Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (3. Kammer) - 3 K 2012/20

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, sie für den Zeitraum von Juli 2018 bis Juli 2019 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.

2

Die Klägerin ist mit ihrer Hauptwohnung in der Gemeinde XXX seit dem 1.8.2011 gemeldet. Diese Wohnung bewohnt sie nach eigenen Angaben zusammen mit ihrem Lebensgefährten, mit welchem sie nicht verheiratet ist. Außerdem unterhält die Klägerin seit dem 1.6.2013 eine Nebenwohnung in YYY. Für die Hauptwohnung entrichtete zunächst der Lebensgefährte der Klägerin den Rundfunkbeitrag unter der ihm zugeteilten Beitragsnummer. Die Klägerin entrichtete unter der ihr zugeteilten Beitragsnummer (...) den Rundfunkbeitrag für ihre Nebenwohnung in YYY.

3

Am 9.11.2018 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für ihre Nebenwohnung und fügte ihrem Antrag entsprechende Meldebescheinigungen der YYY sowie der Gemeinde XXX bei. Den Befreiungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21.5.2019 ab. Zur Begründung führte er aus, eine Befreiung setze voraus, dass beide Wohnungen auf die Klägerin angemeldet seien. Dies sei im Falle der Klägerin nicht gegeben.

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Gegen den Bescheid des Beklagten erhob die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.6.2019 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, sie entrichte den für ihre Hauptwohnung anfallenden Rundfunkbeitrag zusammen mit ihrem Lebensgefährten. Unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2018 stehe ihr ein Befreiungsanspruch zu. Sie verfüge nachweislich über eine Haupt- und eine Nebenwohnung. Eine Heranziehung zum Rundfunkbeitrag für beide Wohnungen verstoße gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Belastungsgleichheit. Darauf, ob sie Inhaberin der genannten Wohnungen sei, komme es nicht an. Das Bundesverfassungsgericht habe lediglich ausgeführt, dass von einer Befreiung abgesehen werden könne, wenn ein Zweitwohnungsinhaber die Entrichtung eines vollen Rundfunkbeitrags für eine Erstwohnung durch sich selbst nicht nachwiese. Von dieser Möglichkeit habe der Gesetzgeber aber keinen Gebrauch gemacht, so dass entsprechende Befreiungsanträge nicht abgelehnt werden dürften.

5

Unter dem 23.6.2019 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass das Beitragskonto für die von ihr und ihrem Lebensgefährten in XXX bewohnte Hauptwohnung auf ihren Namen geführt werden solle. Der Lebensgefährte der Klägerin erklärte gegenüber dem Beitragsservice schriftlich seine Zustimmung hierzu. Der Beklagte entsprach diesem Ansinnen und meldete die Hauptwohnung der Klägerin ihrem Beitragskonto mit Wirkung ab dem 1.8.2019 hinzu.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 3.4.2020, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 9.4.2020, befreite der Beklagte die Klägerin unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 21.5.2019 mit Wirkung ab dem 1.8.2019 unbefristet von der Rundfunkbeitragspflicht für ihre Nebenwohnung in YYY. Nachdem die Hauptwohnung der Klägerin ihrem Beitragskonto mit Wirkung ab dem 1.8.2019 hinzugemeldet worden sei, erfülle die Klägerin ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Für den Zeitraum vor dem 1.8.2019 könne eine Befreiung nicht gewährt werden, da die Klägerin insoweit nicht zur Zahlung für mehr als eine Wohnung herangezogen worden sei. Hieran ändere es auch nichts, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte den Rundfunkbeitrag für die gemeinsame Hauptwohnung im Innenverhältnis anteilig gezahlt hätten. Maßgeblich sei allein, wer im Außenverhältnis Beitragsschuldner für eine Wohnung sei. Nur derjenige werde auch zum Rundfunkbeitrag herangezogen.

7

Am 11.5.2020, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben, mit welcher sie das Ziel verfolgt, auch für die Zeit von Juli 2018 bis Juli 2019 von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung befreit zu werden. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend verweist sie auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 4.6.2019 (Az. 2 A 364/19 HGW), wonach eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht auch zu gewähren sei, wenn Haupt- und Nebenwohnung jeweils von Ehegatten gemeinschaftlich bewohnt werden. Eine Unterscheidung danach, welcher von mehreren Inhabern einer Wohnung den Rundfunkbeitrag zahlt, sei nicht geboten. Diese Ansicht sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Auf die Frage, ob die Klägerin und ihr Lebensgefährte verheiratet seien, komme es nicht an, da dies für die Frage einer Doppelbelastung keine Rolle spiele.

