Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (4. Kammer) - 4 A 2612/18

Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den am 05.12.2017 beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt im Wege der Untätigkeitsklage die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides zur Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung von fünf Windkraftanlagen.

2

Die Klägerin beantragte am 29.01.2014 bei dem Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von fünf Windenergieanlagen des Typs Enercon E-101 mit einer Nabenhöhe von 135 m, einem Rotordurchmesser von 101 m und einer Nennleistung von 5 MW in E.. Der Beklagte erließ einen für sofort vollziehbar erklärten Zurückstellungsbescheid. Nach Inkrafttreten der 52. Flächennutzungsplanänderung der beigeladenen F. hob der Beklagte den Zurückstellungsbescheid auf und erließ am 30.06.2015 aufgrund des Widerspruchs des Vorhabens zu diesem einen Ablehnungsbescheid. Mit Urteil vom 23.06.2016 (12 KN 64/14) erklärte das OVG Lüneburg die 52. Flächennutzungsplanänderung für unwirksam, woraufhin der Beklagte das Genehmigungsverfahren wiederaufnahm und aktualisierte natur- und immissionsschutzrechtliche Unterlagen nachforderte. Noch 2016 beschloss die Beigeladene die 60. Änderung des Flächennutzungsplans.

3

Am 05.12.2017 beantragte die Klägerin die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für das Vorhaben. Sie erläuterte den Antrag dahingehend, dass sich dieser nur „auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit“ des Vorhabens beziehe und ergänzte:

4

„Weitergehende baurechtliche sowie immissionsschutzrechtliche Prüfungen, etwa der Erschließung sowie bezüglich Beeinträchtigungen durch Schall und Schattenwurf, sollen in diesem Verfahren nicht durchgeführt werden.

5

Die Beurteilung des Vorhabens im Hinblick auf die naturschutzrechtlichen Vorschriften werden in diesem Antrag ausdrücklich ausgeklammert.“

6

Der Beklagte wies mit Schreiben vom 19.12.2017 darauf hin, dass die Voranfrage der Beigeladenen zur Prüfung vorgelegt worden sei und erkundigte sich, ob sich der Antrag auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erledigt habe. Zudem bat der Beklagte die Klägerin am 28.02.2018 um Stellungnahme zu einer von der Beigeladenen beantragten erneuten Zurückstellung im Hinblick auf die 60. Änderung des Flächennutzungsplans.

7

Am 29.03.2018 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben. Sie verwies zur Begründung darauf, dass der Vorbescheidsantrag ohne ersichtlichen zureichenden Grund seit mehr als drei Monaten nicht beschieden worden sei.

8

Am 16.04.2018 hat der Beklagte die Klägerin aufgefordert, weitere Unterlagen vorzulegen, insbesondere naturschutzfachliche Untersuchungen und Gutachten sowie zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsvorprüfung. Die Klägerin hat daraufhin einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag, einen artenschutzrechtlichen Ausnahmeantrag für eine Horstentnahme, ein Brut- und Rastvogelgutachten, ein Fledermausgutachten, einen landschaftspflegerischen Begleitplan sowie einen UVP-Bericht vorgelegt. Am 14.08.2018 forderte der Beklagte weitere naturschutzfachliche Unterlagen nach. Am 25.09.2018 teilte der Beklagte mit, dass diese nachgereicht worden seien und derzeit geprüft würden.

9

Mit Bekanntmachung vom 03.12.2018 trat die 60. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen in Kraft, die am Vorhabenstandort keine Vorrangfläche für die Erzeugung von Windenergie darstellte. Die Klägerin hat hiergegen am 01.02.2019 die Normenkontrolle beim OVG Lüneburg beantragt. Mit Beschluss vom 12.06.2019 hat das Gericht das hiesige Verfahren ausgesetzt. Das OVG Lüneburg hat mit Urteil vom 12.04.2021 (12 KN 50/19) auch die 60. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen für unwirksam erklärt, soweit die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB herbeigeführt werden sollten, woraufhin das Gericht das Verfahren fortgesetzt hat.

