Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 1 K 5050/18

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau von zwei Balkonen.
Der Kläger ist gemeinsam mit seiner Ehefrau ... Eigentümer des Grundstücks Obere .... Am 20.05.2014 beantragten der Kläger und seine Ehefrau bei der Beklagten für das dort befindliche Wohnhaus eine Baugenehmigung für eine Erweiterung von Balkonen, die bereits abgerissen und neu gebaut worden waren. Am 19.06.2015 erteilte die Beklagte ihnen, wie beantragt, eine Baugenehmigung für die Erweiterung von fünf Balkonen mit einer Breite von 4,50 m und einer Tiefe von 2,50 m, im Einzelnen von zwei Balkonen an der Westseite (1. und 2. Obergeschoss) und drei Balkonen an der Ostseite (1. und 2. Obergeschoss sowie Dachgeschoss) des Grundstücks.
Auf den von den Eigentümern des Nachbargrundstücks ..., den Eheleuten ... und ..., eingelegten Widerspruch stellte das Regierungspräsidium Karlsruhe fest, dass die Abstandsflächen möglicherweise nicht gewahrt seien, da der östliche Grenzverlauf des streitgegenständlichen Grundstücks seitlich vom Grundstück ... abknicke. Die Beklagte teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 25.11.2015 mit und forderte ihn auf, eine detaillierte Abstandsflächenberechnung mit vermaßten Bauvorlagen und im Falle einer Verletzung der Abstandsflächen geänderte Pläne vorzulegen. Eventuell müssten die östlichen Balkone entsprechend eingerückt werden. Der Kläger legte mit Schreiben vom 30.11.2015 eine neue Berechnung der Abstandsflächen vor, nach der sich ein Teil der Abstandsflächen auf dem Grundstück ... befand. Er trug vor, dass die Nachbarbeeinträchtigung sehr gering und deshalb eine Änderung des Balkons im Dachgeschoss unverhältnismäßig sei. Er sei bei der vorherigen Berechnung der Abstandsflächen von der Geländehöhe ausgegangen, die ca. 0,90 m höher als der Zugangsbereich zum Wohnhaus liege. Damit betrage die anrechenbare Höhe 9,90 m.
Am 02.08.2016 reichte der Kläger bei der Beklagten für ihn und seine Ehefrau Nachtragspläne für geänderte Balkone ein, die eine Breite von 4,50 m (westlich) bzw. 4,30 m (östlich) und eine Tiefe von nun 3,00 m (westlich) bzw. 2,94 m (östlich) vorsahen. Die Balkone an der östlichen Grundstücksgrenze im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss wurden auf Anregung der Beklagten in den Plänen in der Weise eingerückt, dass der Balkon im 2. Obergeschoss um 28 cm und im Dachgeschoss um 46 cm weniger breit sein sollte.
Die Beklagte erteilte dem Kläger und seiner Ehefrau daraufhin am 17.01.2017 eine Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung, die am 30.01.2017 zur Post gegeben wurde. In dieser wurde ausgeführt, dass die ursprüngliche Genehmigung, die sich auf Balkone mit einer Tiefe von 2,50 m bezogen habe, in der genehmigten Form nicht ausgeführt worden sei. Die gebauten Balkone mit einer Tiefe von 3,00 m überschritten zum Teil die Abstandsflächen zum Nachbargrundstück. Um die Abstandsflächen einzuhalten, seien die Balkone an dieser Seite eingerückt worden. Die hierzu ergehende Rückbauverfügung folge den Angaben in der Baugenehmigung. Mit Entscheidung vom 22.02.2017 stellte das Regierungspräsidium Karlsruhe das Widerspruchsverfahren der Eheleute ... und ... betreffend die Baugenehmigung vom 19.06.2015 ein, da sich der Widerspruch in der Hauptsache erledigt habe.
Zugleich ordnete die Beklagte mit baurechtlicher Entscheidung vom 17.01.2017 einen Rückbau der Balkone auf die Maße der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vom selben Tag an. Zur Begründung führte sie aus, dass die ursprüngliche Genehmigung für Balkone mit einer Tiefe von 2,50 m nicht in der genehmigten Form ausgeführt worden sei. Die gebauten Balkone mit einer Tiefe von 3,00 m überschritten zum Teil die nötigen Abstandsflächen. Die Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vom 17.01.2017 mit östlich eingerückten Balkonen halte die Abstandsflächen ein. Die Rückbauverfügung sei zur Einhaltung der Abstandsflächen erforderlich.
Der Kläger legte am 27.02.2017 Widersprüche sowohl gegen „das Einrücken der Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss“ in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung als auch gegen die Rückbauverfügung ein. Die Eheleute ... und ... als Eigentümer des Grundstücks ... und Herr ... als Eigentümer des westlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks ..., legten am 01. und 02.03.2017 Widersprüche gegen die dem Kläger erteilte Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung ein. Die Beklagte legte dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit Vorlagebericht vom 11.05.2017 den Widerspruch des Klägers gegen die baurechtliche Entscheidung vom 17.01.2017 sowie die beiden Nachbarwidersprüche gegen die Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vor. Den Widerspruch des Klägers gegen „das Einrücken der Balkone“ in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung leitete die Beklagte nicht an das Regierungspräsidium Karlsruhe weiter. Über die Nachbarwidersprüche ist bislang noch nicht entschieden worden.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe wies den Widerspruch des Klägers gegen die Rückbauverfügung mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2018 zurück. Zur Begründung führte es aus, die Rückbauverfügung sei zu Recht auf der Grundlage von § 65 Satz 1 LBO ergangen. Die Anlage sei ohne Baugenehmigung errichtet worden. Zwar sei die Errichtung der Balkone hinsichtlich einer Tiefe von 2,50 m und einer Breite von 4,50 m durch die Baugenehmigung vom 19.06.2015 legalisiert worden. Abgesehen davon, dass die Tiefe der tatsächlich ausgeführten Balkone 2,94 m bzw. 3,00 m betrage, sei die Anlage jedenfalls durch die Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vom 17.01.2017 teilweise formell rechtswidrig geworden, da die östlich gelegenen Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss nun nicht mehr grenzständig genehmigt seien, sondern von der Grundstücksgrenze eingerückt werden müssten. Diese beiden Balkone verstießen gegen materielles Bauordnungsrecht, da sie die nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 LBO erforderlichen Abstandsflächen nicht einhielten und somit seit ihrer Errichtung fortlaufend gegen materielle öffentlich-rechtliche Vorschriften verstießen. Das Vermessungsbüro habe bei der Berechnung der Abstandsflächen zu Recht den Hofboden als Geländeoberfläche herangezogen. Nach § 5 Abs. 4 Satz 3 LBO sei die im Mittel gemessene Wandhöhe maßgebend, wenn sich bei der Wand durch die Geländeoberfläche unterschiedliche Höhen ergäben. Dies betreffe jedoch nur die Geländeoberfläche entlang der Wand bzw. der Schnittfläche von Wand und Geländeoberfläche. Dass das Gelände im hinteren Bereich ansteige, sei für die Berechnung der Abstandsflächen demgegenüber nicht relevant. Eine Ausnahme nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO komme nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu den Vorschriften in ihrer früheren Fassung liege eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vor, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten werde, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig sei. Nachbarliche Belange seien in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet sei, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich minderten oder als weniger schutzwürdig erscheinen ließen. Eine tatsächliche oder rechtliche Sondersituation auf dem Nachbargrundstück liege nicht vor. Auch im Hinblick auf die vorhandene Bebauung auf dem Nachbargrundstück könnten geringere Tiefen nicht zugelassen werden. Ebenfalls kämen eine Abweichung, eine Ausnahme und eine Befreiung nicht in Betracht. Die Teilabbruchsverfügung entspreche zudem pflichtgemäßem Ermessen. Es liege nicht nur ein Bagatellfall mit einer geringfügigen Überschreitung um wenige Zentimeter vor. Die Teilabbruchsverfügung sei die einzige Möglichkeit, baurechtmäßige Zustände herzustellen. Auch eine vom Kläger erwogene Änderung der Geländeoberfläche durch Erweiterung der Terrasse würde nach der Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 5 LBO zu keinem anderen Ergebnis führen.
Der Kläger hat am 04.05.2018 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Da der Grenzverlauf im hinteren Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks abknicke, liege ein Teil der Abstandsflächen auf dem Grundstück .... Die Errichtung der (östlichen) Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss in einer Breite von 4,50 m (gemeint: 4,30 m) und einer Tiefe von 2,94 m dürfe nicht versagt werden. Die Wandhöhe (bis zur Oberkante der Brüstung des Balkons im Dachgeschoss) sei nicht vom tieferliegenden Hofboden aus zu ermitteln. Die sich anschließenden Grundstücke wiesen keine Höhenunterschiede auf. Ihre Gelände lägen ca. 0,90 m höher als der Hofboden des Grundstücks .... Das Gelände des streitgegenständlichen Grundstücks sei bei der Errichtung des Wohnhauses tiefergelegt worden, um – mittels eines großen Lichtschachts – einen ebenerdigen Zugang zum Gebäude zu erhalten. Dies habe eine Reduzierung der maßgeblichen Wandhöhe um 0,90 m und der Abstandsflächentiefe um 0,36 m zur Folge. § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO lasse eine geringere Tiefe der Abstandsflächen zu, wenn die Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet blieben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstünden und nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt würden. Der Teil der Abstandsflächen, der auf dem Grundstück ... zum Liegen komme, sei derart geringfügig, dass eine Ausnahme erteilt werden könne. Der dort liegende Teil betrage bei einer Berechnung der Wandhöhe vom tieferliegenden Hofboden aus bezüglich des Balkons im 2. Obergeschoss 0,08 m2 (= 1 m x 0,15 m / 2) und bezüglich des Balkons im Dachgeschoss 0,32 m2 (= 2,10 m x 0,30 m / 2). Bei einer Berechnung der Wandhöhe vom höherliegenden Gelände aus betrage der Teil der auf dem Grundstück ... liegenden Abstandsflächen bezüglich des Balkons im 2. Obergeschoss 0,03 m2 (= 0,64 m x 0,09 m / 2) und bezüglich des Balkons im Dachgeschoss 0,22 m2 (= 1,74 m x 0,25 m / 2). Die nachbarlichen Belange seien zudem aufgrund von besonderen Umständen, nämlich der unterschiedlichen Höhenlage des streitgegenständlichen Grundstücks und des ungewöhnlichen Zuschnitts des Nachbargrundstücks ... nicht erheblich beeinträchtigt. Durch die Balkone werde das Nachbargrundstück weder unbebaubar noch werde die vorhandene oder planungsrechtlich zulässige Bebauung auf diesem eingeschränkt. Hinzu komme, dass das Grundstück ... selbst intensiv bebaut sei, wobei vermutlich teilweise Gebäude ohne Baugenehmigung errichtet worden seien.
