Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (2. Kammer) - 2 A 8/15

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für die Errichtung einer Windkraftanlage.

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Unter dem 8. September 2011 beantragte sie bei dem Beklagten die Erteilung des Vorbescheids für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage vom Typ Enercon E101, Leistung 3,0 MW, Nabenhöhe 99 m, Rotordurchmesser 101 m, Gesamthöhe 149,5 m („WEA 3“) auf Grundstücken der Gemarkung {B.} (Flur 15, Flurstück 10/2). Der Standort befindet sich im südwestlichen Teil des {C.}, etwa 5 km südlich von {D.} und ca. 25 km südwestlich von {E.}. Der Standort der geplanten Anlage befindet sich außerhalb eines Vorranggebietes und außerhalb eines Eignungsgebietes (gemäß 4.5.8.3 des regionalen Entwicklungsplans {E.}). Sie liegt aber in sehr geringer Entfernung zum Eignungsgebiet für die Nutzung der Windenergie Nr. 4 {B.} des Regionalentwicklungsplans.

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Die Anlage befindet sich in einem Abstand von ca. 2,41 km von einem Drehfunkfeuer „DVOR GOT (Gotem)“ (oder auch “VOR GOT“) der Beigeladenen zu 3). Bei dem DVOR handelt es sich um eine Funknavigationsanlage zum Zweck der zivilen Flugsicherung, hier des Flughafens Leipzig/Halle. Ein Drehfunkfeuer ist eine Bodenstation, deren Signal von einem speziellen Empfänger in Flugzeugen ausgewertet und als Richtungsinformation auf einem Anzeigegerät abgelesen werden kann.

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Mit Beschluss vom 15. November 2011 lehnte die Gemeinde {B.} die Erteilung ihres gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB für die Erteilung des in Rede stehenden immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids mit der Begründung ab, dass sich der Standort im Geltungsbereich der Satzung über die Veränderungssperre vom 27. September 2011 für einen künftigen Bebauungsplan „Windpark {B.}“ befinde. Die Zulassung der beantragten Windkraftanlage im Bereich der Geltung der Veränderungssperre erschwere die Aufstellung des Bebauungsplans „Windpark {B.}“ wesentlich. Denn die Gemeinde habe noch keine genauen Entscheidungen über die Anzahl, Lage und Höhe der Windkraftanlagen getroffen. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) halten die Veränderungssperre für rechtswidrig.

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Unter dem 18. April 2013 heißt es von der Beigeladenen zu 3) unter „gutachterliche Stellungnahme nach § 18 a LuftVG“, dass von dem klägerischen Vorhaben nach § 18 a Abs. 1a LuftVG angemeldete Flugsicherungseinrichtungen betroffen seien. Weiter heißt es dort wörtlich:

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„Gemäß Annex 10, Vol. I, Att. C, Kapitel 3.7.3.4 wird für VOR-Signale ein maximaler Winkelfehler von ± 3° empfohlen. Unter Berücksichtigung des Fehlerbeitrags der Bodenstation von ±2° (Gerätestandard gemäß Annex 10, Vol. I, Kap. 3.3.3.2) verbleibt für Störungen durch externe Umgebungseinflüsse (z.B. durch Gelände, Gebäude, WEA) ein zulässiger Störbeitrag von ±1°.“

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Dieser zulässige Störbeitrag werde gemäß Plausibilitätsberechnungen nach Errichtung der geplanten Windkraftanlage überschritten. Sie, die DFS, empfehle dem beigeladenen Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung daher, dem Bauvorhaben zu widersprechen. Unter dem 22. April 2013 entschied das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung der beigeladenen oberen Luftfahrtbehörde unter Bezugnahme auf die Stellungnahme vom 18. April 2013 mit, dass das Bauvorhaben nicht errichtet werden dürfe, weil § 18 a LuftVG entgegenstünde. Unter dem 13. Juni 2013 versagte der Beigeladene zu 1) gegenüber dem Beklagten die Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG und führte zudem unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen vom 18. und 22. April 2013 aus, dass (auch) § 18a LuftVG der Errichtung und dem Betrieb der WEA 3 entgegenstünde.

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Die Beigeladenen zu 3) und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nehmen im gerichtlichen Verfahren zu der Wirkungsweise eines DVOR und ihren Berechnungsmethoden zur Störwirkung ausführlich Stellung (vgl. Schriftsatz vom 25. März 2015, Blatt 156 ff., Schriftsatz vom 30. März 2015, Blatt 195 ff, unter Bezugnahme ihrer Ausführungen vom 5. März 2015, Blatt 164 der Gerichtsakte, vom 22. April 2013 und 18. April 2013). Ein DVOR (Doppler Very High Frenquency Omnidirectional Radio Range) sende ein spezielles Funksignal aus, dem ein Empfänger die Richtung zum Funkfeuer entnehmen könne. Er sei mit einem Leuchtturm für die Seeschifffahrt vergleichbar, der mit zwei Scheinwerfern ausgerüstet sei. Ein Scheinwerfer rotiere mit einem stark gebündelten Lichtstrahl (Umlaufsignal), der andere, ein Rundscheinwerfer, blitze immer dann auf, wenn der rotierende Lichtstrahl durch die Nordrichtung laufe (Bezugssignal). Er benötige für den Umlauf 360 Sekunden. Durch die Messung der Zeit zwischen Aufblitzen des Rundscheinwerfers und dem Durchgang des rotierenden Lichtstrahls durch den Beobachtungsstandort sei genau bestimmbar, in welcher Richtung sich das Schiff zum Leuchtturm befinde.

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Auch das DVOR strahle zwei Signale (hochfrequente Funkwellen) aus: ein Bezugssignal, das in alle Richtungen strahlt und dessen Phasenlage auf die magnetische (missweisende) Nordrichtung eingestellt sei, und ein gerichtetes Umlaufsignal. Beide Signale hätten am Ort des Empfängers zueinander eine bestimmte Phasenlage. Diese Phasenlage sei identisch mit dem Winkel zwischen der (missweisenden) Nordrichtung und der Richtung, die das Flugzeug zum DVOR momentan habe. In Richtung missweisend Nord seien Bezugs- und Umlaufsignal „in Phase“, d.h. die Phasendifferenz betrage 0°. In jeder anderen Richtung entspricht die Phasendifferenz dem Winkel gemessen von (missweisend) Nord. Der Bordempfänger im Flugzeug empfange beide Signale, messe die Phasendifferenz und stelle dadurch fest, in welcher Richtung sich das Flugzeug zur DVOR Bodenstation befindet. Ein DVOR erzeuge unendlich viele Strahlen, „Radiale“. Aufgrund der Gradeinteilung der Kompassrose seien nur 360 Radiale nutzbar. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung lege Flugverfahren (§ 27a LufVO) fest und erteile Flugverkehrskontrollfreigaben (§ 26 LuftVO); hierbei nutze er das DVOR. Die Richtungsinformationen von Drehfunkfeuern könnten durch verschiedene Einflüsse beeinträchtigt werden. Bei der Signalausbreitung könne es durch Reflektionen an markanten Geländeunebenheiten oder Bauwerken zu Störungen der Winkelinformation kommen. Dabei werde dem direkt empfangenen korrekten Signal ein reflektiertes Störsignal überlagert (sog. Mehrwegeausbreitung). Je nach dem Unterschied der Signalstärken des direkten und reflektierten Signals könnten dadurch sog. Winkelfehler entstehen, die die zulässigen Toleranzen überschreiten könnten. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) habe keine eindeutigen VOR Winkelfehlertoleranzen festgelegt. Sie leiteten aber aus den anwendbaren internationalen Empfehlungen u.a. zur VOR Technik eine Fehlertoleranz von +/- 1° für Effekte der Mehrwegeausbreitung ab. Daneben komme es durch das Wandern des magnetischen Nordpols zu einem sog. Nordausrichtungsfehler, der im Rahmen der regelmäßigen Wartungen zu korrigieren sei. Weitere Fehler ergäben sich aus der Bodenstation selbst, z.B. aufgrund von bauteilbedingten Schwankungen oder Witterungseinflüssen.

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Der Anlagenschutzbereich stelle sich als dreidimensionalen Raum um die Flugsicherungseinrichtung dar, dessen Durchdringung durch ein Bauwerk oder eine sonstige Anlage eine Störung bewirken könne. Im September 2009 sei die zweite Auflage des ICAO EUR DOC 015 herausgegeben worden. Seit diesem Datum seien Anlagenschutzbereiche bei Windkraftanlagen von 3 km auf 15 km erweitert worden. Daher seien bereits viele Windkraftanlagen in dem Anlagenschutzbereich von 15 km ohne Zustimmung der Fachbehörden errichtet worden.

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Am 16. Oktober 2013 hat die Klägerin bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben. Sie ist bei der zu diesem Zeitpunkt für das Bundesimmissionsschutzrecht zuständigen 4. Kammer unter dem Aktenzeichen 4 A 283/13 eingetragen worden.

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Mit Bescheid vom 4. November 2013 hat der Beklagte die Erteilung eines (positiven) Standortvorbescheids abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften nach § 6 Abs. 1 BImSchG entgegenstünden. Denn diese Vorschriften seien gemäß § 9 Abs. 3 BImSchG auch für die Erteilung eines Vorbescheids anwendbar. Dem Vorbescheid stünde § 18 a Abs. 1 Satz 1 LuftVG entgegen. Hiernach dürften Bauwerke nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. So liege es hier unter Bezugnahme auf die gutachtlichen Stellungnahmen der Beigeladenen zu 3) und der Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung. Aus regionalplanerischer Sicht bestünden indes wegen der sehr geringen Entfernung zum Eignungsgebiet Nr. 4 keine Bedenken gegen die Errichtung der in Rede stehenden Anlage.

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Unter dem 9. Dezember 2013 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie ihre als Untätigkeitsklage erhobene Verpflichtungsklage unter Einbeziehung des entgegenstehenden Bescheids des Beklagten vom 4. November 2013 fortführe.

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Die Klägerin bezieht sich zur Klagebegründung auf das Gutachten der NAVCOM durch Dr. Ing. {F.}aus {G.} vom 19. Februar 2014 und die Ergänzung vom 27. Juni 2014, wonach (auch) die geplanten Windkraftanlagen an dem Standort errichtet werden könnten. Eine Störwirkung i.S.d. § 18 a LuftVG liege danach nicht vor.