8

Die Klägerin beantragt (wörtlich):

9

Der Bescheid des Beklagten vom 21.05.2019, in Form des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2020, wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin für den Zeitraum vor dem 01.08.2019 von der Rundfunkbeitragspflicht zur Beitragsnummer zu befreien.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Eine Befreiung für den in Rede stehenden Zeitraum könne der Klägerin nicht gewährt werden. Voraussetzung einer solchen sei, dass Haupt- und Nebenwohnung beim Beitragsservice auf den jeweiligen Antragsteller angemeldet seien und dieser auch für beide Wohnungen den Rundfunkbeitrag entrichte. Diese Voraussetzung habe die Klägerin erst ab dem 1.8.2019 erfüllt. Zuvor sei ihr Lebensgefährte zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags für die gemeinsam mit der Klägerin bewohnte Hauptwohnung in XXX verpflichtet gewesen und die Klägerin zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags für ihre Nebenwohnung in YYY. Nur für die letztgenannte Wohnung sei die Klägerin auch zur Zahlung des Rundfunkbeitrags herangezogen worden. Dies stehe in Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2018, wonach Zweitwohnungsinhaber, die für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrags herangezogen worden seien, für den gleichen Vorteil nicht mehrfach heranzuziehen seien, da dies gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Der vorliegende Fall sei anders gelagert, da bis zum 31.7.2019 der Lebensgefährte der Klägerin zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags für die Haupt- und die Klägerin zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags für die Nebenwohnung herangezogen worden sei. Die Klägerin sei demzufolge nicht für denselben Vorteil mehrfach herangezogen worden.

13

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Sachakte des Beklagten Bezug genommen, welche dem Gericht bei seiner Entscheidungsfindung vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe

A.

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Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren gemäß § 101 Abs. 2 VwGO und anstelle der Kammer durch den Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO ergehen, da beide Beteiligte sich mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden erklärt haben. Die Klägerin hat ihre diesbezüglichen Einverständnisse mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.5.2020 und vom 30.10.2020 mitgeteilt. Die Einverständnisse des Beklagten ergeben sich aus dessen Schriftsätzen vom 15.6.2020 und vom 27.10.2020.

B.

15

Der wörtlich formulierte Klageantrag ist vor dem Hintergrund des ansonsten eindeutig erkennbaren Rechtsschutzziels der Klägerin gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die gerichtliche Verpflichtung des Beklagten begehrt, sie für die Zeit von Juli 2018 bis Juli 2019 von der Rundfunkbeitragspflicht für ihre Nebenwohnung in YYY zu befreien. Auch wenn im Klageantrag wörtlich lediglich davon die Rede ist, die Klägerin für „den Zeitraum vor dem 01.08.2019 von der Rundfunkbeitragspflicht“ zu befreien, ergibt sich aus dem sonstigen Vorbringen der Klägerin in eindeutiger Weise, dass sich das Befreiungsbegehren der Klägerin lediglich auf den Zeitraum beginnend ab dem 1.7.2018 bezieht und nicht auf einen noch davor gelagerten Zeitraum. Dies folgt insbesondere aus den Ausführungen zur Begründung der Klage in der Klageschrift vom 11.5.2020, in welcher die Klägerin es ausdrücklich als Verletzung ihrer Rechte bezeichnet, dass ihr für den Zeitraum Juli 2018 bis Juli 2019 keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gewährt wurde (Bl. 5 d. A.). Auch wenn in der wörtlichen Fassung des Klageantrags außerdem auf keine Beitragsnummer – diese ist möglicherweise versehentlich vergessen worden zu erwähnen – und auch nicht auf die Nebenwohnung der Klägerin in YYY Bezug genommen wird, ergibt sich außerdem dennoch mit der notwendigen Eindeutigkeit, dass sich das mit der Klage von der Klägerin verfolgte Befreiungsbegehren nur auf die Nebenwohnung der Klägerin in YYY und nicht etwa auch auf ihre Hauptwohnung in XXX bezieht. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin für die von ihr gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten bewohnte Hauptwohnung nie einen Befreiungsantrag gestellt hat und sich auch ihr sonstiges Vorbringen ausschließlich auf die Nebenwohnung in YYY bezieht.

C.

16

Die so verstandene Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

17

Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere ist sie vor dem Hintergrund der Bestimmungen des § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO innerhalb der einmonatigen Klagefrist nach § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO erhoben worden, da der Tag des Fristablaufs, der 9.5.2020, auf einen Sonnabend fiel.

II.

