Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (17. Kammer) - 17 K 2383/19

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger Zugang zur Machbarkeitsstudie zum barrierefreien Ausbau der Hochbahnhaltestelle „Sierichstraße“ in Hamburg – unter Schwärzung etwaiger persönlicher Daten – zu gewähren.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die beklagte Hamburger Hochbahn AG verpflichtet war, ihm die Machbarkeitsstudie zum barrierefreien Ausbau einer U-Bahn-Haltestelle in Hamburg zur Verfügung zu stellen.

2

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, deren Gegenstand die Versorgung Hamburgs sowie des Hamburger Umlands mit Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs ist. Hierzu gehören u.a. die Errichtung und der Betrieb von Schnellbahnen. Alleinige Aktionärin der Beklagten ist die HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement GmbH, deren alleinige Gesellschafterin wiederum die Freie und Hansestadt Hamburg ist.

3

Der Kläger sendete am 11. Januar 2019 eine Mitteilung über das Internetportal „FragDenStaat“ an die Beklagte, in der er diese aufforderte, ihm „die Machbarkeitsstudie zum barrierefreien Ausbau der Hochbahnhaltestelle Sierichstraße, erwähnt in der Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage (Drucksache 21/13029)“ zuzusenden.

4

Die Beklagte teilte dem Kläger über dasselbe Portal am 5. Februar 2019 mit, dass sie der Aufforderung nicht nachkommen werde. Zur Begründung führte sie aus, dass die Machbarkeitsstudie nicht die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bzw. die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen i.S.d. § 2 Abs. 3 Hs. 2 HmbTG betreffe. Bei solch vorbereitenden technischen Planungen handele es sich um bloße innerbetriebliche Überlegungen ohne Berührungspunkte zu Aufgaben der Daseinsvorsorge. Insb. fehle es an einer unmittelbaren Betroffenheit der Bürger, da sich Auswirkungen auf Dritte erst im Zusammenhang mit der tatsächlichen Umsetzung der Maßnahme ergäben. Eine Auseinandersetzung mit solchen Auswirkungen finde etwa in einem öffentlichen Planfeststellungsverfahren statt.

5

Mit erneuter Mitteilung vom 27. Februar 2019 bat der Kläger die Beklagte, die „Position zur Machbarkeitsstudie Sierichstraße zu überdenken oder alternativ mitzuteilen, dass die Hochbahn an ihrer Rechtsauffassung festhält“. Zur Begründung verwies der Kläger auf eine Stellungnahme des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) hinsichtlich der Machbarkeitsstudie zum barrierefreien Ausbau der U-Bahn-Haltestelle Sternschanze, deren Herausgabe an einen dritten Antragsteller die Beklagte zuvor mit wortlautidentischer Begründung wie im streitgegenständlichen Fall abgelehnt hatte. Darin führte der HmbBfDI aus, dass die Beklagte im Zusammenhang mit der Erstellung der entsprechenden Machbarkeitsstudie eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrnehme. Diese widme sich nämlich der Frage, inwieweit sich eine Verfügbarkeit der Haltestelle als Bestandteil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) für mobilitätseingeschränkte Menschen erreichen lässt. Für Einzelheiten der Mitteilung sowie der betreffenden Stellungnahme des HmbBfDI wird auf Bl. 21 bzw. 28 f. d. A. Bezug genommen.

6

Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger am 11. März 2019 mit, sie werde ihre Entscheidung in einem Widerspruchsverfahren überprüfen, sofern der Kläger gegen die „Mitteilung“ vom 4. Februar 2019 Widerspruch erhebe. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens sei jedoch nur möglich, wenn der Kläger der Beklagten eine zustellungsfähige Anschrift mitteile. Hierauf erwiderte der Kläger am 16. März 2019 unter Mitteilung seiner Anschrift, dass bereits seine Mitteilung vom 27. Februar 2019 als Widerspruch anzusehen sei.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und erteilt dem Kläger die „Rechtsmittelbelehrung“, dass „gegen den Bescheid vom 04.02.2019“ innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Klage erhoben werden könne. Die Beklagte veranlasste die Zustellung per Einschreiben mit Rückschein, das nach erfolglosem Zustellungsversuch am 20. April 2019 in einer Postfiliale hinterlegt und vom Kläger am 23. April 2019 dort abgeholt wurde.