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In diesem Gutachten werden im Auftrag von zwei Vorhabensträgern (u.a. auch der Klägerin) geplante Windparks mit 17 und sechs Windkraftanlagen auf ihre Störwirkung auf das DVOR untersucht. Das Gutachten behandelt diese beiden zusammenhängenden Windparks zunächst separat und anschließend als Gesamtheit in der Überlagerung. Es werden zunächst für die jeweils nächstgelegene vollmetallisch als Worst-Case modellierte Windkraftanlage systematische Variationen der Windrichtung und der Rotorstellung zur Bestimmung des Worst-Case Winkelfehlers durchgeführt und statistisch bewertet. Dann werden mit dieser Worst-Case Kombination die jeweils weiteren fünf und 16 Windkraftanlagen in der Simulation der jeweiligen Gesamtgruppe unter zufällig verteilter Windrichtung (± 5°) und zufällig verteilter Rotorposition hinzugenommen. Zu der Gesamtgruppe aus 23 Windkraftanlagen werden schließlich die vier kleinen, direkt in der Nachbarschaft stehenden Windkraftanlagen hinzugenommen. Ausweislich des Gutachtens lägen den Beurteilungen die international anwendbaren ICAO-Dokumente zugrunde. Die von der DFS angewandte, nicht terministische Plausibilitätsberechnung entspreche nicht dem Stand der Technik und berücksichtige nicht alle wesentlichen physikalischen Randbedingungen. Danach bewegten sich die Winkelfehler innerhalb von ± 0,8° und mit den extrem seltenen Maximalwerten ganz sicher innerhalb ± 2 °. Nach gutachtlicher Beurteilung auf Basis der theoretischen und numerischen Ergebnisse und der langjährigen Systemerfahrungen ergebe sich, dass die geplanten 23 Windkraftanlagen an den beantragten Standorten auch unter Berücksichtigung der Vorbelastungen errichtet werden könnten. Für die Erstellung des Gutachtens seien adäquate 3 D-Modellierungen und numerische Methoden zur Berechnung der Streueffekte der Windkraftanlagen angewendet worden. Durch systematische Parameter-Variation der Windrichtung und der Rotorstellung für das vollmetallische 3 D-Modell („Worst-Case“) und für den Fall des Ersatzes der vollmetallischen Rotorblätter durch den metallischen Blitzableiter („Best-Case“) seien die maximalen und statistischen Winkelfehler für die vollmetallische „WorstCase-Windkraftanlage“ auf Sektoren, speziellen Radialen und auf Orbit analog den Flugvermessungen als ungefilterte Rohdaten berechnet worden. Die errechneten typischen Gesamtfehler von ± 3° und extrem seltene Gesamtfehler von ± 2,2° lägen immer noch sicher weit innerhalb der ICAO-Toleranzen für „Bends“ (DOC 8071; ± 3,5°).

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Unter dem 17. Oktober 2014 hat das Bundesamt für Flugsicherung gegenüber dem Beigeladenen zu 1) umfangreich seine Entscheidung nach § 18 a LuftVG erläutert und zu dem NAVCOM Gutachten Stellung genommen. Diese Stellungnahme befindet sich in der Beiakte D in der Sache 2 A 11/15 HAL, in der es ebenfalls um mögliche Störwirkungen nach § 18 a LuftVG für das in Rede stehende DVOR der Beigeladenen zu 3) geht. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der auch die Klägerin in dem Verfahren 2 A 11/15 HAL vertritt, hat über die dortige Akteneinsicht Kenntnis von dieser Stellungnahme erhalten.

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Vertiefend führt die Klägerin aus, es sei verfassungsrechtlich mit Blick auf die hinter dem Genehmigungsanspruch stehenden Grundrechte aus Art. 12, 14 GG nicht vertretbar, anzunehmen, dass jede Beeinträchtigung einer Flugsicherungseinrichtung eine Ablehnung rechtfertige. Hier liege allenfalls eine marginale Beeinträchtigung vor, die der Errichtung der Windkraftanlagen nicht entgegenstehe. Eine Störung liege mithin (erst) dann vor, wenn unter Gesichtspunkten der Gefahrenabwehr die Beeinträchtigung der Flugsicherungseinrichtung nicht mehr hinnehmbar ist (unter Bezugnahme auf VG Aachen, Urteil vom 24. Juli 2013, 3 K 248/09; VG Oldenburg, Beschluss vom 5. Februar 2014, 5 B 6430/13). Erforderlich sei somit, dass nicht nur hypothetisch, sondern mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt (Kollision, gefährliche Annäherung) zu rechnen sei.

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Den Behörden stehe zudem auch kein Beurteilungsspielraum für die Bewertung einer Störung zu. Hierzu nimmt sie Bezug auf ein Rechtsgutachten von Professor {H.} u.a. vom 6. November 2014. Art. 19 Abs. 4 GG stünde einer solchen Annahme entgegen. Es gehe um eine naturwissenschaftliche Frage, die von den Gerichten nicht schlechter beurteilt werden könne als von den zuständigen Behörden.

19

Richtigerweise gingen die Behörden davon aus, dass es keine nationalen Bestimmungen oder Regelungen über das Vorliegen einer Störung i.S.d. § 18 a LuftVG gebe und daher auf internationale Regelungen des Luftrechts (u.a. ICAO Annex 10 Vol 1) zurück gegriffen werden müsse. Darin sei aber – entgegen der Annahme der Behörden – keine Empfehlung enthalten, einen maximalen Winkelfehler von +/- 3° anzunehmen, vielmehr seien es mit Blick auf das Dokument 8071 3,5°. Auch dürfe nicht von einem Anlageinternen Fehler (Alignmentfehler) von 2,0° zu Lasten der Windkraftbetreiber ausgegangen werden. Dieser Wert beinhalte keine materielle Rechtsposition. Rechtlich dürften nur tatsächliche Vorbelastungen eine Rolle spielen. Tatsächlich liege der Alignmentfehler des in Rede stehenden DVOR unter 2°. Das Dokument ICAO EUR DOC 015 gebe lediglich Empfehlungen für VOR Anlagen, nicht aber für die deutlich weniger störanfälligen DVOR Anlagen. Daher dürfe das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nicht das Fehlerbudget für VOR Anlagen auf DVOR übertragen. Eine zahlenmäßige Beschränkung von Windkraftanlagen in einer Umgebung von Drehfunkfeuern gebe es nicht. Ihr, der Klägerin, werde unzulässigerweise die Beweislast auferlegt, darzulegen, dass keine Störung vorliege.

20

Außerdem habe der Beklagte keine eigene Abwägung der widerstreitenden Belange durchgeführt. Da der Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung keine Bindungswirkung zukomme, habe dieser eine solche aber durchführen müssen.

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Schließlich stünde die Veränderungssperre der Gemeinde {B.} nicht mehr entgegen, weil diese in ihrer Sitzung vom 16. Juli 2013 die Veränderungssperre zurückgenommen habe.

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Die Klägerin meint, die Frage der Störwirkung müsse durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens geklärt werden. Außerdem regt sie an, das Verfahren mit Blick auf die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 3. Dezember 2014 (12 LC 30/12) auszusetzen oder ruhen zu lassen.

23

Mit Beschluss des Präsidiums des Verwaltungsgerichts Halle ist mit Wirkung zum 01. Januar 2015 die 2. Kammer für das Verfahren zuständig geworden.

24

Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 04. November 2013 aufzuheben, und ihn zu verpflichten, ihr einen immissionsschutzrechtlichen standortbezogenen Vorbescheid für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlagen gemäß ihrem Antrag vom 8. September 2011 zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

28

Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen der Beigeladenen zu 3) und des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung, die auch unter Berücksichtigung des Gutachtens der NAVOM an ihren Berechnungen festhielten (unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen vom 10. Juni 2014, Blatt 48 f. der Gerichtsakte und 6. Juni 2014, Blatt 50 der Gerichtsakte). Er verweist zudem auf die Fachkunde dieser Beigeladenen.

29

Die Beigeladenen zu 1) und 2) stellen keinen Antrag. Sie hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

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Die Beigeladenen zu 3) und 4) beantragen jeweils,

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die Klage abzuweisen.

32

Sie beziehen sich auf ihre bisherigen Ausführungen, u.a. auch unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Beigeladenen zu 3) vom 5. März 2015 zu dem Gutachten der NAVCOM vom 19. Februar 2014 (vgl. Blatt 164 ff der Gerichtsakte). Die bestehenden 134 Windkraftanlagen erzeugten ein maximales Störpotential von 1,1°. Damit sei der maximal zulässige Winkelfehler von +/- 1° bereits ohne Berücksichtigung der noch geplanten Anlagen ausgeschöpft. Für die in Rede stehende eine Windkraftanlage ergebe sich ein maximales Störpotential von 0,3°, das das bereits vorhandene Störniveau weiter- wenn auch geringfügig - erhöhe. Da das maximale Störungspotential durch die Vorbelastungen ausgeschöpft sei, dürfe die hier in Rede stehende Anlage nicht errichtet werden. Sie erläutern umfangreich ihre bisherigen Ausführungen (vgl. auch das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannten Vorbringen der Beteiligten in dem Verfahren 2 A 11/15 HAL).

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Zudem tragen sie vertiefend vor, dass allein die Belegenheit in dem Schutzbereich kein Bauverbot auslöse. Es bedürfe die der Prüfung im Einzelfall. Der Radius von 15 km beruhe auf dem einschlägigen Empfehlungspapier zur Festlegung von Anlagenschutzbereichen dem ICA EUR DOC 015. § 18 a LuftVG enthalte ein Errichtungsverbot für Bauwerke, die Flugsicherungseinrichtungen stören können; eine konkrete, unmittelbare Gefahr sei nicht erforderlich. Dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung stünde bei der Beurteilung der Störung nach § 18a Abs. 1 LuftVG ein Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Insoweit sei die Situation vergleichbar mit der vom Bundesverwaltungsgericht anerkannten naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative nach § 44 BNatSchG, soweit sich zu bestimmten ökologischen Fragestellungen noch kein allgemein anerkannter Stand der Fachwissenschaft herausgebildet habe (unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 21. November 2013, 7 C 40/11, juris; a.A. das Gutachten des Professors {H.}, u.a. vom 6.November 2014, Blatt 130- 155 der Gerichtsakte 2 A 8/15 HAL). Erst wenn es klare und verbindliche Richtlinien oder Ähnliches gebe, sei von einer vollständigen gerichtlichen Überprüfbarkeit auszugehen.

