Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 1058/15 HGW

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- und Niederschlagswasser).

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Die Klägerin ist Eigentümerin des gewerblich genutzten Grundstücks Flurstück, Flur, Gemarkung C-Stadt in einer Größe von 2.499 m². Sie hatte das Miteigentum an dem Grundstück auf Grundlage eines notariellen Vertrages vom 14. November 1996 von der Stadt Barth erworben. Im Jahre 1997 erwarb sie das Alleineigentum an dem Grundstück.

3

In § 7 (Übergabe) des Vertrages vom 14. November 1996 heißt es:

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Alle bis zum Übergabetag erstellten Erschließungsmaßnahmen, auch wenn sie noch nicht abgerechnet sein sollten, trägt der Verkäufer.

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Der Kaufpreis beinhaltet die Kosten der Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB sowie der Schmutz- und Regenwasseranlagen bis zum hergestellten Anschlusspunkt. Der Verkäufer stellt den Käufer insofern von etwaigen Beitragspflichten und den Kosten der Herstellung der Schmutz- und Regenwasseranlagen bis zum hergestellten Anschlusspunkt frei.

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Der Kaufpreis umfasst nicht die von den Ver- und Entsorgungsunternehmen zu erhebenden Kosten und Gebühren der Anschlüsse (§ 127 Abs. 4 BauGB).

7

Das Grundstück ist an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage, nicht aber an die zentrale Niederschlagswasserbeseitigungsanlage angeschlossen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob insoweit ein Grundstücksanschluss existiert.

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Mit Bescheid vom 16. März 2015 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 21.978,70 EUR heran. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2015 zurück.

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Am 15. August 2015 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Vereinbarung im § 7 des Grundstückskaufvertrages vom 14. November 1996 stehe ihrer Heranziehung entgegen. Der nunmehr geltend gemachte Beitragsanspruch sei darin abgelöst worden. Auf eine Unwirksamkeit der Vereinbarung könne sich der Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht berufen. Denn die Grundsätze der Abgabengerechtigkeit und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung schützten die Klägerin vor einer Doppelbelastung.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 16. März 2015 – Nr. – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2015 aufzuheben,

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hilfsweise,

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den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die Beitragsschuld aus Billigkeitsgründen zu erlassen.

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Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Mit Beschluss vom 14. Juni 2017 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet (A.) und im Hilfsantrag unzulässig (B.).

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A. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Stadt Barth (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 24. Oktober 2013 i.d.F. der 1. Änderung vom 26. März 2015.

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1. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung bestehen nicht (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 27.01.2015 – 3 B 844/14 –, juris). Die fehlerhafte – wenngleich unschädliche – Regelung über den Gegenstand der Beitragspflicht in § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS (VG Greifswald, a.a.O. Rn. 26) ist von der Stadt Barth in der genannten Änderungssatzung ersatzlos gestrichen worden.

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Auch die in § 5 ABS normierten Beitragssätze begegnen keinen Bedenken. Die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Einwände gegen die Flächenermittlung greifen nicht durch. Da sie die Einwände im Klageverfahren nicht weiter verfolgt, kann auf die Ausführungen des VG Greifswald in dem Urteil vom 27. Juli 2017 (– 3 A 1330/14 –, juris Rn. 18 ff.) verwiesen werden.

