Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (6. Kammer) - 6 A 1512/16 HGW

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenschuld abwenden, falls der Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Flurstücke 28/7 und 28/8 der Flur 1 Gemarkung S mit einer Größe von 12,8234 ha und Flurstück 17/1 der Flur 1 Gemarkung A-Stadt mit einer Größe von 1,0349 ha.

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Mit Schreiben vom 28.03.2014 beantragte der Kläger bei der Unteren Jagdbehörde des Beklagten die Befriedung seiner Grundstücke aus ethischen Gründen. Der Kläger machte geltend, durch die zu duldende Bejagung seiner Grundstücke durch andere sowie die zwangsweise Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft in Eigentums- und Persönlichkeitsrechten verletzt zu sein.

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Die praktizierte Bejagung seiner Grundstücke lehne er schon deshalb ab, weil seine religiöse Auffassung es verbiete, Lebewesen, also auch Wild, die alle gleichberechtigte Mitgeschöpfe des Menschen seien, nur deshalb zu töten, weil sie „zu viele“ seien oder „zu große Schäden“ anrichteten. Die Tötung durch Gebrauch von Schusswaffen gebe kaum einem Tier die Möglichkeit, anders als bei der Jagd von Raubtieren auf ihre Beute, mit ihrem Leben davonzukommen. Die Bejagung von Wild in Deutschland diene üblicherweise nicht der existentiellen Nahrungsbeschaffung für den Menschen, sondern dem Zeitvertreib von Jägern. Das oft angeführte Argument, Wildtiere töten zu müssen, um Schäden z.B. in der Landwirtschaft zu verhindern, sei schon deshalb nicht haltbar, weil durch Wild verursachte Schäden, selbst die, die aufträten, wenn keine Bejagung erfolgte, kostenmäßig sehr gering ausfallen würden im Vergleich zu Schäden, die z.B. durch Emissionen, Versiegelung von Naturflächen usw. aufträten. Vielmehr sollten Maßnahmen durchgeführt und unterstützt werden, die dazu beitragen, ein natürliches Gleichgewicht der menschlichen Umwelt wiederherzustellen. Er selbst habe einen kleinen Beitrag dazu geleistet, indem er ca. 11 ha Ackerland aufgestockt habe, um damit ein kleines Biotop zu schaffen, das er nicht durch Tötung bestimmter Tierarten durch Jäger gestört sehen wolle.

4

Der Beklagte hörte die Jagdgenossenschaft A-Stadt, das Amt K-Stadt für die Gemeinde Melz, den Jachtpächter, die angrenzenden privaten Grundeigentümer, sowie das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte, das Forstamt Wredenhagen, den Bauernverband Müritz e.V. und die Wildschadensausgleichskasse des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte als Träger der öffentlichen Belange an. Einem Schreiben des Beklagten an den Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. ist zu entnehmen, dass der Antrag des Klägers anlässlich der am 06.08.2015 stattgefundenen Jagdbeiratssitzung behandelt worden sei.