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Sie erklären weiter vertiefend, wieso ihrer Auffassung nach bei der Mehrwegeausbreitung (nur) ein Fehlerbudget von 1° zur Verfügung stehe. Die ICAO, insbesondere das europäische Anleitungsmaterial zum Umgang mit Anlagenschutzbereichen aus dem Jahr 2009 (zweite Ausgabe) – ICAO EUR DOC 015 - gebe Randbedingungen vor, beschreibe Risiken sowie mögliche Handlungsweisen und setze in Teilbereichen Standards. Damit seien gewisse Maßstäbe gesetzt, aber keine verbindliche Methodik vorgegeben. Bei der Bestimmung des maximalen Fehlerbudgets werde auch für die weniger störanfälligen DVOR Anlagen von dem Wert für VOR Anlagen (+/- 3° aus). Sie berücksichtigten aber gleichwohl den Umstand, dass DVOR Anlagen weniger störanfällig seien. Sie berechneten den Einfluss von Windkraftanlagen auf Drehfunkfeuer auf Basis einer wissenschaftlichen Studie der Ecole Nationale de l’Aviation Civile (ENAC) in Toulouse, in der maximale Störungen simuliert wurden. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen führe die Beigeladene zu 3) eine Prognoseberechnung durch, die die Referenzszenarien und Zusammenhänge der ENAC Studie auf das jeweils zu bewertende Szenario übertrage und durch eigene Ansätze ergänze.

35

Zum klägerischen Gutachten tragen sie weiter vor, dass dieses zu Unrecht auf die ICAO Dokumente der Flugvermessung abstelle, die aber nicht unmittelbar auf die DVOR Anwendung fänden. Zudem hätten diese Dokumente auch nicht die rechtliche Verbindlichkeit, die Empfehlungen und Anhänge aufwiesen, die in deutsches Recht übernommene Teile des Chicagoer Abkommens darstellten (unter Bezugnahme auf BGBl. II 1956, 411). Das Dokument 8071, auf das das klägerische Gutachten Bezug nehme, stelle lediglich „guidance material“ dar. Beim „Bend“ gehe es um die räumliche Abweichung vom berechneten Kurs des Luftfahrzeugs (Kursabweisung). Das Dokument 8071 betrachte lediglich die konventionelle Navigation und sei nicht auch auf die Flächennavigation angepasst worden (vgl. nur Bl. 215 der Gerichtsakte). Durch das dortige Simulationsprogramm seien keine erhöhten Erkenntnisse gewonnen worden.

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Simulationen suggerierten – wie bereits ausgeführt - eine Genauigkeit, die sie durch die ungleiche Detailtreue der eingeflossenen Parameter nicht aufwiesen. Denn bei Simulationen würden stets bestimmte Umstände vernachlässigt oder pauschaliert; andere Parameter würden indes detailgetreu modelliert. Die Nordausrichtungsabweichung werde (erst) bei dem Erreichen eines Winkelfehlers von 1° korrigiert. Die Anlagenbetreiber seien auch nicht verpflichtet, diese Spielräume nicht auszuschöpfen.

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Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 4. November 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat auf die begehrte Erteilung eines (positiven) immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids keinen Anspruch (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).

39

Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist § 9 Abs. 1 BImSchG. Hiernach soll auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheids besteht. Ein Anspruch auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids besteht, wenn im Hinblick auf die einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen, die mit dem Vorbescheid abschließend beurteilt werden sollen, die Voraussetzungen des § 6 BImSchG vorliegen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dürfen öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlagen nicht entgegenstehen.

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Zwar hat die Klägerin dem Grunde nach ein berechtigtes Interesse an der Erteilung des begehrten Standortvorbescheids, weil die Bindungswirkungen des Vorbescheids geeignet sind, ihr Investitionsrisiko zu verringern, indem hinsichtlich der zur Überprüfung gestellten Fragen eine verbindliche Klärung erreicht werden kann.

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Der Erteilung des begehrten Standortvorbescheids in Bezug auf die in Rede stehende Windkraftanlage steht aber die Vorschrift des § 18 a LuftVG entgegen.

42

Das materielle Errichtungsverbot nach § 18 a Abs. 1 Satz 1 LuftVG gehört zu den standortbezogenen öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG (OVG Lüneburg, Urteil vom 03. Dezember 2014, 12 LC 30/12, zitiert aus Juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Januar 2015, 12 ME 39/14, zitiert aus Juris; vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2014, 11 K 3648/12, zitiert aus Juris; Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 18a Rdn. 16 ff.; Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsverbots des § 18 a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergieanlagen von 6. November 2014, S. 8).

43

Der Beigeladene zu 3) hat unter dem 18. April 2013 dahin Stellung genommen, dass die in Rede stehende Anlage nicht errichtet werden dürfe. Hierauf beruht die Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung vom 22. April 2013. Diese Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Einem (etwaigen) Begründungserfordernis ist jedenfalls mit im gerichtlichen Verfahren nachgeschobenen umfangreichen Ausführungen genügte getan (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 3. Dezember 2014, 12 LC 30/12, zitiert aus Juris). Auch Verfahrensfehler sind nicht gegeben. Wie von § 18a Abs. 1 Satz 2 LuftVG vorgesehen, hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung jeweils auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation entschieden.

44

Die Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung, dass die in Rede stehende Windkraftanlage die DVOR Anlage der Beigeladenen zu 3) stören kann, ist auch in der Sache rechtlich nicht zu beanstanden.

45

Nach § 18 a Abs. 1 Satz 1 LuftVG dürfen Bauwerke nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung entscheidet auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation, ob durch die Errichtung der Bauwerke Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können (§ 18 a Abs. 1 Satz 2 LuftVG). Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung teilt gemäß § 18 a Abs. 1 Satz3 LuftVG seine Entscheidung der zuständigen Luftfahrtbehörde des Landes mit.

46

Ein solches Errichtungsverbot liegt hier vor.

47

Dabei kann nach Überzeugung der Kammer rechtlich offenbleiben, ob es sich bei der Störwirkung um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist (so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 3. Dezember 2014, 12 LC 30/12, zitiert aus Juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Januar 2015, 12 ME 39/14, zitiert aus Juris; Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, §18a Rdn 52; Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsverbots des § 18 a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergieanlagen von 6. November 2014), oder um eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Beurteilungsermächtigung der Behörde handelt (VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2014, 11 K 3648/12, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG zu § 44 BNatSchG, zitiert aus Juris). Denn nach beiden Ansätzen ist hier nach Überzeugung der Kammer von einer Störwirkung auszugehen.

48

Wann eine Möglichkeit der Störung i.S.d. § 18 a Abs. 1 LuftVG („gestört werden können“) vorliegt, wird vom Gesetz nicht bestimmt. Mit dem Begriff der Störung ist nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht ausschließlich Zerstörung und vollständige Funktionsunfähigkeit der Anlage zu verstehen; auch auf einer Stufe davor, kann eine „Störung“ vorliegen. Bei der Kommentierung zu § 18 a LuftVG Meyer/Wysk (in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 18a, Rn. 9) heißt es überzeugend, dass der Begriff der Störung eine für ihre Funktion tatsächlich nachteilige Einwirkung meine. Wenn es um geplante Bauwerke geht, ist dies durch eine Prognose festzustellen (in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 18a, Rn. 9). Es geht zudem nach dem klaren Gesetzwortlaut nicht um die Möglichkeit der Störung des Flugverkehrs, sondern der Störung der Flugsicherungseinrichtung, hier mithin des Drehfunkfeuers der Beigeladenen zu 3).

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Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestimmt den Begriff wie folgt (OVG Lüneburg, Urteil vom 03. Dezember 2014, 12 LC 30/12, zitiert aus Juris, Leitsatz 2):

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„Die Möglichkeit der Störung einer Flugsicherungseinrichtung im Sinne des § 18a Abs. 1 Satz 1 LuftVG ist anzunehmen, wenn die aus den einschlägigen ICAO Dokumenten vertretbar hergeleiteten Toleranzwerte überschritten werden“.

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Das Verwaltungsgericht Schleswig führt zu dem Begriff der Störung im Sinne des § 18a Abs. 1 LuftVG Folgendes aus (VG Schleswig, Urteil vom 16. Februar 2012, 6 A 107/11, zitiert aus Juris):

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Flugsicherungseinrichtungen werden durch Bauwerke im Sinne von § 18 a Abs. 1 LuftVG gestört, wenn eine Störung hinreichend wahrscheinlich zu erwarten ist. Im Vordergrund steht dabei nicht die Unterscheidung zwischen einer konkreten oder einer abstrakten Gefahr. Die konkrete Gefahr unterscheidet sich von der abstrakten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose. Bei der konkreten Gefahr geht es um einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Ereignis. Insofern handelt es sich bei den hier zu beurteilenden sieben Windkraftanlagen in Bezug auf die betroffene Flugsicherungseinrichtung M.dorf um einen konkreten Einzelfall. Bei der abstrakten Gefahr geht es dagegen um hypothetisch vorgestellte, typischerweise gefährliche Sachverhalte. Insofern kann von einer abstrakten Gefahr gesprochen werden, wenn die Sicherheit des Luftverkehrs betrachtet wird. Entscheidend ist allerdings - unabhängig von der Frage, ob es um eine konkrete oder abstrakte Gefahr geht - der Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Störung. Einerseits muss die Störung nicht sicher eintreten. Andererseits reicht eine außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liegende Möglichkeit des Eintritts einer Störung nicht aus. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Störung sind allerdings desto geringer, je höher und bedeutender das betroffene Schutzgut ist. Bei § 18 a LuftVG geht es um die Belange der Flugsicherung und die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs (vgl. § 27 c Abs. 1 LuftVG). Angesichts dieses überragend hohen Schutzgutes sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Störung entsprechend gering.

