Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (2. Kammer) - 2 A 122/12 HAL

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Im Übrigen wird der Beklagte verpflichtet, die Vergütung der Klägerin unter Abänderung seiner Bescheide vom 19. März 2012 auf insgesamt 214,06 Euro festzusetzen. Die Bescheide des Beklagten vom 19. März 2012 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Außerdem wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 156,73 Euro seit dem 16. April 2012 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Festsetzung ihrer Vergütung als Vertreterin in einem Bodensonderungsverfahren.

2

Der Beklagte führte in der Gemarkung A., Flur 7, Flurstück 132/4 ein Verfahren nach dem Bodensonderungsgesetz i.V.m. dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz durch. Er ermittelte, dass der Eigentümer des Grundstücks, Herr Helmut B., verstorben war. Nach Auskunft des Amtsgerichts Eisleben waren keine Nachlassvorgänge vorhanden. Der Beklagte ermittelte zwar, dass der Verstorbene einen Sohn, Herrn Werner B., hatte. Dessen Aufenthaltsort konnte aber nicht ermittelt werden.

3

Mit Schreiben vom 26. August 2010 bat der Beklagte den Landkreis Mansfeld-Südharz um Benennung eines Vertreters des Grundstückseigentümers gem. Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB. Weiter heißt es: „Die Höhe der Entschädigung wird mit 25,- Euro/Stunde angesetzt.“

4

Mit Bestallungsurkunde vom 13. September 2010 bestellte der Landkreis Mansfeld- Südharz auf Antrag des Beklagten die Klägerin zur Vertreterin der unbekannten Y. nach Herrn Helmut B. hinsichtlich des Flurstücks 312/4, Flur 7, Gemarkung A..

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Mit Kostenbescheid vom 13. September 2010 erhob der Landkreis Mansfeld-Südharz von den unbekannten Y. nach Helmut B., gesetzlich vertreten durch die Klägerin, Verwaltungsgebühren in Höhe von 38,35 Euro für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters. Die Klägerin zahlte diesen Betrag daraufhin an den Landkreis.

6

Mit Sonderungsbescheid des Beklagten vom 28. April 2011 zum Sonderungsplan Nr. V25-24681-2009 stellte der Beklagte den Sonderplan verbindlich fest.

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Mit der Rechnung vom 5. Januar 2011 machte die Klägerin für den Zeitraum 22. September 2010 bis 5. Januar 2011 eine Vergütung in Höhe von 124, 37 € (inkl. Umsatzsteuer) zzgl. Gebühren des Landkreises Mansfeld-Südharz in Höhe von 38,35 € für die Vertreterbestellung geltend. In der Rechnung vom 05. Januar 2012 veranschlagte sie für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2011 89,69 € (inkl. Umsatzsteuer). Als Grundlage für ihre Berechnung zog die Klägerin den in § 3 Abs.1 Nr. 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) genannten Stundensatz in Höhe von 33,50 € heran.

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Am 28. März 2011 ging bei der Klägerin eine Abschlagszahlung des Beklagten in Höhe von 95,68 € ein.

9

Mit Bescheid vom 19. März 2012 setzte der Beklagte die Kosten für die Vertreterbestellung für den Zeitraum vom 22. September 2010 bis 05. Januar 2011 in Höhe von 95,68 € fest. Zur Begründung führt er u.a. aus, es sei ein Stundensatz in Höhe von 25,00 € festzusetzen, da das VBVG nicht direkt anzuwenden, sondern nur heranzuziehen sei. Ein Abschlag von 25 % von 33,50 € sei auch wegen des eingeschränkten Vertretungsumfanges der bestellten Vertreter im Gegensatz zu Vormündern anzusetzen. Die Gebühr in Höhe von 38,35 € sei nicht erstattungsfähig, da die Klägerin nicht Kostenschuldnerin geworden sei.

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Mit weiterem Bescheid vom 19. März 2012 setzte der Beklagte die Kosten für die Vertreterbestellung, für den Zeitraum vom 01. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 in Höhe von 66,94 € fest.

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Gegen diese Bescheide hat die Klägerin am 16. April 2012 Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 18. Juni 2012 an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Halle verwiesen.

12

Die Klägerin ist der Ansicht, dass unter Heranziehung von § 3 Abs.1 Nr. 2 VBVG, gem. § 16 Abs. 3 VwVfG ein Stundensatz in Höhe von 33,50 € angemessen sei, da sie als Rechtsanwältin und Volljuristin über die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 VBVG genannten Voraussetzungen verfüge. Da der Landkreis Mansfeld-Südharz die Gebühr in Höhe von 38,35 Euro von den unbekannten Y. verlangen könne, seien ihr diese von dem Beklagten zu erstatten.

13

Nachdem die Klägerin dem Beklagten die Zahlung der Verwaltungskosten in Höhe von 38,35 € nachgewiesen hat, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2012 erklärt, er verpflichtet sich, die baren Auslagen in Höhe dieses Betrags an die Klägerin zu erstatten.

14

Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

15

Die Klägerin beantragt nunmehr,

16

1. den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide vom 19. März 2012 zu verpflichten, ihre Vergütung auf insgesamt 214,06 Euro festzusetzen und
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 156,73 Euro seit dem 16. April 2012 zu zahlen.