18

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung der mit der Klage begehrten Befreiung. Dass der Beklagte die Klägerin nicht auch für den vorliegend in Rede stehenden Zeitraum von der Rundfunkbeitragspflicht für ihre Nebenwohnung befreit hat, ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

19

1. Ein (rückwirkender) Befreiungsanspruch der Klägerin für den besagten Zeitraum, dessen Bestehen die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide zur Folge hätte, soweit sie diesen Befreiungsanspruch verneinen, folgt nicht aus § 4a Abs. 1 RBStV. Die dort geregelte Befreiungsmöglichkeit bezieht sich ihrem eindeutigen Wortlaut nach lediglich auf Eheleute sowie eingetragene Lebenspartnerschaften. Beide Voraussetzungen erfüllen die Klägerin und ihr Lebensgefährte nicht bzw. erfüllten diese nicht für den vorliegend allein in Rede stehenden Zeitraum. Die Norm entfaltet darüber hinaus auch keine Rückwirkung, was daraus folgt, dass diese am 1.6.2020 in Kraft getretene Bestimmung zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2018 (1 BvR 1675/16 u.a., juris, dort Nr. 2 und Nr. 3 des Tenors) erlassen worden ist, das Bundesverfassungsgericht in seinem besagten Urteil jedoch gerade nicht die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer rückwirkenden Befreiungsmöglichkeit für sämtliche Inhaber von Nebenwohnungen, die seit dem Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags für eine Haupt- und eine Nebenwohnung Rundfunkbeiträge entrichtet haben, gesehen bzw. eine entsprechende Regelung auch nicht gefordert hat (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 30.7.2019, 2 A 210/19 HGW, juris, Rn. 37), sondern die Notwendigkeit des Bestehens einer rückwirkenden Befreiungsmöglichkeit bewusst nur unter sehr engen – hier nicht erfüllten – Voraussetzungen bejaht hat (VG Hamburg, Urt. v. 9.10.2020, 3 K 2041/20, juris, Rn. 20 ff.).

20

2. Ein rückwirkender Befreiungsanspruch der Klägerin für den besagten Zeitraum, dessen Bestehen die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide zur Folge hätte, soweit sie diesen Befreiungsanspruch verneinen, folgt auch nicht aus der insoweit mit Gesetzeskraft und Bindungswirkung für Behörden und Gerichte ausgestatteten (vgl. § 31 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BVerfGG, VGH München, Beschl. v. 30.4.2020, 7 ZB 20.42, juris, Rn. 9) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2018 (1 BvR 1675/16 u.a., juris). Das Bundesverfassungsgericht hat darin entschieden, dass Zweitwohnungsinhaber für den gleichen Vorteil – die Empfangsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – nicht zweimal herangezogen werden dürfen und dass diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber ihrer Erstwohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nachkommen, auf ihren Antrag hin von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 18.7.2018, 1 BvR 1675 u.a., juris, Rn. 106 ff., 155). Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist Voraussetzung für die – auch vorliegend in Rede stehende – Beitragsfreiheit der Zweitwohnung, dass der Wohnungsinhaber bereits für eine andere Wohnung zum Rundfunkbeitrag herangezogen worden ist (BVerfG, Urt. v. 18.7.2018, 1 BvR 1675 u.a., juris, Rn. 106). Dies ist hier für den fraglichen Zeitraum, auch nach dem ausdrücklichen Vorbringen der Beteiligten, nicht der Fall. Wie auch die Klägerin selbst vorbringt, ist sie im fraglichen Zeitraum selbst lediglich für ihre Nebenwohnung in YYY zum Rundfunkbeitrag herangezogen worden. Für die Hauptwohnung herangezogen wurde hingegen ihr Lebensgefährte unter der ihm zugeteilten Beitragsnummer. Erst zum 1.8.2019 ist dies auf entsprechende Initiative der Klägerin – mit Zustimmung ihres Lebensgefährten – geändert worden. Dass die Klägerin im Innenverhältnis möglicherweise ihrem Lebensgefährten einen Teil der von ihm entrichteten Rundfunkbeitragszahlungen erstattet hat, ist dabei unbeachtlich. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen der Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht nachprüfbar ist und es dementsprechend diesbezüglich schon am vom Bundesverfassungsgericht geforderten „Nachweis“ (vgl. BVerfG, Urt. v. 18.7.2018, 1 BvR 1675 u.a., juris, Rn. 150) dafür mangeln dürfte, dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum ihrer Rundfunkbeitragspflicht für ihre Hauptwohnung nachgekommen ist, ist allein eine solche – ohnehin jederzeit ohne Zustimmung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt änderbare – rein privatrechtliche Abrede zwischen mehreren Nutzern einer Wohnung nicht geeignet, die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags inhaltlich zu bestimmen, und daher auch nicht geeignet, eine Erfüllung der Beitragspflicht gegenüber der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt zu erzeugen bzw. eine befreiende Wirkung für eine der im Innenverhältnis an einer solchen Abrede beteiligten Personen zu begründen (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 26.2.2020, 4 A 271/19, juris, Rn. 38 ff.). Entsprechende Abreden sind im Außenverhältnis nichtig (vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 14.4.2020, 15 A 4353/18, juris, Rn. 31 m.w.N.). Abgesehen davon kann es hierauf auch vor dem Hintergrund nicht ankommen, als der Rundfunkbeitrag dahingehend konzipiert ist, die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rundfunkdienstleistungen abzubilden. Anders als in der vom Bundesverfassungsgericht betrachteten Konstellation, wonach es einem einzelnen Rundfunkteilnehmer unmöglich ist, an verschiedenen Orten gleichzeitig denselben Vorteil – die Empfangsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – in Anspruch zu nehmen, ist dies in der vorliegenden Konstellation anders. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte sind durchaus in der Lage, jeweils für sich Rundfunkdienstleistungen zur gleichen Zeit in der Haupt- und in der Nebenwohnung in Anspruch zu nehmen bzw. waren dies im hier fraglichen Zeitraum.

