Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (4. Kammer) - 4 K 2176/15

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer waffenrechtlichen Erlaubnis, gegen die Einziehung ihres Jagdscheins und gegen damit verbundene Maßnahmen.

2

Der Klägerin wurde am 14. November 1994 eine Waffenbesitzkarte (Nr. ...) ausgestellt, in welche zuletzt ein Revolver des Herstellers Colt (Herstellungsnummer ...) und zwei Revolver des Herstellers Smith & Wesson (Herstellungsnummer ... und ...) eingetragen waren. Am 9. April 2013 wurde der Klägerin ein Jagdschein (Nr. ...) ausgestellt, der bis zum 31. März 2016 gültig ist. Ihrem Ehemann wurde am 1. Oktober 1982 eine Waffenbesitzkarte (Nr. ...) und am 2. April 2012 ein dreijähriger Jagdschein (Nr. ...) ausgestellt; ausweislich der Waffenbesitzkarte war er zuletzt berechtigt, einen Revolver, einen Repetierer sowie eine halbautomatische Pistole zu besitzen.

3

In der Wohnung der Klägerin und ihres Ehemannes befinden sich drei Tresore, von denen der größte den Widerstandsgrad II (DIN/EN 11431-1) aufweist.

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Bei einer am 7. August 2014 im Einverständnis mit der Klägerin durchgeführten Durchsuchung ihrer Wohnung und Kontrolle der Tresore stellten Mitarbeiter der Beklagten fest, dass die drei genannten Schusswaffen der Klägerin mit jeweils sechs Schuss erlaubnispflichtiger Munition in dem größten der drei Tresore lagen. Dieser war verschlossen. Die Schusswaffen des Ehemannes der Klägerin befanden sich – zum Teil ebenfalls geladen - in demselben Waffenschrank. Die dem Ehemann gehörende Repetierbüchse befand sich ungeladen in einem Bücherschrank im Wohnzimmer.

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Nachdem die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12. Januar 2015 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, widerrief sie mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 4. Februar 2015 die waffenrechtliche Erlaubnis (Waffenbesitzkarte Nr. ...), erklärte den Jagdschein Nr. ... für ungültig und zog diesen ein und forderte die Klägerin zur Rückgabe beider Dokumente auf. Außerdem ordnete sie an, dass die im Besitz der Klägerin befindlichen Waffen unbrauchbar gemacht oder einem Berechtigten überlassen werden müssten. Die Klägerin besitze nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit, sodass die Waffenbesitzkarte nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen sei. Die Klägerin habe ihre Waffen in dem Waffentresor mit jeweils sechs Schuss geladen aufbewahrt und die Waffen damit entgegen § 36 WaffG nicht sorgfältig verwahrt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Alt. 2 WaffG). Angesichts der zentralen Aufgabe des Waffenrechts – der Schutz der Bevölkerung vor den von Waffen ausgehenden Gefahren – reiche schon ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschrift aus, um die fehlende Zuverlässigkeit zu begründen. Die Aufbewahrung der Waffen in geladenem Zustand stelle auch einen groben Verstoß gegen die Vorschriften des Waffengesetzes dar, sodass im Hinblick auf die fehlende Zuverlässigkeit der Klägerin auch die Regelvermutung nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG greife. Aus diesen Gründen sei auch die Einziehung des Jagdscheins nach § 18 i.V.m. § 17 Abs. 1 BJagdG gerechtfertigt. Die Pflicht zur Rückgabe der Waffenbesitzkarte und des Jagdscheins ergebe sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG bzw. § 52 Satz 1 HmbVwVfG. Die Anordnung, die Waffen unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen, beruhe auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG und sei auch unter Berücksichtigung des privaten Interesses der Klägerin an einem fortbestehenden Gewahrsam zum Zwecke der Beendigung des nicht mehr durch eine Erlaubnis gedeckten Waffenbesitzes und der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände gerechtfertigt.