53

Für die Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Störung im Sinne von § 18 a LuftVG kann auf das Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (ICAO-Abkommen) vom 07. Dezember 1944 zurückgegriffen werden (vgl. Urteil des VG Hannover vom 22.09.2011, Az.: 4 A 1052/10, Blatt 174 ff. der Gerichtsakte). In diesem Abkommen wird die ICAO (Internationale Luftfahrtorganisation) errichtet, die unter anderem technische Standards der internationalen Zivilluftfahrt entwickelt. Bei den Dokumenten der ICAO, um deren Anwendung und Auslegung die Beteiligten streiten, kann dahingestellt bleiben, ob die jeweiligen ICAO-Spezifikationen für die Bundesrepublik Deutschland bindend sind, weil das Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt 1956 von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde. Jedenfalls sieht das Gericht in den einschlägigen Dokumenten fachliche Standards für die Beurteilung des Störpotentials (vgl. auch VG Hannover, a.a.O.). Eine Störung im Sinne des § 18 a Abs. 1 LuftVG liegt dann vor, wenn der Beklagte rechtsfehlerfrei davon ausgehen kann, dass nach den einschlägigen ICAO-Dokumenten bestimmte Toleranzen überschritten werden.“

54

Im Übrigen schließt sich die Kammer den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in der Entscheidung vom 3. Dezember 2014 (a.a.O.) an, die ebenfalls zu einer DVOR-Anlage ergangen ist. Dort heißt es weiter zu den Voraussetzungen einer Störung im Sinne des § 18 a Abs. 1 Satz 1 LuftVG wörtlich wie folgt:

55

„Da nach § 18a Abs. 1 Satz 1 LuftVG Bauwerke nicht errichtet werden dürfen, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können, reicht zur Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands die Möglichkeit der Störung einer Flugsicherungseinrichtung. Der Begriff der Störung meint eine für die Funktion der Einrichtung nachteilige Einwirkung. Ob eine solche zu erwarten ist, ist - weil es um geplante Bauwerke geht - durch eine Prognose zu klären (Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 18a Rdn. 9 ff.; VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 49; VG Frankfurt a.M., Urt. v. 8.10.2014 - 8 K 3509/13.F -, juris Rdn. 46). Zu der Frage, wann anzunehmen ist, dass Flugsicherungseinrichtungen durch Bauwerke gestört werden können, verhält sich § 18a LuftVG nicht. Insgesamt fehlen dazu gesetzliche oder anderweitige rechtlich konkretisierende Festlegungen. Von daher ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls festzustellen, wann die Möglichkeit einer für die Funktion der Flugsicherungseinrichtung nachteiligen Einwirkung den Begriff der Störung erfüllt. In diesem Zusammenhang können auch technische Regelwerke zur Beurteilung von nachteiligen Einwirkungen herangezogen werden, wenn sie für die maßgebliche Beurteilung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefern. Die technischen Regelwerke bieten im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung eine Orientierungshilfe oder einen groben Anhalt (vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 26 Rdn. 32 ff. m.w.N.).

56

Zu den Regelwerken, die als Orientierungshilfe in Betracht kommen, gehören hier die Regelungen des internationalen Luftrechts. Die durch die aufgrund des Abkommens für die internationale Zivilluftfahrt (Chicagoer-Abkommen) vom 7. Dezember 1944 errichtete internationale Ziviluftfahrtorganisation ICAO entwickelten Bestimmungen spiegeln die anerkannten Regeln der Technik wider (VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 45; Schl.-Hol. VG, Urt. v. 16.2.2012 - 6 A 107/11 -, juris Rdn. 31; VG Frankfurt a.M., Urt. v. 8.10.2014 - 8 K 3509/13.F -, juris Rdn. 45; Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 18a Rdn. 9 ff., 11, 13, und Wysk, a.a.O., Einleitung, Rdn. 154 ff.; Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O.,S. 54 ff., 72; s. auch Stoffel, in: Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium, Luftrecht, Band 2, 2009, S. 484 f.; Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403, 404 ff.; Weiss, NVwZ 2013, 14, zitiert nach beck-online, S. 8 des entspr. Ausdrucks; Battis/Moench/von der Groeben, a.a.O., S. 18). Den Regelungen der Anhänge (Annex) zum Chicagoer-Abkommen ist innerstaatlich höchstmögliche Geltung zu verschaffen. Resolutionen und sonstige Dokumente beanspruchen nicht die gleiche Verbindlichkeit (Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Einleitung Rdn. 157 ff.; Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 54 ff.).“

57

In Anwendung dieser Grundsätze ist eine Störung einer Flugsicherungseinrichtung im Sinne des § 18a LuftVG anzunehmen, wenn diese die vorgesehenen Parameter (Fehlertoleranzen) nicht einhält, sie also nicht mit der Präzision arbeitet, die für sie vorgesehen ist. Flugsicherungseinrichtungen werden also durch Bauwerke im Sinne von § 18a Abs. 1 Satz 1 LuftVG gestört, wenn die sich aus den einschlägigen ICAO-Dokumenten ergebenden bzw. - soweit diese Dokumente widersprüchlich sind - in vertretbarer Weise hergeleiteten Toleranzwerte überschritten werden (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 45; VG Schleswig, Urteil vom 16. Februar 2012 - 6 A 107/11 -, juris Rdn. 31 ff.; Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 18a Rdn. 9 ff.).

58

Eine konkrete und unmittelbare Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die Wahrscheinlichkeit eines konkreten Schadenseintritts ist nicht erforderlich (so aber VG Aachen, Urteil vom 24. Juli 2013 - 6 K 248/09 -, juris Rdn. 115 ff., 131, maßgeblich sei die Gefahr eines Schadenseintritts im Sinne einer Kollision oder gefährlichen Annäherung zweier Flugzeuge; vgl. auch VG Oldenburg, Beschluss vom 5. Februar 2014 - 5 B 6430/13 - S. 27 ff.). Die Wahrung der Belange der Sicherheit des Luftverkehrs gebietet es, die anzustellenden Überlegungen an einer sicheren, flüssigen und geordneten Abwicklung des Luftverkehrs auszurichten (§ 27c Abs. 1 LuftVG). Dabei sind auch erst zukünftig sich ergebende Gefährdungen, die von durch Bauwerke gestörten Flugsicherungseinrichtungen ausgehen können, zu berücksichtigen. Bei der Frage, welche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Störung zu stellen sind, ist zu bedenken, dass Störungen der Luftverkehrssicherheit weitreichende Auswirkungen auf verfassungsrechtliche Schutzgüter im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG haben können (VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 45; Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 18a Rdn. 10; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1965 - IV C 30.65 -, BVerwGE 21, 354, juris Rdn. 11 zu § 12 LuftVG).

59

Eine Störung im Sinne des § 18 a Abs. 1 LuftVG liegt danach dann vor, wenn die aus den einschlägigen ICAO-Dokumenten vertretbar hergeleiteten Toleranzwerte überschritten werden (OVG Lüneburg, a.a.O., Leitsatz).

60

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung den Begriff der Störung nicht verkannt. Die Annahme eines für externe Störfaktoren verbleibenden Fehlerbeitrags von ± 1° ist unter Berücksichtigung der angeführten Standards und Orientierungshilfen vertretbar und hält sich nach Überzeugung des Gerichts innerhalb des gesetzlichen Maßstabs von § 18 Abs. 1 LuftVG. Auch unter Berücksichtigung der hierzu vorgebrachten Kritik in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten der NAVOM Conusult kann die von dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Beigeladenen zu 3) gewählte Prognose nicht als unvertretbar angesehen werden. Die Entscheidung ist auch in einer der Materie und dem derzeit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechenden angemessenen und methodisch nicht zu beanstandenden Weise erarbeitet worden (OVG Lüneburg, a.a.O.).

61

Hierzu nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in der genannten Entscheidung:

62

„Zu der Frage, anhand welcher Methode zu ermitteln ist, ob und ggf. in welchem Ausmaß eine Störung der Anlagenfunktion durch geplante Bauwerke - hier die in Rede stehenden Windenergieanlagen - zu erwarten ist, finden sich Anhaltspunkte im Europäischen Anleitungsmaterial zum Umgang mit Anlagenschutzbereichen ICAO EUR DOC 015, 2. Ausgabe 2009 (dazu auch Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O.,S. 59 ff.). Dieses Anleitungsmaterial versteht sich als Orientierungshilfe. Es enthält u.a. Vorschläge für harmonisierte Schutzzonen und definiert Anlagenschutzbereiche (ICAO EUR DOC 015 S. 1). Nach dem Europäischen Anleitungsmaterial zum Umgang mit Anlagenschutzbereichen ICAO EUR DOC 015 ist auf der Grundlage von theoretischen Kenntnissen, Erfahrung und bestehenden Bedingungen eine Analyse der Experten für Flugsicherungstechnik durchzuführen und anhand der sich ergebenden Ergebnisse zu ermitteln, ob Störeffekte annehmbar sind oder nicht (S. 4 unter 4.7.1 und 4.8.1). Zuständig ist die technische Stelle, die für die betreffende Flugsicherungsanlage verantwortlich ist. Die technische Stelle führt eine Analyse des Bauvorhabens durch. Die Analyse erfolgt auf der Grundlage der Erfahrung und des Fachwissens der Ingenieure, die die Aufgabe durchführen, beschränkt sich jedoch nicht darauf. Das Verfahren kann zur Ermittlung, ob das Bauvorhaben im bestehenden Umfeld signifikante Auswirkungen haben würde, eine theoretische Analyse, numerische Simulation und Modellierung umfassen (ICAO EUR DOC 015 S. 5 unter 5.2.1 und 5.2.2). Der - zusätzliches Anleitungsmaterial zur Prüfung von Windkraftanlagen im Hinblick auf ihren Einfluss auf Navigationsanlagen enthaltende - Anhang 4 zu ICAO EUR DOC 015 sieht vor, dass in Computersimulationen geprüft werden kann, welche Auswirkungen Windkraftanlagen auf VOR-Anlagen haben (s. auch ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.2.3. „Computer simulations can be used …“; VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 100). Ausgehend von diesen Maßstäben ist die der Entscheidung des Bundesaufsichtsamts zugrundeliegende Methode der Störungsermittlung gerichtlich nicht zu beanstanden. Sie berücksichtigt die formelmäßige DVOR-Systemkurve und bildet mit Hilfe eines Werkzeugs Szenarien und Zusammenhänge auf das konkret zu untersuchende Szenario ab. Daraus gewonnene Abschätzungen werden kontinuierlich mit Erkenntnissen aus anderen Prognoseergebnissen, ICAO-Empfehlungen und auffälligen Flugvermessungen abgeglichen und so ein Erwartungswert auf der Basis aktueller Erkenntnisse gebildet. Die durchgeführte Analyse berücksichtigt damit theoretische Kenntnisse, Erfahrungen und bestehende Bedingungen und beinhaltet simulierende bzw. modellierende Ansätze (vgl. auch Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O.,S. 71).