5

Einige der angrenzenden Grundeigentümer äußerten sich im Rahmen der Anhörung kritisch zu der beantragten Befriedung, u.a. unter Hinweis auf zu erwartende höhere Wildschäden auf den angrenzenden Ackerflächen. Die Wildschadensausgleichskasse lehnte die Befriedung der Grundstücke des Klägers ab und verwies in ihrer Stellungnahme vom 27.05.2015 darauf, dass durch die Aufforstung der Flächen des Klägers inmitten landwirtschaftlicher Kulturen ein Rückzugsraum insbesondere für Rot- und Schwarzwild entstanden sei. Eine Befriedung dieses Rückzugsraumes könnte das Wildschadensgeschehen in dem Territorium negativ beeinflussen. Die Kosten der dann auftretenden Wildschäden hätten die Allgemeinheit, Landwirte, Jäger und Beitragszahler der Wildschadensausgleichskasse zu tragen. In gleicher Weise äußerte sich auch das Forstamt Wredenhagen für die Landesforst Mecklenburg-Vorpommern: Bei einer Nichtbejagung der Waldfläche sei eine Zunahme von Wildschäden, insbesondere durch Schwarz- und Rotwild auf den angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen zu erwarten. Eine wirkungsvolle und effektive Bejagung des Schwarzwildes, insbesondere auch vor dem Hintergrund des Seuchengeschehens, werde erheblich behindert. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte wies in seiner Stellungnahme vom 12.06.2015 darauf hin, dass die Aufforstungsflächen des Klägers von ackerbaulich genutzten Flächen umgeben und kein Bestandteil eines zusammenhängenden Waldgebietes seien. Der Ausschluss der Jagdausübung auf diesen Flächen habe wahrscheinlich zur Folge, dass angrenzende landwirtschaftlich genutzte Flächen einer höheren Gefährdung durch Wildschäden ausgesetzt wären. Ähnlich äußerte sich auch der Bauernverband Müritz in seinem Schreiben vom 29.06.2015. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 23.07.2015 wies die Landesforst Mecklenburg-Vorpommern darüber hinaus darauf hin, dass die Einstellung der dem Kläger gewährten Erstaufforstungsprämie zu verfügen sei, sollte die Waldeigenschaft der Fläche durch Wildschäden in Folge der jagdrechtlichen Befriedung verloren gehen. Aus Sicht der Landesforst solle die öffentliche Förderung der Fläche bei der Entscheidung über den Befriedungsantrag besonders berücksichtigt werden. Das in § 1 Abs. 3 LWaldG M-V formulierte Ziel, den Wald in seiner Funktions- und Ertragsfähigkeit zu erhalten, in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Nr. 10 LWaldG M-V im Rahmen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft auf verträgliche Wilddichten hinzuwirken, werde voraussichtlich durch die Einstellung der Bejagung beeinträchtigt.

6

Nach einer weiteren Anhörung des Klägers lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Befriedung seiner Flächen mit Bescheid vom 07.01.2016 ab. Im Ergebnis seiner umfangreich begründeten Entscheidung kam der Beklagte zu der Feststellung, dass der Kläger seine ablehnende Haltung der Bejagung von Wildtieren auf bestimmte Motive stütze, jedoch nicht aus tiefster Überzeugung gegen das Töten an sich sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen.

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Wegen der Kostenentscheidung in Höhe von 1.000,00 Euro verwies der Beklagte auf Ziffer 4.6.2 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Jagdgebührenverordnung vom 2. Februar 2014 (GVOBl. M-V S. 58). Danach sei für eine Entscheidung nach § 6a BJagdG ein Gebührenrahmen in Höhe von 1.000,00 bis 2.000,00 Euro vorgesehen.

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Den Widerspruch des Klägers gegen die Entscheidungen aus dem Bescheid vom 07.01.2016 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2016 zurück.

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Der Kläger hat am 01.09.2016 Klage erhoben.

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Ergänzend zu seinen Ausführungen im Verwaltungsverfahren führt der Kläger aus, er lehne die Jagd aus ethischen Gründen ab. Er leide unter der zwangsweisen Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft und darunter, dass Jäger seine aufgeforsteten Flächen beträten, Wildtiere bei Drückjagden hetzten, in Todesangst versetzten und dann abschießen würden. Er leide darunter, dass die Tiere von zum Teil getarnten Hochsitzen bei argloser Nahrungsaufnahme getötet würden. Ein derart „barbarisches“ Verhalten sei für den Kläger unerträglich.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 07.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2016 zu verpflichten, die Grundstücke des Klägers Flurstücke 28/7und 28/8 der Flur 1, Gemarkung S und Flurstück 17/1 der Flur 1 Gemarkung A-Stadt mit einer Größe von 12,8234 ha und 1,0349 ha zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, hilfsweise zum Ende des sich daran anschließenden Jagdpachtjahres, zu befrieden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Kläger ist zu den Gründen für die Ablehnung der Jagd auf seinen Grundflächen in der mündlichen Verhandlung als Partei vernommen worden. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11.04.2019 verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11.04.2019 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 42 Abs. 1 und 2 VwGO zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg; sie ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 07.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Befriedung seiner Grundstücke (§ 113 Abs. 5 VwGO).