10

Am 24.11.2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen weiteren Vorbescheid für die Errichtung und den Betrieb von 12 Windkraftanlagen mit einem Rotordurchmesser von 160 m und einer Gesamthöhe von 250 m. Die Rotoren einer dieser Windkraftanlagen würden sich im Falle der Realisierung beider Vorhaben mit den Rotoren einer Windkraftanlage des hiesigen Vorhabens überlappen.

11

Die Klägerin hält an ihrem ursprünglichen Begehren fest und verweist darauf, dass sie trotz des parallel laufenden Genehmigungsverfahrens ein berechtigtes Interesse an der Erteilung des auf das Bauplanungsrecht beschränkten Vorbescheides habe, da die verbindliche Klärung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens das Investitionsrisiko verringere. Dies sei hier insbesondere geboten, da die wiederholten rechtswidrigen Änderungen des Flächennutzungsplans durch die Beigeladene das Genehmigungsverfahren mehrfach verzögert hätten und eine verbindliche Klärung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit das Genehmigungsverfahren zu beschleunigen verspreche. Dabei sei es auch im Anwendungsbereich des § 35 BauGB zulässig, die Voranfrage so zuzuschneiden, dass nur eine einzelne Genehmigungsvoraussetzung zur Überprüfung gestellt werde und die nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und 5 BauGB zu prüfenden Belange ausgeklammert blieben. Dementsprechend sei der Antrag auch vollständig prüf- und bescheidungsfähig, denn Unterlagen, die sich mit Fragen des Natur- oder Immissionsschutzes befassen, seien für die formulierte Voranfrage nicht relevant. Der Beklagte dürfe von einer Erteilung allenfalls absehen, wenn anderweitige unüberwindbare Hindernisse offensichtlich die Klägerin daran hindern würden, aus dem immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid einen Nutzen zu ziehen, was sich im hiesigen Fall jedoch nicht behaupten lasse. Auch die neue Voranfrage stehe einer Bescheidung nicht entgegen. Es sei zulässig, mehrere unterschiedliche Vorhaben zur Überprüfung zu stellen und anschließend zu entscheiden, welches Vorhaben realisiert werden solle.

12

Die Klägerin beantragt,

13

den Beklagten zu verpflichten, den mit Antrag der Klägerin vom 05.12.2017 beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zu erteilen.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Er verweist zur Begründung darauf, dass die Voranfrage nicht bescheidungsfähig sei, weil es an den erforderlichen naturschutzfachlichen Unterlagen fehle. Die abgefragte bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richte sich vorliegend nach § 35 Abs. 1, 3 BauGB, die Voraussetzungen der Norm ließen sich nicht prüfen, ohne auch nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB die entgegenstehenden Belange des Naturschutzes einzubeziehen. Jedenfalls fehle für den Vorbescheid das Sachbescheidungsinteresse, wenn die Klägerin aus anderweitigen Gründen offensichtlich gehindert sei, von ihm Gebrauch zu machen. Zumindest unter diesem Gesichtspunkt sei es gerechtfertigt, naturschutzfachliche Unterlagen einzufordern. Das Sachbescheidungsinteresse fehle zudem, weil die Voranfrage inhaltlich mit dem parallelen Genehmigungsverfahren abgedeckt und zudem unvereinbar mit dem Vorhaben der weiteren Voranfrage vom 24.11.2021 sei.

17

Die Beigeladene verweist darauf, dass für einen Vorhabenstandort weiter westlich bereits gerichtlich festgestellt worden sei, dass naturschutzrechtliche Belange der Errichtung von Windkraftanlagen entgegenstünden.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

20

Statthaft ist die Klage als Verpflichtungsklage in Gestalt der Untätigkeitsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. § 75 S. 1 Alt. 2 VwGO. Als solche ist sie zulässig.