63

Dass die Analysemethode der Beigeladenen zu 2. auch kritisch bewertet wird, führt noch nicht zu einer anderen Betrachtung. Die Möglichkeiten und Methoden der Analyse und Berechnung von durch Windenergieanlagen zu erwartenden Fehlerbeiträgen und deren Summierung sind umstritten (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 98 ff.; Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 52, 78 ff.). Eine validierte und damit unangreifbare Analysemethode gibt es derzeit nicht (Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 78 ff., 91 ff.). Dass im Rahmen der Analyse zwingend anders vorzugehen wäre, als die Beigeladenen zu 2. und 3. es tun, lässt sich nach dem Stand der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht erkennen. Nach diesen ist auch nicht zu erkennen, dass das Vorgehen des Sachverständigen des Klägers, der NAVCOM Consult, Dr.-Ing. {I.}, die einzig vertretbare Analysemethode böte. Wie bereits angeführt kann (nicht muss) nach den angeführten Dokumenten ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.2.3., und ICAO EUR DOC 015 in Computersimulationen geprüft werden, welche Auswirkungen Windkraftanlagen auf VOR-Anlagen haben. Der Senat verkennt dabei nicht die ausgewiesene Fachkompetenz des Sachverständigen Dr.-Ing. {I.}, die u.a. durch seinen beruflichen Werdegang und seine Beteiligung bei zahlreichen nationalen und internationalen Projekten mit VOR/DVOR-Anlagen oft - aber nicht nur - im Zusammenhang mit Windenergieanlagen belegt ist. Allerdings fehlt es auch zu dem Vorgehen von NAVCOM Consult - bzw. überhaupt - in Bezug auf Windenergieanlagen an einer empirischen Validierung (vgl. auch Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 96 f.). Auch die jüngste Studie von Dr.-Ing. {J.} (Gutachten zur Interaktion zwischen Windenergieanlagen und DVOR-Anlagen der Flugsicherung - Abschlussbericht - Kurzfassung -, v. 6.3.2014), bei der Messungen im Umfeld der DVOR „S.“ durchgeführt wurden, ändert hieran nichts. Sie leistet zwar einen anerkannten technischen Beitrag zur Identifikation von Störungen im Umfeld von DVOR. Auch mit ihr ist aber etwa eine analytische Auftrennung von Signalstörkomponenten, die vom Boden und von Windenergieanlagen hervorgerufen werden, nicht gelungen. Soweit Dr.-Ing. {J.} zu der Annahme gelangt, die ENAC-Studie, von der auch die Beigeladene zu 2. bei Anwendung ihres Berechnungstools ausgeht, verwende unzulässige Vereinfachungen, von ihrem Gebrauch für die Vorhersage des Störpotentials von Windenergieanlagen sei dringend abzuraten (a.a.O., S. 5 f.), vermögen ihm von der Beigeladenen zu 2. zu Rate gezogene Experten (die ENAC selbst und die Ohio University) nicht zu folgen. Nach Auffassung der ENAC und der Ohio University sind die durchgeführten Messungen nicht hinreichend belastbar, um anstelle von Simulationen zur Bewertung herangezogen zu werden. Die Ohio University führt in ihrer „Expertise on the interaction between wind turbines and DVOR facilities of the air navigation services“ aus, die Modellierungsergebnisse der ENAC würden durch die im Gutachten enthaltenen Daten nicht widerlegt, die der Aussage des Gutachtens zugrunde liegende Prämisse könne falsch sein. Nach Auffassung der Ohio University lassen sich die im Gutachten von Dr.-Ing. {J.} gezogenen Schlussfolgerungen auch nicht zwingend aus den vorgenommenen Messungen herleiten. Dies gilt etwa hinsichtlich im Gutachten getroffener Aussagen zu einer Schutzzone um DVOR-Anlagen und zu einer Störfestigkeit dieser Anlagen außerhalb eines Radius von 3 km. Insgesamt muss davon ausgegangen werden, dass die Studie von Dr.-Ing. {J.} derzeit allenfalls „eine Validierung im Ansatz“ ermöglicht und noch nicht vollständig nachvollziehbar ist (Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 93 ff., 100).

64

(…)

65

d) Die methodische Vorgehensweise der Beigeladenen zu 2. und 3. bei der Berechnung des Fehlerbudgets lässt Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen. (…)

66

Zu der Berechnung der Gesamtgenauigkeit des DVOR/VOR-Systems (VOR radial signal error, VOR airborne equipment error und VOR pilotage element) findet sich in ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.7.3.2., die sog. root-sum-square-Methode (RSS-Methode) als eine mögliche Methode, um voneinander unabhängige Störbeiträge zu berechnen. Nach der RSS-Methode errechnet sich der Gesamtfehler aus der Wurzel der Summe der Quadrate der einzelnen genannten Fehlerbeiträge (s. etwa Stellungnahmen der Beigeladenen zu 2. v. 2.4.2014, S. 992 GA, u. v. 9.3.2012, S. 875 GA; dazu auch etwa Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 50 ff.). Eine genaue Vorgabe für die Berechnung nur des VOR radial signal error findet sich in den ICAO Dokumenten nicht. Eine denkbare Möglichkeit wäre es, auch insoweit die RSS-Methode anzuwenden (Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 52). Dieser Weg hat sich indessen nicht allgemein durchgesetzt. Die Beigeladene zu 2. geht davon aus, dass sich die ground station contribution (also der Störungsbeitrag allein durch die VOR-Bodenanlage) nicht statistisch unabhängig zu den sonstigen Störungsbeiträgen durch Mehrwegeausbreitung verhält. Vielmehr wird - im Hinblick auf den von ICAO für Simulationen geforderten Worst-Case-Ansatz (etwa Stellungnahme der Beigeladenen zu 2. v. 2.4.2014, S. 993 GA) - von einer linearen Auswirkung des Störungsbeitrags der VOR-Bodenanlage ausgegangen. Die Beigeladene zu 2. zieht in der Folge weder die Wurzel aus dem für die ground station contribution angenommenen Fehlerbeitrag, noch quadriert sie diesen. NAVCOM Consult geht demgegenüber davon aus, nur der Nordausrichtungsfehler der Anlage (nicht aber der sonstige Anlagenfehler) müsse gesondert behandelt werden, weil er systematisch und nicht statistisch sei (z.B. Stellungnahme v. 10.6.2011, Bl. 430 GA). Nach einer weiteren wissenschaftlichen Meinung lässt sich die genaue Zusammensetzung des VOR radial signal error auf Grund seiner Komplexität nicht durch einfache mathematische Näherung beschreiben und kann deswegen auch nicht auf diese Weise berechnet werden ({J.}, zitiert nach Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 52). Hiernach ist das Vorgehen der Beigeladenen zu 2. nicht unvertretbar. Sie lehnt sich für die Berechnung des VOR radial signal error an die nicht unmittelbar geltenden und nicht eindeutigen Vorgaben des ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.7.3.2., an, ohne diese schablonenhaft zu übertragen. Soweit eine näherungsweise Berechnung des VOR radial signal error anhand der RSS-Methode für möglich gehalten wird, wird die Formel übereinstimmend für insoweit offen gehalten, als der für die ground station contribution angenommene Fehlerbeitrag insgesamt oder anteilig (hinsichtlich des Nordausrichtungsfehlers) herausgenommen werden kann. Dafür, dass die eine oder die andere Vorgehensweise zwingend wäre, fehlen bisher wissenschaftliche Erkenntnisse. Es fehlen andererseits auch Erkenntnisse dazu, dass das Vorgehen der Beigeladenen zu 2. unvertretbar wäre (vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 103 ff.). Auch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der von den Beigeladenen zu 2. und 3. gewählten Berechnungsmethode tendenziell Verhinderungsabsichten oder andere missbilligenswerte Motive zugrunde lägen. Vielmehr lassen sich für ihr Vorgehen gewisse - wenn auch nicht unbestrittene - Anhaltspunkte in 2.3.47b) und Figure I-2-1 des DOC 8071 finden. Es erscheint nicht unvertretbar, aus diesen Textpassagen und Abbildungen die Möglichkeit herzuleiten, in diesem Zusammenhang nicht nach der RSS-Methode vorzugehen und einen linearen Abzug bei der Berechnung des VOR radial signal error vorzunehmen („3°-2°=1°“; zu den genannten Werten näher im Folgenden). Entsprechendes gilt für die Textpassage in ICAO EUR DOC 015, Anhang 4, vorletzter Absatz, wenn dort u.a. ausgeführt wird, nach ICAO Annex 10 solle der Bodensystemfehler innerhalb von ± 2° liegen, die Richtlinien aus ICAO Annex 10 enthielten keine Angaben zu anderen Fehlerkomponenten, doch laut Anleitungsmaterial könne in der Praxis ein Gesamtfehler eines VOR-Radials von ± 3° (bei einer Wahrscheinlichkeit von 95 %) erreicht werden, einige technische Behörden verwendeten bei der Prüfung der Zulässigkeit von geplanten Vorhaben mittels Computersimulation eine Toleranz von 1° (s. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 85 ff., 90).

67

e) Soweit die Beigeladenen zu 2. und 3. bei ihrer Berechnung einen anlageninternen Fehler von ± 2° ansetzen, ist auch dies rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 85 ff.; VG Schleswig, Urt. v. 16.2.2012 - 6 A 107/11 -, juris Rdn. 40 f.; Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 82; a.A.: VG Oldenburg, Beschl. v. 5.2.2014 - 5 B 6430/13 -; Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403, 407 f.; Battis/Moench/von der Groeben, a.a.O., S. 21). Gemessen an rechtlichen Vorgaben ist es vertretbar, der die Unterstützungsdienste leistenden, die Flugsicherungseinrichtung betreibenden Flugsicherungsorganisation (vgl. § 27c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2-5, Satz 2 und 3 LuftVG) für den Betrieb ihrer Einrichtung ein Fehlerbudget von ± 2° einzuräumen. Nach Anhang V der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1035/2011 der Kommission vom 17. Oktober 2011 (ABl. L 271/23) müssen die Erbringer von Kommunikations-, Navigations- oder Überwachungsdiensten darlegen können, dass ihre Arbeitsmethoden und Betriebsverfahren den Standards entsprechen, die in Anhang 10 über den Flugfernmeldedienst des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt in den im Einzelnen aufgeführten Fassungen festgelegt sind, soweit diese für die Erbringung von Kommunikations-, Navigations- oder Überwachungsdiensten im betroffenen Luftraum relevant sind. In ihrer Rolle als die Unterstützungsdienste leistende, die hier in Rede stehende Flugsicherungseinrichtung DVOR „Leine“ betreibende Flugsicherungsorganisation gilt diese Verpflichtung auch für die Beigeladene zu 2. Für den Anlagenfehler enthält ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.3.3.2, die einzige verbindliche Vorgabe. Danach soll sich die ground station contribution, also der Winkelfehler, der seine Ursache in der Anlage selbst hat, innerhalb von ± 2° bewegen. Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.3.3.2, lautet: „The ground station contribution to the error in the bearing information conveyed by the horizontally polarized radiation from the VOR for all elevation angles between 0 and 40 degrees, measured from the center of the VOR antenna system, shall be within plus or minus 2 degrees.“ Dieser Wert von ± 2° hat auch in der Verordnung über Art, Umfang, Beschaffenheit, Zulassung, Kennzeichnung und Betrieb von Anlagen und Geräten für die Flugsicherung v. 21.12.2001 (- Flugsicherungs-Anlagen- und Geräte-Musterzulassungs-Verordnung -, BGBl I 2002 S. 27, i.d.F. v. 29.7.2009, BGBl S. 2424) Anerkennung gefunden. Nach § 3 der genannten Verordnung ist es verboten, Anlagen und Geräte für die Flugsicherung zu betreiben oder betreiben zu lassen, wenn u.a. sie nicht baugleich zu dem vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung gemäß § 6 Abs. 1 zugelassenen Muster sind. Nach § 6 Abs. 1 der Flugsicherungs-Anlagen- und Geräte-Musterzulassungs-Verordnung erteilt das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die Zulassung für das Baumuster einer Anlage oder eines Geräts für die Flugsicherung, wenn die Anforderungen nach § 4 erfüllt sind. Gemäß § 4 der Flugsicherungs-Anlagen- und Geräte-Musterzulassungs-Verordnung werden Anforderungen an Anlagen und Geräte für Flugsicherung vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung festgelegt und in den Nachrichten für Luftfahrer bekannt gemacht. Nach Nr. 5 der Bekanntmachung über die Anforderungen zur Musterzulassung von Flugnavigationsfunkstellen (Nachrichten für Luftfahrer v. 4.4.2002, NfL II 40/02) sind für die Musterzulassung von Drehfunkfeueranlagen u.a. nachzuweisen die Einhaltung der Anforderungen der ICAO an VOR und (wie hier) DVOR, veröffentlicht im Annex 10, Band I zur Chicagoer Konvention. Insofern gilt auch hier die bereits zitierte Vorgabe aus ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.3.3.2, für die Anlagenfehlertoleranz von ± 2°. Für die in Rede stehende, baugleich zugelassene DVOR „Leine“ heißt das, dass ihr Betrieb solange nicht verboten bzw. solange erlaubt ist, wie sie die Anlagenfehlertoleranz von ± 2° einhält.