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Die auf der Kostenseite zunächst fehlerhafte Kalkulation des Beitragssatzes für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung (Beitragssatz I) von 4,28 EUR/m² wurde überarbeitet und von der Stadtvertretung der Stadt Barth am 14. September 2017 beschlossen. Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der überarbeiteten Kalkulation bestehen nicht. Auch eine erneute Beschlussfassung über den Beitragssatz I war nicht erforderlich. Zwar folgt dies nicht aus dem Umstand, dass der satzungsrechtlich normierte Beitragssatz bereits durch die in dem Verfahren 3 A 1031/15 am 27. Juli 2017 (vgl. die Sitzungsniederschrift sowie VG Greifswald, Urt. v. 27.07.2017 – 3 A 1330/14 –, S. 8 ff. des Entscheidungsumdrucks) auf Grundlage einer überarbeiteten Kalkulation abgegebene „Heilungserklärung“ i.S.d. § 2 Abs. 3 KAG M-V wirksam wurde. Denn die Überarbeitung der Kalkulation führte – anders als bisher angenommen (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 27.07.2017 – 3 A 1330/14 –, juris Rn. 26 ff.) – nicht zu einer vollständigen Beseitigung aller zu diesem Zeitpunkt existierenden Kalkulationsfehler. Sie war vielmehr auf die Bereinigung der Klärwerkskosten um die auf die dezentrale Schmutzwasserbeseitigung im Stadtgebiet und die auf die Kläranlage mitbenutzenden Umlandgemeinden (Fremdeinleiter) entfallenden Auslastungsanteile und eine Korrektur von Schmutzwassereinleitmengen beschränkt. Ausweislich der vom Beklagten nunmehr vorgelegten Beschlussvorlage vom 14. September 2017 wies die ursprüngliche Beitragskalkulation aber weitere Fehler auf. Insbesondere war auf der Kostenseite nicht berücksichtigt worden, dass die Fremdeinleiter einen Teil des städtischen Kanalnetzes und ein Pumpwerk ausschließlich nutzen, so dass die darauf entfallenden Herstellungskosten nicht berücksichtigt werden durften. War die der Heilungserklärung vom 27. Juli 2017 zugrunde liegende Überarbeitung der Kalkulation damit nicht ausreichend, konnte auch keine Fehlerbeseitigung nach § 2 Abs. 3 KAG M-V eintreten. Damit hätte es nicht nur einer Beschlussfassung über die abermals überarbeitete Beitragskalkulation, sondern auch einer Beschlussfassung über den darauf beruhenden Beitragssatz I bedurft, auch wenn dieser unverändert war. Dies ist jedoch unterblieben.

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Dennoch ist die Normierung des Beitragssatzes I wirksam. Der rechnerisch ermittelte (höchstzulässige) Beitragssatz für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung liegt in der abermals überarbeiteten Kalkulation bei 5,51 EUR/m² und damit über dem in § 5 Abs. 1 ABS normierten Beitragssatz von 4,28 EUR/m². Vor diesem Hintergrund hat die Stadtvertretung der Stadt Barth mit der Beschlussfassung vom 14. September 2017 über die Beitragskalkulation zu erkennen gegeben, dass sie an dem in der Abwasserbeitragssatzung normierten Beitragssatz I festhält. Damit ist mit der Beschlussfassung eine Fehlerheilung nach § 2 Abs. 3 KAG M-V eingetreten. Nach Satz 1 der genannten Vorschrift darf die abgabenberechtigte Körperschaft einzelne Aufwands- oder Kostenpositionen nachträglich einstellen oder anders bewerten, soweit dadurch nicht der Abgabensatz erhöht wird. Zwar wird damit in erster Linie der Verwaltung der abgabenberechtigten Körperschaft die Befugnis zur Fortschreibung und Korrektur der Kalkulation eingeräumt (vgl. VG Greifswald a.a.O.). Die Vorschrift ist aber nicht so zu verstehen, dass eine Fehlerheilung nach dieser Bestimmung ausschließlich der Verwaltung vorbehalten ist. Wenn es in § 2 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V heißt, dass es keiner erneuten Beschlussfassung der Vertretungskörperschaft bedarf, folgt daraus nur, dass eine Beschlussfassung über den Abgabensatz entbehrlich ist. Ausgeschlossen ist sie jedoch nicht. Damit kann eine Fehlerheilung nach § 2 Abs. 3 KAG M-V auch dann eintreten, wenn das Vertretungsorgan einer abgabenerhebungsberechtigten Körperschaft mit Blick auf eine überarbeitete Kalkulation erklärt, dass an dem normierten Abgabensatz festgehalten werde.

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Die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 KAG M-V liegen ebenfalls vor. Insbesondere bleibt die ursprüngliche Kalkulation auch in der nochmals geänderten Kalkulation erkennbar. Es werden lediglich Teile des beitragsfähigen Aufwandes und die darauf bezogenen Fördermittel aus der Aufwandskalkulation „herausgerechnet“.

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2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

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a. So ist die Klägerin persönlich beitragspflichtig. Nach 7 Abs. 2 Satz 1 erste Var. KAG M-V ist beitragspflichtig, wer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. Die Vorschrift betrifft die persönliche Beitragspflicht, deren Entstehung das Bestehen der sachlichen Beitragspflicht voraussetzt. Die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht richtet sich nach § 9 Abs. 3 KAG M-V. Danach entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Hiernach konnte die sachliche Beitragspflicht zunächst nicht entstehen.

