Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (6. Kammer) - 6 A 921/10

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenschuld abwenden, falls der Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Beklagte erließ mit Datum vom 19.08.2010 einen Vorbescheid über Wildschaden gegenüber der Klägerin, mit dem festgestellt wurde, dass der beantragte Schadensausgleich nicht anerkannt werde, weil auf der gemeldeten Fläche nach dem zweiten Ortstermin kein Wildschaden festgestellt worden sei.

2

Die Gesamtkosten des Verfahrens bezifferte der Beklagte mit 198,58 €. Die Kosten des Verfahrens seien vom Landwirtschaftsbetrieb der Klägerin zu tragen.

3

Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, mit der auf die Möglichkeit der Klage gegen den Ersatzverpflichteten auf Zahlung des verlangten Schadensersatzes zum Amtsgericht Neustrelitz innerhalb von drei Wochen nach Zustellung des Vorbescheides hingewiesen wurde.

4

Bereits zuvor mit Datum vom 05.08.2010 hatte der Beklagte einen ansonsten inhaltsgleichen Vorbescheid erlassen, der die Kosten des Verfahrens ausgewiesen, die Kostenlastentscheidung aber einem gesonderten Kostenbescheid überlassen hatte, den der Beklagte am 10.08.2010 erließ. Dieser Kostenbescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen worden, die auf eine Widerspruchsmöglichkeit verwies.

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Mit Schreiben vom 19.08.2010 ergänzte der Beklagte seinen Vorbescheid um die Kostenentscheidung wie oben dargestellt und hob gleichzeitig die gesonderte Kostenentscheidung vom 10.08.2010 auf.

6

Gegen die Kostenentscheidung in dem Vorbescheid vom 19.08.2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 24.08.2010 Klage vor dem Verwaltungsgericht Greifswald erhoben.

7

Die Klägerin trägt vor, der Beklagte habe wiederholt einseitig die Kosten der Schadensfeststellung einzig und allein in voller Höhe der durch Wildverbiss ohnehin bereits Geschädigten auferlegt. Es entspreche nicht den Grundsätzen der Billigkeit, den Jagdausübungsberechtigten als Vorteilszieher aus der Wildäsung nunmehr wiederholt von den Kosten des Verfahrens zu befreien.

8

Die Nachprüfbarkeit der Kostenentscheidung sei unabhängig vom Schadensanspruch in der Wild- und Jagdschadensverordnung nicht definiert.

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Die Klägerin beantragt,

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1. den Beklagten zur Änderung seiner Kostenentscheidung des Vorbescheides vom 19.08.2010 zu verpflichten,

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2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie auf die Protokolle über den Erörterungstermin vom 10.02.2011 und die mündliche Verhandlung vom 26.04.2012 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthafte Klage hat keinen Erfolg; sie ist unzulässig. Zwar ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO für das vorliegende Begehren der Klägerin der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht gegeben (1.), es mangelt jedoch an dem gemäß § 68 Abs. 1 VwGO notwendigen Vorverfahren vor Erhebung der Anfechtungsklage (2.).

1.