17

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Er trägt u.a. vor: Die Klägerin habe sich mit dem Anlegen von Akten, einfachem Schriftverkehr und Telefonaten befasst und einen Ortstermin wahrgenommen. Diese Tätigkeiten hätten von Jedermann erledigt werden können, so dass es sich hier um ein einfaches Verwaltungsverfahren ohne Schwierigkeiten handele. Da die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich gewesen sei, sei unter Heranziehung von § 3 Abs. 1 Nr.1 VBVG gem. § 16 Abs. 3 VwVfG ein Stundensatz in Höhe von 25,- € angemessen. Dies entspreche auch seiner Verwaltungspraxis seit 2001

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist es in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

22

Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Festsetzung ihrer Vergütung in der von ihr begehrten Höhe (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit sind die Bescheide des Beklagten rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

23

Der Anspruch der Klägerin auf Festsetzung ihrer Vergütung für ihre Tätigkeit als gesetzliche Vertreterin gegen den Beklagten folgt aus Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 16 Abs. 3 VwVfG. Nach Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB bestellt der Landkreis, in dessen Gebiet sich das Grundstück befindet, wenn der Eigentümer eines Grundstücks oder sein Aufenthalt nicht festzustellen ist und ein Bedürfnis besteht, die Vertretung des Eigentümers sicherzustellen, auf Antrag der Gemeinde oder eines anderen, der ein berechtigtes Interesse daran hat, einen gesetzlichen Vertreter. Nach Satz 4 dieser Vorschrift findet § 16 Abs. 3 und 4 VwVfG entsprechende Anwendung. Hiernach hat der Vertreter gegen den Rechtsträger der Behörde, die um seine Bestellung ersucht hat, einen Anspruch auf angemessen Vergütung und auf die Erstattung seiner baren Auslagen (Satz 1). Die Behörde kann von dem Vertretenen Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen (Satz 2). Sie bestimmt die Vergütung und stellt die Auslagen und Aufwendungen fest (Satz 3).

24

Die Frage der Angemessenheit der Vergütung richtet sich nach dem Umfang der Tätigkeit und Schwierigkeit sowie der für die Vertretertätigkeit erforderlichen Qualifikation, wohingegen der Wert der Sache unerheblich ist (vgl. Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Auflage 2010, § 16 Rn. 14; Ziekow, VwVfG, 2. Auflage 2010, § 16 Rn. 10; Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 16 Rn. 22). Als Orientierung für die Höhe der Vergütung bietet sich angesichts der vergleichbaren Sachlage die Heranziehung des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern vom 21. April 2005 – VBVG – an (vgl. Bader/Ronellenfitsch, a.a.O.).

25

In Anwendung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Festsetzung der Vergütung in der von der Klägerin begehrten Höhe gegeben. In Anlehnung an § 3 Abs. 1 Nr. 2 VBVG erscheint eine Vergütung der Klägerin mit 33,50 €/Stunde nach Überzeugung der Kammer angemessen. Hiernach erhöht sich der Stundensatz für den Vormund auf 33,50 €, wenn der Vormund über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben sind. So liegt es hier, weil die Klägerin als Rechtsanwältin ein abgeschlossenes Hochschulstudium und zwei Staatsexamina absolviert hat. Dass die Klägerin als Vertreterin im vorliegenden Fall relativ einfache Aufgaben erledigt hat, die möglicherweise auch jemand ohne juristisches Studium hätte erfüllen können, bleibt rechtlich außer Betracht, weil das VBVG mit seiner abgestuften Vergütung entsprechend der Qualifikation des Vertreters eine Unterscheidung trifft, die im vorliegenden Fall aufgrund der vergleichbaren Sachlage zu sachgerechten Ergebnissen führt. Zum einen können bei der Tätigkeit eines Vertreters nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB Rechtsfragen von Bedeutung sein, so dass die Heranziehung eines Rechtsanwalts sinnvoll erscheint. Zum anderen hätte es der Beklagte in der Hand gehabt, um die Bestellung eines Vertreters zu bitten, der kein Hochschulstudium absolviert hat, was eine geringere Vergütung zur Folge hätte. Der Beklagte hat von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht.

26

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 (Az.: 1 BvR 1904/95 u.a, juris) berufen. Denn die Entscheidung betrifft die Verfassungsmäßigkeit der von 1990 bis 1998 gültigen Regelungen der Vergütung von Berufsbetreuern und trifft keine Aussage zu der Angemessenheit der Vergütung eines Vertreters gem. Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB. Soweit darin ausgeführt wird, die Beschwerdeführer könnten nicht mit Erfolg geltend machen, ihre fachliche Qualifikation als Rechtsanwalt müsse bei der Festlegung der Vergütung pro Stunde berücksichtigt werden, handelt es sich dabei um einen nicht vergleichbaren Fall, weil eine derartige Unterscheidung in der Vorschrift des § 1836 BGB a.F. - anders als in § 3 Abs.1 VBVG – gerade nicht angelegt war.

27

Soweit der Beklagte in seinem Aufforderungsschreiben an den Landkreis vom 26. August 2010 einen Stundensatz in Höhe von 25,00 € angegeben hat, kann er daraus nichts für sich herleiten, weil er die Angemessenheit der Vergütung nicht einseitig festlegen kann. Vor diesem Hintergrund ist auch die Verwaltungspraxis des Beklagten rechtlich ohne Belang.

28

Der Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Beklagte sich verpflichtet hat, der Klägerin ihre baren Auslagen in Höhe von 38,35 € zu erstatten, ist er nach billigem Ermessen mit den Kosten des Verfahrens zu belasten, weil er sich insoweit in die Rolle des Unterlegenen begeben hat und die Klage auch insoweit Erfolg gehabt hätte. Im Übrigen trägt er die Kosten, weil er unterlegen ist. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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BESCHLUSS

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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 89,79 Euro festgesetzt.

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Gründe:

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


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