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Hiergegen legte die Klägerin am 17. Februar 2015 Widerspruch ein: Die Aufbewahrung der geladenen Waffe in dem ansonsten ordnungsgemäßen und verschlossenen Waffentresor rechtfertige nicht die Prognose eines zukünftigen unvorsichtigen oder unsachgemäßen Umgangs mit Waffen. Sie sei über 42 Jahre lang beanstandungslos mit Waffen umgegangen. Vor diesem Hintergrund sei der Widerruf unverhältnismäßig, da ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit zukünftig durch entsprechende Auflagen oder unangekündigte Kontrollen sichergestellt und überwacht werden könne. Überdies könne ihr die Aufbewahrung der Waffen im geladenen Zustand nicht vorgeworfen werden. Es fehle schon an einem ausdrücklichen gesetzlichen Verbot, Waffen in geladenem Zustand aufzubewahren, weshalb fraglich sei, inwieweit es ihr als juristische Laie hätte bekannt gewesen sein müssen. Zudem habe sie von dem Ladezustand der Waffen keine Kenntnis gehabt, als sie das Haus verließ, um gemeinsam mit ihrem Ehemann zu verreisen. Ihr Ehemann habe die Waffen ohne ihre Kenntnis geladen. Sie sei davon ausgegangen, dass die Revolver ungeladen im Sicherheitsbehältnis lagen und habe keinen Anlass gehabt, den Ladezustand erneut zu prüfen.

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Am 2. März 2015 überließ die Klägerin ihre drei o.g. Revolver vorübergehend der Fa. ... zur Einlagerung. Am 3. März 2015 gab sie der Beklagten die Waffenbesitzkarte Nr. ... und den Jagdschein Nr. ... zurück.

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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2015 zurück. Die Aufbewahrung geladener Waffen widerspreche grundlegenden Vorsichts- und Sorgfaltsmaßgaben, die unabhängig von einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zu beachten seien. Insofern komme es nicht auf eine konkrete Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an. Der Besitz von Munition im Kaliber .22 sei darüber hinaus nicht von der Munitionserwerbsberechtigung der Klägerin gedeckt, sodass die fehlende Zuverlässigkeit sich auch aus der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 WaffG ergebe. Eine Gesamtschau der festgestellten Sorgfaltsverstöße begründe die Annahme, dass die Klägerin Waffen oder Munition auch in Zukunft nicht sorgfältig verwahren werde. Ein Restrisiko müsse bei der hierbei vorzunehmenden Prognose nicht hingenommen werden. Die Garantenstellung eines Waffenbesitzers verbiete die Verlagerung der Verantwortung für die sorgfältige Verwahrung auf eine andere Person. Auch bei einer gemeinsamen Aufbewahrung treffe vielmehr jeden Waffenbesitzer gleichermaßen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung. Ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten genüge insofern.

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Die Klägerin hat am 16. April 2015 Klage erhoben: Ihr Ehemann habe unmittelbar vor Antritt einer gemeinsamen Urlaubsreise die ordnungsgemäße Aufbewahrung der Waffen in dem gemeinsam genutzten Sicherheitsbehältnis überprüft und dabei ohne ihr Wissen die Waffen geladen. Sie habe bis zur Kontrolle der Waffen durch die Beklagte keine Kenntnis von dem geladenen Zustand ihrer Waffen in dem verschlossenen Sicherheitsbehältnis gehabt. Das Sicherheitsbehältnis, in dem sowohl ihre eigenen als auch die Waffen ihres Ehemannes aufbewahrt würden, sei mit einer Sicherungseinrichtung in der Weise von außen gesichert, dass sie selbst ohne Hilfe ihres Mannes nicht in der Lage sei, das Sicherheitsbehältnis zu öffnen, um z.B. den Ladezustand ihrer Waffen zu überprüfen. Sie besitze seit Jahrzehnten Waffen und habe im Hinblick auf deren sichere Aufbewahrung stets mehr getan als erforderlich, indem sie die Waffen in einem Sicherheitsbehältnis der höchsten Sicherheitsstufe verwahrte. Sie habe ihrem Ehemann im Hinblick auf die ordnungsgemäße Verwahrung vertrauen dürfen, da sie zur gemeinschaftlichen Aufbewahrung ihrer Waffen berechtigt seien. Der Verstoß ihres Ehemannes gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften könne ihr mangels Kenntnis nicht zugerechnet werden.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid vom 4. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2015 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Die Klägerin habe gegen elementare Sicherheitsgrundsätze des Waffenrechts verstoßen. Dieser Verstoß sei ihr aufgrund ihrer Garantenstellung für die ordnungsgemäße Verwahrung ihrer Waffen zuzurechnen. Ein Waffenbesitzer müsse zu jeder Zeit den Zustand seiner Waffen kennen und sich ihrer ordnungsgemäßen Aufbewahrung vergewissern. Eine gemeinschaftliche Aufbewahrung von Waffen verpflichte dabei zu einem höheren Maß an Sorgfalt, da eine weitere Person Zugriff auf die eigenen Waffen habe. Die Klägerin habe ihrem Ehemann nicht im Hinblick auf die sorgfältige und ordnungsgemäße Aufbewahrung der Waffen vertrauen dürfen, da er eine erlaubnispflichtige Waffe in einem hierfür nicht vorgesehenen Bücherschrank mit Glastüren aufbewahrte.

