Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 8 K 3446/10

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

 
Die Bundesnetzagentur erteilte den Stadtwerken ... eine Standortbescheinigung für eine Sendeanlage am Standort ... Die dagegen vom Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wird beim Verwaltungsgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen 8 K 1406/10 geführt.
Bereits am 01.12.2009 hatten die Stadtwerke ... bei der Beklagten beantragt, ihnen eine Baugenehmigung zu erteilen, um am Standort ... einen Antennenträger für digitalen Betriebsfunk aufzustellen. Dabei soll der Antennenträger 35 m hoch sein und als Stahl- oder Betonmast errichtet werden. Die Höhe der Antennenanlage soll nochmals 5 m betragen. Der Standort liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, wobei die Eigenart der näheren Umgebung einem Gewerbegebiet entspricht. Die Beklagte erteilte die beantragte Baugenehmigung mit Bescheid vom 12.03.2010.
Der vom für den Antennenträger vorgesehenen Standort ca. 40 m entfernt wohnende Kläger legte gegen die Baugenehmigung Widerspruch ein. Er trug vor, der Funkmast müsse nicht am geplanten Standort gegenüber von seinem Grundstück errichtet werden. Er könne ohne große Probleme z. B. in der Nähe der Tennisplätze stehen. Er und seiner Familie fürchteten die ständige Funkstrahlung. Der Funkmast verunstalte die Gegend. Sein Grundstück werde an Wert verlieren. Ferner berief er sich auf das Rücksichtnahmegebot, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie den Grundsatz von Treu und Glauben.
Ein beim Verwaltungsgericht Karlsruhe gestellter Eilantrag, mit dem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung beantragt wurde, blieb erfolglos (Beschl. v. 20.05.2010 - 8 K 695/10 -). Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückgewiesen (Beschl. v. 16.08.2010 - 3 S 1330/10 -).
Das Regierungspräsidium Karlsruhe wies den Widerspruch gegen die Baugenehmigung mit Widerspruchbescheid vom 16.11.2010 zurück. Die Baugenehmigung sei nicht nichtig. Die maßgeblichen Zuständigkeitsvorschriften seien auch nicht nachbarschützend. Das Bauvorhaben sei nicht rücksichtslos. Nach derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnislage verursache die elektromagnetische Strahlung keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Ausweislich der Standortbescheinigung seien die maßgeblichen Grenzwerte eingehalten.
Der Kläger hat am 29.11.2010 Klage erhoben. Er trägt vor, die Baugenehmigung sei formell rechtswidrig. Die Beklagte habe sich die Baugenehmigung selbst erteilt. Der Funkmast könne ohne große Probleme z. B. in der Nähe der Tennisplätze errichtet werden. Er und seine Familie fürchteten die ständige Funkstrahlung. Der Funkmast verunstalte die Gegend. Sein Grundstück werde an Wert verlieren. Ferner berief er sich auf das Rücksichtnahmegebot, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie den Grundsatz von Treu und Glauben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.03.2010 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.11.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Nach Ansicht der Beklagten kann die Frage dahinstehen, ob aufgrund der Erteilung der Baugenehmigung an einen Eigenbetrieb Zuständigkeitsvorschriften verletzt wurden. Zuständigkeitsvorschriften seien jedenfalls nicht nachbarschützend. Der Kläger könne sich nicht auf eine verunstaltende Wirkung berufen, weil auch die Vorschrift des § 11 LBO nicht nachbarschützend sei. Die Errichtung des Antennenträgers als nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb sei im faktischen Gewerbegebiet zulässig. Der Antennenträger füge sich in die nähere Umgebung ein. Auf dem Grundstück sei bereits ein Funkmast vorhanden, der durch den zu errichtenden Antennenträger ersetzt werden solle. Schädliche Umwelteinwirkungen seien nicht zu erwarten. Insbesondere würden ausweislich der Standortbescheinigung die maßgeblichen Grenzwerte eingehalten. Der Kläger könne nicht verlangen, dass das Bauvorhaben an einem Alternativstandort errichtet werde. Würde der Standort geändert, entstünden Mehrkosten und entfiele die notwendige Infrastruktur sowie insbesondere die funktechnische Geeignetheit des Standorts für die Nutzung als Betriebsfunk. Das Vertrauen in den Fortbestand des Grundstückswerts sei rechtlich nicht geschützt. Der Antennenträger habe wegen seines geringen Durchmessers von ca. 50 cm keine gebäudegleiche, optisch erdrückende Wirkung. Der Kläger könne sich nicht auf das Rücksichtnahmegebot berufen, weil dieses in spezielleren Vorschriften vollumfänglich Ausdruck gefunden habe. Die Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei kein geeigneter Maßstab. Eine weitergehende Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben sei ausgeschlossen.