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Er beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Baugenehmigung zum Neubau von hofseitigen Balkonen auf der östlichen Seite im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss des Anwesens ... in ... in einer Breite von 4,30 m und einer Tiefe von 2,94 m zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14 
Sie verweist zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, mit Datum vom 17.01.2017 seien zwei Entscheidungen der Beklagten ergangen. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei lediglich die Rückbauverfügung bezüglich der Änderung der Balkonerweiterung. Die Rechtsgrundlage für den Teilabbruch sei § 65 Satz 1 LBO. Die Anlage stehe im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Durch die Baugenehmigung vom 19.06.2015 seien lediglich die Balkone in einer Tiefe von 2,50 m und einer Breite von 4,50 m genehmigt worden. Durch die bestandskräftige Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vom 17.01.2017 sei die Anlage zumindest teilweise formell rechtswidrig geworden, da der östliche Balkon im 2. Obergeschoss und der Balkon im Dachgeschoss nicht mehr grenzständig genehmigt, sondern von der Grundstücksgrenze einzurücken seien. Darüber hinaus verstießen die beiden Balkone gegen materielles Bauordnungsrecht, da sie die Abstandsflächen nicht einhielten und daher seit ihrer Errichtung fortlaufend gegen materielle öffentlich-rechtliche Vorschriften verstießen. Das Vermessungsbüro habe zutreffend den Hofboden als Geländeoberfläche herangezogen und zugrundegelegt. Die Regelung des § 5 Abs. 4 Satz 3 LBO sei ebensowenig wie eine Ausnahme nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO einschlägig. Nachbarliche Belange würden erheblich beeinträchtigt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe unterschritten werde. Hierbei sei unerheblich, ob die Unterschreitung geringfügig sei oder nicht. Es lägen auch keine besonderen Verhältnisse vor, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung der Mindestabstandsflächen deutlich minderten oder als weniger schutzwürdig erscheinen ließen. Die Rückbauverfügung vom 17.01.2017 sei auch ermessensfehlerfrei ergangen. Ein rechtmäßiger Zustand könne auf andere Weise als durch den teilweisen Abbruch, d.h. den Rückbau der Balkone, nicht hergestellt werden.
15 
Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
17 
1. Die Klage ist zulässig. Sie ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO in Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
18 
a) Zwar kommt eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO grundsätzlich nur in Betracht, wenn ein Verwaltungsakt durch die Behörde abgelehnt worden ist. Einen Antrag des Klägers bezüglich der Errichtung der östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss mit den Maßen 4,30 m x 2,94 m hat die Beklagte bislang nicht abgelehnt.
19 
b) Die Klage ist aber in Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO zulässig, weil über einen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Balkone mit den gewünschten Maßen ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Auch wenn der Kläger nicht ausdrücklich einen Bauantrag hinsichtlich der beiden streitgegenständlichen Balkone mit den Maßen 4,30 m x 2,94 m gestellt hat, wäre sein Widerspruch gegen „das Einrücken der Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss“ in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vom 17.01.2017 als entsprechender neuer Behördenantrag auszulegen gewesen.
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aa) Die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage hängt allgemein und insbesondere bei einer Untätigkeitsklage von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Dies ergibt sich aus §§ 42 Abs. 1, 2. Alt. und 68 Abs. 2 VwGO sowie aus dem Wortlaut des Gesetzes in § 75 Satz 1 VwGO, der voraussetzt, dass ein „Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts“ unbeschieden geblieben ist. Ebenso folgt dies aus der Systematik und aus Sinn und Zweck der Vorschrift: Wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung ist es zunächst Sache der Verwaltung, sich mit (vermeintlichen) Ansprüchen des Einzelnen zu befassen. Dementsprechend sieht § 75 Satz 2 VwGO eine Sperrfrist vor, die einer verfrühten und deshalb unter Rechtsschutzgesichtspunkten (noch) nicht gerechtfertigten Klageerhebung entgegenwirken, der Behörde dadurch angemessene Zeit zu einer ausreichenden Sachprüfung gewährleisten und auf diese Weise zugleich die Gerichte entlasten soll. Diesen Zweck könnte die Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO nicht erfüllen, wenn sie – bei Fehlen eines vorausgegangenen Antrags – mit der Klageerhebung selbst in Lauf gesetzt werden könnte (Urteil der Kammer vom 27.08.2019 – 1 K 6312/17 –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.07.1990 – NC 9 S 58/90 –, juris Rn. 2; BVerwG, Urteile vom 31.08.1995 – 5 C 11.94 –, juris Rn. 14, vom 28.11.2007 – 6 C 42.06 –, juris Rn. 23 und vom 16.12.2009 – 6 C 40.07 –, juris Rn. 17). Bei der Antragstellung handelt es sich um eine im Verwaltungsprozess nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung (Urteil der Kammer vom 27.08.2019 – 1 K 6312/17 –; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 19.04.1999 – 6 S 420/97 –, juris Rn. 4 und vom 28.04.2008 – 11 S 683/08 –, juris Rn. 6; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., VwGO, § 42 Rn. 37; Peters, in: BeckOK VwGO, 53. Ed. 01.04.2020, VwGO, § 75 Rn. 5). Das Fehlen einer Antragstellung bei der Behörde hätte zugleich zur Folge, dass das für die Erhebung der Verpflichtungsklage nötige Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.2005 – 3 S 2521/04 –, juris Rn. 59). Der bei der Behörde zu stellende Antrag muss die der Sache nach erforderlichen Angaben und Unterlagen enthalten, die die Behörde für eine Sachentscheidung über den Antrag benötigt. Er muss vollständig sein. Nur so wird dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, dem Kläger die ihm durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete Klagemöglichkeit nicht durch Untätigbleiben der Verwaltung zu nehmen oder unangemessen zu verzögern, Genüge getan (vgl. Urteil der Kammer vom 27.08.2019 – 1 K 6312/17 –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2003 – 5 S 1279/01 –, juris Rn. 24; OVG Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.07.2017 – 7 A 197/15 –, juris Rn. 40; Bay. VGH, Beschluss vom 03.06.2016 – 15 BV 15.2441 –, juris Rn. 13 ff.; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 26; teilweise anders Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., VwGO, § 75 Rn. 5).
21 
Die Zulässigkeitsvoraussetzung der vorherigen Antragstellung bei der Verwaltungsbehörde steht dabei unter dem Vorbehalt, dass das einschlägige Verwaltungsverfahrensrecht keine abweichende Regelung trifft (BVerwG, Urteil vom 28.11.2007 – 6 C 42.06 –, juris Rn. 24). Dies ist hier nicht der Fall. Die einschlägigen Regelungen der Landesbauordnung sehen gerade vor, dass bei genehmigungspflichtigen Vorhaben vor Erteilung der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) ein Antrag auf Baugenehmigung (Bauantrag) zusammen mit den Bauvorlagen einzureichen ist (§ 53 Abs. 1 Satz 2 LBO).
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bb) Ein Behördenantrag des Klägers betreffend die Erteilung einer Baugenehmigung für die bereits erfolgte Errichtung der östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss mit den Maßen 4,30 m x 2,94 m ist bei sachgerechter Auslegung der Erklärung aus Sicht der Beklagten mit dem am 27.02.2017 bei der Beklagten eingegangenen, als Widerspruch gegen das Einrücken der Balkone formulierten Schreiben des Klägers gegeben.
23 
(1) Der Kläger hat vor Klageerhebung bei der Beklagten zwar noch keinen förmlichen, den Vorgaben des § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBO (s. näher unten) umfänglich entsprechenden Antrag auf Genehmigung von östlich gelegenen Balkonen im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss nebst Bauvorlagen mit den nun begehrten Maßen von 4,30 m x 2,94 m gestellt.
24 
Seine bisherigen bei der Beklagten gestellten Bauanträge, denen jeweils in vollem Umfang stattgegeben wurde, bezogen sich auf diese beiden Balkone, allerdings mit anderen Maßen. So beantragten der Kläger und seine Ehefrau zunächst eine Genehmigung für die Erweiterung der östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss mit einer Breite von 4,50 m und einer Tiefe von 2,50 m. Die Genehmigung für die bereits errichteten Balkone wurde ihnen durch Baugenehmigung vom 19.06.2015, wie beantragt, erteilt. Als in der Folge in Frage gestellt wurde, dass die beiden Balkone, so wie sie errichtet worden sind, die Abstandsflächen in Richtung des Nachbargrundstücks ... nicht einhielten, reichte der Kläger für sich und seine Ehefrau auf Anregung der Beklagten am 02.08.2016 geänderte Pläne ein. Während diese für den östlichen Balkon im 1. Obergeschoss Maße von 4,30 m x (nun) 2,94 m vorsahen, wurden die Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss in den Plänen auf der östlichen Seite um 28 cm (2. Obergeschoss) und 46 cm (Dachgeschoss) eingerückt, wodurch sich ihre Breite jeweils entsprechend verringerte, d.h. für den Balkon im 2. Obergeschoss noch 4,02 m und jenen im Dachgeschoss noch 3,48 m betrug. Im Einklang mit diesen Bauvorlagen erteilte die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau daraufhin am 17.01.2017 eine Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung.
25 
Demgegenüber hat der Kläger bislang bei der Beklagten nicht ausdrücklich einen förmlichen Bauantrag bezüglich einer Baugenehmigung für die östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss mit den hier begehrten Maßen von 4,30 m x 2,94 m eingereicht. Die nun gewünschte Tiefe von 2,94 m geht über die Angaben in seinem ursprünglichen Bauantrag (Tiefe von 2,50 m) hinaus; die nun begehrte Breite von 4,30 m geht über die Nachtragspläne hinaus, in denen die streitgegenständlichen Balkone um 28 cm bzw. 46 cm eingerückt waren.
26 
(2) Es ist aber ein Antrag des Klägers darin zu sehen, dass er am 27.02.2017 Widerspruch gegen „das Einrücken der Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss“ in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung eingelegt hat. Dies wäre seitens der Beklagten als neuer Behördenantrag zu verstehen gewesen.
27 
Öffentlich-rechtliche Willenserklärungen, darunter eingelegte Rechtsbehelfe und Behördenanträge eines Bürgers, sind entsprechend den für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätzen der §§ 133 und 157 BGB auszulegen. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 – 1 C 1.10 –, juris Rn. 16, vom 12.12.2001 – 8 C 17.01 –, juris Rn. 40 und vom 21.06.2006 – 6 C 19.06 –, juris Rn. 52 sowie Beschluss vom 22.09.2011 – 6 B 19.11 –, juris Rn. 6). Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.09.2010 – 8 C 21.09 –, juris Rn. 36 und vom 30.10.2013 – 2 C 23.12 –, juris Rn. 15). Dabei gibt § 133 BGB eine Auslegung vor, die – im Rahmen des für den Erklärungsempfänger Erkennbaren – den mit der Erklärung angestrebten Erfolg herbeiführt und die Erklärung nicht sinnlos macht (BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 – 2 C 23.12 –, juris Rn. 16). Eine erfolgsorientierte Auslegung ist dabei zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.2001 – 8 C 17.01 –, juris Rn. 40 f.). Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen Privater gegenüber Behörden. Letztere dürfen bei der Auslegung die erkennbare Interessenlage des Erklärenden nicht außer Acht lassen. Die Behörde darf der Erklärung keinen Inhalt geben, der die Rechtsverfolgung erschwert oder ausschließt, wenn nach den erkennbaren Umständen auch eine günstigere Auslegung möglich ist. In Zweifelsfällen sollte beim Erklärenden nachgefragt werden (BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 – 2 C 23.12 –, juris Rn. 16).