21

Ein Befreiungsanspruch der Klägerin für den fraglichen Zeitraum unter Außerachtlassung des Umstandes, dass sie in diesem nicht selbst sowohl für ihre Haupt- als auch für ihre Nebenwohnung zum Rundfunkbeitrag herangezogen worden ist, ist nicht gegeben. Zwar ist für die Konstellation, in welcher Haupt- und Nebenwohnung jeweils von Ehegatten gemeinschaftlich bewohnt werden, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht geklärt, ob ein Befreiungsanspruch hinsichtlich der Nebenwohnung besteht. Das Bestehen eines solchen Anspruchs ist in der Rechtsprechung umstritten (dafür VG Greifswald, Urt. v. 4.6.2019, 2 A 364/19 HGW, juris; dagegen VG Leipzig, Urt. v. 26.9.2018, 1 K 582/18, juris; VG Trier, Beschl. v. 24.6.2019, 10 L 2468/19.TR, juris; VG Schleswig, Urt. v. 26.2.2020, 4 A 317/19, juris). Eine obergerichtliche Entscheidung zur Frage der Rundfunkbeitragspflicht von Ehegatten bei Zweitwohnungen liegt – soweit ersichtlich – bislang nicht vor (vgl. nur zu Zweitwohnungen allgemein: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.3.2019, OVG 11 N 10.19, juris). Auf die Frage, welcher der hierzu vertretenen Ansichten der Vorzug zu geben ist, kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht an, da jedenfalls für Konstellationen, in welchen Haupt- und Nebenwohnung nicht von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern genutzt werden, sondern lediglich eine Nutzung durch in nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Personen erfolgt, ein Befreiungsanspruch von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2018 nicht abzuleiten ist und auch nicht aus sonstigen grundrechtlichen Erwägungen geboten ist. Selbst wenn der Ansicht zu folgen sein sollte, dass für die Zeit zwischen Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2018 und dem Inkrafttreten von § 4a RBStV ein Befreiungsanspruch in solchen Fällen besteht, in denen Haupt- und Nebenwohnung jeweils von Ehegatten gemeinschaftlich genutzt werden – so etwa auch die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des VG Greifswald (Urt. v. 4.6.2019, 2 A 364/19 HGW, juris) –, ist diese erweiternde Auslegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf nicht-eheliche Lebensgemeinschaften zu übertragen (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 26.2.2020, 4 A 271/19, juris, Rn. 44).

22

Eine solche Notwendigkeit folgt zunächst nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2018. Diese befasst sich bereits nicht mit der Konstellation, dass Ehegatten gemeinsam eine Haupt- und Nebenwohnung innehaben, ebenso wenig befasst sie sich mit der Frage, ob in nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Personen, die eine Haupt- und eine Nebenwohnung innehaben, von der Rundfunkbeitragspflicht befreit werden müss(t)en.