21

Die Klägerin hat das für ihre Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere fehlt es ihr aus keinem von dem Beklagten angeführten Überlegungen an einem Sachbescheidungsinteresse für die immissionsschutzrechtliche Voranfrage.

22

Zu Unrecht vertritt der Beklagte die Auffassung, dass es der Klägerin an einem Sachbescheidungsinteresse fehle, weil es sich nicht um eine zulässige Fragestellung handele und deshalb kein berechtigtes Interesse an der Erteilung des Vorbescheides bestehen könne.

23

Die Klägerin konnte die von ihr formulierte Fragestellung, ob das umschriebene Vorhaben - die Errichtung und der Betrieb von fünf Windenergieanlagen - bauplanungsrechtlich zulässig ist, zum Gegenstand einer Voranfrage machen und hierbei die weitergehende Prüfung baurechtlicher sowie immissions- und naturschutzrechtlicher Vorschriften ausklammern. Ein Vorbescheid kann zu jeder für die Genehmigung relevanten Frage ergehen, die im Vorgriff auf sie rechtlich und tatsächlich auch geklärt werden kann, insbesondere auch zu bauplanungsrechtlichen Fragen. Dies schließt umgekehrt für den Antragsteller auch das Recht ein, einzelne für die Genehmigung relevante Fragen aus der Prüfung auszugrenzen. Die Normstruktur des § 35 BauGB gebietet es insbesondere nicht, dass eine Voranfrage sich auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens insgesamt richten muss (OVG Lüneburg, Urt. v. 11.07.2007 - 12 LC 18/07 -, Rn. 38, juris). Hierbei ist in der Rechtsprechung geklärt, dass auch eine isoliert auf die Voraussetzungen der Ausschlusswirkung eines Flächennutzungsplans nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB gerichtete Voranfrage im Rahmen des § 9 BImSchG möglich ist (vgl. OVG Münster, Urt. v. 21.04.2020 - 8 A 311/19 -, Rn. 40, juris). Nichts anderes gilt hier deshalb für die Voranfrage der Klägerin. Insbesondere ist vor dem Hintergrund dieser gefestigten Rechtsprechung nicht davon auszugehen, dass eine Überprüfung der entgegenstehenden öffentlichen Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB ohne die Betrachtung naturschutzrechtlicher Fragestellungen nicht möglich ist. Wenn selbst eine isoliert auf § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB gerichtete Voranfrage möglich ist, spricht rechtlich nichts dagegen, ausschließlich die öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6 – 8 BauGB einzubeziehen (so auch VG Minden, Urt. v. 12.08.2020 - 11 K 3001/19 -, Rn. 43, juris). Diese zur Überprüfung gestellten Voraussetzungen können auch zum jetzigen Zeitpunkt und nach der vorhandenen Aktenlage abschließend geprüft werden. Auch in tatsächlicher Hinsicht ist nicht zu erkennen oder von dem Beklagten vorgetragen, worin die Schwierigkeit einer solchen Entscheidung läge.