12 
Die mit Beschluss vom 20.12.2010 beigeladenen Stadtwerke ... haben keinen Antrag gestellt.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren, im Verfahren 8 K 1406/10 und im Verfahren 8 K 695/10 sowie die Akten der Beklagten (zwei Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die der Beigeladenen mit Bescheid der Beklagten vom 12.03.2010 erteilte Baugenehmigung und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.11.2010 verletzen den Kläger nicht seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer lässt dahinstehen, ob die Erteilung der Baugenehmigung gegen die Zuständigkeitsregelung des § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO verstieß, wonach anstelle der Gemeinde als Baurechtsbehörde die nächsthöhere Baurechtsbehörde zuständig ist, wenn es sich um ein Vorhaben der Gemeinde selbst handelt, gegen das Einwendungen erhoben werden (vgl. zur Frage, ob das Bauvorhaben eines Eigenbetriebs der Gemeinde als Vorhaben der Gemeinde anzusehen ist, VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.04.2006 - 3 S 547/06 -, VBlBW 2006, 314; Sauter, LBO, Stand: Juli 2009, § 48 Rn. 19). Selbst wenn ein solcher Verstoß vorläge, wäre die Baugenehmigung weder wegen Nichtigkeit noch wegen formeller Rechtswidrigkeit aufzuheben.
16 
Die Baugenehmigung wäre insbesondere nicht nichtig aufgrund der Vorschrift des § 44 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG, die nur den Fall der örtlichen Unzuständigkeit bei besonderer Ortsgebundenheit von Verwaltungsakten erfasst und auf eine Verletzung von Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit nicht anwendbar ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 44 Rn. 38). Es läge auch kein besonders schwerwiegender und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlicher Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 LVwVfG vor. Das Handeln der Beklagten kann nicht als Handeln einer absolut unzuständigen Behörde, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für den Erlass der Baugenehmigung zuständig war, bewertet werden; der vorliegende Fall ist nicht vergleichbar mit dem Fall, dass sich eine Gemeinde gleichsam selbst die Baugenehmigung erteilt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.04.2006 - 3 S 547/06 -, VBlBW 2006, 314).
17 
Im Übrigen ist die Zuständigkeitsvorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO nicht nachbarschützend; Zuständigkeitsvorschriften dienen jedenfalls dann nicht dem Schutz des Nachbarn, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Verwaltungsverfahren, wenn dem Bauherrn ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zusteht, ohne dass insoweit zusätzlich Ermessenserwägungen der Baurechtsbehörde anzustellen sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.04.2006 - 3 S 547/06 -, VBlBW 2006, 314, m. w. N.).
18 
Die Baugenehmigung verletzt keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts.
19 
Es kann dahinstehen, ob sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 oder Abs. 1 BauGB bestimmt. Richtet sie sich nach § 34 Abs. 2 BauGB, ist die Sendeanlage als nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb in einem faktischen Gewerbegebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19.11.2003 - 5 S 2726/02 -, VBlBW 2004, 284; Bayerischer VGH, Urt. v. 09.08.2007 - 25 B 05.1339 -, BauR 2008, 1108; OVG Saarland, Beschl. v. 17.10.2006 - 2 W 19/06 -, juris; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 06.12.2004 - 1 ME 256/04 -, BauR 2005, 975; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 09.01.2004 - 7 B 2482/03 -, BauR 2004, 792). Richtet sie sich nach § 34 Abs. 1 BauGB, ist das Bauvorhaben zulässig, weil es sich in die Eigenart der bereits durch einen Funkmast gekennzeichneten näheren Umgebung einfügt.
20 
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bauvorhaben gegenüber dem Kläger rücksichtslos ist.