28 
Es ist hierbei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Widerspruch zugleich eine Antragstellung bei der Behörde enthält bzw. ein als Widerspruch bezeichnetes Schreiben als Antrag auszulegen ist (vgl. zu anderen Konstellationen etwa BVerwG, Urteil vom 15.06.2006 – 2 C 25.05 –, juris Rn. 20; VG Dessau, Urteil vom 16.03.2007 – 1 A 388/06 –, juris Rn. 18 ff.; VG Chemnitz, Urteil vom 13.11.2009 – 4 K 1444/08 –, juris Rn. 15; Hess. FG, Urteil vom 19.07.2013 – 3 K 2037/12 –, juris Rn. 32 ff.; SG Karlsruhe, Urteil vom 24.11.2015 – S 4 SO 56/15 –, juris Rn. 22 ff.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn zum einen dem Widerspruch ein Erklärungsinhalt entnommen werden kann, der auf eine Antragstellung gerichtet ist, und zum anderen der Widerspruch gegenüber der für die Entgegennahme von Behördenanträgen zuständigen Behörde erklärt wird (vgl. demgegenüber VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.09.2013 – 4 S 1042/12 –, juris Rn. 32). Insoweit ist die Ausgangslage eine andere als bei einer Klageerhebung, in der nicht zugleich auch der erforderliche Antrag an die Behörde gesehen werden kann. Letzteres wird damit begründet, dass eine andere Sichtweise zur Auflösung jeder klaren Struktur des Verwaltungsprozessrechts im Bereich der Verpflichtungsklage führen würde und im Gegensatz zur Eigenart der vorherigen Antragstellung als Sachurteilsvoraussetzung stünde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.04.1999 – 6 S 420/97 –, juris Rn. 4). Demgegenüber ist eine ebenso klare Trennung des behördlichen Verfahrens und des Widerspruchsverfahrens nicht vorgesehen. Eine Überschneidung der beiden Verfahrensabschnitte ergibt sich daraus, dass der Widerspruch grundsätzlich bei der Behörde zu erheben ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Außerdem hat die Ausgangsbehörde eine Abhilfe zu prüfen, bevor sie den Widerspruch der Widerspruchsbehörde vorlegt (vgl. §§ 72, 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
Der Kläger hat vorliegend am 27.02.2017 gegenüber der Beklagten „Widerspruch gegen das Einrücken der Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss“ in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vom 17.01.2017 erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der auf dem Grundstück ... liegende Teil der Abstandsfläche so geringfügig sei, dass das Nachbargrundstück dadurch nicht beeinträchtigt werde. Zudem sei das Vermessungsbüro bei der Festlegung der Abstandsflächen zu Unrecht von dem ca. 1 m tieferliegenden Hofboden ausgegangen. Die Abstandsflächen seien deshalb um 0,4 m weniger tief; dadurch werde das Nachbargrundstück noch weniger beeinflusst. Hiermit hat der Kläger aus der objektiven Empfängersicht der Beklagten seinen Willen zum Ausdruck gebracht, eine Baugenehmigung für nicht eingerückte Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss zu erhalten. Das als Widerspruch bezeichnete Schreiben reichte der Kläger bei der Beklagten ein, die zugleich die zuständige untere Baurechtsbehörde war (§ 46 Abs. 1 Nr. 3 LBO i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 LVG). Ein derartiges Verständnis ist auch aus dem Grund anzunehmen, weil das als „Widerspruch“ bezeichnete Schreiben, mit dem sich der Kläger formal gegen die in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung liegende Verschlechterung gegenüber der ursprünglich erhaltenen Baugenehmigung wandte, als Anfechtungswiderspruch voraussichtlich aussichtslos gewesen wäre. Denn da der Kläger mit der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung ebendas erhalten hatte, was er nach Einreichung der Nachtragspläne bei der Beklagten beantragt hatte, wäre der Widerspruch gegen die Baugenehmigung vom Regierungspräsidium Karlsruhe – nach Weiterleitung an dieses – als unzulässig abzulehnen gewesen. Hiervon ging auch die Beklagte aus, die, wie sie in der mündlichen Verhandlung bekräftigt hat, dem am 27.02.2017 eingegangenen Schreiben keine eigene Bedeutung beimaß und deshalb lediglich den Widerspruch gegen die Rückbauverfügung dem Regierungspräsidium Karlsruhe zur Entscheidung vorlegte.
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Daran, dass das vom Kläger zum Ausdruck gebrachte Begehren als neuerlicher Bauantrag zu verstehen gewesen wäre, ändert es im Übrigen nichts, dass dieser bei isolierter Betrachtung nicht den Vorgaben des § 53 Abs. 1 Satz 1 LBO genügte. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 LBO sind alle für die Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) bei der Gemeinde einzureichen. § 53 Abs. 1 Satz 2 LBO sieht vor, dass bei genehmigungspflichtigen Vorhaben vor Erteilung der Baugenehmigung zusammen mit den Bauvorlagen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 LBO) der Antrag auf Baugenehmigung (Bauantrag) einzureichen ist. Art, Umfang und Inhalt der vorzulegenden Bauvorlagen ergeben sich dabei aus der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV), vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 1 LBO. Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen vollständig, richtig und eindeutig sein (Beschluss der Kammer vom 15.05.2020 – 1 K 3807/19 –; VG München, Beschlüsse vom 28.11.2017 – M 8 SN 17.4766 –, juris Rn. 57 und vom 16.05.2018 – M 8 E 18.1233 –, juris, jeweils m.w.N.). Vorliegend ändert dies jedoch nichts daran, dass dem am 27.02.2017 eingegangenen Schreiben des Klägers objektiv bereits ein Erklärungsgehalt hinsichtlich der Erteilung einer Baugenehmigung für die streitgegenständlichen östlichen Balkone mit den nun begehrten Maßen zu entnehmen war. Dies gilt vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger bereits zuvor betreffend die Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung einen mit dem nun benötigten bis auf das Einrücken der Balkone identischen Bauantrag nebst Bauvorlagen – den Nachtragsplänen – eingereicht hatte. Der Inhalt der nun begehrten Baugenehmigung war für die Beklagte unter Berücksichtigung der Nachtragspläne und Außerachtlassung des dort vorgesehenen Einrückens der Balkone klar erkennbar. Es hätte aus diesem Grund der Beklagten oblegen, über das so zum Ausdruck gebrachte Begehren zu entscheiden bzw. den Kläger zumindest zur Einreichung eines vollständigen neuen, den Vorgaben des § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBO entsprechenden Bauantrags nebst geänderter Bauvorlagen aufzufordern.
31 
cc) Indem die Beklagte gleichwohl in angemessener Frist, hier innerhalb von drei Monaten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung der Baugenehmigung sachlich nicht entschieden hat, war die Klage zudem abweichend von § 68 VwGO ohne vorhergehendes Widerspruchsverfahren zulässig (vgl. § 75 Satz 1 und 2 VwGO). Ein sachlicher Grund für die Nichtbescheidung kann zwar grundsätzlich darin liegen, dass die Behörde mangels eines vollständigen Antrags zu einer Bearbeitung und Sachentscheidung nicht in der Lage gewesen ist, über den Antrag zu entscheiden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2003 – 5 S 1279/01 –, juris Rn. 25). Nach den zuvor beschriebenen besonderen Umständen des Einzelfalles, in dem für die Beklagte bereits aufgrund der zuvor eingereichten Unterlagen der Inhalt des Begehrens des Klägers klar ersichtlich war, wäre ihr aber eine Bescheidung des Antrags – zumindest nach Hinwirken auf einen förmlichen Bauantrag – möglich gewesen. Nur durch Entgegennahme und Bescheidung eines Behördenantrags mit den vom Kläger begehrten Maßen für die streitgegenständlichen Balkone hätte die Beklagte dem Kläger im Übrigen, nachdem sie ihm zuvor selbst das Einrücken der Balkone nahegelegt hatte, effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG hinsichtlich seines wirklichen Begehrens ermöglichen können.
32 
dd) Doch auch wenn dies im Ergebnis anders zu beurteilen sein sollte, hätte die Klage zumindest aus anderen Gründen keinen Erfolg.
33 
2. Die Klage ist unbegründet. Die Unterlassung der Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung von östlich gelegenen Balkonen im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss in einer Breite von 4,30 m und einer Tiefe von 2,94 m verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), da er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung hat. Der Kläger kann einen solchen Anspruch zwar unabhängig von seiner Ehefrau geltend machen (s. unter a)). Die Erteilungsvoraussetzungen sind aber nicht erfüllt (s. unter b)).
34 
a) Der Kläger verfügt über die nötige Aktivlegitimation zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
35 
Daran ändert es nichts, dass das Grundstück ... im gemeinschaftlichen Eigentum von ihm und seiner Ehefrau ... steht. Dies ergibt sich daraus, dass die Baugenehmigung gemäß § 58 Abs. 3 LBO unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird. Die Vorschrift entbindet die Baugenehmigungsbehörde von der Verpflichtung, über möglicherweise komplexe und umstrittene zivilrechtliche Fragen der Grundstücksnutzung mitentscheiden zu müssen. Namentlich muss sie sich grundsätzlich nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob der Bauherr zivilrechtlich befugt ist, die Genehmigung auszunutzen oder ob dem etwa Regelungen des Miteigentumsrechts entgegenstehen (zur entsprechenden Regelung der nordrhein-westfälischen Bauordnung Hüwelmeier, in: Spannowsky/Saurenhaus, BeckOK Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, 3. Edition, Stand: 01.12.2019, § 74 BauO NRW, Rn. 112).
36 
b) Dem Kläger steht jedoch kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung aus § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO gegen die Beklagte zu.
37 
Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Der nach § 49 LBO genehmigungspflichtigen Neuerrichtung der streitgegenständlichen Balkone als Errichtung eines Teils einer baulichen Anlage (§ 2 Abs. 1 Satz 1 LBO) stehen – unabhängig von der Frage der formellen Voraussetzungen bezüglich eines den Vorgaben des § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBO entsprechenden Bauantrags nebst Bauvorlagen, auf dessen Vorlage die Beklagte hier hätte hinwirken müssen (s. oben) – materielle Vorschriften des Bauordnungsrechts entgegen. Denn das Vorhaben wahrt nicht die von den Balkonen in Richtung des Hofbereichs zum Nachbargrundstück ... nach § 5 LBO einzuhaltenden Abstandsflächen.
38 
aa) § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO sieht vor, dass vor den Außenwänden von baulichen Anlagen Abstandsflächen liegen müssen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Die streitgegenständlichen Balkone bleiben bei der Bemessung der Abstandsfläche nicht nach § 5 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 LBO außer Betracht. Dies wäre nur für Vorbauten wie Balkone anzunehmen, wenn sie nicht breiter als 5 m sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Die östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss sollen indessen zum einen 2,94 m hervortreten und zum anderen unmittelbar grenzständig gelegen sein. Bauteile und Wände, die nicht unter die Privilegierung des § 5 Abs. 6 LBO fallen – etwa, weil sie um mehr als 1,5 m vor die übrige Wand hervortreten –, bilden eigenständige Wandabschnitte, für die die erforderlichen Abstandsflächentiefen isoliert einzuhalten sind. Denn die Bemessung der Abstandsfläche im Sinne des § 5 Abs. 6 LBO meint nicht nur die Bestimmung der Lage der Fläche. Vielmehr gehört zur Bemessung der Abstandsfläche auch die Bemessung der Tiefe der Fläche, was sich aus § 5 Abs. 4 Satz 1 LBO ergibt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2015 – 8 S 1531/14 –, juris Rn. 47 f. m.w.N.). Demgemäß sind die für die östlich gelegenen Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss einzuhaltenden Abstandsflächen unabhängig vom übrigen Gebäude und den jeweils anderen Balkonen zu bemessen.
39 
§ 5 Abs. 2 Satz 1 LBO sieht des Weiteren vor, dass die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Eine der in § 5 Abs. 2 Satz 2 und § 7 LBO vorgesehenen Ausnahmen liegt nicht vor.