24

An einem Sachbescheidungsinteresse fehlt es auch nicht, weil die Erteilung des beantragten Vorbescheides für die Klägerin erkennbar sinnlos wäre. Hiervon ist nur auszugehen, wenn die Rechtsverfolgung nicht geeignet ist, zur Verbesserung der subjektiven Rechtsstellung der Klägerin beizutragen. In diesem Sinne nutzlos ist eine Rechtsverfolgung nur dann, wenn ihr Zweck die Erteilung eines Vorbescheides für ein Nutzungsziel ist, welches unter keinen Voraussetzungen erreichbar ist (OVG Lüneburg, Urt. v. 11.07.2007 - 12 LC 18/07 -, Rn. 38, juris). Hierfür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, insbesondere ist das zur Prüfung gestellte Modell nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin auf dem Sekundärmarkt weiterhin verfügbar. Der Verweis der Beigeladenen darauf, dass in der Rechtssache 4 A 3745/16 die Kammer mit Urteil vom 27.11.2017 die Klage auf Erteilung eines positiven Vorbescheides für zwei Windkraftanlagen unter Feststellung eines Verstoßes gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG abgewiesen hat, überzeugt hierbei nicht. Zum einen drehte sich das dortige Verfahren um eine Voranfrage, welche die naturschutzrechtliche Prüfung gerade nicht ausgeklammert hat, zum anderen resultiert aus den der Entscheidung zugrunde gelegten naturschutzfachlichen Feststellungen nicht, dass § 44 Abs. 1 BNatSchG auch am hiesigen Standort dem Vorhaben offensichtlich entgegensteht. Die beiden Vorhabenstandorte sind rund zwei km voneinander entfernt, sodass etwa im Hinblick auf die einzuhaltenden Mindestabstände zu potenziell betroffenen Brutplätzen ohne eingehende Prüfung keine negative Aussage getroffen werden kann. Dies gilt erst recht, wenn in Rede steht, ob die Realisierung offensichtlich und unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen erscheint. Insoweit ist die Anforderung naturschutzfachlicher Stellungnahmen durch den Beklagten im Genehmigungsverfahren auch konsequent, den Anspruch auf die Erteilung des Vorbescheides berührt dies aber nicht. Die Hindernisse erscheinen insoweit zwar aufklärungsbedürftig, aber nicht von vornherein unüberwindbar, sodass es dem Beklagten verwehrt ist, aus naturschutzrechtlichen Erwägungen von einer Sachentscheidung abzusehen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 11.07.2007 - 12 LC 18/07 -, Rn. 38, juris).

25

Über die so verstandene Voranfrage hat der Beklagte ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich entschieden. Die Dreimonatsfrist des § 75 S. 2 VwGO ist ebenso wie die in § 10 Abs. 6a BImSchG genannten Fristen verstrichen, da die Klägerin ihre immissionsschutzrechtliche Voranfrage nach § 9 BImSchG vor viereinhalb Jahren an den Beklagten gerichtet hat und dieser seither nicht über den Antrag entschieden hat. Auch unter Nichtberücksichtigung der Dauer der Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens ist eine als angemessen anzusehende Verfahrensdauer überschritten.

26

Insbesondere verweist der Beklagte ohne Erfolg auf die unvollständigen Unterlagen und den Prüfungsumfang. Wie dargestellt ergibt sich aus dem Zuschnitt der streitgegenständlichen Voranfrage, dass naturschutz- und immissionsschutzrechtliche Fragestellungen auszuklammern und für die Entscheidung somit ohne Bedeutung sind. Es liegt daher auch kein sachlicher Grund dafür vor, im Hinblick auf das Fehlen naturschutzfachlicher Stellungnahmen eine Entscheidung über die Voranfrage zu verzögern.

27

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Erteilung des begehrten Vorbescheides aus § 9 Abs. 1 BImSchG.

28

Gemäß § 9 BImSchG soll auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht.

29

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den beantragten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid unter Ausklammerung der Vorschriften § 35 Abs. 3 Nr. 3, 5 BauGB liegen vor. Das Vorhaben ist gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf dem Außenbereichsstandort privilegiert zulässig. Eine Beeinträchtigung der abgefragten öffentlichen Belange in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6 – 8 BauGB ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Diese Aussage ist auch unter Ausklammerung der Nr. 3 und 5 der Vorschrift möglich, da die Abwägung das Verhältnis des privilegierten Vorhabens zu dem jeweils einzelnen Belang betrifft, nicht das Verhältnis des Vorhabens zu den Belangen in ihrer Gesamtheit (VG München, Urt. v. 11.08.2015 - M 1 K 14.5368 -, Rn. 31, juris).

