Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - DL 17 K 2433/21

Tenor

1. Die Verfügungen der Gemeinde XXX vom 29.06.2021 und vom 30.06.2021 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis sowie seine vorläufige Dienstenthebung durch die beklagte Gemeinde.
I. Nach vorangegangener Wahl durch den Gemeinderat wurde der Kläger am 23.09.2019 unter Berufung in das Beamtenverhältnis als Ehrenbeamter auf Zeit zum Ortsvorsteher einer Ortschaft der beklagten Gemeinde ernannt, nachdem er bereits in der vorangegangenen Wahlperiode ab dem 21.07.2014 dieses Amt bekleidet hatte.
Am 29.03.2021 erteilte der Bürgermeister der Beklagten dem Kläger einen Verweis, da dieser ohne Abstimmung mit dem Bürgermeister einen eigenen Pressetext an eine Lokalzeitung gegeben hatte, was zu einer Presseveröffentlichung am 14.07.2020 geführt hatte, in der bestimmte Maßnahmen im Zusammenhang mit der Reinigung einer Kapelle in Aussicht gestellt wurden.
Auf Aufforderung des Bürgermeisters gab der Kläger am 03.02.201 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, es künftig zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß gegenüber dem Bürgermeister oder gegenüber Dritten die Behauptung aufzustellen, dieser sei mit allen Ortsvorstehern vor Gericht. Der Bürgermeister hatte geltend gemacht, eine solche Äußerung des Klägers sei im Rahmen der Anhörung zu dem Verweis vom 29.03.2021 gefallen.
II. Am 30.04.2021 ließ der Bürgermeister durch sein Sekretariat eine E-Mail an die drei Ortsvorsteher der Beklagten senden, in der er darum bat, wegen der derzeitigen Pandemielage von Besuchen im Namen der Gemeinde bei Ehe- und Altersjubilaren abzusehen, da diese zur Risikogruppe gehörten. Am gleichen Tag sandte der Kläger eine Antwort-E-Mail an das Sekretariat mit dem Text: „Wer hat da wieder wen besucht ? Wahrscheinlich XXX Heil dem Führer aus der Pfalz“. Ausweislich eines Aktenvermerks einer Mitarbeiterin der Beklagten vom 03.05.2021 versuchte der Kläger 13 Minuten später, die Sekretärin zu erreichen, die jedoch bereits außer Dienst war. Gegenüber der Mitarbeiterin gab er an, er habe gerade irrtümlich eine E-Mail an das Sekretariat gesandt, die nicht für den Bürgermeister bestimmt sei und bitte um deren Löschung, falls diese trotz seiner Bemühungen, sie „zurückzurufen“ ins Postfach der Beklagten geraten sein sollte.
Mit Verfügung des Bürgermeisters der Beklagten vom 17.05.2021 leitete die Gemeinde gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren ein, das die E-Mail des Klägers vom 30.04.2021 zum Gegenstand hatte.
Außerdem stellte die Gemeinde am 17.05.2021 bei der Staatsanwaltschaft Strafantrag gegen den Kläger wegen einer Strafbarkeit nach §§ 185, 186, 187 StGB und § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB aufgrund von dessen E-Mail vom 17.05.2021. Aufgrund dessen erging am 16.09.2021 ein inzwischen rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts XXX – 1 Cs 300 JS 6292/21 –, mit dem eine Geldstrafe in Höhe von 10 Tagessätzen zu je 40 EUR wegen Beleidigung gegen den Kläger verhängt wurde.
Laut eines aktenkundigen E-Mail-Verlaufs rief der Kläger am 25.05.2021 bei der Gemeinde an und bat um ein telefonisches oder persönliches Gespräch mit dem Bürgermeister, was dieser jedoch zurückweisen ließ. Unter dem 27.05.2021 verfasste der Kläger ein Schreiben an den Bürgermeister, in dem er angab, er habe ihn nicht mit Adolf Hitler vergleichen wollen, er schäme sich für sein Verhalten und bitte inständig um Verzeihung. Er habe sich über die E-Mail des Bürgermeisters aufgeregt gehabt, da er sich überwacht gefühlt habe. Dem Altersjubilar habe er nicht als Ortsvorsteher gratuliert, sondern als Privatperson.
In einem Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde vom 08.06.2021 wurde das Schreiben des Klägers vom 25.05.2021 thematisiert, eine Fortsetzung des Disziplinarverfahrens angekündigt und dem Kläger Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme eingeräumt.