8

Mit seiner Klage, die am 20. Mai 2019 bei Gericht eingegangen ist, hat der Kläger zunächst begehrt, die Beklagte zu verpflichten, ihm Zugang zur Machbarkeitsstudie zu gewähren. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 2. Juli 2019 den Prozessbevollmächtigten des Klägers die Machbarkeitsstudie „ohne Präjudiz zur Sach- und Rechtslage“ zur Weitergabe an den Kläger übersandt hat, begehrt der Kläger nunmehr die Feststellung, dass die Beklagte hierzu verpflichtet gewesen sei.

9

Der Kläger meint, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Er sei auch zukünftig daran interessiert, Machbarkeitsstudien zum barrierefreien Ausbau weiterer Haltestellen zur Verfügung gestellt zu bekommen, insb. jene zur Haltestelle Sternschanze, die er regelmäßig frequentiere. Ferner habe die Beklagte – was zutrifft – nicht nur streitgegenständlichen Auskunftsantrag und jenen zur Haltestelle Sternschanze, sondern auch mindestens zwei weitere Auskunftsanträge (bzgl. einer Vereinbarung zwischen der Beklagten und Google zur Nutzung der Fahrplanauskunft der Plattform „Google Maps“ bzw. etwaiger interner Richtlinien der Beklagten zum Umgang mit Anfragen nach dem HmbTG) mit identischer Begründung abgelehnt.

10

Die Klage sei auch begründet, da ein Auskunftsanspruch aus § 1 Abs. 2 HmbTG bestanden habe. Die Machbarkeitsstudie sei tauglicher Anspruchsgegenstand nach § 2 Abs. 3 Hs. 2 HmbTG; die Beklagte habe diese in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe anfertigen lassen, nämlich der Bereitstellung von Infrastruktur für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

11

Der Kläger beantragt,

12

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger Zugang zur Machbarkeitsstudie zum barrierefreien Ausbau der Hochbahnhaltestelle „Sierichstraße“ in Hamburg – unter Schwärzung etwaiger personenbezogener Daten – zu gewähren.

13

Die Beklagte hat den Klageanspruch in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2020 anerkannt und erklärt, sie sichere zu, Machbarkeitsstudien zum barrierefreien Ausbau in Zukunft auf Antrag herauszugeben.

14

Die Kammer hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 5. November 2019 vorab die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ausgesprochen.

15

Mit Beschluss vom 12. Dezember 2019 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

I.

16

Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter als Einzelrichter, da die Kammer ihm den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO übertragen hat.

II.

17

Der Übergang des Klägers vom Verpflichtungs- auf ein Feststellungsbegehren ist als bloße Beschränkung des Klageantrags ohne Änderung des Klagegrundes gemäß § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässig (BVerwG, Urt. v. 19.08.1982, 3 C 4/82, juris, Rn. 28; BVerwG, Urt. v. 22.01.1998, 2 C 4/97, juris, Rn. 17).

III.

18

Die Beklagte war nach § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 307 S. 1 ZPO gemäß ihrem Anerkenntnis zu verurteilen. Die Regelungen der ZPO über die Zulässigkeit eines Anerkenntnisurteils sind im Verwaltungsprozess jedenfalls im Falle eines Feststellungsbegehrens entsprechend anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 27.09.2017, 8 C 21/16, juris, Rn. 4).

19

1. Die Klage ist, wie es auch der Erlass eines Anerkenntnisurteils erfordert (BVerwG, a.a.O., Rn. 6), zulässig.

20

a) Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Dies hat die Kammer bereits vorab mit rechtskräftigem Beschluss vom 5. Dezember 2019 ausgesprochen. Zwischenzeitlich hat auch das Hamburgische Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Rechte und Pflichten, die das Hamburgische Transparenzgesetz begründet, öffentliches Sonderrecht sind, da das Hamburgische Transparenzgesetz nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 und 5 HmbTG nur Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg und diesen nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz gleichgestellte juristische Personen des Privatrechts als Träger hoheitlicher Gewalt verpflichtet (OVG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2018, 3 So 82/19, n.v.). Entgegen der ursprünglichen Auffassung der Beklagten hängt die Rechtsnatur der Streitigkeit und damit die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs weder davon ab, ob die Beklagte ihre Entscheidung über die Gewährung des Informationszugangs in der Form eines Verwaltungsakts treffen kann, noch davon, ob bestimmte verwaltungsgerichtliche Klagearten zur Verfolgung des konkreten Klagebegehrens statthaft sind.