28

Zwar wurde das Grundstück bereits im Jahre 1998 an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen. Die Möglichkeit, das Grundstück an die zentrale Niederschlagswasserbeseitigungsanlage anzuschließen, besteht jedenfalls seit dem 26. Januar 2011. Nach dem vom Beklagten vorgelegten Leitungsplan verlaufen in der Straße ein Schmutz- und ein Niederschlagswasserkanal. Zu beiden Kanälen sind Grundstücksanschlüsse vorhanden. Der Grundstücksanschluss für den Niederschlagswasserkanal befindet sich an der nordwestlichen Grenze des Grundstücks. Der informatorisch befragte Mitarbeiter Herr Sch. des für die Stadt Barth tätigen Betriebsführers (Fa. B. GmbH) teilte mit, dass er im Rahmen einer am 26. Januar 2011 durchgeführten Kamerabefahrung festgestellt habe, dass der im Leitungsplan eingezeichnete Grundstücksanschluss existiert. Dem ist die Klägerin nicht weiter entgegen getreten. Dennoch konnte die sachliche Beitragspflicht zunächst nicht entstehen, weil die vor der Satzung vom 24. Oktober 2013 Geltung beanspruchenden Satzungen nichtig sind (dazu sogleich) und die Abwasserbeitragssatzung vom 24. Oktober 2013 – wie dargelegt – zunächst ebenfalls nichtig war.

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Dies änderte sich erst mit der Beschlussfassung der Stadtvertretung der Stadt Barth über die überarbeitete Beitragskalkulation am 14. September 2017. Mit der dadurch bewirkten Fehlerheilung ist nach § 9 Abs. 3 KAG M-V die sachliche Beitragspflicht entstanden. Damit ist auch die persönliche Beitragspflicht der Klägerin begründet worden, denn ein mangels wirksamer Rechtsgrundlage fehlerhafter Bescheid kann durch das Nachschieben einer wirksamen Satzung geheilt werden. Eine bestimmte zeitliche Reihenfolge besteht für das Vorliegen der Merkmale des § 9 Abs. 3 KAG M-V besteht nicht. Anders als im Straßenbaubeitragsrecht, aber ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht reicht es im Anschlussbeitragsrecht daher aus, wenn die (wirksame) Satzung der Vorteilslage nachfolgt. Entsteht die sachliche Beitragspflicht – wie hier – erst nach Bekanntgabe des Beitragsbescheides, so entsteht mit ihr auch die persönliche Beitragspflicht, weil die Bekanntgabe bis zur Aufhebung des Beitragsbescheides fortwirkt (Aussprung in: ders./Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 11/15, § 7 Anm. 12.7).

30

b. Auch ist der Beitragsanspruch nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage, sondern gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V erst mit der am 14. September 2017 erfolgten Heilung der Abwasserbeitragssatzung vom 24. Oktober 2013 nach § 2 Abs. 3 KAG M-V entstanden.

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Diese Satzung ist die erste wirksame Satzung in diesem Sinne. Die Abwasserbeitragssatzung der Stadt Barth vom 26. August 2010 ist unwirksam. Die darin normierte Tiefenbegrenzung beruht nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet (VG Greifswald, Urt. v. 29.22.2012 – 3 A 678/11 –, S. 5 des Entscheidungsumdrucks). Dieser Fehler, der erst „bekannt“ ist, seitdem das OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem Urteil vom 14. Dezember 2010 (– 4 K 12/07 –) die Anforderungen an die Ermittlung der Tiefenbegrenzung definiert hat, haftet sämtlichen Vorgängersatzungen an. Die vor der Abwasserbeitragssatzung vom 26. August 2010 Geltung beanspruchenden Satzungen wiesen zudem eine unzulässige Privilegierung sog. altangeschlossener Grundstücke auf. Nach § 2 Abs. 3 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung der Stadt Barth (Kanalbaubeitragssatzung – KBS 1996) vom 26. März 1996 zahlen Grundstücke, die bereits vor (dem) Inkrafttreten des KAG Mecklenburg-Vorpommern voll an die öffentliche Einrichtung Abwasserbeseitigung angeschlossen waren, zur Abdeckung des Vorteils der verbesserten Reinigung durch die Kläranlage, wenn das Grundstück an die neue Kläranlage angeschlossen ist, den Beitragssatz aus § 4 Abs. 10 c. Diese Vorschrift sieht einen gegenüber dem allgemeinen Schmutzwasserbeitrag abgesenkten „Klärwerksbeitrag“ vor. Die Privilegierung altangeschlossener Grundstücke ist unzulässig. Sie ist vorteilswidrig und verletzt den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