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Nach § 6a Abs. 1 BJagdG sind Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören und im Eigentum einer natürlichen Person stehen, auf Antrag des Grundeigentümers zu befriedeten Bezirken zu erklären (Befriedung), wenn der Grundeigentümer glaubhaft macht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt. Eine Befriedung ist zu versagen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Ruhen der Jagd auf der vom Antrag umfassten Fläche bezogen auf den gesamten jeweiligen Jagdbezirk die Belange

1.

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der Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie der Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen,

2.

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des Schutzes der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor übermäßigen Wildschäden,

3.

21

des Naturschutzes und der Landschaftspflege,

4.

22

des Schutzes vor Tierseuchen oder

5.

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der Abwendung sonstiger Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet. Ethische Gründe nach Satz 1 liegen insbesondere nicht vor, wenn der Antragsteller

1.

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selbst die Jagd ausübt oder die Ausübung der Jagd durch Dritte auf einem ihm gehörenden Grundstück duldet oder

2.

25

zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung einen Jagdschein gelöst oder beantragt hat.

26

Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG liegen nicht vor. Der Kläger hat zwar glaubhaft gemacht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt. Es erscheint der Kammer aber bereits zweifelhaft, ob diese Gründe für den Kläger von einem derartigen Gewicht sind, dass sie gemäß § 6a Abs. 1 BJagdG als ethische Gründe im Sinne eines Gewissensnotstandes anerkannt werden können (1.). Jedenfalls aber kann sich der Kläger nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall nicht auf einen Gewissensnotstand berufen (2.). Ob im vorliegenden Fall auch gewichtige Gründe nach § 6a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 BJagdG für eine Versagung der Befriedung sprechen, kann deshalb dahinstehen (3.).

27

Zu den Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 28.06.2018 – 16 A 138/16 -, juris Rdn. 36 ff. ausgeführt:

28

„Zur Auslegung des Begriffs der „ethischen Gründe“ orientiert sich der Senat zunächst an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die zur Einfügung des § 6a in das Bundesjagdgesetz führte.

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(vgl. Urteil vom 26. Juni 2012 - 9300/07 (Herrmann) -, NJW 2012, 3629 = juris, siehe auch Urteile vom 29. April 1999 - 25088/94 u. a. (Chassagnou u. a.) -, NJW 1999, 3695 und vom 10. Juli 2007 - 2113/04 (Schneider) -, NuR 2008, 489).

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Danach setzt die Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen eine tief verankerte persönliche Überzeugung voraus, die ein gewisses Maß an Kraft, Kohärenz und Bedeutung besitzt, einen gewissen Grad von Entschiedenheit, Geschlossenheit und Wichtigkeit erreicht und daher in einer demokratischen Gesellschaft Achtung verdient.

31

(vgl. Urteile vom 29. April 1999 - 25088/94 u. a. (Chassagnou u. a.) -, a. a. O., 3700 und vom 10. Juli 2007 - 2113/04 (Schneider) -, a. a. O., 494).

32

Des Weiteren zieht der Senat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen heran. Danach ist eine Gewissensentscheidung jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.

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(vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960 - 1 BvL 21/60 -, BVerfGE 12, 45 = juris, Rn. 30).

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Nach alledem liegen ethische Gründe i. S. v. § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG vor, wenn der Grundstückseigentümer aufgrund einer in sich geschlossenen, individuellen Überzeugung die Jagd an sich ablehnt und diese Ablehnung innerlich als für sich unbedingt verpflichtend empfindet, so dass er die weitere Jagdausübung auf seinem Grundstück nicht ohne ernste Gewissensnot hinnehmen kann.

35

Erforderlich ist also eine entsprechende Gewissensentscheidung des Antragstellers.

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(vgl. BT-Drucksache 17/12046, S. 8; OVG Hamburg, Urteil vom 12. April 2018 - 5 Bf 51/16 -, juris, Rn. 53 m. w. N.; Müller-Schallenberg, in: Drees/Thies/Müller-Schallenberg, Das Jagdrecht in Nordrhein-Westfalen, Stand: September 2017, § 6a BJagdG, III. (S. 58c); Munte, in: Schuck, BJagdG, 2. Auflage 2015, § 6a BJagdG Rn. 32).