21

b) Welche verwaltungsprozessuale Klageart für das Feststellungsbegehren des Klägers statthaft ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da lediglich solche Klagearten infrage kommen, deren besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt sind.

22

Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass eine mögliche Unstatthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage entgegen der ursprünglichen Auffassung der Beklagten nicht zur Unzulässigkeit der Klage führt. Die statthafte Klageart richtet sich nämlich allein nach dem Klagebegehren (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Vorb § 40 Rn. 3). Bei dessen Ermittlung ist das Gericht gemäß § 88 VwGO an den Klageantrag nicht gebunden. Insb. kann das Gericht eine erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlichenfalls in eine allg. Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO umdeuten (BVerwG, Urt. v. 21.11.1980, 7 C 18/79, juris, Rn. 17).

23

Sollte die Auskunftserteilung durch die Beklagte nach dem HmbTG einen Verwaltungsakt darstellen (so VG Hamburg, Urt. v. 10.12.2014, 17 K 1679/14, S. 7 f.), wäre – infolge der Erledigung des Auskunftsbegehrens durch die erfolgte Zugänglichmachung der Machbarkeitsstudie nach Klageerhebung – analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage als fortgesetzte Verpflichtungsklage statthaft (statt aller BVerwG, Urt. v. 24.01.1992, 7 C 24/91, juris, Rn. 7).

24

Sofern man der Beklagten die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten absprechen wollte, da diese als juristische Person des Privatrechts, die zur Durchführung ihrer Aufgaben im Bereich des ÖPNV auch nicht beliehen ist, keine Behörde i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG bzw. § 35 S. 1 HmbVwVfG ist (so Maatsch/Schnabel, HmbTG, 1. Aufl. 2015, § 1 Rn. 23 sowie § 13 Rn. 10, jeweils m.w.N.), hätte der Kläger das Auskunftsbegehren vor der Erledigung lediglich mit der allg. Leistungsklage verfolgen können. Ob die Feststellung der Leistungsverpflichtung in diesem Fall ebenfalls mittels Fortsetzungsfeststellungsklage oder aber mit einer allg. Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO zu verfolgen ist, ist umstritten; das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage bislang offengelassen (BVerwG, Urt. v. 08.12.1995, 8 C 37/93, juris, Rn. 21 m.w.N.). Die Annahme einer Fortsetzungsfeststellungsklage wäre in diesem Fall auch nicht deswegen zwingend geboten, weil die Beklagte mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens und einer erneuten Sachentscheidung durch Widerspruchsbescheid jedenfalls den Anschein eines Handelns durch Verwaltungsakt gesetzt hat. In diesem Falle hätte der Kläger zwar möglicherweise neben der allg. Leistungsklage auf Auskunftserteilung eine Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Scheinverwaltungsakt erheben können (vgl. für den Fall einer rechtswidrigen Bescheidung eines einfachen Leistungsbegehrens durch Verwaltungsakt VGH Mannheim, Urt. v. 01.06.1990, 8 S 637/90, juris, Rn. 18 ff.), um dem Rechtsschein einer bestandskräftigen Ablehnung entgegenzutreten. An der Beseitigung eines solchen Rechtsscheins, der ohnehin nur die Ablehnung und nicht die positive Pflicht zur Erteilung beträfe, hat der Kläger hier jedoch angesichts der Erteilung der begehrten Auskunft kein schützenswertes Interesse. Sollte demnach die allg. Feststellungsklage einschlägig sein, würde die fragliche Verpflichtung der Beklagten aus § 1 Abs. 2 HmbTG, dem Kläger Zugang zu der Machbarkeitsstudie zu gewähren, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligen aufgrund eines konkreten Sachverhalts sowie einer konkreten Rechtsnorm darstellen. Dem steht auch die tatsächliche Erledigung der Verpflichtung nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.1988, 7 C 115/86, juris, Rn. 26).