15

Die Klägerin wurde in der mündlichen Verhandlung angehört. Wegen ihrer Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Sachakten der Beklagten betreffend die Klägerin und ihren Ehemann sowie die Akte der Staatsanwaltschaft Hamburg in dem Verfahren ... sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

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Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig. Insbesondere fehlt hinsichtlich der Anordnungen, die Erlaubnisdokumente der Beklagten zurückzugeben und die in ihrem Besitz befindlichen Waffen unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen, nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Eine Erledigung der Verfügung insoweit ist weder durch die Rückgabe der Erlaubnisdokumente an die Beklagte noch durch die Überlassung der Waffen an die Fa. Waffen H. zur Einlagerung eingetreten. Damit folgte die Klägerin allein dem Regelungsbefehl der für sofort vollziehbar erklärten Verfügung, ohne dass sie zugleich ihre Rechtspflicht anerkannt und auf weitergehenden Rechtsschutz insoweit verzichtet hätte.

18

Die Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der Bescheid vom 4. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Bescheid ist betreffend den Widerruf der Waffenbesitzkarte (dazu 1.), die Ungültigerklärung des Jagdscheins (dazu 2.), die Aufforderung zur Abgabe der Erlaubnisdokumente (dazu 3.) und die Anordnung bezüglich der Waffen (dazu 4.) rechtmäßig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (BVerwG, Urt. v. 16.5.2007, 6 C 24/06, juris – Rn. 35).

19

1. Der Widerruf der Waffenbesitzkarte ist rechtmäßig. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist u.a. dann zu versagen, wenn der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG nicht besitzt, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen u.a. Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG. Dies ist hier der Fall.

20

Bei der der Klägerin am 14. November 1994 ausgestellten Waffenbesitzkarte handelt es sich um eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz (§ 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG), für die auch § 45 Abs. 2 WaffG in der Fassung vom 11. Oktober 2002 gilt (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 WaffG; BVerwG, Urt. v. 16.5.2007, 6 C 24.06, juris – Rn. 37).

21

Die anlässlich der Kontrolle am 7. August 2014 vorgefundene Aufbewahrungssituation ist eine nachträglich eingetretene Tatsache im Sinne eines tatsächlichen Umstands, der nach Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis eingetreten ist (BVerwG, Urt. v. 16.5.2007, 6 C 24/06, juris – Rn. 38).

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Diese nachträglich eingetretene Tatsache begründet die Annahme fehlender Zuverlässigkeit. Die Verwahrung einer geladenen Waffe stellt einen Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln dar (a.). Dieser Verstoß rechtfertigt die Prognose, dass die Klägerin ihre Waffen und Munition auch zukünftig nicht sorgfältig verwahren wird (b.).