21 
Aufgrund der durch die Standortbescheinigung nachgewiesenen Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte (vgl. § 2 der 26. BImSchV i. V. m. § 3 Satz 1 Nr. 1 BEMFG) werden keine schädlichen Umwelteinwirkungen (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG) hervorgerufen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 02.03.2004 - 8 S 234/04 -, VBlBW 2004, 262; Beschl. v. 19.04.2002 - 3 S 590/02 -, VBlBW 2003, 72; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.04.2010 - 13 B 162/10 -, juris; Urt. v. 17.12.2008 - 10 A 2999/07 -, DVBl. 2009, 712; Hessischer VGH, Beschl. v. 19.02.2010 - 4 B 2266.09 -, RdL 2010, 179; Bayerischer VGH, Beschl. v. 10.06.2010 - 15 ZB 09.1240 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 05.02.2010 - 1 B 11356/09 -, DVBl. 2010, 659).
22 
Für die Kammer besteht keine Veranlassung, die festgelegten Grenzwerte in Frage zu stellen. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber steht ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung derartiger Grenzwerte zu, so dass eine weitergehende Sachverhaltsermittlung nicht erforderlich ist. Wenn noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über komplexe Gefährdungslagen vorliegen, verlangt die staatliche Schutzpflicht von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahme zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht durch den Verordnungsgeber kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit auf Grund neuer Erkenntnisse unter einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar geworden ist. Es liegen aber keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über Gefahren von Mobilfunkanlagen vor, die das derzeitige Schutzniveau als unzureichend erscheinen lassen. Der Kläger hat auch nicht schlüssig aufgezeigt oder gar den Nachweis erbracht, dass von Mobilfunkanlagen trotz Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte Gesundheitsgefahren ausgehen (vgl. EGMR, Entsch. v. 03.07.2007 - 32015/02 -, NVwZ 2008, 1215; BVerfG, Beschl. v. 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -, NVwZ 2007, 805, und Beschl. v. 08.12.2004 - 1 BvR 1238/04 -, NVwZ-RR 2005, 227, und Beschl. v. 28.02.2002 - 1 BvR 1676/01 -, NJW 2002, 1638; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.08.2010 - 3 S 1330/10 - und Beschl. v. 02.03.2004 - 8 S 243/04 -, VBlBW 2004, 262, und Beschl. v. 19.04.2002 - 3 S 590/02 -, VBlBW 2003, 72; Bayerischer VGH, Beschl. v. 10.06.2010 - 15 ZB 09.1240 -, juris, und Beschl. v. 05.08.2009 - 15 CS 09.971 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.04.2010 - 13 B 162/10 -, juris, und Urt. v. 17.12.2008 - 10 A 2999/07 -, DVBl. 2009, 712; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.03.2010 - 6 A 10813/09 -, BauR 2010, 1069, und Beschl. v. 05.02.2010 - 1 B 11356/09 -, DVBl. 2010, 659; VG Freiburg, Beschl. v. 14.01.2010 - 1 K 2125/09 -, juris).
23 
Der Behauptung des Klägers, das Bauvorhaben könne auch an einem anderen Standort errichtet werden, ist entgegenzuhalten, dass das Rücksichtnahmegebot den Bauherrn nicht zu einer möglichst nachbarfreundlichen Bauausführung verpflichtet (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 15.10.2003 - 1 Cs 03.1991 -, juris; Urt. v. 03.08.2001 - 1 B 99.2106 -, BauR 2002, 435). Der Kläger hat weder behauptet noch bestehen sonst Anhaltspunkte dafür, dass sich die Wahl des Standorts als Schikane darstellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, VBlBW 2008, 452; Beschl. v. 02.02.2009 - 3 S 2875/08 -, Justiz 2009, 352).
24 
Auch die von dem Kläger befürchtete Wertminderung seines Grundstückes macht das Bauvorhaben nicht rücksichtslos. Der Fortbestand einer bestimmten Grundstückssituation stellt lediglich eine rechtlich nicht geschützte Chance dar; Veränderungen in der Umgebung durch die Verwirklichung eines genehmigten Vorhabens entziehen daher keine Rechtsposition (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.11.1997 - 4 B 195.97 -, NVwZ-RR 1998, 540; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.04.2010 - 8 S 33/10 -, juris).
25 
Die Baugenehmigung verletzt auch keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts. Die Frage, ob ein Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 LBO vorliegt, kann dahinstehen. Denn diese Vorschrift ist nicht nachbarschützend, sondern dient ausschließlich der im öffentlichen Interesse liegenden Bau- und Gestaltungspflege (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 04.02.1969 - II 347/68 -, BRS 22 Nr. 167; Schlotterbeck, LBO, 5. Aufl. 2003, § 11 Rn. 39).