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c. Mit Blick auf die Definition einer von der Entstehung der Beitragspflicht unabhängigen Festsetzungshöchstfrist in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V hat sich die Möglichkeit der Beitragserhebung weder „verflüchtigt“, noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 68 ff.; rechtskräftig durch BVerwG, Beschl. v. 18.05.2017 – 9 B 71.16 –, juris).

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d. Auch die Vereinbarungen in § 7 des Grundstückskaufvertrages stehen der Beitragserhebung nicht entgegen.

34

aa. Das Verwaltungsgericht ist nicht wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit an der Prüfung der Vereinbarung gehindert. Die Frage des zulässigen Rechtsweges kann nicht mit Blick auf § 17 Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), wonach das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet, auf sich beruhen. Denn bei den von der Klägerin geltend gemachten Einwänden handelt es sich nicht um „rechtliche Gesichtspunkte“ des Rechtsstreits im Sinne dieser Regelung, sondern um selbstständige Gegenrechte. Solche Gegenrechte werden von § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht erfasst, denn die Vorschrift soll lediglich eine einheitliche Sachentscheidung durch das Gericht ermöglichen, wenn derselbe prozessuale Anspruch auf mehreren, eigentlich verschiedenen Rechtswegen zugeordneten Anspruchsgrundlagen beruht (OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.07.2015 – 12 W 1374/15 –, juris Rn. 29; VG Bremen, Urt. v. 01.10.2008 – 5 K 3144/07 –, juris Rn. 26).

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Für die Prüfung der Einwände ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Nach dem Vortrag der Klägerin haben die Parteien in § 7 des Grundstückskaufvertrages eine Vereinbarung getroffen, die die Erhebung von Anschlussbeiträgen für das Grundstück ausschließt. Demnach hat der Beklagte sie entweder von der Erhebung von Anschlussbeiträgen freigestellt (§ 7 Abs. 4 des Grundstückskaufvertrages) oder die Beiträge sind mit der Kaufpreiszahlung abgelöst worden (§ 7 Abs. 5). Dieser Vortrag ist der Rechtswegprüfung zugrunde zu legen. Ob er zutrifft, ist eine Frage der Sachprüfung. Den Vortrag der Klägerin zu Grunde gelegt, handelt es sich bei den streitigen Vereinbarungen um Bestandteile eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Damit ist der Streit um die Auslegung der Vereinbarung als öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO anzusehen. Der Erlass eines Vorbehaltsurteils analog § 302 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 173 VwGO scheidet mithin aus. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:

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(1) Die auf § 8 Abs. 9 des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Kommunalabgabengesetzes 1993 (KAG 1993) gestützte Ablösungsvereinbarung in § 7 Abs. 5 des Grundstückskaufvertrages ist ohne Zweifel dem öffentlichen Recht zuzuordnen, so dass die sich daran anknüpfende Streitigkeit als öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO anzusehen ist.

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(2) Gleiches für die Freistellungsvereinbarung in § 7 Abs. 4 des Vertrages. Zwar handelt es sich bei einer Freistellungsvereinbarung um eine zivilrechtliche Vereinbarung, mit der die gesetzliche Regelung über die Tragung öffentlicher Grundstückslasten abbedungen wird. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt § 436 BGB a.F., wonach der Verkäufer eines Grundstücks nicht für die Freiheit des Grundstücks von öffentlichen Abgaben und von anderen öffentlichen Lasten haftet, die zur Eintragung in das Grundbuch nicht geeignet sind. Es darf bei der rechtlichen Einordnung der Vereinbarung aber nicht verkannt werden, dass bei Verträgen zur Abbedingung der gesetzlichen Kostentragungslast – sei es der nach § 436 BGB a.F., sei es der nach § 436 BGB in der aktuell gültigen Fassung – in der Regel keine der Vertragsparteien zugleich auch Gläubiger des (aktuellen oder künftigen) Abgabenanspruchs ist. Es ist vielmehr so, dass die Abbedingungsvereinbarung zwischen dem (aktuellen oder künftigen) Schuldner des Abgabenanspruchs und dem Grundstückskäufer getroffen wird. Weil das Bestehen oder Nichtbestehen öffentlicher Grundstückslasten wertbildend ist, ist es sinnvoll, durch eine Freistellungsvereinbarung festzulegen, wer diese Lasten im Innenverhältnis zu tragen hat. Der Abgabengläubiger ist von dieser Vereinbarung nicht betroffen.