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Keine Gewissensentscheidung ist etwa anzunehmen, wenn die Jagd nur aus politischen Erwägungen über ihre Sinnhaftigkeit abgelehnt wird.

38

(vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 12. April 2018- 5 Bf 51/16 -, a. a. O., Rn. 54 f. m. w. N).

39

Gegenstand der Ablehnung muss die Jagd an sich sein. Darunter ist das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild zu verstehen (vgl. § 1 Abs. 4 BJagdG). Nicht ausreichend ist es, wenn nur eine bestimmte Art der Jagd, die Jagd durch bestimmte Personen oder die konkrete Ausrichtung der Jagd abgelehnt wird.

40

(vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 12. April 2018 - 5 Bf 51/16 -, a. a. O., Rn. 56 f. m. w. N.; Munte, a. a. O., § 6a BJagdG Rn. 30; vgl. zur Kriegsdienstverweigerung BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960 - 1 BvL 21/60 -, a. a. O., Rn. 34 ff., wonach die Inanspruchnahme des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung die Ablehnung des Kriegsdienstes mit der Waffe schlechthin erfordert).

41

Die Ablehnung der Jagd muss auf einer in sich widerspruchsfreien Überzeugung beruhen. Dies greift die Regelung des § 6a Abs. 1 Satz 3 BJagdG auf, indem sie zwei Fälle benennt, in denen die Ablehnung der Jagd auf dem eigenen Grundstück zu einem nach außen tretenden Verhalten des Antragstellers im Widerspruch steht. Danach liegen ethische Gründe insbesondere nicht vor, wenn der Antragsteller selbst die Jagd ausübt oder die Ausübung der Jagd durch Dritte auf einem ihm gehörenden Grundstück duldet (Nr. 1) oder zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung einen Jagdschein gelöst oder beantragt hat (Nr. 2). Ebenfalls im Widerspruch zur Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen steht es, wenn der Antragsteller einer Freizeitaktivität nachgeht, die Tieren Leiden aussetzt.

42

(vgl. in diesem Zusammenhang etwa VG Regensburg, Urteil vom 10. Mai 2016 - RN 4 K 16.8 -, juris, Rn. 35 ff. - Angelfischerei).

43

Demgegenüber schließen solche Verhaltensweisen oder Einstellungen das Vorliegen ethischer Gründe nicht aus, die mit der individuellen Überzeugung, aus der heraus die Jagd abgelehnt wird, in Einklang zu bringen sind. So ist nicht Voraussetzung, dass jedes Töten von Tieren durch Menschen abgelehnt wird, sondern das im Rahmen der Jagdausübung.

44

(vgl. EGMR, Urteil vom 26. Juni 2012 - 9300/07 (Herrmann) -, a. a. O., Rn. 732 (zum Schlachten von Tieren, Verpachtung der Flächen zur Aufzucht von Schlachtvieh), vgl. auch die teilweise abweichende Meinung des Richters Pinto de Albuquerque, juris, sowie OVG Hamburg, Urteil vom 12. April 2018 - 5 Bf 51/16 -, a. a. O., Rn. 56).

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Ethische Gründe sind auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn sich der Antragsteller aus der Befriedung seines Grundeigentums neben der Verwirklichung seiner Gewissensentscheidung weitere Vorteile, etwa die Möglichkeit einer anderweitigen Nutzung der betroffenen Flächen, verspricht. Liegt tatsächlich eine Gewissensentscheidung gegen die Jagd vor, ist ein solches Motivbündel unbeachtlich. Ergibt sich dagegen im Einzelfall, dass die inneren Überzeugungen nur als Vorwand zur Durchsetzung anderer Zwecke genutzt werden, wird die Jagd nicht aus ethischen Gründen im Sinne des § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG abgelehnt.“

46

1. Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an. Danach ist es dem Kläger zwar gelungen, glaubhaft darzustellen, dass er die Jagd an sich aufgrund einer in sich geschlossenen, individuellen Überzeugung ablehnt. Zweifel hat die Kammer aber daran, dass der Kläger diese Ablehnung innerlich als für sich unbedingt verpflichtend empfindet, so dass er die weitere Jagdausübung auf seinem Grundstück nicht ohne ernste Gewissensnot hinnehmen kann.