30

Insbesondere steht auch nicht nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB dem Vorhaben entgegen, dass für Windkraftanlagen durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist, da das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 12.04.2021 (12 KN 50/19) auch die 60. Änderung des betroffenen Flächennutzungsplan hinsichtlich dieser Rechtswirkung für unwirksam erklärt hat.

31

Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es der Klägerin nicht an einem berechtigten Interesse an der Erteilung dieses Vorbescheides. Ein berechtigtes Interesse im Sinne der Vorschrift ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein Antrag auf Erteilung der Genehmigung beabsichtigt ist, die Vorabklärung ohne die Vorlage der vollständigen Antragsunterlagen möglich erscheint und verfahrensökonomische, wirtschaftliche oder technische Gründe dafür bestehen, das Genehmigungsverfahren gestuft vorzunehmen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die hier im Streit stehende Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens durch einen Vorbescheid geklärt wird. Dessen Bindungswirkung ist geeignet, ihr Investitionsrisiko zu verringern, indem hinsichtlich des Standortes insbesondere eine verbindliche Klärung der Frage erreicht werden kann, ob die Ausschlusswirkungen eines Flächennutzungsplans als öffentlicher Belang dem Vorhaben entgegenstehen (OVG Münster, Urt. v. 21.04.2020 - 8 A 311/19 -, Rn. 39, juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 22.11.2012 - 12 LB 64/11 -, Rn. 33, juris). Gerade die Prozessgeschichte dieses Verfahrens zeigt die praktische Bedeutung eines derart gestuften Vorgehens für die Investitionssicherheit der Klägerin und belegt ihr berechtigtes Interesse hieran.

32

Die Klägerin plant nicht nur den Antrag auf die Erteilung der Genehmigung, sondern hat diesen bereits gestellt. Dass sie damit parallel zur Voranfrage ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren betreibt, das die selbe Anlage zum Gegenstand hat, widerlegt das berechtigte Interesse auch nicht, sondern bekräftigt dieses gerade (nicht beanstandet z.B. von OVG Magdeburg, Urt. v. 05.12.2018 - 2 L 47/16 -, juris).

33

Auch im Übrigen steht dem berechtigten Interesse der Klägerin nichts entgegen. Insbesondere ist - wie bereits dargestellt - nicht davon auszugehen, dass das berechtigte Interesse durch das Stellen einer weiteren Voranfrage entfällt, wenn nur eines der Vorhaben realisierbar wäre. Es stellt sich vielmehr als nachvollziehbares Vorgehen dar, parallel mehrere Planungen auf ihre alternative Realisierbarkeit hin zu prüfen. Die Kostenpflichtigkeit der Voranfrage stellt hierbei ausreichend sicher, dass nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise Vorbescheide für sich gegenseitig ausschließende Vorhaben beantragt werden.

34

Der Beklagte kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass die Auswirkungen der geplanten Anlage infolge fehlender Unterlagen nicht ausreichend beurteilt werden können. Die Vorschrift setzt mit diesem Merkmal voraus, dass aufgrund einer vorläufigen Prüfung anhand der vollständigen und insoweit endgültigen Pläne feststehen muss, dass die gesamte Anlage am vorgesehenen Standort genehmigungsfähig ist (sog. vorläufige positive Gesamtbeurteilung, vgl. OVG Münster, Urt. v. 20.11.2012 - 8 A 252/10 -, Rn. 39, juris). Prüffähige Unterlagen liegen demnach dann vor, wenn die Unterlagen sich zu allen rechtlich relevanten Aspekten des Vorhabens verhalten und die Behörde in die Lage versetzen, den Antrag unter Berücksichtigung dieser Vorgaben näher zu prüfen. Nicht vollständig sind Unterlagen dann, wenn sie rechtlich relevante Fragen vollständig ausblenden. Für einen Vorbescheid bedarf es auch der Unterlagen, die eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung ermöglichen (BVerwG, Urt. v. 25.06.2020 - 4 C 3/19 -, BVerwGE 169, 39-48, Rn. 26). Welche Prüfungsdichte hierbei von der Behörde für eine „ausreichende Beurteilung“ heranzuziehen ist, ist rechtlich jedoch nicht abschließend geklärt (vgl. zum Streitstand Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 96. EL Sept. 2021, BImSchG § 9 Rn. 38ff).

