreise beruht auf der verbindlichen Feststellung des Bestehens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG durch das Bundesamt und nicht auf einem Verhalten des Klägers. |
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| cc) Zwar liegen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG in dem Falle des Klägers nicht vor. Denn es besteht ein Ausweisungsinteresse. Ferner ist er auch nicht mit dem erforderlichen Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG ist jedoch unter anderem in den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu prüfen, ob von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden kann. Die Entscheidung steht damit im Ermessen des Beklagten. Der Kläger kann daher lediglich eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beanspruchen. Dementsprechend kann nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO das Verwaltungsgericht den Beklagten nur verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. |
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| Der Beklagte hat bislang überhaupt kein Ermessen ausgeübt, sondern ist von einer Sperrwirkung der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG ausgegangen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes lägen nicht vor. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot war indes wegen des Verstoßes gegen Unionsrecht aufzuheben. |
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| Bei der Ermessensentscheidung, ob nach § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abgesehen wird, wird der Beklagte neben den Gesichtspunkten, die es nahelegen, an diesen Voraussetzungen festzuhalten, auch die Aspekte zu berücksichtigen habe, die dafürsprechen, auf ihre Einhaltung zu verzichten und die begehrte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Insbesondere wird abzuwägen sein, welches Gewicht dem öffentlichen Interesse an der Erfüllung der jeweiligen Regelerteilungsvoraussetzung gegenüber dem privaten Interesse des Ausländers an der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zukommt (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 11 LA 139/13 –, juris Rn. 8). Darüber hinaus werden die Wertungen des Gesetzgebers in Erwägung zu ziehen sein, die der Schaffung der Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG zugrunde liegen und die sich aus dem systematischen Zusammenhang ergeben, in dem diese Regelung steht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 11 LA 139/13 –, juris Rn. 8; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 4. April 2014 – 10 C 12.497 –, juris Rn. 29). |
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| IV. Die Berufung ist zuzulassen, soweit die Klage gegen die Ziffern I. und III. des Bescheids des Regierungspräsidiums vom 27. Dezember 2019 gerichtet ist. Dies beruht auf § 124a Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 1 Nr. 3 VwGO. Insoweit hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Denn die Rechtmäßigkeit einer inlandsbezogenen Ausweisung und eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach nationalem Recht, welches nur mit einer aufgrund der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht wirksamen Rückkehrentscheidung einhergeht, ist bislang nicht geklärt. |
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