40 
bb) Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 LBO nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen. Als Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand (Satz 2). Ergeben sich bei einer Wand durch die Geländeoberfläche unterschiedliche Höhen, ist die im Mittel gemessene, nach Satz 4 der Vorschrift zu bestimmende Wandhöhe zugrundezulegen (Satz 3). Maßgebend ist die tatsächliche Geländeoberfläche nach Ausführung des Bauvorhabens, soweit sie nicht zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird oder wurde (Satz 5).
41 
Für den Schnittpunkt der Wand ist hier nach § 5 Abs. 4 Satz 2 und 5 LBO der tieferliegende Hofboden als die tatsächliche Geländeoberfläche maßgeblich. § 5 Abs. 4 Satz 5 LBO stellt für die Geländeoberfläche eindeutig auf die tatsächlich vorhandenen Verhältnisse ab. Eine Ausnahme ist in § 5 Abs. 4 Satz 5 a.E. LBO lediglich für den Fall vorgesehen, dass die nach Ausführung des Bauvorhabens vorhandene tatsächliche Geländeoberfläche gerade zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird oder wurde (Satz 5). Diese Einschränkung ist nur bei Aufschüttungen in Betracht zu ziehen, während sie bei Abgrabungen von vornherein ausscheidet (vgl. LT-Drs. 15/5294, S. 17; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.03.2015 – 3 S 1913/14 –, juris Rn. 7). Für die Berücksichtigung der Folgen einer Abgrabung, die zu einer Anhebung der Abstandsflächentiefe führen, ist damit keine Einschränkung vorgesehen. Bei Abgrabungen soll regelmäßig die tatsächliche Geländeoberfläche maßgeblich sein (LT-Drs. 15/5294, S. 17). Auch wenn Bau- und Nachbargrundstück unterschiedlich hoch liegen, kommt es regelmäßig nur auf die Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück an (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 28). In Anwendung dieser Maßstäbe hat die Beklagte bei der Berechnung der Abstandsflächen zu Recht auf den tieferliegenden Hofboden abgestellt. Es ändert hierbei nichts, dass das Gelände hofseitig durch eine Abgrabung im Vergleich zu den angrenzenden Grundstücken tiefergelegt wurde, um mittels eines Lichtschachts einen ebenerdigen Zugang zum Gebäude zu erhalten.
42 
Soweit teilweise eine Abgrabung ausnahmsweise dann nicht für maßgebend erachtet wird, wenn sich die durch die Abgrabungen geschaffene Vertiefung lediglich als Teil des Baukörpers selbst darstellt, diesem unmittelbar zugeordnet sowie technisch mit ihm verbunden ist und der Funktion des angrenzenden Raums unmittelbar dient, z.B. als – kleinerer – Lichtschacht oder Kellereingangstreppe (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 03.08.2016 – 4 K 4013/15 –, juris Rn. 28; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.06.1995 – 7 B 1413/95 –, juris Rn. 5), kann dem jedenfalls für die vorliegende Konstellation nicht gefolgt werden. Wie auf den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern ersichtlich ist, erstreckt sich die vom Kläger als Lichtschacht bezeichnete Abgrabung, deren genauen Maße sich den Bauvorlagen nicht entnehmen lassen, über die gesamte Länge der Hauswand; auch erstreckt sich ihre Tiefe in beträchtlichem Maße in die südliche Richtung. Sie kann deshalb weder ihrer Länge noch ihrer Tiefe nach als untergeordneter Teil des Baukörpers angesehen werden (vgl. auch VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2016 – 3 K 3560/16 –).
43 
cc) Die Tiefe der Abstandsflächen beträgt nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO allgemein 0,4 der Wandhöhe. Dass vorliegend eine andere Tiefe gilt, ist weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO darf die Tiefe der Abstandsfläche als Mindestabstandsfläche grundsätzlich 2,5 m und bei Wänden bis 5 m – so hier wegen der Balkonbreite von nur 4,30 m – 2 m nicht unterschreiten.
44 
Die Wandhöhe bis zum oberen Abschluss des jeweiligen Balkongeländers beträgt nach den – aufgrund der übrigen Pläne nachvollziehbaren und von den Beteiligten nicht beanstandeten – Berechnungen im Abstandsflächenplan des Vermessungsbüros ... vom 19.05.2016 (Bl. 551 der Behördenakte) für den Balkon im 2. Obergeschoss 8,70 m und für den Balkon im Dachgeschoss 11,70 m.
45 
Die einzuhaltenden Abstandsflächen betragen demgemäß, wie im Abstandsflächenplan des Vermessungsbüros ... ausgeführt (Bl. 551, 553 der Behördenakte), für den Balkon im 2. Obergeschoss 8,70 m x 0,4 = 3,48 m und für den Balkon im Dachgeschoss 11,70 m x 0,4 = 4,68 m. Aufgrund der Tiefe der Abstandsfläche im Zusammenspiel mit dem Grenzverlauf an der östlichen Seite, der vom Grundstück ... zum streitgegenständlichen Grundstück hin abknickt, kämen die Abstandsflächen nur dann auf dem Grundstück des Klägers zum Liegen, wenn die östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss, wie in den Nachtragsplänen und in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vorgesehen, östlich um 28 cm bzw. 46 cm eingerückt werden (vgl. Abstandsflächenplan des Vermessungsbüros ..., Bl. 551, 553 der Behördenakte). Bei der vom Kläger nun begehrten Tiefe der östlichen Balkone von 2,94 m auch im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss kommen die Abstandsflächen hingegen zu einem gewissen Teil auf dem Grundstück Fasanenstraße 4 zum Liegen. Nach der unstreitigen, vom Kläger vorgelegten Darstellung, die auf dem Abstandsflächenplan des Vermessungsbüros ... beruht, handelt es sich dabei jeweils um eine Fläche in Form eines rechtwinkligen Dreiecks. Für den Balkon im 2. Obergeschoss beträgt dessen längere Seite (in Verlängerung der östlichen Balkonaußenwand) 1 m und dessen kürzere Seite (parallel zur Längsseite des Balkons) 0,15 m (s. Anlage 10 zur Klageschrift). Für den Balkon im Dachgeschoss beträgt dessen längere Seite 2,10 m und dessen kürzere Seite 0,30 m (s. Anlage 9 zur Klageschrift). Die nötige Tiefe der Abstandsfläche würde demzufolge für den Balkon im 2. Obergeschoss um 1 m und für den Balkon im Dachgeschoss um 2,10 m unterschritten. Im Einzelnen wird auf das Vorbringen der Beteiligten und die in den Bauvorlagen befindlichen Berechnungen und Pläne Bezug genommen.
46 
Im Übrigen würden die Abstandsflächen, wie der Kläger einräumt – wenn auch in geringerem Umfang – bei einer Zugrundelegung des höhergelegenen umliegenden Geländes ebenfalls unterschritten und kämen auf dem Nachbargrundstück zum Liegen. Die Tiefe der Abstandsfläche würde für den Balkon im 2. Obergeschoss dann noch um 0,64 m und für den Balkon im Dachgeschoss um 1,74 m unterschritten (vgl. hierzu die Ausführungen des Klägers, Bl. 9 der Gerichtsakte).
47 
Wie das Regierungspräsidium Karlsruhe im Widerspruchsbescheid zu der Rückbauverfügung zutreffend ausführt, kommt es für die Berechnung der Abstandsflächen weiter nicht auf die Regelung des § 5 Abs. 4 Satz 3 LBO an. Denn das Gelände weist zwar aufgrund der Abgrabung im Vergleich zum hinteren Hofbereich Höhenunterschiede auf. Diese befinden sich jedoch nicht im Bereich der Wand, über deren gesamte Länge sich die Abgrabung erstreckt, und sind deshalb ohne Bedeutung.
48 
dd) Die Voraussetzungen für die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO sind ebenfalls nicht erfüllt. Für einen Sonderfall nach Nr. 1 dieser Vorschrift ist nichts ersichtlich. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Ein Sonderfall nach Nr. 2 scheidet hier jedenfalls deshalb aus, weil nicht anzunehmen ist, dass die Unterschreitung der erforderlichen Abstandsflächen die nachbarlichen Belange der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks Fasanenstraße 4 nicht erheblich beeinträchtigt.
49 
(1) Unter der Geltung der früheren Fassung der Vorschrift war hierbei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe im Sinne des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO a.F. unterschritten wurde, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig war. Nachbarliche Belange waren in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet war, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen ließen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 14.01.2010 – 8 S 1977/09 –, juris Rn. 9 und vom 27.11.2013 – 8 S 1813/13 –, juris Rn. 16 sowie Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 42). An dieser Rechtsprechung ist nach dem Wegfall der gesetzlichen Unterscheidung zwischen nachbarschützenden und nicht nachbarschützenden Teilen der Abstandsflächentiefe festzuhalten (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 06.04.2010 – 8 S 1529/08 –, juris Rn. 24 und vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 42). Dies gilt jedenfalls für den Fall einer Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 06.04.2010 – 8 S 1529/08 –, juris Rn. 24 und vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 42), aber auch darüber hinaus. Zumindest solange die Unterschreitung der Abstandsflächentiefe sich nicht nur auf einen bloßen Bagatellfall beschränkt (s. unten), wird der Nachbar durch eine Unterschreitung der Abstandsflächentiefe, die nunmehr in vollem Umfang nachbarschützend ist, in seinen Belangen erheblich beeinträchtigt, sofern es an relevanten Besonderheiten fehlt.
50 
Das Interesse des Nachbarn deutlich mindernde oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassende Besonderheiten können sich aus den tatsächlichen Verhältnissen auf seinem Grundstück oder aus rechtlichen Besonderheiten ergeben, die beim Nachbargrundstück im Verhältnis zum Bauvorhaben vorliegen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.01.2010 – 8 S 1977/09 –, juris Rn. 9 und Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 42). Derartige Besonderheiten können etwa in einer unterschiedlichen Höhenlage der beiden Grundstücke (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 – 8 S 2566/96 –, juris Rn. 14; Busch, in: Schlotterbeck, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 5 LBO, Rn. 73, 79), einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt, oder auch dem Vorhandensein eines grenznahen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück begründet sein (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 – 8 S 2566/96 –, juris Rn. 14). Weiter können relevante Besonderheiten in einer rechtlichen Vorbelastung des Nachbargrundstücks – etwa wegen Verwirkung des materiellen Abwehrrechts – oder darin liegen, dass sich dem Regelungsregime der Abstandsflächenvorschriften eindeutig entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber die konkrete Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks für zumutbar hält (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 14.01.2010 – 8 S 1977/09 –, juris Rn. 9 und vom 27.11.2013 – 8 S 1813/13 –, juris Rn. 16 sowie Urteil vom 06.04.2010 – 8 S 1529/08 –, juris Rn. 26).
51 
(2) Eine solche Besonderheit ist vorliegend nicht in dem abknickenden Grenzverlauf im Bereich des Grundstücks ... zum streitgegenständlichen Grundstück hin zu sehen. Die insoweit nicht rechtwinkligen Grundstückszuschnitte des Grundstücks ... und des streitgegenständlichen Grundstücks sind nicht derart ungewöhnlich, dass sie eine geringere Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks bewirken und deshalb im Rahmen von § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO Berücksichtigung finden könnten. Abgeschrägte oder abknickende Verläufe von Grundstücksgrenzen sind vielmehr durchaus üblich und haben daher – sofern nicht durch den Grenzverlauf eine Bebauung praktisch ausgeschlossen wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 – 8 S 2566/96 –, juris Rn. 14) – im Regelfall außer Betracht zu bleiben.