68

Ausgehend davon ist es - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - mindestens vertretbar, für die Fehlerprognose nicht auf die im Rahmen von Flugvermessungen der DVOR „Leine“ festgestellten Fehlerwerte, sondern auf den für den rechtmäßigen Betrieb der VOR-Anlage maximal zulässigen Wert von ± 2° abzustellen. Der Ansatz der maximal zulässigen Anlagenfehlertoleranz ist sachgerecht und nicht willkürlich. Ein anderes Ergebnis würde in den beschriebenen erlaubten Bestand der Anlagenzulassung eingreifen und den Spielraum des Anlagenbetreibers in unzulässiger Weise verkürzen. Er würde nach den nachvollziehbaren Darlegungen der Beigeladenen zu 2. (vgl. S. 507 f. GA) dazu führen, dass die in Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.3.7.1a), vorgesehene Einstellung des der Anlagenüberwachung dienenden Monitors von ± 1° reduziert werden müsste. Eine Reduzierung der Toleranzen würde zu häufigeren Wartungen und Abschaltungen und einer geringeren Verfügbarkeit der Flugsicherungseinrichtung für den Luftverkehr, damit zu Störungen der flüssigen Verkehrsabwicklung führen. Dem Anlagenbetreiber entstünde ein erhöhter Aufwand, zu dem er nach den dargestellten ICAO-Vorgaben und aufgrund des zugelassenen Betriebs nicht verpflichtet ist (s. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 87). Die Einhaltung eines niedrigeren - etwa eines durch eine Flugvermessung ausgewiesenen - Werts muss (und kann) die Beigeladene zu 2. auch nicht garantieren. Dies ergibt sich aus folgendem weiteren Gesichtspunkt:

69

Die Beigeladenen zu 2. und 3. nehmen an, die Ergebnisse aus Flugvermessungen stellten grundsätzlich nur punktuelle Momentaufnahmen dar, die nicht zwingend den für die Berechnung maßgeblichen Worst Case abbildeten. Diese Annahmen sind unter Berücksichtigung von ICAO-Vorgaben plausibel (vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 87 ff.). ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.2.2, befasst sich - wie ICAO EUR DOC 015 - mit der Bewertung der Auswirkungen von Windenergieanlagen auf VOR-Anlagen. Danach sind die Auswirkungen von Windenergieanlagen auf VOR-Anlagen aus verschiedenen, unter 3.2.2 a)-c) nicht abschließend aufgeführten Gründen schwer zu beurteilen. Unter d) heißt es weiter: „it is unlikely that the worst-case errors can be confirmed by flight inspections due to the factors listed above”. Gleiches folgt aus Anhang 4 zu ICAO EUR DOC 015, im Abschnitt VOR unter d). Auch danach wird es aus angeführten Gründen als unwahrscheinlich angesehen, dass der Worst-Case-Fehler durch Flugvermessung nachgewiesen werden kann. Aus ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.2.3, - und entsprechend aus Anhang 4 zu ICAO EUR DOC 015 - folgt weiter, dass mit den dargestellten Worst-Case-Annahmen in Computersimulationen überprüft werden kann, welche Auswirkungen Windfarmen auf VOR-Anlagen haben. Auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beigeladenen zu 2. und 3. bei ihrer prognostischen Beurteilung nicht einen bei einer Flugvermessung ausgewiesenen oder einen anderen niedrigeren Wert, sondern den - wie dargelegt, genehmigten - Maximalwert von ± 2° einstellen.

64

70

f) Auch der Ansatz eines maximal zulässigen Gesamtwinkelfehlers für VOR-Anlagen von zuletzt ± 3° (vgl. demgegenüber Stellungnahme der Beigeladenen zu 2. vom 19.7.2011, Bl. 623 GA, in der diese noch von einem zulässigen VOR-Gesamtfehler von ± 3,5° ausgegangen ist) ist vertretbar (vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 71 ff.). Der ICAO Annex 10 enthält Empfehlungen für die Planung/Nutzung von VOR-Systemen und verweist auf weitere Empfehlungen im ICAO Annex 11, Att. A (3.7 und 3.7.1). Entsprechend macht der ICAO Annex 10 keine verbindlichen Vorgaben, sondern benennt unterschiedliche Werte, die teilweise in Widerspruch zu anderen in nachgeordneten Dokumenten aufgeführten Werten stehen (vgl. dazu näher auch etwa Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 53). In ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.7.3.4, wird zunächst für die Gesamtgenauigkeit des DVOR/VOR-Systems („VOR system use accuracy“) der Wert von ± 5° (mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 %) als angemessener Wert („suitable figure“) bei der Planung der Nutzung von VOR-Systemen genannt, mit dem ein Winkelfehler für die VOR-Anlage (VOR radial signal error) von ± 3° korrespondiert, ein Wert - wie es heißt - „readily achieved in practice“. Unter 3.7.3.5 heißt es dazu weiter, es handele sich hierbei um hilfreiche, auf breiter praktischer Erfahrung basierende Werte, die von vielen Staaten angewendet würden. Unter 3.7.3.6 werden aus praktischer Erfahrung abgeleitete Beispiele aufgeführt, um weitere Planungsempfehlung zu bieten. Unter A heißt es, ein VOR radial signal error von ± 3,5° werde von manchen Staaten („used by some states“) zugrunde gelegt. Unter B wird ein VOR radial signal error von ± 1,7° aufgeführt, der auf ausführlichen Flugvermessungen eines Staates an vielen VOR-Anlagen basiere. In ICAO Annex 11, Att. A, 3.13, wird der Wert von ± 5° als für die Gesamtgenauigkeit des DVOR/VOR-Systems wahrscheinlicher und zufriedenstellender Wert bezeichnet („representing the probable system performance would appear satisfactory“). Diese Werte entsprechen den Angaben in weiteren von der Beigeladenen zu 2. herangezogenen Dokumenten (ICAO DOC 7754, Vol. I, Ch. IV-6, No. 58, und RTCA DO-196, Kap. 1.4.4). Das - auch in ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, unter 3.3.3.1, angeführte - ICAO DOC 8071 (Manual on testing of Radio Navigation Aids) benennt in Vol. II, Ch. 2.3.47, einen VOR radial signal error von ± 3,5° für die sog. Nutzung entlang von Radialen. Das ICAO DOC 8168 OPS/611 (Procedures for Air Navigation, Vol. II, Construction of Visual und Instrument Flight Procedures), das die Planung von Navigationsverfahren regelt (näher dazu Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 48 ff.), benennt einen Winkelfehler für die VOR-Anlage von ± 3,5° (unter 2.2) bzw. ± 3,6° (Tabelle I-2-2-2). Ein nach der ICAO verbindlicher Winkelfehler für die VOR-Anlage, der ohne weiteres auch für die Nutzung zur Flächennavigation Verbindlichkeit beanspruchen könnte, existiert nicht. Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben und Widersprüche (zu weiteren Widersprüchen etwa Stellungnahme der Beigeladenen zu 2. vom 4.2.2014, Bl. 994 ff. GA, und vom 9.3.2012, Bl. 876 ff. GA) ist es nicht unvertretbar, einen maximal zulässigen Gesamtwinkelfehler für VOR-Anlagen von ± 3° zugrunde zu legen. Wie bereits erwähnt, müssen nach Anhang V der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1035/2011 der Kommission vom 17. Oktober 2011 (ABl. L 271/23) die Erbringer von Kommunikations-, Navigations- oder Überwachungsdiensten darlegen können, dass ihre Arbeitsmethoden und Betriebsverfahren den Standards entsprechen, die in Anhang 10 über den Flugfernmeldedienst des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt in den im Einzelnen aufgeführten Fassungen festgelegt sind, soweit diese für die Erbringung von Kommunikations-, Navigations- oder Überwachungsdiensten im betroffenen Luftraum relevant sind. Wie ferner ausgeführt, ist die Beigeladene zu 2. in ihrer Rolle als die Unterstützungsdienste leistende, die hier in Rede stehende Flugsicherungseinrichtung DVOR „Leine“ betreibende Flugsicherungsorganisation an die im Anhang 10 festgelegten Standards gebunden und sind im Anhang 10 Werte von ± 5° für die Gesamtgenauigkeit des DVOR/VOR-Systems („VOR system use accuracy“) angeführt, mit denen ein Winkelfehler für die VOR-Anlage (VOR radial signal error) von ± 3° korrespondiert. Es gibt danach hinreichende Indizien dafür, dass diese Regelungen für die hier maßgebliche Beurteilung brauchbare Anhaltspunkte liefern und nicht etwa nur das vom Sachverständigen des Klägers, NAVCOM Consult, für anwendbar gehaltene ICAO DOC 8071 mit dem dort angegebenen Wert von ± 3,5° Orientierungshilfe zu bieten geeignet ist (vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 77 ff.; Hüttig/Giemulla/Lehmann/van Schyndel/Behrend/Kortas, a.a.O., S. 53). Vertretbar ist eine Zugrundelegung dieser Werte auch, weil - wie angemerkt - den Regelungen der Anhänge (Annex) zum Chicagoer-Abkommen innerstaatlich höchstmögliche Geltung zu verschaffen ist. Dafür, dass es vertretbar ist, einen zulässigen Gesamtwinkelfehler für VOR-Anlagen von ± 3,5° für nicht mehr angemessen zu halten, spricht im Übrigen Anhang 4 zu ICAO EUR DOC 015. Dort heißt es zur Festlegung geeigneter Toleranzen für Windkraftvorhaben, berücksichtige man alle genannten Faktoren, werde deutlich, dass ein geplantes Vorhaben nicht zu einer Kursablage von 3,5° und mehr führen dürfe („Taking all these factors into account it is clear that it would not be appropriate to allow a proposed development to cause a bend as large as 3,5°“). Unter Berücksichtigung dessen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass der von den Beigeladenen zu 2. und 3. angesetzte maximal zulässige Gesamtwinkelfehler für VOR-Anlagen von ± 3° zwar ein strenger konservativer, aber nicht ein aus der Luft gegriffener und daher noch vertretbarer Wert ist. Die Zugrundelegung eines konservativen Werts findet seine Rechtfertigung - neben den in ICAO Annex 10, Vol. I, Att. C, 3.2.3, und Anhang 4 zu ICAO EUR DOC 015 vorgesehenen Worst-Case-Annahmen (dazu auch VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 80) - auch in dem der Beigeladenen zu 2. in ihrer Rolle als Flugsicherungsorganisation vorgegebenen Sicherheitsvorrang und Sicherheitsziel (vgl. Anhang V Nr. 2 i.V.m. Anhang II Nr. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1035/2011 der Kommission vom 17.10.2011, ABl. L 271/23).