35

Hinreichend ist jedenfalls, wenn der Errichtung und dem Betrieb der Anlage keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen entgegenstehen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 21.02.2012 - 12 ME 311/11 -, Rn. 5, juris), was an den Maßstab des § 8 Nr. 3 BImSchG angelehnt ist (Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 9 Rn. 11, m.w.N.). Dies gebietet jedoch in dem eingeschränkten Umfang auch die Vorlage prüffähiger Unterlagen an die Behörde (VGH Mannheim, Urt. v. 15.02.1990 - 10 S 2893/88 -, Rn. 25, juris). Nicht erforderlich ist dagegen, dass diese Unterlagen schon die Genehmigungsfähigkeit belegen. Es ist also nicht erforderlich, dass ein vorzulegendes Gutachten der Prüfung in jeder Hinsicht standhält und keine weiteren fachlichen Fragen aufwirft (BVerwG, Urt. v. 25.06.2020 - 4 C 3/19 -, BVerwGE 169, 39-48, Rn. 26).

36

Die Klägerin hat nach Erhebung der Untätigkeitsklage für den parallelen Genehmigungsantrag die am 18.04.2018 nachgeforderten Unterlagen, namentlich einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag, einen artenschutzrechtlichen Ausnahmeantrag für eine Horstentnahme, ein Brut- und Rastvogelgutachten, ein Fledermausgutachten, einen landschaftspflegerischen Begleitplan sowie einen UVP-Bericht vorgelegt und diese Unterlagen vorsorglich in den Vorbescheidsantrag einbezogen. Der Beklagte forderte mit Schreiben vom 14.08.2018 weitere naturschutzfachliche Erklärungen ein, die ebenfalls nachgereicht wurden.

37

Es ist nicht ersichtlich oder von dem Beklagten vorgetragen, welcher Gesichtspunkt einer positiven vorläufigen Gesamtbeurteilung entgegensteht. Insbesondere der artenschutzrechtliche Fachbeitrag, das Brut- und Rastvogelgutachten und das Fledermausgutachten kommen zwar zum Ergebnis, dass die Auswirkungen des Vorhabens Eingriffsregelungen zur Konfliktvermeidung und -minderung erforderlich machen werden, ohne jedoch einen Anhaltspunkt dafür zu geben, dass der Konflikt zu § 44 BNatSchG nicht im Rahmen entsprechender Nebenbestimmungen aufzulösen sein wird. Für eine positive vorläufige Gesamtbeurteilung erscheint dies unter Berücksichtigung der dargestellten Maßgaben und des Zwecks des Vorbescheides, Einzelfragen abzuschichten und zur Planungs- und Investitionssicherheit beizutragen, hinreichend. Letztlich erschiene es auch widersinnig, einerseits im Rahmen des § 9 BImSchG zuzugestehen, dass auch Einzelfragen wie die Wirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB zur Überprüfung gestellt werden können, andererseits aber eine vollwertige naturschutzrechtliche Überprüfung des Vorhabens zur Voraussetzung eines Vorbescheides zu machen.

38

Auch der nicht weiter vertiefte Hinweis der Beigeladenen auf die Entscheidung zu 4 A 3745/16 steht einer vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung nicht entgegen. Der hiesige Standort liegt etwa 2 km nordöstlich der im dortigen Verfahren gewählten Standorte und ist weiter entfernt von dem Naturschutzgebiet „Drebbersches Moor“. Aufgrund der Entfernung des Vorhabens zu diesem (1,5 km) und unter Berücksichtigung des Meideverhaltens der dort beheimateten Vogelarten geht der vorgelegte UVP-Bericht davon aus, dass Auswirkungen unwahrscheinlich seien. Der Beklagte und die Beigeladene haben nicht dargelegt, weshalb trotz dieser gutachterlichen Einschätzung die Genehmigungsfähigkeit gleichwohl offenkundig nicht gegeben ist.