52 
(3) Auch die hier gegebene unterschiedliche Höhenlage lässt im Ergebnis die erhebliche Beeinträchtigung der Eigentümer des Grundstücks ... nicht entfallen.
53 
Topografische Besonderheiten sind vorliegend zwar grundsätzlich insofern anzunehmen, als das streitgegenständliche Grundstück aufgrund der Abgrabung im Bereich der maßgeblichen Wandhöhe tiefer gelegen ist als die umgebenden Grundstücke einschließlich des östlich angrenzenden Grundstücks .... Mit knapp 1 m Höhenunterschied ist auch von einem größeren Höhenunterschied auszugehen (für diese Einschränkung s. Dürr/Leven/Speckmaier, Baurecht Baden-Württemberg, 16. Aufl., Rn. 214), der sich auf die Bedeutung der nachbarlichen Beeinträchtigung auswirken kann. Die Unterschreitung der nötigen Abstandsflächentiefe, die bei einer Bezugnahme auf die Bodenhöhe des Lichtschachts erforderlich ist, beeinträchtigt die Belichtung, Belüftung und den Brandschutz sowie sonstige nachbarliche Belange dabei in weniger bedeutendem Maß als bei einer entsprechenden Gebäudehöhe ohne vorhandene Abgrabung. Dies ergibt sich daraus, dass das Gebäude des Bauherrn für den Nachbarn – hier die Eigentümer des Grundstücks ... – tatsächlich nicht höher in Erscheinung tritt als ohne die Abgrabung. Die Abstandsfläche ergibt sich vielmehr nur aus einem rechnerischen Bezugspunkt am Boden der vom Kläger als Lichtschacht bezeichneten Fläche (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.08.2012 – 3 S 1274/12 –, juris Rn. 9; VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2016 – 3 K 3560/16 –).
54 
Die durch die Abgrabung bewirkten topografischen Besonderheiten rechtfertigen im vorliegenden Fall gleichwohl nicht die Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe für die Balkone mit den begehrten Maßen. Denn eine erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange wäre insofern nur dann ausgeschlossen, wenn bei Beibehaltung der natürlichen Geländeoberfläche – also ohne die Abgrabung – die erforderlichen Abstandsflächen zwanglos auf dem eigenen Baugrundstück hätten nachgewiesen werden können (vgl. Busch, in: Schlotterbeck, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 5 LBO, Rn. 58; ebenso im Ergebnis VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.08.2012 – 3 S 1274/12 –, juris Rn. 5; VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2016 – 3 K 3560/16 –). Im vorliegenden Fall, in dem die nötige Abstandsflächentiefe auch bei der Vergleichsberechnung unter Zugrundelegung der natürlichen Geländehöhe, wie sie die umliegenden Grundstücke aufweisen, (deutlich) unterschritten wird (s. oben), werden die Eigentümer des Grundstücks ... auch unabhängig von dem Höhenunterschied erheblich in ihren Belangen beeinträchtigt.
55 
(4) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geäußerten Auffassung ist es außerdem ohne Belang, ob die Unterschreitung der Abstandsflächen als geringfügig anzusehen wäre oder nicht (s. oben). Allenfalls könnte im Rahmen des Entschließungsermessens der Baurechtsbehörde hinsichtlich eines bauordnungsrechtlichen Einschreitens in Bagatellfällen, bei denen es um die Unterschreitung der Abstandsfläche um wenige Zentimeter geht, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit oder des Schikaneverbots ausnahmsweise eine andere Bewertung angezeigt sein, sodass in einem solchen Fall – anders als sonst – möglicherweise nicht schon das Ermessen der Behörde zum Einschreiten auf Null reduziert wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 52). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die durch ein entsprechendes Vorhaben bewirkte Rechtsverletzung zugleich durch die Erteilung einer Baugenehmigung zu legalisieren wäre (vgl. Schlotterbeck/Busch, Abstandsflächenrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 215). Davon abgesehen, handelt es sich wegen der Unterschreitung der Abstandsflächentiefe für den Balkon im 2. Obergeschoss um 1 m und für den Balkon im Dachgeschoss um 2,10 m ohnehin um keinen Bagatellfall. Nichts anderes ergäbe sich, wenn man – aufgrund des durch die Abgrabung erzeugten Höhenunterschiedes zwischen den beiden Grundstücken – fiktiv die Berechnung der Abstandsfläche unter Außerachtlassung der Höhe des Lichtschachts vornähme. Dann wäre die Abstandsflächentiefe für den Balkon im 2. Obergeschoss um 0,64 m sowie für den Balkon im Dachgeschoss um 1,74 m und damit ebenfalls in einem deutlich über einen Bagatellfall hinausgehenden Maß unterschritten.
56 
Des Weiteren ist für die beiden streitgegenständlichen Balkone nicht ersichtlich, dass die Unterschreitung der Abstandsflächentiefe sich – wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ohne nähere Substantiierung aufgeworfen – in einem nicht mehr zuverlässig messbaren Bereich bewegte. Hiergegen spricht bereits die von dem Vermessungsbüro ... erstellte detailgenaue Abstandsflächenvermessung. Diese hatte der Kläger selbst bei der Beklagten vorgelegt und ihre Richtigkeit bislang nicht beanstandet. Im Übrigen ist jedenfalls für die im vorliegenden Fall beachtliche Unterschreitung der Abstandsflächentiefen um 1 m und 2,10 m bzw. – bei Außerachtlassung der Abgrabung – um 0,64 m und 1,74 m, d.h. in jedem Fall um deutlich mehr als einen halben Meter davon auszugehen, dass die vorhandenen Messungen hinreichend genau sind, um eine Abstandsflächenverletzung annehmen zu können.
57 
ee) Es sind schließlich keine Anhaltspunkte dafür dargelegt oder erkennbar, dass die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung, Ausnahme oder Befreiung nach § 56 Abs. 1 bis 5 LBO erfüllt sein könnten (vgl. allgemein VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 48).
58 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Kammer macht von dem ihr in § 167 Abs. 2 VwGO eingeräumten Ermessen Gebrauch und sieht von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ab.
60 
4. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegt.
61 
BESCHLUSS
62 
Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000 EUR festgesetzt (vgl. Urteil der Kammer vom 21.08.2018 – 1 K 3251/16 –).

Gründe

 
16 
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
17 
1. Die Klage ist zulässig. Sie ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO in Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
18 
a) Zwar kommt eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO grundsätzlich nur in Betracht, wenn ein Verwaltungsakt durch die Behörde abgelehnt worden ist. Einen Antrag des Klägers bezüglich der Errichtung der östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss mit den Maßen 4,30 m x 2,94 m hat die Beklagte bislang nicht abgelehnt.
19 
b) Die Klage ist aber in Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO zulässig, weil über einen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Balkone mit den gewünschten Maßen ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Auch wenn der Kläger nicht ausdrücklich einen Bauantrag hinsichtlich der beiden streitgegenständlichen Balkone mit den Maßen 4,30 m x 2,94 m gestellt hat, wäre sein Widerspruch gegen „das Einrücken der Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss“ in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vom 17.01.2017 als entsprechender neuer Behördenantrag auszulegen gewesen.
20 
aa) Die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage hängt allgemein und insbesondere bei einer Untätigkeitsklage von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Dies ergibt sich aus §§ 42 Abs. 1, 2. Alt. und 68 Abs. 2 VwGO sowie aus dem Wortlaut des Gesetzes in § 75 Satz 1 VwGO, der voraussetzt, dass ein „Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts“ unbeschieden geblieben ist. Ebenso folgt dies aus der Systematik und aus Sinn und Zweck der Vorschrift: Wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung ist es zunächst Sache der Verwaltung, sich mit (vermeintlichen) Ansprüchen des Einzelnen zu befassen. Dementsprechend sieht § 75 Satz 2 VwGO eine Sperrfrist vor, die einer verfrühten und deshalb unter Rechtsschutzgesichtspunkten (noch) nicht gerechtfertigten Klageerhebung entgegenwirken, der Behörde dadurch angemessene Zeit zu einer ausreichenden Sachprüfung gewährleisten und auf diese Weise zugleich die Gerichte entlasten soll. Diesen Zweck könnte die Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO nicht erfüllen, wenn sie – bei Fehlen eines vorausgegangenen Antrags – mit der Klageerhebung selbst in Lauf gesetzt werden könnte (Urteil der Kammer vom 27.08.2019 – 1 K 6312/17 –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.07.1990 – NC 9 S 58/90 –, juris Rn. 2; BVerwG, Urteile vom 31.08.1995 – 5 C 11.94 –, juris Rn. 14, vom 28.11.2007 – 6 C 42.06 –, juris Rn. 23 und vom 16.12.2009 – 6 C 40.07 –, juris Rn. 17). Bei der Antragstellung handelt es sich um eine im Verwaltungsprozess nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung (Urteil der Kammer vom 27.08.2019 – 1 K 6312/17 –; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 19.04.1999 – 6 S 420/97 –, juris Rn. 4 und vom 28.04.2008 – 11 S 683/08 –, juris Rn. 6; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., VwGO, § 42 Rn. 37; Peters, in: BeckOK VwGO, 53. Ed. 01.04.2020, VwGO, § 75 Rn. 5). Das Fehlen einer Antragstellung bei der Behörde hätte zugleich zur Folge, dass das für die Erhebung der Verpflichtungsklage nötige Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.2005 – 3 S 2521/04 –, juris Rn. 59). Der bei der Behörde zu stellende Antrag muss die der Sache nach erforderlichen Angaben und Unterlagen enthalten, die die Behörde für eine Sachentscheidung über den Antrag benötigt. Er muss vollständig sein. Nur so wird dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, dem Kläger die ihm durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete Klagemöglichkeit nicht durch Untätigbleiben der Verwaltung zu nehmen oder unangemessen zu verzögern, Genüge getan (vgl. Urteil der Kammer vom 27.08.2019 – 1 K 6312/17 –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2003 – 5 S 1279/01 –, juris Rn. 24; OVG Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.07.2017 – 7 A 197/15 –, juris Rn. 40; Bay. VGH, Beschluss vom 03.06.2016 – 15 BV 15.2441 –, juris Rn. 13 ff.; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 26; teilweise anders Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., VwGO, § 75 Rn. 5).
21 
Die Zulässigkeitsvoraussetzung der vorherigen Antragstellung bei der Verwaltungsbehörde steht dabei unter dem Vorbehalt, dass das einschlägige Verwaltungsverfahrensrecht keine abweichende Regelung trifft (BVerwG, Urteil vom 28.11.2007 – 6 C 42.06 –, juris Rn. 24). Dies ist hier nicht der Fall. Die einschlägigen Regelungen der Landesbauordnung sehen gerade vor, dass bei genehmigungspflichtigen Vorhaben vor Erteilung der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) ein Antrag auf Baugenehmigung (Bauantrag) zusammen mit den Bauvorlagen einzureichen ist (§ 53 Abs. 1 Satz 2 LBO).
22 
bb) Ein Behördenantrag des Klägers betreffend die Erteilung einer Baugenehmigung für die bereits erfolgte Errichtung der östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss mit den Maßen 4,30 m x 2,94 m ist bei sachgerechter Auslegung der Erklärung aus Sicht der Beklagten mit dem am 27.02.2017 bei der Beklagten eingegangenen, als Widerspruch gegen das Einrücken der Balkone formulierten Schreiben des Klägers gegeben.