25

c) Schließlich sind sowohl die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch jene der allg. Feststellungsklage erfüllt. Insbesondere verfügt der Kläger über das notwendige Feststellungsinteresse.

26

Ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist nach st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts etwa dann gegeben, wenn eine hinreichende bestimmte Gefahr besteht, dass künftig unter im Wesentlichen unveränderten rechtlichen und tatsächlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt erlassen bzw. ein begehrter Verwaltungsakt erneut abgelehnt wird (statt aller BVerwG, Urt. v. 18.12.2007, 6 C 47/06, juris, Rn. 13). Diese Grundsätze gelten für das berechtigte Interesse im Rahmen der allg. Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO bei erledigten Rechtsverhältnissen entsprechend (BVerwG, Urt. v. 03.11.1988, 7 C 115/86, juris, Rn. 26).

27

Eine solche Wiederholungsgefahr ist vorliegend gegeben. Der Kläger hat hinreichend konkret dargelegt, dass er auch zukünftig beabsichtigt, Auskunftsanträge nach dem HmbTG an die Beklagte zu richten – darunter gerade auch solche, die auf die Gewährung des Zugangs zu Machbarkeitsstudien zum barrierefreien Ausbau weiterer Hochbahnhaltestellen wie etwa der Haltestelle Sternschanze gerichtet sind. Auch dürften hierbei die maßgeblichen Umstände in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen unverändert fortbestehen. Entgegen der ursprünglichen Auffassung der Beklagten ist insoweit unerheblich, ob die jeweiligen Machbarkeitsstudien ihrerseits gleichartig oder vielmehr im Einzelfall höchst unterschiedlich angelegt sind. Eine relevante Wiederholungsgefahr setzt nämlich nicht voraus, dass dem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen werden. Vielmehr ist kommt es darauf an, ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen künftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften geklärt werden können (BVerwG, Urt. v. 03.11.1988, 7 C 115/86, juris, Rn. 26). Dies ist hier der Fall. Insb. ist nicht ersichtlich, wie sich Inhalt und Aufbau einer bestimmten Machbarkeitsstudie zum barrierefreien Ausbau von Haltestellen auf die Beantwortung der vorliegend entscheidungserheblichen Frage auswirken sollen, ob die Beklagte hierbei in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe handelt und somit grds. gemäß § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 Hs. 2 HmbTG auskunftspflichtig ist.

28

Das Feststellungsinteresse des Klägers ist auch nicht durch das seitens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärte Anerkenntnis entfallen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Rechtsstellung des Klägers durch eine gerichtliche Entscheidung nicht verbessert werden kann und der Entscheidung etwa deswegen keine eigenständige Funktion zukommt, weil die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns unzweifelhaft feststeht und zwischen den Beteiligten unstreitig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.2007, 1 C 1/06, juris, Rn. 18; BVerwG, Beschl. v. 23.11.1995, 8 C 9/95, juris, Rn. 6). Anders liegt der Fall jedoch, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit ihres Handelns nicht separat und mit Außenwirkung ausspricht, sondern ihre diesbezügliche Erklärung lediglich in ein prozessuales Anerkenntnis kleidet (VGH Kassel, Beschl. v. 28.01.2019, 8 A 106/15, juris, Rn. 40). Fiele in einem solchen Fall des Feststellungsinteresse weg, könnte die Behörde auf diesem Weg die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit ihres Handelns unterbinden; ihre Erklärung bliebe lediglich als prozessuales Beteiligtenvorbringen in der Welt, das keine Bindungswirkung zugunsten des Betroffenen i.S.d. § 121 VwGO auslöst (VGH Kassel, ebenda). Eben dies ist hier der Fall; die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung sogar ausdrücklich erklärt, dass die maßgebliche Rechtsfrage, ob ihre Machbarkeitsstudien dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 Hs. 2 HmbTG unterfielen, für sie weiterhin nicht geklärt sei.