47

Der Kläger hat im Rahmen seiner förmlichen Vernehmung als Partei in der mündlichen Verhandlung (§§ 96 Abs. 1 Satz 1, 98 VwGO i.V.m. §§ 450 ff. ZPO) seinem Ausdrucksvermögen entsprechend Gründe vorgetragen, die erkennen lassen, dass er die Jagd aufgrund einer für sich getroffenen Werteentscheidung ablehnt. Er hat erklärt, dass er die Jagd grundsätzlich ablehne, woanders als auf seinen Grundflächen könne er sie nur nicht verhindern. Er sieht in der Jagd jedenfalls hierzulande ein Hobby und Zeitvertreib der Jäger und keine Notwendigkeit etwa zur Nahrungsbeschaffung. Es verbiete sich für ihn, Tiere nur deshalb zu töten, weil sie „zu viele“ seien oder „zu große Schäden“ anrichteten, weil jedes Tier das Recht zu leben habe und nicht einfach erschossen werden dürfe. Mit dieser Einstellung hat der Kläger unabhängig davon, ob seine Einschätzung der Funktion der Jagd zutreffend ist oder nicht, für sich eine Werteentscheidung gegen die Jagd getroffen. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger in seinem schriftlichen Antrag vom 28.03.2014 lediglich Drückjagden oder die Tötung durch Gebrauch von Schusswaffen von getarnten Hochsitzen aus anprangert hatte, weil kaum einem Tier die Möglichkeit gegeben werde, anders als bei der Jagd von Raubtieren auf ihre Beute, mit seinem Leben davonzukommen. Der Kläger hat damit nicht lediglich bestimmte Formen der Jagd abgelehnt, sondern beschrieben, welche Empfindungen eine effektive Ausübung der Jagd bei ihm auslöst. Dies spricht nicht dagegen, dass er die Jagd an sich ablehnt. Anzeichen für diese Einstellung ergeben sich aus seinen gemeinsam mit seiner Ehefrau getätigten Aktivitäten im Tierschutz. Der Kläger unterstützt den Tierschutzverein Malchow mit Sachspenden, er engagiert sich in einem Projekt zum Schutz von Greifvögeln in Schleswig-Holstein und nimmt bei sich Tiere auf, um ihnen auf seinem Hof ein „Gnadenbrot“ zu gewähren. Die von ihm gehaltenen Schafe dienen einzig der Weidepflege; Tiere wurden in der Vergangenheit ausschließlich zu diesem Zweck und mit dem Versprechen, diese nicht zum Verzehr zu benutzen, an befreundete Bekannte abgegeben. Schließlich spricht auch der Umstand, dass der Kläger die streitgegenständlichen Flächen einzig aus dem Grund erworben hatte, darauf ein Biotop für Tiere und Pflanzen zu schaffen, und keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt, für seine Einstellung.

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Der Kläger ist nach dem Eindruck der Kammer auch glaubwürdig. Er hat seine Beweggründe zu Beginn seiner Vernehmung zwar im Wesentlichen nicht von sich aus in einem zusammenhängenden Vortrag, sondern erst auf Bitten des Vorsitzenden und weiteren Nachfragen der übrigen Beteiligten nach und nach dargestellt. Dies entspricht nach dem Eindruck der Kammer aber der Persönlichkeit des Klägers als eines Menschen, der generell nicht viele Worte macht und der es gewohnt ist, sich mit wenigen Worten und Erklärungen verständlich zu machen. Für die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht schließlich auch, dass er sich auf Nachfrage nicht ohne Einschränkung als Vegetarier bezeichnete, sondern als Mensch, der dies zwar anstrebt, aber gelegentlich auch „schwach“ wird und Fleisch ist.