26 
Für die vom Kläger begehrte Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besteht deshalb kein Raum.
27 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die beigeladenen Stadtwerke haben keinen Antrag gestellt und sind kein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), so dass es nicht der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Kammer sieht gem. § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ab.
28 
Beschluss
29 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt (vgl. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 2004, 1525).
30 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
14 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die der Beigeladenen mit Bescheid der Beklagten vom 12.03.2010 erteilte Baugenehmigung und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.11.2010 verletzen den Kläger nicht seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer lässt dahinstehen, ob die Erteilung der Baugenehmigung gegen die Zuständigkeitsregelung des § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO verstieß, wonach anstelle der Gemeinde als Baurechtsbehörde die nächsthöhere Baurechtsbehörde zuständig ist, wenn es sich um ein Vorhaben der Gemeinde selbst handelt, gegen das Einwendungen erhoben werden (vgl. zur Frage, ob das Bauvorhaben eines Eigenbetriebs der Gemeinde als Vorhaben der Gemeinde anzusehen ist, VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.04.2006 - 3 S 547/06 -, VBlBW 2006, 314; Sauter, LBO, Stand: Juli 2009, § 48 Rn. 19). Selbst wenn ein solcher Verstoß vorläge, wäre die Baugenehmigung weder wegen Nichtigkeit noch wegen formeller Rechtswidrigkeit aufzuheben.
16 
Die Baugenehmigung wäre insbesondere nicht nichtig aufgrund der Vorschrift des § 44 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG, die nur den Fall der örtlichen Unzuständigkeit bei besonderer Ortsgebundenheit von Verwaltungsakten erfasst und auf eine Verletzung von Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit nicht anwendbar ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 44 Rn. 38). Es läge auch kein besonders schwerwiegender und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlicher Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 LVwVfG vor. Das Handeln der Beklagten kann nicht als Handeln einer absolut unzuständigen Behörde, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für den Erlass der Baugenehmigung zuständig war, bewertet werden; der vorliegende Fall ist nicht vergleichbar mit dem Fall, dass sich eine Gemeinde gleichsam selbst die Baugenehmigung erteilt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.04.2006 - 3 S 547/06 -, VBlBW 2006, 314).
17 
Im Übrigen ist die Zuständigkeitsvorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO nicht nachbarschützend; Zuständigkeitsvorschriften dienen jedenfalls dann nicht dem Schutz des Nachbarn, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Verwaltungsverfahren, wenn dem Bauherrn ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zusteht, ohne dass insoweit zusätzlich Ermessenserwägungen der Baurechtsbehörde anzustellen sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.04.2006 - 3 S 547/06 -, VBlBW 2006, 314, m. w. N.).
18 
Die Baugenehmigung verletzt keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts.
19 
Es kann dahinstehen, ob sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 oder Abs. 1 BauGB bestimmt. Richtet sie sich nach § 34 Abs. 2 BauGB, ist die Sendeanlage als nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb in einem faktischen Gewerbegebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19.11.2003 - 5 S 2726/02 -, VBlBW 2004, 284; Bayerischer VGH, Urt. v. 09.08.2007 - 25 B 05.1339 -, BauR 2008, 1108; OVG Saarland, Beschl. v. 17.10.2006 - 2 W 19/06 -, juris; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 06.12.2004 - 1 ME 256/04 -, BauR 2005, 975; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 09.01.2004 - 7 B 2482/03 -, BauR 2004, 792). Richtet sie sich nach § 34 Abs. 1 BauGB, ist das Bauvorhaben zulässig, weil es sich in die Eigenart der bereits durch einen Funkmast gekennzeichneten näheren Umgebung einfügt.
20 
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bauvorhaben gegenüber dem Kläger rücksichtslos ist.
21 
Aufgrund der durch die Standortbescheinigung nachgewiesenen Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte (vgl. § 2 der 26. BImSchV i. V. m. § 3 Satz 1 Nr. 1 BEMFG) werden keine schädlichen Umwelteinwirkungen (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG) hervorgerufen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 02.03.2004 - 8 S 234/04 -, VBlBW 2004, 262; Beschl. v. 19.04.2002 - 3 S 590/02 -, VBlBW 2003, 72; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.04.2010 - 13 B 162/10 -, juris; Urt. v. 17.12.2008 - 10 A 2999/07 -, DVBl. 2009, 712; Hessischer VGH, Beschl. v. 19.02.2010 - 4 B 2266.09 -, RdL 2010, 179; Bayerischer VGH, Beschl. v. 10.06.2010 - 15 ZB 09.1240 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 05.02.2010 - 1 B 11356/09 -, DVBl. 2010, 659).