71

Dass die Annahme eines für externe Störfaktoren verbleibenden Fehlerbeitrags von ± 1° unter Berücksichtigung der angeführten Standards und Orientierungshilfen vertretbar ist, folgt aus den obigen Ausführungen. Hinzuweisen ist insbesondere nochmals auf die Textpassage in ICAO EUR DOC 015, Anhang 4, vorletzter Absatz, in dem u.a. ausgeführt wird, nach ICAO Annex 10 solle der Bodensystemfehler innerhalb von ± 2° liegen, die Richtlinien aus ICAO Annex 10 enthielten keine Angaben zu anderen Fehlerkomponenten, doch laut Anleitungsmaterial könne in der Praxis ein Gesamtfehler eines VOR-Radials von ± 3° (bei einer Wahrscheinlichkeit von 95 %) erreicht werden, einige technische Behörden verwendeten bei der Prüfung der Zulässigkeit von geplanten Vorhaben mittels Computersimulation eine Toleranz von 1°. Dass die Auslegung auch dieser Textpassage zwischen den Sachverständigen umstritten ist, steht der Risikobewertung durch die Beigeladenen zu 2. und 3. nicht entgegen.“

72

In Anwendung dieser Grundsätze kann die Kammer insbesondere auch mit Blick auf die vorhandene Vorbelastung durch über 130 Windkraftanlagen im 15 km-Radius der DVOR Anlage keinen Rechtsfehler bei der Prognose über die Störwirkung der geplanten Windkraftanlagen erkennen. Wegen der uneinheitlichen Bewertung von Störwirkungen von Windkraftanlagen auf Drehfunkfeuer (DVOR) wie sie von den Beteiligten und von dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg detailliert ausgeführt werden, kann das Gericht auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in diesem Verfahren keine andere fachliche Einschätzung vornehmen. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass den ICAO Unterlagen für die Frage der Störwirkungen von Windkraftanlagen keine eindeutigen Empfehlungen zu entnehmen sind. Die Beigeladene zu 3) und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung räumen ein, sich mit den ein oder anderen Ausführungen in den ICAO Unterlagen zu behelfen. Hierzu gehören die über die Musterzulassungsverordnung (vom 21. Dezember 2001, BGBl. I 2002, 27, zitiert aus Juris) i.V.m. den Nachrichten für Luftfahrer (vom 4. April 2002, vorgelegt unter Blatt 132 ff. der Gerichtsakte als Anlage zum Vorbringen der Beigeladenen zu 3) verbindlichen Angaben zu den dort ausgeführten Anlagefehlern in ICAO Annex 10 Vol. I von +/- 2° (vgl. hierzu Rn. 61 der zitierten Entscheidung des OVG Lüneburg vom 3. Dezember 2014). Da eine Einrichtung der Flugsicherung danach ein anlageninternes Fehlerbudget von +/- 2° aufweisen (aber nicht darüber hinausgehen) darf, ist es nach Überzeugung der Kammer rechtlich nicht zu beanstanden, diesen Wert bei der Ermittlung der Störwirkung als Worst-Case-Szenario zugrunde zu legen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das jeweilige Drehfunkfeuer diesen Wert auch tatsächlich stets ausschöpft. Maßgeblich ist, dass die Anlage dies darf. Mangels naturwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Berechnung der Störwirkung von Windkraftanlagen auf Drehfunkfeuer ist jedenfalls die von der Beigeladenen zu 3) und dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung gewählte Methode rechtlich nicht zu beanstanden. Aus den ICAO Dokumenten geht hervor, dass eine Wort-Case Aussage aus der Flugvermessung nicht hinreichend belastbar ist (vgl. auch Rn. 63 zur Entscheidung des OVG Lüneburg). Das europäische Anleitungsmaterial ICAO EUR DOC 015 berücksichtigt in seiner Anlage 4 sowohl den Wert aus der Flugvermessung (ICAO Doc 8071) von 3,5° und einen „Gesamtfehler eine VOR-Radials“ von +/- 3°, der in der „Praxis erreicht werden könne“ (bei einer Wahrscheinlichkeit von 95°). Ein geplantes Vorhaben dürfe danach nicht zu einer Kursablage von 3,5° und mehr führen. Die Beigeladene zu 3) und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung haben dargelegt, warum sie den Wert von 3,5° aus der Flugvermessung nicht annehmen wollen. Dieser Wert betrachte lediglich die konventionelle Navigation und nicht auch die Flächennavigation (vgl. nur Bl. 215 der Gerichtsakte). Eine willkürliche Festsetzung des externen Fehlerbudgets zu Lasten des klägerischen Vorhabens hat die Kammer nach alledem nicht erkennen können.

73

Aus dem Umstand, dass sich die streitige Anlage im unmittelbaren Nahbereich des bereits vor dem Jahr 2009 geltenden Anlagenschutzbereichs von (lediglich) 3 km befinden, folgt nach Überzeugung der Kammer „erst recht“ keine andere Betrachtung.

74

Die Beigeladene zu 3) und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung sind auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass das zur Verfügung stehende maximale Fehlerbudget für externe Störer bereits ohne die Errichtung und den Betrieb der hier in Rede stehenden Anlagen ausgeschöpft ist. Sie sind von einer Vorbelastung von über 130 Anlagen im 15 km-Schutzbereich ausgegangen und hatten einen danach zu erwartenden maximalen Winkelfehler von 1,1° anhand der ICAO Unterlagen ermittelt. Störbeitrag der hier in Rede stehenden Anlage haben sie – ohne Berücksichtigung der Vorbelastungen - mit 0,3° berechnet. Der Erwartungswert für externe Fehler unter Berücksichtigung der Vorbelastungen erhöht sich damit auf über 1°.

75

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nach den vorgelegten Prognosen, der zu erwartende Störfaktor nur leicht den Wert des externen Störungsbudgets übersteigt (vgl. Tabellen, Blatt 51-52 der Gerichtsakte). Dies ändert aber nach den o.g. Grundsätzen nichts daran, dass die Flugsicherungseinrichtung stets verlässliche Signale abstrahlen muss. Ist das Störbudget bereits durch die Vorbelastungen erschöpft, führt auch eine – geringe – weitere mögliche Störung zu einer (weiteren) Erhöhung. Insoweit stellt die Beigeladene zu 3) nach Überzeugung der Kammer bei dem Begriff der Störung zu Recht darauf ab, dass auch die eingeschränkte Nutzbarkeit zu einem (unzulässig) hohen Unfallrisiko führen kann (vgl. insoweit Bewertungsmethodik der DFS zur VOR-Beeinflussung durch Windenergieanlagen vom 9. Dezember 2013, Blatt 188 ff der Gerichtsakte).

76

Diese Berechnungen lassen aus oben ausgeführten Gründen nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse Rechtsfehler nicht erkennen (so auch OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 69). Nach den vorgenommenen Prognosen ist der für externe Störbeiträge verbleibende Fehlerbeitrag von +/-1° damit bereits durch die vorhandenen Windkraftanlagen erschöpft und würde durch die zusätzlichen erwarteten Störbeiträge durch die geplanten Windkraftanlagen überschritten. Der von dem Gutachter NAVCOM gewählte Ansatz, ICAO Dokumente der Flugvermessung heranzuziehen, mithin nicht das Fehlerbudget der Anlage, erscheint nach alledem nicht zwingend. Dieser Ansatz kann nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht den Ansatz der Beigeladenen zu 3) erschüttern, den sich das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherheit bei seiner Entscheidung nach § 18 a Abs. 1 Satz 2 LuftVG zu eigen gemacht hat. Der Umstand, dass es sich bei der Beigeladenen zu 3) um eine juristische Person des Privatrechts mit eigenen wirtschaftlichen Interessen handelt, ändert an deren nachvollziehbarer Beurteilung nichts. Auch der Umstand, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung für das maximale Fehlerbudget einen Wert von 3° annimmt, der in den ICAO Unterlagen (vgl. insbesondere ICAO EUR DOC 015) für VOR Anlagen angegeben ist, führt nicht dazu, dass die Annahme der Beigeladenen zu 3), diesen Wert auch für – weniger störanfällige – DVOR Anlagen zugrunde zu legen, sachwidrig wäre. Denn es erscheint der Kammer plausibel, für beide Anlagentypen dasselbe Budget an Winkelfehlern zugrunde zu legen. Im Gegenteil erschiene es nicht nachvollziehbar, warum für Signale eines DVOR mehr Abweichungen zulässig sein sollten.

77

Maßgeblich ist – wie ausgeführt - bei der Beurteilung einer möglichen Störung im Sinne des § 18 a Abs. 1 Satz 1 LuftVG von dem Grundsatz auszugehen, dass je schwerer die möglichen Folgen eines aus der Störung resultierenden Fehlers (Flugzeugkatastrophe) sind, desto geringerer die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Störung sind (vgl. auch Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 18a, Rn. 10). Die Wahrung der Belange der Sicherheit des Luftverkehrs gebietet es danach, strenge Anforderungen an die Funktionsfähigkeit der Sicherungseinrichtungen zu stellen. Wie oben ausgeführt, ist bei der Wahrscheinlichkeit einer Störung der Sicherungseinrichtung die Sicherheit des Luftverkehrs betroffen, die weitreichende Auswirkungen auch auf verfassungsrechtliche Schutzgüter im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG haben können.