23

a. Die Verwahrung einer geladenen Waffe in einem Waffenschrank widerspricht den Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Schusswaffen dürfen nur getrennt von Munition aufbewahrt werden, sofern nicht die Aufbewahrung in einem der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 entsprechenden oder gleichwertigen Sicherheitsbehältnis erfolgt, § 36 Abs. 1 Satz 2 WaffG. Ist die gemeinsame Aufbewahrung von Waffe und Munition in einem Behältnis erlaubt, sind diese Gegenstände innerhalb des Behältnisses getrennt voneinander zu verwahren. Die Verwahrung einer durchgeladenen Waffe ist auch in einem der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 entsprechenden oder gleichwertigen Sicherheitsbehältnis nicht erlaubt. Diese Selbstverständlichkeit ergibt sich aus grundlegenden Umgangs- und Vorsichtsmaßregeln und bedurfte daher keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (BVerwG, Beschl. v. 3.3.2014, 6 B 36/13, juris – Rn. 4 f.; OVG Münster, Beschl. v. 15.5.2013, 20 A 419/11, juris – Rn. 44). Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob eine tatsächliche Gefährdung Dritter unter Umständen ausgeschlossen war. Die an Waffenbesitzer gestellten Anforderungen im Hinblick auf die sorgfältige Verwahrung sollen nicht nur die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die sich daraus ergeben können, dass unberechtigten Dritten die einfache Wegnahme von geladenen und damit unmittelbar schussbereiten Waffen ermöglicht wird. Sie schützen vielmehr jede Person und damit auch den Waffenbesitzer selbst vor den Gefahren, die mit einer geladenen Waffe verbunden sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.3.2014, aaO, Rn. 5).

24

Die Klägerin ist für diesen Verstoß gegen grundlegende Vorsichtsmaßregeln auch verantwortlich. Insbesondere ist ihr Vortrag, ihr Ehemann habe ihre Waffen ohne ihre Kenntnis kurz vor Antritt der gemeinsamen Urlaubsreise geladen und dann im geladenen Zustand in den – nur in Zeiten urlaubsbedingter Abwesenheit gemeinsam, ansonsten allein vom Ehemann genutzten – Tresor gelegt, ohne Relevanz. Auf die Aussage des als Zeugen angebotenen Ehemannes der Klägerin zu dem Geschehensablauf am 7. August 2014 kam es deshalb nicht an. Denn die Verantwortung für die Einhaltung der Aufbewahrungsvorschriften ist jedem Waffenbesitzer selbst zugeordnet. Eine Abwälzung der waffenrechtlichen Pflichten auf Dritte ist in Anbetracht der gesetzlichen Ausgestaltung einer waffenrechtlichen Erlaubnis i.S.d. § 4 Abs. 1 WaffG als höchstpersönlicher Erlaubnis (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.12.1992, 1 C 5/92, juris – Rn. 19) nicht zulässig. Bereits die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG, die jeder Erlaubnisinhaber persönlich erfüllen muss, zeigt, dass sich die Zuverlässigkeit auch und gerade auf die sorgfältige Aufbewahrung einer Waffe bezieht. Der Gesetzgeber wertet einen Verstoß hiergegen derart schwer, dass die fehlende Zuverlässigkeit zwingend angenommen wird. Dies ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG, die sich ebenfalls ausdrücklich auf jeden einzelnen Besitzer von Waffen und Munition bezieht („Wer Waffen oder Munition besitzt…“). Macht ein Waffenbesitzer von der Möglichkeit der gemeinschaftlichen Aufbewahrung innerhalb einer Hausgemeinschaft nach § 36 Abs. 5 Satz 1 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 10 AWaffV Gebrauch, entbindet ihn dies nicht von der ihn persönlich treffenden Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG vorgesehenen Möglichkeit, einer anderen berechtigten Person Waffen oder Munition zu überlassen. Denn Besitz und Überlassen stellen gemäß § 1 Abs. 3 WaffG verschiedene Arten des Umgangs mit einer Waffe oder Munition dar. Überlässt jemand einem anderen eine Waffe oder Munition, richten sich die damit verbundenen Pflichten nach § 34 WaffG. Insbesondere darf er sie nur einem Berechtigten überlassen. Für den Besitzer einer Waffe oder Munition gelten gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 WaffG i.V.m. § 13 AWaffV besondere Verhaltenspflichten. Die gesetzlich vorgesehene Trennung zwischen Besitz und Überlassen und den mit ihnen verbundenen, unterschiedlich ausgestalteten Pflichten würde aufgehoben, wenn man die Übergabe einer Waffe zur gemeinsamen Aufbewahrung allein an den rechtlichen Maßstäben der Überlassung messen würde. Wer als Besitzer selbst für die ordnungsgemäße Aufbewahrung verantwortlich ist, hat selbst die Maßnahmen zu ergreifen, die hierfür erforderlich sind. Überlässt er die Durchführung dieser Maßnahmen einem anderen, dann hat er diesen, auch wenn es der eigene Ehemann ist, im Hinblick auf das von Waffen ausgehende Gefahrenpotential derart zu überwachen, dass er selbst jederzeit eingreifen kann, um Verstöße gegen eine ordnungsgemäße Aufbewahrung zu verhindern. Dass die Klägerin diese Kontrolle, die ihr möglich war, da ihr Ehemann ihr jederzeit Zugang zu dem Tresor gewährt hätte, unterlassen hat, wird durch die tatsächlichen Geschehnisse belegt.