23 
(1) Der Kläger hat vor Klageerhebung bei der Beklagten zwar noch keinen förmlichen, den Vorgaben des § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBO (s. näher unten) umfänglich entsprechenden Antrag auf Genehmigung von östlich gelegenen Balkonen im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss nebst Bauvorlagen mit den nun begehrten Maßen von 4,30 m x 2,94 m gestellt.
24 
Seine bisherigen bei der Beklagten gestellten Bauanträge, denen jeweils in vollem Umfang stattgegeben wurde, bezogen sich auf diese beiden Balkone, allerdings mit anderen Maßen. So beantragten der Kläger und seine Ehefrau zunächst eine Genehmigung für die Erweiterung der östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss mit einer Breite von 4,50 m und einer Tiefe von 2,50 m. Die Genehmigung für die bereits errichteten Balkone wurde ihnen durch Baugenehmigung vom 19.06.2015, wie beantragt, erteilt. Als in der Folge in Frage gestellt wurde, dass die beiden Balkone, so wie sie errichtet worden sind, die Abstandsflächen in Richtung des Nachbargrundstücks ... nicht einhielten, reichte der Kläger für sich und seine Ehefrau auf Anregung der Beklagten am 02.08.2016 geänderte Pläne ein. Während diese für den östlichen Balkon im 1. Obergeschoss Maße von 4,30 m x (nun) 2,94 m vorsahen, wurden die Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss in den Plänen auf der östlichen Seite um 28 cm (2. Obergeschoss) und 46 cm (Dachgeschoss) eingerückt, wodurch sich ihre Breite jeweils entsprechend verringerte, d.h. für den Balkon im 2. Obergeschoss noch 4,02 m und jenen im Dachgeschoss noch 3,48 m betrug. Im Einklang mit diesen Bauvorlagen erteilte die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau daraufhin am 17.01.2017 eine Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung.
25 
Demgegenüber hat der Kläger bislang bei der Beklagten nicht ausdrücklich einen förmlichen Bauantrag bezüglich einer Baugenehmigung für die östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss mit den hier begehrten Maßen von 4,30 m x 2,94 m eingereicht. Die nun gewünschte Tiefe von 2,94 m geht über die Angaben in seinem ursprünglichen Bauantrag (Tiefe von 2,50 m) hinaus; die nun begehrte Breite von 4,30 m geht über die Nachtragspläne hinaus, in denen die streitgegenständlichen Balkone um 28 cm bzw. 46 cm eingerückt waren.
26 
(2) Es ist aber ein Antrag des Klägers darin zu sehen, dass er am 27.02.2017 Widerspruch gegen „das Einrücken der Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss“ in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung eingelegt hat. Dies wäre seitens der Beklagten als neuer Behördenantrag zu verstehen gewesen.
27 
Öffentlich-rechtliche Willenserklärungen, darunter eingelegte Rechtsbehelfe und Behördenanträge eines Bürgers, sind entsprechend den für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätzen der §§ 133 und 157 BGB auszulegen. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 – 1 C 1.10 –, juris Rn. 16, vom 12.12.2001 – 8 C 17.01 –, juris Rn. 40 und vom 21.06.2006 – 6 C 19.06 –, juris Rn. 52 sowie Beschluss vom 22.09.2011 – 6 B 19.11 –, juris Rn. 6). Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.09.2010 – 8 C 21.09 –, juris Rn. 36 und vom 30.10.2013 – 2 C 23.12 –, juris Rn. 15). Dabei gibt § 133 BGB eine Auslegung vor, die – im Rahmen des für den Erklärungsempfänger Erkennbaren – den mit der Erklärung angestrebten Erfolg herbeiführt und die Erklärung nicht sinnlos macht (BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 – 2 C 23.12 –, juris Rn. 16). Eine erfolgsorientierte Auslegung ist dabei zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.2001 – 8 C 17.01 –, juris Rn. 40 f.). Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen Privater gegenüber Behörden. Letztere dürfen bei der Auslegung die erkennbare Interessenlage des Erklärenden nicht außer Acht lassen. Die Behörde darf der Erklärung keinen Inhalt geben, der die Rechtsverfolgung erschwert oder ausschließt, wenn nach den erkennbaren Umständen auch eine günstigere Auslegung möglich ist. In Zweifelsfällen sollte beim Erklärenden nachgefragt werden (BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 – 2 C 23.12 –, juris Rn. 16).
28 
Es ist hierbei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Widerspruch zugleich eine Antragstellung bei der Behörde enthält bzw. ein als Widerspruch bezeichnetes Schreiben als Antrag auszulegen ist (vgl. zu anderen Konstellationen etwa BVerwG, Urteil vom 15.06.2006 – 2 C 25.05 –, juris Rn. 20; VG Dessau, Urteil vom 16.03.2007 – 1 A 388/06 –, juris Rn. 18 ff.; VG Chemnitz, Urteil vom 13.11.2009 – 4 K 1444/08 –, juris Rn. 15; Hess. FG, Urteil vom 19.07.2013 – 3 K 2037/12 –, juris Rn. 32 ff.; SG Karlsruhe, Urteil vom 24.11.2015 – S 4 SO 56/15 –, juris Rn. 22 ff.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn zum einen dem Widerspruch ein Erklärungsinhalt entnommen werden kann, der auf eine Antragstellung gerichtet ist, und zum anderen der Widerspruch gegenüber der für die Entgegennahme von Behördenanträgen zuständigen Behörde erklärt wird (vgl. demgegenüber VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.09.2013 – 4 S 1042/12 –, juris Rn. 32). Insoweit ist die Ausgangslage eine andere als bei einer Klageerhebung, in der nicht zugleich auch der erforderliche Antrag an die Behörde gesehen werden kann. Letzteres wird damit begründet, dass eine andere Sichtweise zur Auflösung jeder klaren Struktur des Verwaltungsprozessrechts im Bereich der Verpflichtungsklage führen würde und im Gegensatz zur Eigenart der vorherigen Antragstellung als Sachurteilsvoraussetzung stünde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.04.1999 – 6 S 420/97 –, juris Rn. 4). Demgegenüber ist eine ebenso klare Trennung des behördlichen Verfahrens und des Widerspruchsverfahrens nicht vorgesehen. Eine Überschneidung der beiden Verfahrensabschnitte ergibt sich daraus, dass der Widerspruch grundsätzlich bei der Behörde zu erheben ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Außerdem hat die Ausgangsbehörde eine Abhilfe zu prüfen, bevor sie den Widerspruch der Widerspruchsbehörde vorlegt (vgl. §§ 72, 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
Der Kläger hat vorliegend am 27.02.2017 gegenüber der Beklagten „Widerspruch gegen das Einrücken der Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss“ in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vom 17.01.2017 erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der auf dem Grundstück ... liegende Teil der Abstandsfläche so geringfügig sei, dass das Nachbargrundstück dadurch nicht beeinträchtigt werde. Zudem sei das Vermessungsbüro bei der Festlegung der Abstandsflächen zu Unrecht von dem ca. 1 m tieferliegenden Hofboden ausgegangen. Die Abstandsflächen seien deshalb um 0,4 m weniger tief; dadurch werde das Nachbargrundstück noch weniger beeinflusst. Hiermit hat der Kläger aus der objektiven Empfängersicht der Beklagten seinen Willen zum Ausdruck gebracht, eine Baugenehmigung für nicht eingerückte Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss zu erhalten. Das als Widerspruch bezeichnete Schreiben reichte der Kläger bei der Beklagten ein, die zugleich die zuständige untere Baurechtsbehörde war (§ 46 Abs. 1 Nr. 3 LBO i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 LVG). Ein derartiges Verständnis ist auch aus dem Grund anzunehmen, weil das als „Widerspruch“ bezeichnete Schreiben, mit dem sich der Kläger formal gegen die in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung liegende Verschlechterung gegenüber der ursprünglich erhaltenen Baugenehmigung wandte, als Anfechtungswiderspruch voraussichtlich aussichtslos gewesen wäre. Denn da der Kläger mit der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung ebendas erhalten hatte, was er nach Einreichung der Nachtragspläne bei der Beklagten beantragt hatte, wäre der Widerspruch gegen die Baugenehmigung vom Regierungspräsidium Karlsruhe – nach Weiterleitung an dieses – als unzulässig abzulehnen gewesen. Hiervon ging auch die Beklagte aus, die, wie sie in der mündlichen Verhandlung bekräftigt hat, dem am 27.02.2017 eingegangenen Schreiben keine eigene Bedeutung beimaß und deshalb lediglich den Widerspruch gegen die Rückbauverfügung dem Regierungspräsidium Karlsruhe zur Entscheidung vorlegte.
30 
Daran, dass das vom Kläger zum Ausdruck gebrachte Begehren als neuerlicher Bauantrag zu verstehen gewesen wäre, ändert es im Übrigen nichts, dass dieser bei isolierter Betrachtung nicht den Vorgaben des § 53 Abs. 1 Satz 1 LBO genügte. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 LBO sind alle für die Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) bei der Gemeinde einzureichen. § 53 Abs. 1 Satz 2 LBO sieht vor, dass bei genehmigungspflichtigen Vorhaben vor Erteilung der Baugenehmigung zusammen mit den Bauvorlagen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 LBO) der Antrag auf Baugenehmigung (Bauantrag) einzureichen ist. Art, Umfang und Inhalt der vorzulegenden Bauvorlagen ergeben sich dabei aus der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV), vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 1 LBO. Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen vollständig, richtig und eindeutig sein (Beschluss der Kammer vom 15.05.2020 – 1 K 3807/19 –; VG München, Beschlüsse vom 28.11.2017 – M 8 SN 17.4766 –, juris Rn. 57 und vom 16.05.2018 – M 8 E 18.1233 –, juris, jeweils m.w.N.). Vorliegend ändert dies jedoch nichts daran, dass dem am 27.02.2017 eingegangenen Schreiben des Klägers objektiv bereits ein Erklärungsgehalt hinsichtlich der Erteilung einer Baugenehmigung für die streitgegenständlichen östlichen Balkone mit den nun begehrten Maßen zu entnehmen war. Dies gilt vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger bereits zuvor betreffend die Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung einen mit dem nun benötigten bis auf das Einrücken der Balkone identischen Bauantrag nebst Bauvorlagen – den Nachtragsplänen – eingereicht hatte. Der Inhalt der nun begehrten Baugenehmigung war für die Beklagte unter Berücksichtigung der Nachtragspläne und Außerachtlassung des dort vorgesehenen Einrückens der Balkone klar erkennbar. Es hätte aus diesem Grund der Beklagten oblegen, über das so zum Ausdruck gebrachte Begehren zu entscheiden bzw. den Kläger zumindest zur Einreichung eines vollständigen neuen, den Vorgaben des § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBO entsprechenden Bauantrags nebst geänderter Bauvorlagen aufzufordern.