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Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass die Stadt Barth nicht nur Partei des Grundstückskaufvertrages, sondern eben auch Gläubigerin des Abgabenanspruchs ist. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war sie potentielle Gläubigerin eines Abgabenanspruchs, denn § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 gab ihr die Befugnis zur Erhebung von Anschlussbeiträgen. Dies hat zur Folge, dass mit der Freistellungsvereinbarung nicht nur im Innenverhältnis der Vertragsparteien bestimmt wurde, wer die Kosten der von der Vereinbarung erfassten Erschließungsmaßnahmen trägt. Da der Beitragsanspruch grundstücksbezogen ist und neben dem Grundstückseigentümer bzw. Erbbauberechtigten (vgl. § 8 Abs. 2 KAG 1993) kein weiterer Abgabenschuldner existiert, umfasst der Abschluss einer Freistellungsvereinbarung mit dem Gläubiger des Abgabenanspruchs notwendigerweise einen Verzicht auf die Abgabenerhebung. Da öffentliche Abgabenansprüche nur einem Hoheitsträger zustehen können, handelt es sich bei einem Verzicht bzw. – wie hier – Vorausverzicht um eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung.

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(3) Der zulässige Rechtsweg ist bei Verträgen, die – wie hier – sowohl dem öffentlichen Recht als auch dem Zivilrecht zuzuordnende Vertragsbestandteile aufweisen, nach dem Schwerpunkt der konkreten Streitigkeit bzw. nach der Natur des Rechtsverhältnisses bestimmt, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.1989 – 8 C 44.88 –, juris Rn.16; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 10.04.1986 – GmS-OGB 1/85 –, juris Rn 10 f.). Der Schwerpunkt des vorliegenden Rechtsstreites liegt in den unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die Frage, ob die Stadt Barth in § 7 des Grundstückskaufvertrages auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen verzichtet oder ob deren Ablösung erfolgt ist. Sie betrifft damit eine öffentlich-rechtliche Forderung und ist folglich als öffentlich-rechtlicher Vertrag anzusehen (vgl. zu einer Ablösevereinbarung: OLG Stuttgart, Beschl. v. 08.10.2015 – 14 W 5/15 –, juris Rn. 10; VGH München, Beschl. v. 05.05.2014 – 20 C 14.673 –, juris Rn. 3; VG Augsburg, Beschl. v. 07.03.2014 – Au 1 K 13.1993 –, juris Rn. 16). Das OVG Greifswald prüft die Wirksamkeit von Verträgen über die Ablösung von Beiträgen auch dann, wenn sie in Grundstückskaufverträgen enthalten sind (Beschl. v. 23.02.2004 – 1 M 10/04 –, juris). Nichts anderes hat für einem im Rahmen eines Kaufvertrages erklärten Beitragsverzicht zu gelten.

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Weil der Streit eine vertragliche Vereinbarung betrifft, greift auch die abdrängende Sonderzuweisung in § 40 Abs. 2 Satz 1 zweite Var. VwGO nicht.