49

Die Kammer hat aufgrund der konkreten Umstände indes Zweifel, ob die bei dem Kläger zu konstatierenden ethischen Gründe für seine Ablehnung der Jagd von solchem Gewicht waren und aktuell sind, dass er die weitere Jagdausübung auf seinen Grundstücken nicht ohne ernste Gewissensnot hinnehmen kann. Der Kläger hat in seiner Vernehmung angegeben, dass er die ablehnende Einstellung zur Jagd schon sehr lange habe. Dies lässt darauf schließen, dass der Kläger die Jagd schon bei Erwerb der streitgegenständlichen Flächen im Jahre 2001 ablehnte, darin aber keinen Grund sah, auf den Erwerb der Flächen zu verzichten, um sich nicht dem im Jagdrecht festgelegten Wildtiermanagement unterwerfen zu müssen. Es macht den Anschein, dass der Kläger bereits vor langer Zeit für sich die Werteentscheidung gegen die Jagd getroffen hatte, ohne dass dies bei ihm aber einen durchgreifenden Hinderungsgrund für den Erwerb von Grundflächen, auf denen er die Jagd zu dulden hat, dargestellt hätte.

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2. Selbst wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass dieser sich wegen seiner Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen einerseits und der gesetzlichen Pflicht andererseits, die Jagd auf seinen Flächen zu dulden, in einem ernsthaften Gewissenskonflikt befindet, führt dies nach Auffassung der Kammer nicht zu einem Anspruch auf Befriedung seiner Grundflächen nach § 6a Abs. 1 BJagdG, weil er diesen Konflikt selbst ohne triftige Gründe herbeigeführt hatte.

51

Der Kläger hatte die streitgegenständlichen Flächen nach eigener Aussage erworben, um diese mit Waldgehölzen aufzustocken und so ein Biotop zu schaffen und einen kleinen Beitrag für ein Gleichgewicht der menschlichen Umwelt zu schaffen. Sonstige Gründe, insbesondere wirtschaftlicher Art, hatte der Kläger nach eigenem Bekunden nicht. Ungeachtet seiner anerkennenswerten Motive hatte der Kläger damit die Situation selbst geschaffen, die seine Gewissensnöte verursachen würde. Der Kläger hatte das Eigentum an den Flächen nicht ohne eigenes Zutun etwa durch eine Erbschaft erlangt und nutzt die Flächen auch nicht forst- oder landwirtschaftlich zur Bestreitung seines Lebensunterhalts. Der Kläger wusste bei Erwerb der Flächen auch, dass es sich dabei um bejagbare Flächen handelte und er die Ausübung der Jagd auf diesen Flächen zu dulden hätte. Er hatte die Konfliktsituation zwischen seiner Gewissensnot als Eigentümer einer zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk (§ 8 Abs. 1 BJagdG) gehörenden Grundfläche einerseits und dem gesetzlich verbrieften Recht der Jagdgenossenschaft zur Ausübung des Jagdrechts auf dieser Fläche (§ 8 Abs. 5 BJagdG) andererseits selbst herbeigeführt.

52

Da es sich bei der Befriedungsregelung in § 6a Abs. 1 BJagdG um eine begrenzte und eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt (vgl. OVG Hamburg aaO Rdn. 52), die nur im Ausnahmefall ein Abweichen von der gesetzlichen Grundentscheidung über das Jagdregime zulässt, ist bei der Entscheidung über einen Befriedungsantrag nach § 6a Abs. 1 BJagdG neben der inneren Einstellung des betroffenen Grundeigentümers auch die äußere Ursache für den entstandenen Gewissenskonflikt mit in den Blick zu nehmen. Dabei ist eine Abwägungsentscheidung zu treffen zwischen der von dem betroffenen Grundeigentümer selbst bewirkten äußeren Ursache der eingetretenen Konfliktsituation und dem Recht der Jagdgenossenschaft zur Ausübung des Jagdrechts auf der betroffenen Fläche. Nur wenn im konkreten Einzelfall der äußeren Ursache der Vorrang vor dem Jagdausübungsrecht einzuräumen ist, ist dem Befriedungsbegehren – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – zu entsprechen. Ein solcher Vorrang wird zunächst regelmäßig in den Fällen anzunehmen sein, in denen der Grundeigentümer die Flächen ohne eigenes Zutun, etwa im Wege einer Erbschaft, erlangt hat. Ein Grundeigentümer kann grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, sich von seinem Eigentum zu trennen, weil er aus ethischen Gründen die Jagd ablehnt. Auch bei einem Erwerb von bejagbaren Flächen zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung wird dem Eigentümer, der die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt, nicht entgegengehalten werden können, er habe die sich daraus ergebende Konfliktsituation selbst geschaffen, denn die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung von bejagbaren Flächen im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften stellt eine rechtlich und gesellschaftlich anerkannte Nutzung solcher Flächen dar. Anders liegt der Fall, wenn der Erwerber der Fläche diese nur erwirbt, um darauf ein nach seinen persönlichen Vorstellungen nützliches Biotop für ein Gleichgewicht der menschlichen Umwelt zu schaffen und damit gleichzeitig ein Abweichen von dem für diese Flächen gesetzlich angeordneten Wildtiermanagement verlangt. In einem solchen Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Grundeigentümer in einem Gewissenskonflikt befindet, der nur durch eine Befriedung seiner Flächen aufgelöst werden könnte. Es wäre in einem solchen Fall zumutbar, auf den Erwerb der Flächen zu verzichten und so dem Gewissenskonflikt zu entgehen.