31 
cc) Indem die Beklagte gleichwohl in angemessener Frist, hier innerhalb von drei Monaten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung der Baugenehmigung sachlich nicht entschieden hat, war die Klage zudem abweichend von § 68 VwGO ohne vorhergehendes Widerspruchsverfahren zulässig (vgl. § 75 Satz 1 und 2 VwGO). Ein sachlicher Grund für die Nichtbescheidung kann zwar grundsätzlich darin liegen, dass die Behörde mangels eines vollständigen Antrags zu einer Bearbeitung und Sachentscheidung nicht in der Lage gewesen ist, über den Antrag zu entscheiden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2003 – 5 S 1279/01 –, juris Rn. 25). Nach den zuvor beschriebenen besonderen Umständen des Einzelfalles, in dem für die Beklagte bereits aufgrund der zuvor eingereichten Unterlagen der Inhalt des Begehrens des Klägers klar ersichtlich war, wäre ihr aber eine Bescheidung des Antrags – zumindest nach Hinwirken auf einen förmlichen Bauantrag – möglich gewesen. Nur durch Entgegennahme und Bescheidung eines Behördenantrags mit den vom Kläger begehrten Maßen für die streitgegenständlichen Balkone hätte die Beklagte dem Kläger im Übrigen, nachdem sie ihm zuvor selbst das Einrücken der Balkone nahegelegt hatte, effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG hinsichtlich seines wirklichen Begehrens ermöglichen können.
32 
dd) Doch auch wenn dies im Ergebnis anders zu beurteilen sein sollte, hätte die Klage zumindest aus anderen Gründen keinen Erfolg.
33 
2. Die Klage ist unbegründet. Die Unterlassung der Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung von östlich gelegenen Balkonen im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss in einer Breite von 4,30 m und einer Tiefe von 2,94 m verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), da er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung hat. Der Kläger kann einen solchen Anspruch zwar unabhängig von seiner Ehefrau geltend machen (s. unter a)). Die Erteilungsvoraussetzungen sind aber nicht erfüllt (s. unter b)).
34 
a) Der Kläger verfügt über die nötige Aktivlegitimation zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
35 
Daran ändert es nichts, dass das Grundstück ... im gemeinschaftlichen Eigentum von ihm und seiner Ehefrau ... steht. Dies ergibt sich daraus, dass die Baugenehmigung gemäß § 58 Abs. 3 LBO unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird. Die Vorschrift entbindet die Baugenehmigungsbehörde von der Verpflichtung, über möglicherweise komplexe und umstrittene zivilrechtliche Fragen der Grundstücksnutzung mitentscheiden zu müssen. Namentlich muss sie sich grundsätzlich nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob der Bauherr zivilrechtlich befugt ist, die Genehmigung auszunutzen oder ob dem etwa Regelungen des Miteigentumsrechts entgegenstehen (zur entsprechenden Regelung der nordrhein-westfälischen Bauordnung Hüwelmeier, in: Spannowsky/Saurenhaus, BeckOK Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, 3. Edition, Stand: 01.12.2019, § 74 BauO NRW, Rn. 112).
36 
b) Dem Kläger steht jedoch kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung aus § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO gegen die Beklagte zu.
37 
Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Der nach § 49 LBO genehmigungspflichtigen Neuerrichtung der streitgegenständlichen Balkone als Errichtung eines Teils einer baulichen Anlage (§ 2 Abs. 1 Satz 1 LBO) stehen – unabhängig von der Frage der formellen Voraussetzungen bezüglich eines den Vorgaben des § 53 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBO entsprechenden Bauantrags nebst Bauvorlagen, auf dessen Vorlage die Beklagte hier hätte hinwirken müssen (s. oben) – materielle Vorschriften des Bauordnungsrechts entgegen. Denn das Vorhaben wahrt nicht die von den Balkonen in Richtung des Hofbereichs zum Nachbargrundstück ... nach § 5 LBO einzuhaltenden Abstandsflächen.
38 
aa) § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO sieht vor, dass vor den Außenwänden von baulichen Anlagen Abstandsflächen liegen müssen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Die streitgegenständlichen Balkone bleiben bei der Bemessung der Abstandsfläche nicht nach § 5 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 LBO außer Betracht. Dies wäre nur für Vorbauten wie Balkone anzunehmen, wenn sie nicht breiter als 5 m sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Die östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss sollen indessen zum einen 2,94 m hervortreten und zum anderen unmittelbar grenzständig gelegen sein. Bauteile und Wände, die nicht unter die Privilegierung des § 5 Abs. 6 LBO fallen – etwa, weil sie um mehr als 1,5 m vor die übrige Wand hervortreten –, bilden eigenständige Wandabschnitte, für die die erforderlichen Abstandsflächentiefen isoliert einzuhalten sind. Denn die Bemessung der Abstandsfläche im Sinne des § 5 Abs. 6 LBO meint nicht nur die Bestimmung der Lage der Fläche. Vielmehr gehört zur Bemessung der Abstandsfläche auch die Bemessung der Tiefe der Fläche, was sich aus § 5 Abs. 4 Satz 1 LBO ergibt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2015 – 8 S 1531/14 –, juris Rn. 47 f. m.w.N.). Demgemäß sind die für die östlich gelegenen Balkone im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss einzuhaltenden Abstandsflächen unabhängig vom übrigen Gebäude und den jeweils anderen Balkonen zu bemessen.
39 
§ 5 Abs. 2 Satz 1 LBO sieht des Weiteren vor, dass die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Eine der in § 5 Abs. 2 Satz 2 und § 7 LBO vorgesehenen Ausnahmen liegt nicht vor.
40 
bb) Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 LBO nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen. Als Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand (Satz 2). Ergeben sich bei einer Wand durch die Geländeoberfläche unterschiedliche Höhen, ist die im Mittel gemessene, nach Satz 4 der Vorschrift zu bestimmende Wandhöhe zugrundezulegen (Satz 3). Maßgebend ist die tatsächliche Geländeoberfläche nach Ausführung des Bauvorhabens, soweit sie nicht zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird oder wurde (Satz 5).
41 
Für den Schnittpunkt der Wand ist hier nach § 5 Abs. 4 Satz 2 und 5 LBO der tieferliegende Hofboden als die tatsächliche Geländeoberfläche maßgeblich. § 5 Abs. 4 Satz 5 LBO stellt für die Geländeoberfläche eindeutig auf die tatsächlich vorhandenen Verhältnisse ab. Eine Ausnahme ist in § 5 Abs. 4 Satz 5 a.E. LBO lediglich für den Fall vorgesehen, dass die nach Ausführung des Bauvorhabens vorhandene tatsächliche Geländeoberfläche gerade zur Verringerung der Abstandsflächen angelegt wird oder wurde (Satz 5). Diese Einschränkung ist nur bei Aufschüttungen in Betracht zu ziehen, während sie bei Abgrabungen von vornherein ausscheidet (vgl. LT-Drs. 15/5294, S. 17; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.03.2015 – 3 S 1913/14 –, juris Rn. 7). Für die Berücksichtigung der Folgen einer Abgrabung, die zu einer Anhebung der Abstandsflächentiefe führen, ist damit keine Einschränkung vorgesehen. Bei Abgrabungen soll regelmäßig die tatsächliche Geländeoberfläche maßgeblich sein (LT-Drs. 15/5294, S. 17). Auch wenn Bau- und Nachbargrundstück unterschiedlich hoch liegen, kommt es regelmäßig nur auf die Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück an (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 28). In Anwendung dieser Maßstäbe hat die Beklagte bei der Berechnung der Abstandsflächen zu Recht auf den tieferliegenden Hofboden abgestellt. Es ändert hierbei nichts, dass das Gelände hofseitig durch eine Abgrabung im Vergleich zu den angrenzenden Grundstücken tiefergelegt wurde, um mittels eines Lichtschachts einen ebenerdigen Zugang zum Gebäude zu erhalten.
42 
Soweit teilweise eine Abgrabung ausnahmsweise dann nicht für maßgebend erachtet wird, wenn sich die durch die Abgrabungen geschaffene Vertiefung lediglich als Teil des Baukörpers selbst darstellt, diesem unmittelbar zugeordnet sowie technisch mit ihm verbunden ist und der Funktion des angrenzenden Raums unmittelbar dient, z.B. als – kleinerer – Lichtschacht oder Kellereingangstreppe (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 03.08.2016 – 4 K 4013/15 –, juris Rn. 28; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.06.1995 – 7 B 1413/95 –, juris Rn. 5), kann dem jedenfalls für die vorliegende Konstellation nicht gefolgt werden. Wie auf den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern ersichtlich ist, erstreckt sich die vom Kläger als Lichtschacht bezeichnete Abgrabung, deren genauen Maße sich den Bauvorlagen nicht entnehmen lassen, über die gesamte Länge der Hauswand; auch erstreckt sich ihre Tiefe in beträchtlichem Maße in die südliche Richtung. Sie kann deshalb weder ihrer Länge noch ihrer Tiefe nach als untergeordneter Teil des Baukörpers angesehen werden (vgl. auch VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2016 – 3 K 3560/16 –).
43 
cc) Die Tiefe der Abstandsflächen beträgt nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO allgemein 0,4 der Wandhöhe. Dass vorliegend eine andere Tiefe gilt, ist weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO darf die Tiefe der Abstandsfläche als Mindestabstandsfläche grundsätzlich 2,5 m und bei Wänden bis 5 m – so hier wegen der Balkonbreite von nur 4,30 m – 2 m nicht unterschreiten.
44 
Die Wandhöhe bis zum oberen Abschluss des jeweiligen Balkongeländers beträgt nach den – aufgrund der übrigen Pläne nachvollziehbaren und von den Beteiligten nicht beanstandeten – Berechnungen im Abstandsflächenplan des Vermessungsbüros ... vom 19.05.2016 (Bl. 551 der Behördenakte) für den Balkon im 2. Obergeschoss 8,70 m und für den Balkon im Dachgeschoss 11,70 m.
45 
Die einzuhaltenden Abstandsflächen betragen demgemäß, wie im Abstandsflächenplan des Vermessungsbüros ... ausgeführt (Bl. 551, 553 der Behördenakte), für den Balkon im 2. Obergeschoss 8,70 m x 0,4 = 3,48 m und für den Balkon im Dachgeschoss 11,70 m x 0,4 = 4,68 m. Aufgrund der Tiefe der Abstandsfläche im Zusammenspiel mit dem Grenzverlauf an der östlichen Seite, der vom Grundstück ... zum streitgegenständlichen Grundstück hin abknickt, kämen die Abstandsflächen nur dann auf dem Grundstück des Klägers zum Liegen, wenn die östlichen Balkone im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss, wie in den Nachtragsplänen und in der Änderungs-/Ergänzungsgenehmigung vorgesehen, östlich um 28 cm bzw. 46 cm eingerückt werden (vgl. Abstandsflächenplan des Vermessungsbüros ..., Bl. 551, 553 der Behördenakte). Bei der vom Kläger nun begehrten Tiefe der östlichen Balkone von 2,94 m auch im 2. Obergeschoss und Dachgeschoss kommen die Abstandsflächen hingegen zu einem gewissen Teil auf dem Grundstück Fasanenstraße 4 zum Liegen. Nach der unstreitigen, vom Kläger vorgelegten Darstellung, die auf dem Abstandsflächenplan des Vermessungsbüros ... beruht, handelt es sich dabei jeweils um eine Fläche in Form eines rechtwinkligen Dreiecks. Für den Balkon im 2. Obergeschoss beträgt dessen längere Seite (in Verlängerung der östlichen Balkonaußenwand) 1 m und dessen kürzere Seite (parallel zur Längsseite des Balkons) 0,15 m (s. Anlage 10 zur Klageschrift). Für den Balkon im Dachgeschoss beträgt dessen längere Seite 2,10 m und dessen kürzere Seite 0,30 m (s. Anlage 9 zur Klageschrift). Die nötige Tiefe der Abstandsfläche würde demzufolge für den Balkon im 2. Obergeschoss um 1 m und für den Balkon im Dachgeschoss um 2,10 m unterschritten. Im Einzelnen wird auf das Vorbringen der Beteiligten und die in den Bauvorlagen befindlichen Berechnungen und Pläne Bezug genommen.