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bb. Der Regelungsgehalt der Vereinbarungen in § 7 des Grundstückskaufvertrages vom 14. November 1996 steht der Beitragserhebung nicht entgegen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Vereinbarungen in sich widersprüchlich sind. So handelt es sich bei der Vereinbarung in § 7 Abs. 4 um eine Abbedingung der nach § 436 BGB a.F. bestehenden gesetzlichen Kostentragungslast für erstellte Erschließungsanlagen zu Lasten des Verkäufers. Danach hatte die Stadt Barth die Erschließungskosten zu tragen. Demgegenüber ist in § 7 Abs. 5 Satz 1 vereinbart, dass der Kaufpreis die Kosten der Herstellung der Erschließungsanlagen i.S.d. § 127 Abs. 2 BauGB sowie der Schmutz- und Regenwasseranlagen bis zum Anschlusspunkt beinhaltet, wobei offen ist, welche konkreten Anlagen gemeint sind. Folglich hatten die Käuferinnen – die Klägerin und ihre Mutter – Erschließungskosten zu tragen und waren deswegen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 von Beitragspflichten freizuhalten. Hierzu im Widerspruch steht wiederum die Vereinbarung in § 7 Abs. 6 des Vertrages, wonach der Kaufpreis nicht die von den Ver- und Entsorgungsunternehmen zu erhebenden Kosten und Gebühren der Anschlüsse (§ 127 Abs. 4 BauGB) umfasst. Die Verwendung des untechnischen Begriffs „Kosten und Gebühren der Anschlüsse“ gibt keinen Raum für eine einschränkende Auslegung dergestalt, dass nur die Kosten der Grundstücksanschlüsse i.S.d. § 10 KAG 1993 gemeint sein könnten, denn der Begriff wird durch die Benennung des § 127 Abs. 4 BauGB im Klammerzusatz hinreichend definiert. § 127 Abs. 4 Satz 1 BauGB stellt klar, dass das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die keine Erschließungsanlagen i.S.d. §§ 127 ff. BauGB sind, nicht berührt wird, und nennt dabei in Satz 2 ausdrücklich Anlagen zur Ableitung von Abwasser. Diese sind danach von der Ablösungsvereinbarung ausgenommen, was mit Blick auf die Vereinbarung in § 7 Abs. 4 des Vertrages aber wenig Sinn ergibt.

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Eine Auflösung der aufgezeigten Widersprüche ist auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht möglich. Sie ist allerdings auch nicht erforderlich, denn bei einer isolierten Betrachtung der einzelnen Vereinbarungen stehen diese der Beitragserhebung nicht entgegen.

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(1) Es spricht manches dafür, dass sich die Freistellungsvereinbarung in § 7 Abs. 4 des Vertrages nur auf wegemäßige Erschließungsanlagen bezieht. Hierfür spricht die Formulierung „bis zum Übergabetag erstellte Erschließungsanlagen“. Mit der Wendung „erstellt“ sind fertiggestellte Anlagen gemeint. Fertiggestellt sind Anlagen, deren Herstellung abgeschlossen ist, bei denen also die in einem Bauprogramm vorgesehenen Arbeiten durchgeführt sind. Dies hat Bedeutung im Straßenbau- und Erschließungsbeitragsrecht. In beiden Rechtsgebieten kommt es für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht – und damit für die Abrechenbarkeit – auf die Fertigstellung der Anlage an. Solange die beitragsfähige Verkehrs- oder Erschließungsanlage nicht endgültig hergestellt ist, können sachliche Beitragspflichten nicht entstehen und demgemäß auch keine Beiträge erhoben werden. Anders ist die Rechtslage aber im Anschlussbeitragsrecht. Hier werden keine Einzelanlagen abgerechnet, vielmehr gilt das Gesamtanlagenprinzip (vgl. § 2 Abs. 2 KAG M-V). Unter dessen Geltung lässt bereits die Möglichkeit der Inanspruchnahme der noch unfertigen (Gesamt-)Anlage unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V die sachliche Beitragspflicht entstehen. Auf die Fertigstellung der leitungsgebundenen Gesamtanlage, die nach dem Abwasserbeseitigungskonzept der Stadt Barth nicht vor dem Jahre 2028 erfolgen soll, kommt es für die Beitragserhebung nicht an. Dadurch dass sich die Vereinbarung in § 7 Abs. 4 auf „erstellte“ Erschließungsanlagen bezieht, kann ihr entnommen werden, dass nur wegemäßige Erschließungsanlagen gemeint ist, denn eine „erstellte“ leitungsgebundene Erschließungsanlage lag weder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor, noch existiert sie heute.