25

b. Der festgestellte Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln rechtfertigt die Prognose, dass die Klägerin auch künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren wird. Die erforderliche Prognose hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren, welcher darin besteht, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.10.1998, 1 B 245/97, juris - Rn. 5; VGH München, Beschl. v. 16.9.2008, 21 ZB 08.655, juris – Rn. 7). Die Prüfung der Zuverlässigkeit ist dabei anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung bedeutsam sein können. Es genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen nicht-ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen besteht (BVerwG, Urt. v. 28.1.2015, 6 C 2/14, juris – Rn. 17; VGH München, Beschl. v. 16.9.2008, aaO, juris – Rn. 7). Ein Restrisiko muss bei Prognoseentscheidungen im Bereich des Waffenrechts mit Blick auf die besondere Gefährlichkeit der Materie nicht hingenommen werden (vgl. VGH München, Beschl. 9.1.2008, 21 C 07.3232, juris – Rn. 6). Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist es, spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltensweisen Rechnung zu tragen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15.5.2013, 20 A 419/11, juris – Rn. 34). Es bedarf daher insbesondere nicht der Feststellung einer konkreten Gefahr, dass sich das in Rede stehende „Versagen“ des Erlaubnisinhabers wiederholen könnte (vgl. OVG Münster, Urt. v. 28.2.2013, 20 A 2430/11, juris – Rn. 50). Es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene nicht vorsichtig oder nicht sachgemäß mit Waffen oder Munition umgehen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.1.2015, aaO, juris – Rn. 17).

26

Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Annahme gerechtfertigt, die Klägerin werde auch zukünftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren. Aufgrund der Schwere des Verstoßes – alle drei Waffen waren mit sechs Schuss Munition geladen – kann ihr Verhalten nicht als situative Nachlässigkeit minderen Gewichts eingestuft werden, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte (vgl. BVerwG, Urt.v. 22.10.2014, 6 C 30/13, juris – Rn. 19). Es besteht keine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist (vgl. VGH München, Beschl. v. 4.11.2015, 21 CS 15.2023, juris – Rn. 15; OVG Schleswig, Beschl. v. 6.7.2015, 4 MB 16/15, juris – Rn. 6). Insofern ist aufgrund der erheblichen Gefährlichkeit, die von durchgeladenen Waffen ausgeht, das hier verbleibende Restrisiko eines erneuten Verstoßes gegen die grundlegenden Vorsichtsmaßregeln nicht hinnehmbar.

27

Die Waffenbesitzkarte der Klägerin war danach zwingend zu widerrufen, § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht erkennbar. Insbesondere ist es unerheblich, ob und in welchem Umfang durch den Verstoß im Einzelfall eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit eingetreten ist. Jeder Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften berührt zugleich die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit, jedenfalls im Sinne einer abstrakten Gefährdung (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 7.5.2014, 4 Bs 19/14, n.v.; VGH München, Beschl. v. 2.10.2013, 21 CS 13.1564, juris – Rn. 12). Insofern kam es auch auf das Maß der Sicherung und Überwachung der Wohnung und des Grundstücks der Klägerin nicht an und es bedurfte keiner hierauf bezogenen, von der Klägerin angeregten Beweiserhebung. Soweit die Klägerin auf die Möglichkeit der Verhängung von nachträglichen Auflagen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 WaffG) als milderes Mittel hinweist, ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit nur im Zusammenhang mit einer bereits erteilten Erlaubnis zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorsieht und damit das Bestehen der erforderlichen Zuverlässigkeit voraussetzt. Die Sicherung oder Durchsetzung der persönlichen Anforderungen an den Waffenerlaubnisinhaber nach §§ 5, ff. WaffG ist damit nicht möglich (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 4.11.2014, 4 K 172/14, n.v.). Nicht entscheidend und im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ohne Belang ist schließlich auch, dass sich die Klägerin bis zu dem am 7. August 2014 festgestellten Verstoß in waffen- und jagdrechtlicher Hinsicht ohne Beanstandung verhalten hat. Dieses Verhalten setzt das Gesetz nämlich voraus (VG Hamburg, Urt. v. 4.11.2014, 4 K 172/14, n.v.).