29

2. Der Klage war bereits aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten gemäß § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 307 S. 1 ZPO stattzugeben. Sie ist jedoch auch in der Sache begründet. Die Beklagte war gemäß § 1 Abs. 2 Alt. 1 HmbTG verpflichtet, dem Kläger im begehrten Umfang Zugang zur Machbarkeitsstudie zum barrierefreien Ausbau der Hochbahnhaltestelle Sierichstraße zu gewähren. Demnach hat jede Person nach Maßgabe des HmbTG Anspruch auf unverzüglichen Zugang zu allen Informationen der auskunftspflichtigen Stellen.

30

a) Der über das Internetportal „FragDenStaat“ gestellte Antrag des Klägers entsprach den formellen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 und 2 HmbTG.

31

b) Auch stellte die Machbarkeitsstudie eine (amtliche) Information i.S.d. § 2 Abs. 1 HmbTG, nämlich eine bei der Beklagten vorhandene Aufzeichnung, dar.

32

c) Die Beklagte war im vorliegenden Fall auch auskunftspflichtige Stelle. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 5 S. 2, Abs. 3 Hs. 2 HmbTG. Auskunftspflichtig sind demnach auch natürliche und juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben, insbesondere solche der Daseinsvorsorge, wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei der Kontrolle der Freien und Hansestadt Hamburg oder einer unter ihrer Aufsicht stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend in der Person der Beklagten erfüllt.

33

aa) Die Beklagte ist als Aktiengesellschaft gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AktG eine juristische Person des Privatrechts. Gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 HmbTG unterliegt sie der Kontrolle der Freien und Hansestadt Hamburg, da diese mittelbar über die HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement GmbH Alleingesellschafterin der Beklagten ist.

34

bb) Sodann betraf die Machbarkeitsstudie auch die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch die Beklagte. Der Begriff der öffentlichen Aufgabe, der an § 2 Abs. 1 Nr. 2 UIG angelehnt ist (vgl. die Gesetzesbegründung, Bü-Drs. 20/4466, S. 13), dient dazu, solche Informationen von der Auskunftspflicht auszunehmen, die Betätigungsfelder des Privaten betreffen, die ausschließlich privaten Zwecken dienen (Maatsch/Schnabel, a.a.O., § 2 Rn. 21, 34). Erfasst sind demgegenüber alle Tätigkeiten mit Gemeinwohlbezug, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt (Maatsch/Schnabel, a.a.O., § 2 Rn. 21; zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 UIG vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 90. EL 06/2019, § 2 UIG Rn. 21). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das HmbTG darauf abzielt, eine umfassende Kontrolle staatlichen Handelns zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1 HmbTG). § 2 Abs. 3 S. 2 HmbTG soll dementsprechend einer „Flucht des Staates vor der Informationsfreiheit ins Privatrecht“ vorbeugen (Maatsch/Schnabel, a.a.O., § 2 Rn. 18).