16

Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

17

Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Die Klägerin begehrt die (isolierte) Aufhebung eines Verwaltungsakts i.S.v. § 35 VwVfG M-V, mit dem ihr die Kosten eines Feststellungsverfahrens über Wildschäden nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1, 3 und 6 der Verordnung über das Feststellungsverfahren in Wild- und Jagdschadenssachen – Wild- und JagdSVO M-V – vom 2. Januar 2001 (GVOBl. M-V 2001, S. 5) auferlegt worden sind. Dabei handelt es sich um eine Kostenentscheidung i.S.v. § 14 Abs. 1 VwKostG M-V zu einer Amtshandlung einer Behörde gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 VwKostG M-V. Gegen solche Kostenentscheidungen sieht § 22 Abs. 1 VwKostG M-V die Möglichkeit der Anfechtung vor. Streitigkeiten wegen Kostenentscheidungen nach der Wild– und JagdSVO M-V sind auch nicht durch Bundes- oder Landesgesetz einem anderen Rechtsweg zugewiesen. Abgesehen davon, dass eine solche Zuweisung nur durch ein förmliches Landesgesetz erfolgen könnte (vgl. Kopp/Schenke VwGO 17. Aufl. 2011 § 40 Rz 48), enthält insbesondere die Wild- und JagdSVO M-V eine solche Sonderzuweisung auch nicht. Die Verordnung enthält in ihrem § 7 lediglich Regelungen über die Klage des Ersatzberechtigten gegen den Ersatzverpflichteten auf Zahlung des verlangten Schadensersatzes (§ 7 Abs. 2 Buchst. a) und des Ersatzverpflichteten gegen den Ersatzberechtigten auf Feststellung, dass kein oder ein geringerer Schadensersatz zu leisten ist. Aus § 7 Wild- und JagdSVO M-V ist auch nicht zu entnehmen, dass die Kostenentscheidung nicht isoliert, sondern nur im Rahmen des Rechtstreits zwischen Ersatzberechtigtem und Ersatzverpflichtetem einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein soll. Abgesehen davon, dass eine solche Auslegung des § 7 Wild- und JagdSVO M-V gegen § 22 Abs. 1 VwKostG M-V verstoßen, der ausdrücklich die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung vorsieht, und zur Nichtigkeit von § 7 Wild- und JagdSVO M-V führen würde, wäre eine solche Auslegung auch sinnwidrig. Die gemäß § 6 Abs. 6 Wild- und JagdSVO M-V von der Feststellungsbehörde nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung kann sich im Ergebnis unabhängig von den sachlichen Feststellungen des Vorbescheides als fehlerhaft erweisen. Der von der Kostenentscheidung Belastete müsste, selbst wenn er die sachlichen Feststellungen des Vorbescheides für zutreffend erachten würde oder zumindest akzeptieren wollte, gleichwohl den zivilrechtlichen Klageweg beschreiten und könnte überdies nach der Regelung in § 7 Abs. 3 Wild- und JagdSVO M-V nur dann eine Änderung der Kostenentscheidung erreichen, wenn das Amtsgericht auch den Vorbescheid insgesamt für fehlerhaft erachten und eine eigene Entscheidung treffen würde.

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Gegen die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges für eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung in einem Vorbescheid spricht auch nicht die gelegentlich vertretene Auffassung, die Verwaltungsbehörde übe im Feststellungsverfahren nicht verwaltende, sondern rechtsprechende Tätigkeit aus (so Lorz u.a., Jagdrecht/Fischereirecht, 3. Aufl. 1998, § 35 BJagdG Rz 2 unter Hinweis auf BGHSt 13, 111; a.A. Mitzschke/Schäfer, BJG, 4. Aufl. 1982, § 35 Rz 3 u. 24), mit der Folge, dass bereits das Feststellungsverfahren als Bestandteil des ordentlichen Rechtsweges anzusehen und auch für einen Rechtsbehelf gegen eine Kostenentscheidung im Feststellungsverfahren der ordentliche Rechtsweg gegeben wäre. Diese Auffassung überzeugt indes nicht. Die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde im Feststellungsverfahren ist Verwaltungstätigkeit. Das Vorverfahren ist ein gesetzlich geregeltes Verwaltungsverfahren im Vorfeld eines gerichtlichen Klageverfahrens; es dient der Entlastung der Gerichte (so auch Mitzschke/Schäfer aaO Rz 3). Eine Einordnung des Feststellungsverfahrens als rechtsprechende Tätigkeit würde im Übrigen auch, zumindest was die Kostenentscheidung betrifft, gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 GG) und den verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist (Art. 92 GG) verstoßen. Danach ist rechtsprechende Tätigkeit, die nicht durch Richter ausgeübt wird, überhaupt nur möglich, wenn das Letztentscheidungsrecht dem Richter vorbehalten bleibt (so bereits BGHSt 13, 111). Die Wild- und JagdSVO M-V enthält aber in § 7 Abs. 2 eine abschließende Regelung der Rechtsmittel gegen den Vorbescheid, in der die Möglichkeit der Überprüfung der Kostenentscheidung durch einen Richter nur im Rahmen einer Änderung der Sachentscheidung, nicht jedoch allgemein vorgesehen ist.