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Geht man mit der Klägerin gleichwohl davon aus, dass die Vereinbarung auch die Erhebung von Anschlussbeiträgen erfasst, wäre sie unwirksam. Trotz des kommunalabgabenrechtlichen Bezugs der Vereinbarung sind die Bestimmungen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag nach den §§ 54 ff. Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V) Prüfungsmaßstab für ihre Wirksamkeit. Zwar bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG M-V, dass die Vorschriften dieses Hauptteiles (§ 2 bis § 93 VwVfG M-V) nicht für Verfahren gelten, die nach den Vorschriften der vorliegend Kraft der Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V anzuwendenden Abgabenordnung durchzuführen sind. Vom grundsätzlichen Ausschluss der Anwendung der Vorschriften des ersten Hauptteiles des VwVfG M-V normiert § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG M-V lediglich die Ausnahme, dass die (vorliegend nicht einschlägigen) Bestimmungen der § 61 Abs. 3 und § 80 Abs. 4 Nr. 2 VwVfG M-V hiervon unberührt bleiben. Dennoch geht das Gericht von der Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG M-V aus. Weil die Abgabenordnung keine Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Vertrag enthält, kann er nicht „nach den Vorschriften der Abgabenordnung“ durchgeführt werden. Damit schließt § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG M-V eine Anwendbarkeit der Bestimmungen der § 54 ff. VwVfG M-V nicht aus. Da aber die Abgabenordnung in § 78 Nr. 3 AO das Institut des öffentlich-rechtlichen Vertrages ausdrücklich anerkennt, kann aus dem Fehlen entsprechender Bestimmungen nicht auf eine „Sperrwirkung“ der Abgabenordnung geschlossen werden.

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Nach § 59 Abs. 1 VwVfG M-V ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergibt. § 134 BGB bestimmt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Vereinbarung § 7 Abs. 4 des Grundstückskaufvertrages verstößt gegen den zum damaligen Zeitpunkt geltenden § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Danach sind Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Aus- und Umbau, der Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen und Anlagen nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückeeigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich berechtigten und Gewerbetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Die Vorschrift normiert eine Beitragserhebungspflicht. Bereits in dem Beschluss vom 29. Juli 1997 (– 6 M 93/97 –, juris Rn. 28) hat das OVG Greifswald ausgeführt, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 eine Beitragserhebungspflicht begründet. Die Entscheidung ist zwar zum Straßenausbaubeitragsrecht ergangen, sie betrifft aber auch das Anschlussbeitragsrecht, da § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 die Grundlage sowohl für die Erhebung von Straßenausbau- als auch von Anschlussbeiträgen bildete und keine Differenzierungen nach Beitragsarten vorsah. In dem Beschluss vom 22. September 1999 (– 1 M 85/99 –, S. 4 des Entscheidungsumdrucks) hat es diese Rechtsprechung ausdrücklich auf das Anschlussbeitragsrecht übertragen und bezweifelt, dass „angesichts der Beitragserhebungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 eine Verwirkung überhaupt in Betracht kommt“. Die Literatur (vgl. Aussprung in: ders./Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 12/16, § 7 Anm. 2.5; Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 03/09, § 8 Rn. 1611) und der Gesetzgeber gehen ebenfalls davon aus, dass unter Geltung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 eine Beitragserhebungspflicht bestand. So heißt es im Gesetzentwurf der Landesregierung zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (LT-Drs. 4/1307, S. 46): „Mit der Formulierung ‚… können Anschlussbeiträge erhoben werden’ wird die 1993 auf das Anschlussbeitragsrecht ausgedehnte Beitragserhebungspflicht wieder auf ein Beitragserhebungsrecht zurückgeführt.“ Auch wenn § 9 Abs. 1 Satz 1 in der Fassung des Gesetzentwurfs der Landesregierung nicht Gesetz geworden ist und der Gesetzentwurf zur Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V damit nichts hergibt ist, so zeigt er doch deutlich, dass auch die Landesregierung davon ausging, dass der seinerzeit geltende § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 eine Beitragserhebungspflicht begründet. Gleiches gilt für den Innenausschuss des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, der sich in der Beschlussempfehlung und Bericht (LT-Drs. 4/1576, S. 75) gegen die „ersatzlose Abschaffung der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht“ ausgesprochen und die Einführung der „Soll-Regelung“ befürwortet hatte. So unergiebig die Gesetzesmaterialien für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V auch sind, die Einschätzung der im Jahre 2005 bestehenden „Ausgangslage“ durch den Landesgesetzgeber geben sie sehr deutlich wieder.