78

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat hierzu in der genannten Entscheidung ausgeführt (Rn. 57):

79

„In einer solchen Lage, in der sich die Wissenschaft noch nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweist, es also noch an gesicherten Erkenntnissen mangelt und allgemein anerkannte Standards und Beurteilungsmaßstäbe noch nicht entwickelt worden sind, fehlt es den Gerichten an der auf besserer Erkenntnis beruhenden Befugnis, die fachliche Einschätzung der dafür zuständigen Stellen als „falsch“ und „nicht rechtens“ zu beanstanden. Dass andere Sachverständige zu einer davon abweichenden Einschätzung gelangen, vermag das Vorgehen jener vom Gesetzgeber mit der gutachtlichen Beurteilung und Kompetenz zur Entscheidung betrauten Stellen nicht durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Das ist erst der Fall, wenn jene abweichende Auffassung allgemeine Anerkennung gefunden hat und die (hier) der Entscheidung zugrunde gelegte Meinung als nicht (mehr) vertretbar angesehen wird.“

80

Weiter heißt es dort unter Randnummer 70:

81

„Diese Berechnungen lassen - ungeachtet vorhandener Differenzen und Unwägbarkeiten - aus den dargelegten Gründen nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse Rechtsfehler nicht erkennen. Für verlässlichere Antworten bedarf es eines gesicherten Erkenntnisfortschritts. Dieser hängt von den Ergebnissen weiterer - laufender - wissenschaftlicher Studien und Diskussionen ab. Wenn sich in Fällen der vorliegenden Art das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nach § 18a Abs. 1 Satz 2 LuftVG gegen die Errichtung der Windenergieanlagen ausspricht, steht dies im Übrigen im Einklang mit Nr. 5.2.4 des Europäischen Anleitungsmaterials zum Umgang mit Anlagenschutzbereichen - 2. Aufl. - Sept. 2009, ICAO EUR DOC 015, S. 6, wo empfohlen wird, im Zweifel den Bauantrag abzulehnen („Für den Fall, dass keine endgültige Antwort gefunden werden kann, wird empfohlen, dass die technische Stelle die Anlage schützt, in dem sie den Antrag ablehnt“).“

82

Nach alledem bedarf es auch keiner Einholung eines (gerichtlichen) Sachverständigengutachtens, wie es die Klägerin angeregt hat. Es würde mit Blick auf einen – wie ausgeführt – fehlenden Stand der Technik zu keinem weiteren Erkenntnisgewinn führen. Denn es fehlen bisher wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, welche Vorgehensweise und Berechnung die Richtige ist (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 60). Unter Randnummer 72 heißt es dort weiter:

83

„Der Senat hatte keinen Anlass, dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Frage zu erheben, ob eine nachteilige Wirkung der beantragten streitgegenständlichen Windenergieanlagen und jeder einzelnen von ihnen auf das DVOR „Leine“ der Beigeladenen zu 2. zu erwarten ist, sowie ob bejahendenfalls diese Beeinträchtigung für die Beigeladende zu 2. unter Berücksichtigung des Zwecks des DVOR „Leine“ hinnehmbar ist, zu entsprechen. Soweit Beweis über eine nachteilige Wirkung und deren Hinnehmbarkeit erhoben werden soll, ist die Beweiserhebung in Teilen auf die Beantwortung von Rechtsfragen gerichtet und damit nicht zulässig. Im Übrigen ist das angebotene Beweismittel (Einholung eines Sachverständigengutachtens) ungeeignet. Es ist - angesichts der Offenheit der (auch in der mündlichen Verhandlung geführten) wissenschaftlichen Diskussionen u.a. zu der Frage, welcher externe Störeinfluss durch die geplanten Windenergieanlagen zu erwarten ist - ein aussichtsloses Unterfangen, auf die im Beweisantrag enthaltenen Fragen durch ein weiteres Sachverständigengutachten eine verlässliche Antwort zu bekommen. Es haben im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens und in der mündlichen Verhandlung zwei sachverständige Stellen ausführlich Stellung bezogen. Die Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen ist nicht erfolgversprechend. Es ist auch kein anderer Gutachter benannt worden, der über bessere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt. Der anzustrebende Erkenntnisfortschritt kann nicht durch das Gericht in Auftrag gegeben werden (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 10.4.2013 - 22 ZB 12.2714 -, UPR 2013, 320, juris Rdn. 10 m.n.N.; VG Schleswig, Urt. v. 16.2.2012 - 6 A 107/11 -, juris Rdn. 49; VG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2014 - 11 K 3648/12 -, ZNER 2014, 501, juris Rdn. 55).“

84

In diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren streiten die Beteiligten um die Auslegung und Anwendung der einschlägigen ICAO-Bestimmungen, darüber, welche Fehlertoleranzgrenzen zugrunde zu legen sind, welcher anlageninterne Winkelfehler und welcher Winkelfehler für die bestehenden Windkraftanlagen und wie geplante Anlagen berücksichtigen sind, über die anzuwendende Bewertungsmethode und die von - umstrittenen - physikalischen Zusammenhängen abhängige Anwendung mathematischer Formeln. Dies erschöpft sich nicht allein in der Anwendung naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse und Methoden, sondern erfordert zusätzlich eine vertretbare Stellungnahme in einer wissenschaftlichen Diskussion, in der noch keine allgemein akzeptierten Ergebnisse vorliegen (so VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2014 – 11 K 3648/12 –, Rn. 55, juris).

85

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 – 4 A 1075/04 –, BVerwGE 125, 116-325, Leitsatz, Juris Rn. 308), sind neue wissenschaftliche Erkenntnisse einer luftverkehrsrechtlichen Planungs- oder Zulassungsentscheidung in der Regel erst dann zugrunde zu legen, wenn sie sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt und allgemeine Anerkennung - nicht notwendig einhellige Zustimmung - gefunden haben; ein neuer Stand der Wissenschaft ist aber nicht erreicht, solange bisher anerkannte wissenschaftliche Aussagen kritisch hinterfragt und kontrovers diskutiert werden, ohne dass sich in der Forschung bereits ein neuer Grundkonsens abzeichnet (unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2004 - BVerwG 4 B 82.03 - NVwZ 2004, 618, 619; Urteil vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261, 284 f.).

86

In Anbetracht dieses Meinungsstreites würde auch die Einholung einer weiteren sachverständigen Stellungnahme nach Überzeugung des Gerichts lediglich eine weitere, nicht jedoch eine "bessere" Meinungsäußerung im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion bedeuten (VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2014 – 11 K 3648/12 –, Rn. 55, juris).

87

Aus der Vorschrift des § 18 a Abs. 2 Satz 2 LuftVG folgt nichts anderes. § 18 a Abs. 2 Satz 1 LuftVG lautet: Die Eigentümer und anderen Berechtigten haben auf Verlangen des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung zu dulden, dass Bauwerke, die den Betrieb von Flugsicherungseinrichtungen stören, in einer Weise verändert werden, dass Störungen unterbleiben. Das gilt nach Satz 2 nicht, wenn die Störungen durch Maßnahmen der Flugsicherungsorganisation mit einem Kostenaufwand verhindert werden können, der nicht über dem Geldwert der beabsichtigten Veränderung liegt. Satz 2 der Vorschrift bezieht sich erkennbar auf § 18 Abs. 2 Satz 1 LuftVG und setzt damit eine Änderung bestehender Anlagen voraus. So liegt es hier indes nicht. Bestehende Anlagen sollen u.U. nicht zu Gunsten von Flugsicherungseinrichtungen geändert werden. Es geht hier um eine Prognose zur Störwirkung einer geplanten Anlage.

88

Der Anregung der Klägerin, das Verfahren nach § 94 VwGO auszusetzen, kommt das Gericht in Ausübung seines Aussetzungsermessens nicht nach. Denn das Gericht entscheidet selbst über die hier entscheidungsreife Klage. Der Umstand, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg nicht rechtskräftig ist, auf die die Kammer in ihrer Entscheidung Bezug nimmt, verpflichtet das Gericht mit Blick auf das Gebot zur Verhinderung überlanger Verfahrensdauern nicht dazu, eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abzuwarten. Dem Ruhensantrag der Klägerin haben sich die übrigen Beteiligten zudem nicht angeschlossen.

89

Der von der Klägerin an Tage vor der mündlichen Verhandlung begehrte Schriftsatznachlass zur Stellungnahme auf den ihr am 2. April 2015 zugegangenen Schriftsatz der Beigeladenen zu 3) vom 25. März 2015 war ebenfalls nicht zu gewähren, weil es sich dabei ebenso wie bei dem Schriftsatz des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung (über die Beigeladene zu 4) lediglich um eine zusammenfassende und erläuternde Darstellung des bisherigen Streitstandes ohne neuen Tatsachenvortrag handelt. Der von den Klägern beauftragte Gutachter hatte bereits in seinem Ergänzungsgutachten vom 27. Juni 2014 von der Möglichkeit Gebraucht gemacht, zu den Kritikpunkten der Beigeladenen zu 3) und des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung zu seinem Gutachten vom 19. Februar 2014 Stellung zu nehmen. Zur Wahrung des Rechtes auf rechtliches Gehör ist eine Schriftsatzfrist mithin nicht geboten (vgl. zu alledem nur Kopp/Schenke, VwGO, § 103, Rn. 11, § 104, Rn. 9). Die Klägerin hat im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens bereits umfangreich zu den streitigen Punkten Stellung genommen.

90

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Dabei entspricht es nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Klägerin aufzuerlegen, weil Kosten beigeladener Behörden nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig sind (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 07. Oktober 1996 – A 2 S 397/96 –, juris). Denn die Behörde hat im Verhältnis zum Kläger als Teil der am Verwaltungsverfahren zu beteiligenden, mit öffentlichen Aufgaben betrauten Stelle zu gelten und ist im anstehenden Interessenkonflikt der versagenden oder ge- oder verbietenden Genehmigungsbehörde zuzurechnen (vgl. zum Bauprozess: OVG LSA, Urt. v. 23. Juli 2009 – 2 L 302/06 –, juris). Dabei ist auch die Beigeladene zu 3) hinsichtlich ihrer Funktion im Genehmigungsverfahren hier wie eine Behörde zu betrachten.

91

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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