19

Schließlich spricht auch nicht die oben bereits angesprochene Änderungskompetenz des Amtsgerichts, bei einer Änderung der Sachentscheidung im Klageverfahren auch über die Kosten des Feststellungsverfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 7 Abs. 3 Wild- und JagdSVO M-V), gegen die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges für eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen die Kostenentscheidung in einem Vorbescheid zur Vermeidung divergierender Gerichtsentscheidungen zunächst festzustellen, ob der Vorbescheid auch in der Sache durch Klage bei dem zuständigen Amtsgericht angegriffen worden ist und das Klageverfahren ggf. bis zur Rechtskraft der Entscheidung im zivilgerichtlichen Schadenersatzverfahren gemäß § 94 VwGO auszusetzen.

20

Zusammengefasst ist festzustellen, dass für eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung in einem Vorbescheid nach der Wild- und Jagdschadensverordnung M-V der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

2.

21

Der vorliegenden Anfechtungsklage fehlt es jedoch an dem gemäß § 68 Abs. 1 VwGO notwendigen Vorverfahren vor Erhebung der Anfechtungsklage. Nach § 68 Abs. 1 VwGO sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts vor Erhebung der Anfechtungsklage in einem Vorverfahren nachzuprüfen. An einem solchen Vorverfahren, das mit einem Widerspruchsbescheid abschließt, fehlt es vorliegend. Zwar hat der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei Widerspruch eingelegt worden, ein solcher befindet sich jedoch weder in den Verwaltungsvorgängen noch gibt es sonstige Hinweise darauf, dass die Klägerin Widerspruch gegen die Kostenentscheidung eingelegt haben könnte. Augenscheinlich hat der Vertreter der Klägerin bei seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung die (erfolglose) Klage vor dem Amtsgericht Neustrelitz gegen den Vorbescheid gemeint; diese vermag das Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 VwGO jedoch nicht zu ersetzen.

22

Die Kammer konnte auch trotz der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung in dem Vorbescheid vom 19.08.2010 und der deswegen möglicherweise gemäß § 58 Abs. 2 VwGO bis zur gerichtlichen Entscheidung noch zulässig gewesenen Einlegung eines Widerspruchs über die Klage entscheiden. Der Vertreter der Klägerin hat trotz eines entsprechenden ausdrücklichen Hinweises auf die nach Auffassung der Kammer wohl noch möglich gewesene Einlegung eines Widerspruchs gegen die Kostenentscheidung keinen Widerspruch eingelegt und statt dessen einen Sachantrag gestellt, über den nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu entscheiden war.

23

Ohne dass es für die Entscheidung darauf ankäme, bleibt abschließend darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Klage auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte. Die Entscheidung des Beklagten, die Kosten des Feststellungsverfahrens, in dem kein Wildschaden festgestellt werden konnte und der entsprechende Antrag der Klägerin abgelehnt worden war, der Klägerin aufzuerlegen, entsprach billigem Ermessen gemäß § 6 Abs. 6 Wild- und JagdSVO M-V. Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass derjenige, der einen Antrag stellt oder einen Rechtsbehelf einlegt, die damit verbundenen Kosten zu tragen hat, wenn der Antrag abgelehnt oder der Rechtsbehelf zurückgewiesen wird. Dieser Rechtsgrundsatz findet sich in zahlreichen Kostenvorschriften wieder (s. etwa § 154 Abs. 1. u. 2 VwGO; § 91 Abs. 1 ZPO). Dass sich hier wegen der Besonderheiten des Feststellungsverfahrens u. U. auch eine Aufteilung der Kosten auf den Ersatzberechtigten und den Ersatzverpflichteten hätte begründen lassen und damit billigem Ermessen entsprochen hätte, ändert daran nichts. Es liegt im Wesen von Ermessensentscheidungen, dass die Behörde mehrere Entscheidungsoptionen im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens hat.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

25

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 u. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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