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Abweichendes folgt nicht aus der neueren Rechtsprechung des OVG Greifswald. Zwar geht das Gericht in dem Urteil vom 3. Mai 2011 (– 1 L 59/10 –, juris Rn. 58) davon aus, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 keine Beitragserhebungspflicht begründet. Der Kontext der Entscheidung zeigt jedoch, dass sich diese Auffassung allein auf die Frage des Wechsels des Refinanzierungssystems von einem beitragsgestützten System zu einem reinen Gebührensystem bezieht. Danach beließen die Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes 1993 dem Einrichtungsträger grundsätzlich eine Wahlfreiheit hinsichtlich der Art der Finanzierung des Herstellungsaufwandes. Dass der Einrichtungsträger unter Geltung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 die Möglichkeit hatte, im Rahmen eines beitragsgestützten Refinanzierungssystems vertraglich auf die Erhebung von Beiträgen ganz oder teilweise zu verzichten, klingt in der Entscheidung nicht einmal an.

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Die Beitragserhebungspflicht begründet ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB, auf die Erhebung von Beiträgen ganz oder teilweise zu verzichten (st. Rspr.: VG Greifswald, Urt. v. 12.07.2012 – 3 A 1162/11 –, juris Rn. 78). Das Abgabenrecht wird von dem Grundsatz beherrscht, dass die Abgabenerhebung nur nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner erfolgen darf. Daraus folgt, dass andere Vereinbarungen über die (endgültige) Finanzierung beitragspflichtiger Anlagen als ein Ablösevertrag nach § 8 Abs. 9 KAG 1993 bzw. § 7 Abs. 5 KAG M-V ausgeschlossen sind (eingehend: Driehaus in: ders., Kommunalabgabenrecht, Stand 03/97, § 8 Rn. 157 m.w.N.; vgl. auch VG Greifswald, Urt. v. 03.08.2005 – 3 A 211/04 –, juris Rn. 19).

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(2) Sollte mit der Vereinbarung in § 7 Abs. 5 des Grundstückskaufvertrages eine Ablösung von Anschlussbeiträgen vereinbart worden sein, was mit Blick auf die Vereinbarung in § 7 Abs. 6 – wie dargelegt – nicht frei von Zweifeln ist, wäre auch diese Vereinbarung unwirksam. Zwar kann ein solcher Beitragsanspruch vor seiner Entstehung durch Vertrag abgelöst werden. Auch kann die Ablösung des Beitrags in einem Grundstückskaufvertrag erfolgen. Allerdings muss in einem solchen Fall der Ablösebetrag gesondert ausgewiesen werden. Ein „verdeckte“ Ablösung ist unzulässig und führt zur Nichtigkeit des Vertrages (OVG Greifswald, Beschl. v. 23.02.2004 – 1 M 10/04 –, juris Rn. 12). Denn bei einer verdeckten Ablösung kann nicht beurteilt werden, ob der Ablösebetrag zutreffend ermittelt wurde und damit angemessen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG M-V ist. Um eine solchermaßen unzulässige Vereinbarung handelt es sich vorliegend. Denn es wird klargestellt, dass der Kaufpreis auch die Kosten der Schmutz- und Regenwasseranlagen (bis zum hergestellten Anschlusspunkt) umfasst, ohne dass diese benannt werden.

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e. Auf einen durch die genannten Vereinbarungen begründeten Vertrauensschutz kann sich die Klägerin schließlich ebenfalls nicht berufen. Denn es steht – wie ebenfalls dargelegt – nicht fest, dass sich die Freistellungsvereinbarung und die Ablösungsvereinbarung auf die vorliegend streitgegenständlichen Anschlussbeiträge beziehen. Jedenfalls aber würde die Annahme einer Schutzwürdigkeit dazu führen, dass sich der Beklagte entgegen § 59 Abs. 1 VwVfG M-V i.V.m. § 134 BGB bzw. entgegen § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG M-V an einer unwirksamen Vertragsbestimmung festhalten lassen müsste – ein Ergebnis, das mit der strengen Gesetzesbindung der Verwaltung nicht zu vereinbaren wäre.

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B. Im Hilfsantrag ist die Klage mangels Durchführung des nach § 68 ff. VwGO erforderlichen Vorverfahrens unzulässig.

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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung ( ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

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