46 
Im Übrigen würden die Abstandsflächen, wie der Kläger einräumt – wenn auch in geringerem Umfang – bei einer Zugrundelegung des höhergelegenen umliegenden Geländes ebenfalls unterschritten und kämen auf dem Nachbargrundstück zum Liegen. Die Tiefe der Abstandsfläche würde für den Balkon im 2. Obergeschoss dann noch um 0,64 m und für den Balkon im Dachgeschoss um 1,74 m unterschritten (vgl. hierzu die Ausführungen des Klägers, Bl. 9 der Gerichtsakte).
47 
Wie das Regierungspräsidium Karlsruhe im Widerspruchsbescheid zu der Rückbauverfügung zutreffend ausführt, kommt es für die Berechnung der Abstandsflächen weiter nicht auf die Regelung des § 5 Abs. 4 Satz 3 LBO an. Denn das Gelände weist zwar aufgrund der Abgrabung im Vergleich zum hinteren Hofbereich Höhenunterschiede auf. Diese befinden sich jedoch nicht im Bereich der Wand, über deren gesamte Länge sich die Abgrabung erstreckt, und sind deshalb ohne Bedeutung.
48 
dd) Die Voraussetzungen für die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO sind ebenfalls nicht erfüllt. Für einen Sonderfall nach Nr. 1 dieser Vorschrift ist nichts ersichtlich. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Ein Sonderfall nach Nr. 2 scheidet hier jedenfalls deshalb aus, weil nicht anzunehmen ist, dass die Unterschreitung der erforderlichen Abstandsflächen die nachbarlichen Belange der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks Fasanenstraße 4 nicht erheblich beeinträchtigt.
49 
(1) Unter der Geltung der früheren Fassung der Vorschrift war hierbei von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe im Sinne des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO a.F. unterschritten wurde, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig war. Nachbarliche Belange waren in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet war, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen ließen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 14.01.2010 – 8 S 1977/09 –, juris Rn. 9 und vom 27.11.2013 – 8 S 1813/13 –, juris Rn. 16 sowie Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 42). An dieser Rechtsprechung ist nach dem Wegfall der gesetzlichen Unterscheidung zwischen nachbarschützenden und nicht nachbarschützenden Teilen der Abstandsflächentiefe festzuhalten (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 06.04.2010 – 8 S 1529/08 –, juris Rn. 24 und vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 42). Dies gilt jedenfalls für den Fall einer Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 06.04.2010 – 8 S 1529/08 –, juris Rn. 24 und vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 42), aber auch darüber hinaus. Zumindest solange die Unterschreitung der Abstandsflächentiefe sich nicht nur auf einen bloßen Bagatellfall beschränkt (s. unten), wird der Nachbar durch eine Unterschreitung der Abstandsflächentiefe, die nunmehr in vollem Umfang nachbarschützend ist, in seinen Belangen erheblich beeinträchtigt, sofern es an relevanten Besonderheiten fehlt.
50 
Das Interesse des Nachbarn deutlich mindernde oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassende Besonderheiten können sich aus den tatsächlichen Verhältnissen auf seinem Grundstück oder aus rechtlichen Besonderheiten ergeben, die beim Nachbargrundstück im Verhältnis zum Bauvorhaben vorliegen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.01.2010 – 8 S 1977/09 –, juris Rn. 9 und Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 42). Derartige Besonderheiten können etwa in einer unterschiedlichen Höhenlage der beiden Grundstücke (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 – 8 S 2566/96 –, juris Rn. 14; Busch, in: Schlotterbeck, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 5 LBO, Rn. 73, 79), einem ungewöhnlichen Zuschnitt des Nachbargrundstücks, der dessen Bebauung in dem dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich praktisch ausschließt, oder auch dem Vorhandensein eines grenznahen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück begründet sein (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 – 8 S 2566/96 –, juris Rn. 14). Weiter können relevante Besonderheiten in einer rechtlichen Vorbelastung des Nachbargrundstücks – etwa wegen Verwirkung des materiellen Abwehrrechts – oder darin liegen, dass sich dem Regelungsregime der Abstandsflächenvorschriften eindeutig entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber die konkrete Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks für zumutbar hält (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 14.01.2010 – 8 S 1977/09 –, juris Rn. 9 und vom 27.11.2013 – 8 S 1813/13 –, juris Rn. 16 sowie Urteil vom 06.04.2010 – 8 S 1529/08 –, juris Rn. 26).
51 
(2) Eine solche Besonderheit ist vorliegend nicht in dem abknickenden Grenzverlauf im Bereich des Grundstücks ... zum streitgegenständlichen Grundstück hin zu sehen. Die insoweit nicht rechtwinkligen Grundstückszuschnitte des Grundstücks ... und des streitgegenständlichen Grundstücks sind nicht derart ungewöhnlich, dass sie eine geringere Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks bewirken und deshalb im Rahmen von § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO Berücksichtigung finden könnten. Abgeschrägte oder abknickende Verläufe von Grundstücksgrenzen sind vielmehr durchaus üblich und haben daher – sofern nicht durch den Grenzverlauf eine Bebauung praktisch ausgeschlossen wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 – 8 S 2566/96 –, juris Rn. 14) – im Regelfall außer Betracht zu bleiben.
52 
(3) Auch die hier gegebene unterschiedliche Höhenlage lässt im Ergebnis die erhebliche Beeinträchtigung der Eigentümer des Grundstücks ... nicht entfallen.
53 
Topografische Besonderheiten sind vorliegend zwar grundsätzlich insofern anzunehmen, als das streitgegenständliche Grundstück aufgrund der Abgrabung im Bereich der maßgeblichen Wandhöhe tiefer gelegen ist als die umgebenden Grundstücke einschließlich des östlich angrenzenden Grundstücks .... Mit knapp 1 m Höhenunterschied ist auch von einem größeren Höhenunterschied auszugehen (für diese Einschränkung s. Dürr/Leven/Speckmaier, Baurecht Baden-Württemberg, 16. Aufl., Rn. 214), der sich auf die Bedeutung der nachbarlichen Beeinträchtigung auswirken kann. Die Unterschreitung der nötigen Abstandsflächentiefe, die bei einer Bezugnahme auf die Bodenhöhe des Lichtschachts erforderlich ist, beeinträchtigt die Belichtung, Belüftung und den Brandschutz sowie sonstige nachbarliche Belange dabei in weniger bedeutendem Maß als bei einer entsprechenden Gebäudehöhe ohne vorhandene Abgrabung. Dies ergibt sich daraus, dass das Gebäude des Bauherrn für den Nachbarn – hier die Eigentümer des Grundstücks ... – tatsächlich nicht höher in Erscheinung tritt als ohne die Abgrabung. Die Abstandsfläche ergibt sich vielmehr nur aus einem rechnerischen Bezugspunkt am Boden der vom Kläger als Lichtschacht bezeichneten Fläche (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.08.2012 – 3 S 1274/12 –, juris Rn. 9; VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2016 – 3 K 3560/16 –).
54 
Die durch die Abgrabung bewirkten topografischen Besonderheiten rechtfertigen im vorliegenden Fall gleichwohl nicht die Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe für die Balkone mit den begehrten Maßen. Denn eine erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange wäre insofern nur dann ausgeschlossen, wenn bei Beibehaltung der natürlichen Geländeoberfläche – also ohne die Abgrabung – die erforderlichen Abstandsflächen zwanglos auf dem eigenen Baugrundstück hätten nachgewiesen werden können (vgl. Busch, in: Schlotterbeck, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 5 LBO, Rn. 58; ebenso im Ergebnis VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.08.2012 – 3 S 1274/12 –, juris Rn. 5; VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2016 – 3 K 3560/16 –). Im vorliegenden Fall, in dem die nötige Abstandsflächentiefe auch bei der Vergleichsberechnung unter Zugrundelegung der natürlichen Geländehöhe, wie sie die umliegenden Grundstücke aufweisen, (deutlich) unterschritten wird (s. oben), werden die Eigentümer des Grundstücks ... auch unabhängig von dem Höhenunterschied erheblich in ihren Belangen beeinträchtigt.
55 
(4) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geäußerten Auffassung ist es außerdem ohne Belang, ob die Unterschreitung der Abstandsflächen als geringfügig anzusehen wäre oder nicht (s. oben). Allenfalls könnte im Rahmen des Entschließungsermessens der Baurechtsbehörde hinsichtlich eines bauordnungsrechtlichen Einschreitens in Bagatellfällen, bei denen es um die Unterschreitung der Abstandsfläche um wenige Zentimeter geht, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit oder des Schikaneverbots ausnahmsweise eine andere Bewertung angezeigt sein, sodass in einem solchen Fall – anders als sonst – möglicherweise nicht schon das Ermessen der Behörde zum Einschreiten auf Null reduziert wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 52). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die durch ein entsprechendes Vorhaben bewirkte Rechtsverletzung zugleich durch die Erteilung einer Baugenehmigung zu legalisieren wäre (vgl. Schlotterbeck/Busch, Abstandsflächenrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 215). Davon abgesehen, handelt es sich wegen der Unterschreitung der Abstandsflächentiefe für den Balkon im 2. Obergeschoss um 1 m und für den Balkon im Dachgeschoss um 2,10 m ohnehin um keinen Bagatellfall. Nichts anderes ergäbe sich, wenn man – aufgrund des durch die Abgrabung erzeugten Höhenunterschiedes zwischen den beiden Grundstücken – fiktiv die Berechnung der Abstandsfläche unter Außerachtlassung der Höhe des Lichtschachts vornähme. Dann wäre die Abstandsflächentiefe für den Balkon im 2. Obergeschoss um 0,64 m sowie für den Balkon im Dachgeschoss um 1,74 m und damit ebenfalls in einem deutlich über einen Bagatellfall hinausgehenden Maß unterschritten.
56 
Des Weiteren ist für die beiden streitgegenständlichen Balkone nicht ersichtlich, dass die Unterschreitung der Abstandsflächentiefe sich – wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ohne nähere Substantiierung aufgeworfen – in einem nicht mehr zuverlässig messbaren Bereich bewegte. Hiergegen spricht bereits die von dem Vermessungsbüro ... erstellte detailgenaue Abstandsflächenvermessung. Diese hatte der Kläger selbst bei der Beklagten vorgelegt und ihre Richtigkeit bislang nicht beanstandet. Im Übrigen ist jedenfalls für die im vorliegenden Fall beachtliche Unterschreitung der Abstandsflächentiefen um 1 m und 2,10 m bzw. – bei Außerachtlassung der Abgrabung – um 0,64 m und 1,74 m, d.h. in jedem Fall um deutlich mehr als einen halben Meter davon auszugehen, dass die vorhandenen Messungen hinreichend genau sind, um eine Abstandsflächenverletzung annehmen zu können.
57 
ee) Es sind schließlich keine Anhaltspunkte dafür dargelegt oder erkennbar, dass die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung, Ausnahme oder Befreiung nach § 56 Abs. 1 bis 5 LBO erfüllt sein könnten (vgl. allgemein VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2014 – 8 S 1938/12 –, juris Rn. 48).
58 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Kammer macht von dem ihr in § 167 Abs. 2 VwGO eingeräumten Ermessen Gebrauch und sieht von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ab.
60 
4. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegt.
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BESCHLUSS
62 
Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000 EUR festgesetzt (vgl. Urteil der Kammer vom 21.08.2018 – 1 K 3251/16 –).

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