22 
Für die Kammer besteht keine Veranlassung, die festgelegten Grenzwerte in Frage zu stellen. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber steht ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung derartiger Grenzwerte zu, so dass eine weitergehende Sachverhaltsermittlung nicht erforderlich ist. Wenn noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über komplexe Gefährdungslagen vorliegen, verlangt die staatliche Schutzpflicht von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahme zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht durch den Verordnungsgeber kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit auf Grund neuer Erkenntnisse unter einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar geworden ist. Es liegen aber keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über Gefahren von Mobilfunkanlagen vor, die das derzeitige Schutzniveau als unzureichend erscheinen lassen. Der Kläger hat auch nicht schlüssig aufgezeigt oder gar den Nachweis erbracht, dass von Mobilfunkanlagen trotz Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte Gesundheitsgefahren ausgehen (vgl. EGMR, Entsch. v. 03.07.2007 - 32015/02 -, NVwZ 2008, 1215; BVerfG, Beschl. v. 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -, NVwZ 2007, 805, und Beschl. v. 08.12.2004 - 1 BvR 1238/04 -, NVwZ-RR 2005, 227, und Beschl. v. 28.02.2002 - 1 BvR 1676/01 -, NJW 2002, 1638; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.08.2010 - 3 S 1330/10 - und Beschl. v. 02.03.2004 - 8 S 243/04 -, VBlBW 2004, 262, und Beschl. v. 19.04.2002 - 3 S 590/02 -, VBlBW 2003, 72; Bayerischer VGH, Beschl. v. 10.06.2010 - 15 ZB 09.1240 -, juris, und Beschl. v. 05.08.2009 - 15 CS 09.971 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.04.2010 - 13 B 162/10 -, juris, und Urt. v. 17.12.2008 - 10 A 2999/07 -, DVBl. 2009, 712; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.03.2010 - 6 A 10813/09 -, BauR 2010, 1069, und Beschl. v. 05.02.2010 - 1 B 11356/09 -, DVBl. 2010, 659; VG Freiburg, Beschl. v. 14.01.2010 - 1 K 2125/09 -, juris).
23 
Der Behauptung des Klägers, das Bauvorhaben könne auch an einem anderen Standort errichtet werden, ist entgegenzuhalten, dass das Rücksichtnahmegebot den Bauherrn nicht zu einer möglichst nachbarfreundlichen Bauausführung verpflichtet (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 15.10.2003 - 1 Cs 03.1991 -, juris; Urt. v. 03.08.2001 - 1 B 99.2106 -, BauR 2002, 435). Der Kläger hat weder behauptet noch bestehen sonst Anhaltspunkte dafür, dass sich die Wahl des Standorts als Schikane darstellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, VBlBW 2008, 452; Beschl. v. 02.02.2009 - 3 S 2875/08 -, Justiz 2009, 352).
24 
Auch die von dem Kläger befürchtete Wertminderung seines Grundstückes macht das Bauvorhaben nicht rücksichtslos. Der Fortbestand einer bestimmten Grundstückssituation stellt lediglich eine rechtlich nicht geschützte Chance dar; Veränderungen in der Umgebung durch die Verwirklichung eines genehmigten Vorhabens entziehen daher keine Rechtsposition (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.11.1997 - 4 B 195.97 -, NVwZ-RR 1998, 540; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.04.2010 - 8 S 33/10 -, juris).
25 
Die Baugenehmigung verletzt auch keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts. Die Frage, ob ein Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 LBO vorliegt, kann dahinstehen. Denn diese Vorschrift ist nicht nachbarschützend, sondern dient ausschließlich der im öffentlichen Interesse liegenden Bau- und Gestaltungspflege (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 04.02.1969 - II 347/68 -, BRS 22 Nr. 167; Schlotterbeck, LBO, 5. Aufl. 2003, § 11 Rn. 39).
26 
Für die vom Kläger begehrte Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besteht deshalb kein Raum.
27 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die beigeladenen Stadtwerke haben keinen Antrag gestellt und sind kein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), so dass es nicht der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Kammer sieht gem. § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ab.
28 
Beschluss
29 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt (vgl. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 2004, 1525).
30 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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