23

Abgesehen davon ist die nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften geschlossene Ehe (vgl. insofern Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2017, Art. 6, Rn. 14) nach dem auch für die hier zu treffende Entscheidung maßgeblichen System des Grundgesetzes, welches in seiner Gesamtheit auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2018 zugrunde liegt, nicht mit der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft gleichzusetzen. Insbesondere kann der Begriff der Ehe gerade nicht in dem Sinne erweiternd ausgelegt werden, dass er auch nicht-eheliche Formen des menschlichen Zusammenlebens erfasst (so ausdrückl. BVerfG, Beschl. v. 9.11.2004, 1 BvR 684/98, juris, Rn. 49). Im Hinblick auf die Frage der Rundfunkbeitragspflicht für Haupt- und Nebenwohnungen folgt aus einer besserstellenden Ungleichbehandlung von Eheleuten gegenüber in nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Personen – soweit der Ansicht, dass Eheleuten für den Zeitraum vor Inkrafttreten von § 4a RBStV ein entsprechender Befreiungsanspruch zukommen kann, überhaupt zu folgen wäre – außerdem kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Aus diesem ergibt sich gerade keine verfassungsrechtlich gebotene Notwendigkeit zur Gleichbehandlung der Angehörigen einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern, auch nicht im rundfunkbeitragsrechtlichen Kontext (VGH München, Beschl. v. 10.3.2008, 7 ZB 07.790, juris, Rn. 8; VG Schleswig, Urt. v. 26.2.2020, 4 A 317/19, juris, Rn. 39; vgl. auch von Coelln, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 6, Rn. 47), und damit auch kein entsprechender Gleichbehandlungsanspruch derjenigen, die sich bewusst gegen das Eingehen einer Ehe und für das Zusammenleben in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft entscheiden. Anders als die Ehe, die sich nach dem Gesetz als eine von zwei Menschen – verschiedenen oder gleichen Geschlechts – auf Lebenszeit geschlossene und rechtlichen Bindungen unterworfene Verbindung darstellt, fehlt es der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft nicht nur an einem Begründungsakt, welcher ihr Bestehen – wie bei der Ehe – jeweils eindeutig erkennbar macht, sondern auch an einer mit der Ehe vergleichbaren rechtlichen Verbindlichkeit. Ohne dass hiermit generell ein auch zwischen in nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Personen bestehender persönlicher Bindungswille in Frage zu stellen wäre, unterscheidet sich die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft von der Ehe insbesondere dadurch, dass letztere beiden Ehepartnern eine wechselseitige und auch rechtlich einforderbare Beistandspflicht auferlegt (vgl. § 1353 Abs. 1 BGB). Schon dies rechtfertigt vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 1 GG die Besserstellung der bürgerlich-rechtlichen Ehe bzw. der eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber Formen nicht-ehelichen Zusammenlebens (vgl. von Coelln, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 6, Rn. 47). Dies gilt etwa auch hinsichtlich der mit der vorliegenden Frage nicht völlig unvergleichbaren Zweitwohnungssteuer (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.10.2016, 1 BvR 871/13, 1833/13, NVwZ 2017, 617). Darüber hinaus ist in Bezug auf die Bestimmung des § 4 Abs. 3 RBStV anerkannt, dass die darin normierte Beschränkung der Möglichkeit zur Erlangung von Beitragsbefreiungen auf einen abschließend definierten Personenkreis, welcher die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft gerade nicht umfasst, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und sie aufgrund des Vorliegens eines vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG zulässigen Differenzierungskriteriums insbesondere keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 26.2.2020, 4 A 317/19, juris, Rn. 39; VG Sigmaringen, Urt. v. 5.7.2017; 5 K 5625/16, juris, Rn. 36; VG Köln, Urt. v. 17.6.2019, 17 K 7152/17, juris, Rn. 56 f.). Es wäre dem Gesetzgeber vor diesem Hintergrund zwar möglich, eine Regelung wie § 4a RBStV auch für nicht-eheliche Lebensgemeinschaften zu schaffen. Solange dies unterbleibt – insbesondere mit Wirkung für die Vergangenheit – ist ein entsprechender Befreiungsanspruch von Angehörigen nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften, wie er hier von der Klägerin geltend gemacht wird, aber weder gegeben, noch verfassungsrechtlich geboten.

D.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Erhebung von Gerichtskosten steht hier auch nicht die Regelung in § 188 Satz 2 VwGO entgegen, wonach Angelegenheiten der Fürsorge gerichtskostenfrei sind. Zwar werden dazu auch die Verfahren über die Befreiung von den Rundfunkbeiträgen bzw. Rundfunkgebühren aus sozialen Gründen gezählt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.4.2011, 6 C10/10, juris, Rn 3). In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Rundfunkbeitragsbefreiung nicht aus sozialen Gründen beansprucht wird, besteht jedoch kein Anlass, den Rechtsstreit als Fürsorgeangelegenheit anzusehen (vgl. VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 4.6.2020, 19 K 6012/19). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Gründe, die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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