39

Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beklagte die UVP-Vorprüfung zwar eingeleitet, aber (ohne erkennbaren Grund) nicht abgeschlossen hat. Auch der Spruchreife nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO steht dies nicht entgegen. Das Gericht ist zwar daran gehindert, eine notwendige UVP-Vorprüfung durch die Genehmigungsbehörde durch eigene Erwägungen zu substituieren. Soweit ein Vorhaben einer behördlichen Vorprüfung bedarf, die ihrerseits gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 UmwRG i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, kann das Gericht grundsätzlich nur dann auf eine Verpflichtungsklage des Vorhabenträgers „durchentscheiden“, wenn entweder eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist oder wenn eine die UVP-Pflicht des Vorhabens verneinende Vorprüfung vorliegt, die dem Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG genügt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 18.10.2021 - 12 LB 110/19 -, Rn. 65, juris).

40

Das Gericht geht jedoch davon aus, dass eine UVP-Vorprüfung im hiesigen Fall von der im Rahmen des § 9 BImSchG durchzuführenden vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung des gesamten Vorhabens nicht umfasst ist, weil die Klägerin in ihrer Voranfrage umweltrechtliche Gesichtspunkte ausgeklammert hat. Auch im Hinblick auf die UVP-Vorprüfung folgt aus dem dargelegten Prüfungsmaßstab des § 9 BImSchG, dass lediglich überschlägig zu prüfen ist, ob der Anlage von vornherein unüberwindliche rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Es muss daher ersichtlich sein, dass sich aus einer Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit des Vorhabens solche Hindernisse ergeben werden (so auch VG Hannover, Urt. v. 06.12.2018 - 12 A 5761/16 -, Rn. 28, juris). Vor dem Hintergrund des bereits dargestellten Zweckes des Vorbescheidverfahrens erschiene es auch in diesem Kontext nicht konsequent, unabhängig von dem Inhalt der Prüfungsfrage stets wie im Falle der endgültigen Genehmigung eine vollwertige UVP-Vorprüfung einzufordern. Dem Zweck der Vorschrift entspricht es vielmehr, die Prüfung dieses Gesichtspunktes in das Genehmigungsverfahren zu verlagern. Es würde sich andernfalls auch die Frage stellen, wie mit Voranfragen umzugehen wäre, die von vornherein UVP-pflichtig sind, da an ihre positive Gesamtbeurteilung keine niedrigeren Voraussetzungen zu stellen sein können als an solche, die lediglich vorprüfungspflichtig sind. Folgerichtig wäre dann nur, eine vollständige UVP zu verlangen, was den Rahmen einer Voranfrage erst recht überspannen würde, wenn Umweltfragen gerade ausklammert werden sollen. Auch aus der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Urt. v. 18.10.2021 - 12 LB 110/19 -, Rn. 65, juris) ergibt sich insoweit nichts anderes, da im dortigen Verfahren mit dem Hauptantrag eine Voranfrage verfolgt worden ist, welche den Umweltschutz gerade nicht ausgeklammert ließ. Den Hilfsantrag der Klägerin, einen Vorbescheid unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange zu erteilen, hielt der Senat demgegenüber für eine unzulässige Klageänderung, sodass die Entscheidung zu der sich hier stellenden Frage keine Aussage enthält (vgl. für die UVP-Vorprüfungspflicht jedoch VG Minden, Urt. v. 22.10.2014 - 11 K 2069/13 -, Rn. 93, juris; Jarass, BImSchG, § 9 Rn. 18).

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und ist deshalb an der Kostenentscheidung nicht zu beteiligen, § 154 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

 


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