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3. Ob auch geschützte Gemeinwohlbelange nach § 6a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 BJagdG für eine Versagung der Befriedung sprechen, kann dahinstehen. Die Flächen des Klägers sind aufgeforstete Waldflächen, die ganz überwiegend von ansonsten intensiv landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen umgeben sind und dadurch ein Rückzugsgebiet für Wildtiere bilden. Nach übereinstimmenden Stellungnahmen der beteiligten Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange würde eine Befriedung der Flächen des Klägers zu einem Ansteigen der Wildschäden auf den umliegenden Flächen führen und damit den Belang des Schutzes der Landwirtschaft vor übermäßigen Wildschäden gefährden. Die Bejagung von Rot- und Schwarzwild würde wesentlich erschwert werden, was auch den Belang des Schutzes vor Tierseuchen gefährden würde. Nach Einschätzung der Forstverwaltung würde eine wirkungsvolle und effektive Bejagung des Schwarzwildes, insbesondere auch vor dem Hintergrund des Seuchengeschehens, erheblich behindert werden.

54

Unabhängig davon, ob es an der Vereinbarkeit mit geschützten Gemeinwohlbelangen nur dann fehlt, wenn durch die im Einzelfall beantragte Befriedung „eine durch Tatsachen belegte konkrete Gefährdung für diese Belange“ verursacht wird (so Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen aaO Rdn. 77 ff.) oder es genügt, dass unterhalb der Schwelle der konkreten Gefahr im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts aus belegten Tatsachen auf eine konkrete Gefährdung geschlossen werden können muss

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(so OVG Hamburg, Urteil vom 12. April 2018 - 5 Bf 51/16 -, a. a. O., Rn. 80), sähe sich die erkennende Kammer nicht in der Lage, aus eigener Sachkenntnis zu beurteilen, ob die Annahmen der beteiligten Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange zutreffen und geschützte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor übermäßigen Wildschäden oder der Schutz vor Tierseuchen bei einer Befriedung der Grundflächen des Klägers gefährdet würden. Hierzu bedürfte es wohl einer sachverständigen Begutachtung der Verhältnisse vor Ort.

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Die (in der mündlichen Verhandlung nicht mehr ausdrücklich angefochtene) Kostenentscheidung in Höhe von 1.000,00 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie bewegt sich am unteren Rand des gemäß Ziffer 4.6.2 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Jagdgebührenverordnung vom 2. Februar 2014 (GVOBl. M-V S. 58) vorgesehenen Gebührenrahmens in Höhe von 1.000,00 bis 2.000,00 Euro für eine Entscheidung nach § 6a BJagdG und erscheint angesichts des in einem Verfahren nach § 6a BJagdG im Allgemeinen erheblichen Aufwandes im Verwaltungsverfahren auch in der Sache nicht unangemessen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

58

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Berufung war gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Erheblichkeit eines selbst verursachten Gewissenskonfliktes im Anwendungsbereich des § 6a Abs. 1 BJagdG zuzulassen.

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