35

Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte in Bezug auf die Beauftragung und Anfertigung der Machbarkeitsstudie eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen. Satzungsmäßiger Gegenstand der Tätigkeit der Beklagten ist die Versorgung der Freien und Hansestadt Hamburg sowie ihres Umlands mit öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV). Der ÖPNV ist Teil der Daseinsvorsorge (§ 1 Abs. 1 RegG, vgl. auch § 2 Abs. 10 Hs. 2 HmbTG), dient also öffentlichen Interessen. Dass die Beklagte darüber hinaus weitere geschäftliche Tätigkeiten zu genuin privaten Zwecken ohne unmittelbaren Zusammenhang zum ÖPNV ausüben würde, ist nicht ersichtlich. Auch die Beauftragung und Anfertigung der Machbarkeitsstudie war der Tätigkeit der Beklagten im Bereich des ÖPNV im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg zuzurechnen. Zu dieser Tätigkeit gehört nämlich insb. der Betrieb der Hamburger U-Bahn, der u.a. die Gewährleistung einer möglichst uneingeschränkten Benutzungstauglichkeit der vorhandenen Haltestellen umfasst. Dies beinhaltet nach heutigem Verständnis – vor dem Hintergrund des demographischen Wandels sowie der steigenden gesellschaftlichen Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkung – die Schaffung und Aufrechterhaltung eines barrierefreien Zugangs von der Straße zur U-Bahn. Die Machbarkeitsstudie diente unmittelbar dem Zweck, die Umsetzbarkeit eines barrierefreien Ausbaus der betreffenden Haltestelle zu prüfen, und somit letztlich der Verwirklichung der Barrierefreiheit als solcher. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dies nicht der originären Tätigkeit der Beklagten im Bereich des ÖPNV, sondern einer nicht näher bezeichneten Geschäftstätigkeit zu sonstigen, rein privaten Zwecken zuzurechnen sein sollte. Vielmehr ist die Beklagte hiermit ihrer öffentlichen Verantwortung nachgekommen, die sich aus der in § 8 Abs. 3 S. 3 PBefG ausdrücklich formulierten Zielvorgabe, bis zum 01.01.2022 die vollständige Barrierefreiheit des ÖPNV zu erreichen, ergibt.

36

Entgegen der Auffassung der Beklagten entfällt der Charakter einer öffentlichen Aufgabe auch nicht deshalb, weil Machbarkeitsstudien auch in privatwirtschaftlichen Bereichen, die keinen Bezug zu öffentlichen Aufgaben aufweisen, üblich sind. Auch unmittelbar staatliche Stellen dürften sich im Rahmen der Planung von Vorhaben vielfach des Instruments der Machbarkeitsstudie bedienen, was dem staatlichen Handeln ebenfalls keinen privaten Charakter verliehe.

37

Ferner kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Machbarkeitsstudie die „Schaffung oder Bereitstellung von Infrastruktur“ i.S.d. § 2 Abs. 10 Hs. 1 HmbTG zum Gegenstand hat oder den „Gutachten und Studien“ i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 8 HmbTG unterfällt. Dies betrifft allein die Frage einer Veröffentlichungspflicht der Beklagten gemäß § 3 Abs. 1 HmbTG, während der hier streitgegenständlichen Auskunftspflicht, wie § 3 Abs. 3 HmbTG ausdrücklich klarstellt, auch alle anderen Informationen unterliegen können.

38

Schließlich ist das Vorliegen einer öffentlichen Aufgabe entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deswegen zu verneinen, weil es sich bei der Beauftragung und Anfertigung der Machbarkeitsstudie um einen rein administrativen Vorgang der Beklagten handele, der keinen unmittelbaren Bezug zu den Bürgerinnen und Bürgern der Freien und Hansestadt Hamburg aufweise. Insoweit kann dahinstehen, ob ein solcher unmittelbarer Bezug hier tatsächlich fehlt. Für das Vorliegen einer öffentlichen Aufgabe i.S.d. § 2 Abs. 3 Hs. 2 HmbTG ist dieser nämlich nicht erforderlich.

39

Eine entsprechende Einschränkung ergibt sich zunächst nicht aus der von der Kammer in einer früheren Entscheidung geäußerten Auffassung, wonach ein Informationsanspruch gegenüber privaten Unternehmen nach dem HmbTG ein „spezifisches öffentliches Interesse“ sowie eine „Vergleichbarkeit mit [staatlichem] Handeln“ voraussetze (VG Hamburg, Urt. v. 10.12.2014, 17 K 1679/14, S. 10 f.). Die dortigen Ausführungen betrafen allein die Frage, ob das Aufstellen eines Sammelcontainers für Alttextilien durch ein im sozialen Wohnungsbau tätiges Unternehmen der Abfallentsorgung als Bestandteil der Daseinsvorsorge i.S.d. § 2 Abs. 10 S. 2 HmbTG zuzurechnen sei. Dies verneinte die Kammer mit der Begründung, dass die Sammlung von Alttextilien zum Zwecke der Wiederverwendung qualitativ anderen Interessen diene als die Abfallbewirtschaftung durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und daher mit dieser nicht vergleichbar sei (ebd.). Eine Aussage über ein etwaiges Erfordernis eines unmittelbaren Bezugs einer bestimmten Tätigkeit zum Bürger ist diesen Erwägungen hingegen nicht zu entnehmen.