28

2. Die Verfügung der Beklagten ist auch rechtmäßig, soweit der am 9. April 2013 ausgestellte und bis zum 31. März 2016 gültige Jagdschein für ungültig erklärt wurde. Rechtsgrundlage für die Anordnung ist § 18 Satz 1 BJagdG. Danach ist die Behörde in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG und in den Fällen, in denen nur ein Jugendjagdschein hätte erteilt werden dürfen (§ 16 BJagdG), sowie im Falle der Entziehung gemäß § 41 BJagdG verpflichtet, in den Fällen des § 17 Abs. 2 BJagdG berechtigt, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekanntwerden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der bei der Kontrolle am 7. August 2014 festgestellte Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften stellt eine nachträglich eingetretene Tatsache i.S.d. § 18 Satz 1 BJagdG dar. Diese begründet die Versagung des Jagdscheins. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 WaffG darf ein Jagdschein – mit Ausnahme des Falknerjagdscheins nach § 15 Abs. 7 BJagdG – nicht erteilt werden, wenn die Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG fehlt. Der Klägerin fehlt – wie ausgeführt – die Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG.

29

3. Die weitere Anordnung der Beklagten, die im Besitz der Klägerin befindlichen Erlaubnisdokumente, die Waffenbesitzkarte Nr. ... und den Jagdschein Nr. ..., zurückzugeben, ist ebenfalls rechtmäßig. Im Hinblick auf die Waffenbesitzkarte sieht § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG vor, dass der Inhaber alle Ausfertigungen der Erlaubnisurkunde der zuständigen Behörde unverzüglich zurückzugeben hat, wenn Erlaubnisse zurückgenommen oder widerrufen werden. Im Hinblick auf den Jagdschein ergibt sich dieselbe Pflicht aus § 18 Satz 1 BJagdG (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 3.4.2009, W 5 S 09.163, juris – Rn. 17). Dass die Beklagte die Anordnung der Rückgabe im Bescheid vom 4. Februar 2015 auf § 52 Satz 1 HmbVwVfG stützte, schadet im Hinblick auf die strengeren Anforderungen des § 18 Satz 1 BJagdG, der im Gegensatz zu § 52 Satz 1 HmbVwVfG kein Ermessen einräumt, nicht.

30

4. Schließlich ist die Verfügung der Beklagten auch insoweit rechtmäßig, als sie der Klägerin aufgibt, die in ihrem Besitz befindlichen Waffen nebst zugehöriger Munition unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen. Rechtsgrundlage für die Anordnung ist § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Hat danach jemand auf Grund einer Erlaubnis, die zurückgenommen, widerrufen oder erloschen ist, Waffen oder Munition erworben oder befugt besessen, und besitzt er sie noch, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass er binnen angemessener Frist die Waffen oder Munition dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt und den Nachweis darüber gegenüber der Behörde führt. Aufgrund des rechtmäßigen Widerrufs der Waffenbesitzkarte der Klägerin war die Beklagte berechtigt, die Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu treffen. Das ihr hierbei eingeräumte Ermessen hat sie erkennbar und rechtsfehlerfrei nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO ausgeübt. In Fällen, in denen – wie hier – der Widerruf der Waffenbesitzkarte erfolgt ist, ist eine andere Entscheidung als die, die weitere Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die im Besitz befindlichen Waffen zu unterbinden, kaum denkbar, weshalb die Anforderungen an die Begründungspflicht entsprechend gering sind (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2010, 4 K 3611/09, juris – Rn. 37; VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 9.12.2014, B 1 K 14.297, juris – Rn. 39).

II.

31

Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus § 154 Abs. 1 VwGO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

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