40

Eine entsprechende einschränkende Auslegung des Begriffs der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe in § 2 Abs. 3 Hs. 2 HmbTG ist auch im Übrigen nicht geboten.

41

Das HmbTG begründet ein Informationsrecht für jedermann, das nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 HmbTG sämtliche bei einer auskunftspflichtigen Stelle vorhandenen Informationen umfasst. Dieses fußt ausweislich der amtlichen Begründung auf dem Grundgedanken eines generellen Transparenzgebots für die öffentliche Verwaltung (Bü-Drs. 20/4466, S. 13). Damit geht einher, dass vermeintlich rein interne Vorgänge vom Informationsrecht nicht grds. ausgenommen sein können. Dies ergibt sich zudem ausdrücklich aus § 3 Abs. 1 HmbTG, der für diverse Arten von Informationen, die unzweifelhaft rein „behördeninternen“ Charakter haben, sogar eine über die bloße Auskunftspflicht hinausgehende, vom Vorliegen eines Auskunftsantrags unabhängige Veröffentlichungspflicht normiert. Dass der Informationsanspruch des Einzelnen nicht an eine etwaige Außenwirkung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern als Dritten geknüpft sein soll, steht schließlich auch im Einklang damit, dass die Darlegung einer eigenen Betroffenheit oder eines sonstigen berechtigten Individualinteresses an der Kenntnis des jeweiligen Vorgangs ausweislich der amtlichen Begründung des HmbTG gerade nicht erforderlich ist (ebd.).

42

§ 2 Abs. 3 Hs. 2 HmbTG soll diesen umfassenden Informationsanspruch, wie bereits ausgeführt, insoweit einschränken, als dass er solche Informationen ausnimmt, die nicht die öffentlichen Zwecken dienende Geschäftstätigkeit des Privaten, sondern ein mögliches sonstiges, genuin privatwirtschaftliches Betätigungsfeld betreffen (vgl. Maatsch/Schnabel, a.a.O., § 2 Rn. 21, 34). Ob eine Tätigkeit öffentlichen oder privaten Zwecken dient, hängt jedoch ersichtlich nicht davon ab, ob sie eine unmittelbare Wirkung auf Bürgerinnen und Bürger entfaltet. Auch sonst lässt sich § 2 Abs. 3 Hs. 2 HmbTG nicht entnehmen, dass der Private im Bereich seiner öffentlichen Zwecken dienenden Tätigkeit nicht ebenso wie unmittelbar staatliche Stellen umfassend informationspflichtig sein sollte. Vielmehr würde eine solche Auslegung eben jene „Flucht des Staates vor der Informationsfreiheit ins Privatrecht“ ermöglichen, der § 2 Abs. 3 S. 2 HmbTG gerade vorbeugen soll (Maatsch/Schnabel, a.a.O., § 2 Rn. 18).

43

Entgegen der Auffassung der Beklagten unterliegt ihre Planungstätigkeit daher gerade nicht erst dann öffentlicher Kontrolle, wenn die Planung so fortgeschritten ist, dass ein entsprechendes Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden kann. Ein Planfeststellungsverfahren, das jeder Vorhabenträger unabhängig von einer etwaigen Informationspflicht nach dem HmbTG durchzuführen hat, dient dem Ausgleich der durch ein bereits konkret formuliertes Vorhaben betroffenen öffentlichen und privaten Belange (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 72 Rn. 4). Die Informationspflicht nach dem HmbTG soll hingegen die umfassende Transparenz der öffentlichen Planungstätigkeit gewährleisten und Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von einer individuellen Betroffenheit ermöglichen, auf die Entwicklung des Vorhabens Einfluss zu nehmen. Dies setzt voraus, dass die Informationspflicht auch das Stadium bloßer „Vorüberlegungen“ erfasst, in dem gerade die entscheidenden Weichenstellungen dafür erfolgen, ob und ggf. wie das Vorhaben letztlich verfolgt wird.

IV.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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