10 
Mit einer auf den 29.06.2021 datierten Verfügung wurde der Kläger aus dem Ehrenbeamtenverhältnis als Ortsvorsteher entfernt. Die Verfügung war vom Bürgermeister unterzeichnet und mit einem Stempel der Gemeinde versehen, enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung und war auf der ersten Seite nach Art eines an den Kläger gerichteten Briefs gestaltet, wobei das Adressfeld die Überschrift „Einwurf / Einschreiben“ trug. Mit auf den 30.06.2021 datierter Verfügung des Bürgermeisters wurde der Kläger vorläufig des Dienstes enthoben. Als Anlage war die Verfügung vom 29.06.2021 aufgeführt. Beide Dokumente wurden dem Kläger am 30.06.2021 von einem Boten überbracht.
11 
Am 02.07.2021 schrieb der Kläger eine E-Mail an die Gemeinde, er habe am 01.07.2021 eine Zustellung erhalten, es fehlten jedoch sämtliche Anlagen „K1 bis K27“. Daraufhin antwortete ein Mitarbeiter der Gemeinde vom 07.07.2021, die Verfügung „Entfernung aus dem Dienst“ sei der Rechtsaufsichtsbehörde zugestellt worden und ihm ohne Anlagen zur Kenntnis überlassen. Sie würden nachgereicht, sobald der erforderliche Verfahrensstand erreicht sei. Die Verfügung „vorläufige Amtsenthebung“ sei wirksam mit der Zustellung.
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Am 07.07.2021 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht gegen die Verfügungen vom 29.06.2021 und 30.06.2021 erhoben.
13 
Am 13.07.2021 entschied das Landratsamt, die Gesetzmäßigkeit der Disziplinarverfügung vom 29.06.2021 nicht zu bestätigen. Zur Begründung heißt es, bereits da es um die Ahndung eines Verdachts der Beleidigung des Bürgermeisters gehe, bestehe Besorgnis der Befangenheit bei dem für die Gemeinde handelnden Bürgermeister. Zudem gebe es Anhaltspunkte, dass das Ermittlungsverfahren nicht unvoreingenommen geführt worden sei, da das tatsächliche Geschehen zum Auslöser des Dienstvergehens nicht aufgeklärt worden sei und entlastende Umstände in der Begründung nicht aufgeführt seien. Auch wäre es sachgerechter gewesen, den Ausgang des mit Strafantrag vom 07.05.2021 eingeleiteten Strafverfahrens abzuwarten. Schließlich seien nicht alle entscheidungserheblichen Umstände bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens berücksichtigt worden. Ein schweres Dienstvergehen, das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertige, liege nicht vor. Dagegen erhob die Gemeinde mit Schreiben vom 06.08.2021 Widerspruch, den das Regierungspräsidium mit Bescheid vom 13.10.2021 zurückwies. Über die daraufhin von der Gemeinde erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24.01.2021 – DL 17 K 3966/21 – entschieden.
14 
III. Der Kläger trägt zur Begründung vor, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei rechtswidrig, so dass auch die vorläufige Dienstenthebung rechtswidrig sei. Er habe die E-Mail versehentlich an das Sekretariat gesendet, eigentlich habe er sie an die beiden Kollegen Ortsvorsteher senden wollen, um die aus seiner Sicht ständige Überwachung durch den Bürgermeister und dessen kleinliche Suche nach Nichtbeachtung seiner Anweisungen anzuprangern. Die E-Mail sei scherzhaft gemeint gewesen, was sich an dem Kronensymbol zeige. Ein Vergleich mit Adolf Hitler sei nicht beabsichtigt gewesen. Er habe seinen Fehler eingesehen und bedauert. Es sei unzutreffend, dass er mehrfach disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei, sondern es sei zuvor nur ein Disziplinarverfahren geführt worden. Der damals erteilte Verweis habe einem anderen Pflichtenkreis gegolten und das damals beanstandete Verhalten habe er nicht wiederholt. Außerdem sei unzutreffend, dass er den Altersjubilar persönlich in dessen Wohnung aufgesucht habe, sondern er habe ihn angerufen.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
1. die Verfügung der Gemeinde XXX vom 29.06.2021 aufzuheben.
17 
2. Die Verfügung der Gemeinde XXX vom 30.06.2021 aufzuheben.
18 
Die beklagte Gemeinde beantragt,
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die Klage abzuweisen.
20 
Zur Begründung führt die beklagte Gemeinde aus, die Klage sei bereits unzulässig, insoweit die Aufhebung der Verfügung vom 29.06.2021 begehrt werde, denn diese sei bislang weder vollzogen noch dem Kläger förmlich zugestellt worden. Die Verfügung vom 29.06.2021 sei vorsorglich und vorab zur Kenntnisnahme bzw. zur Begründung der Verfügung vom 30.06.2021 dem Kläger nachrichtlich zugeleitet worden. Die Verfügung vom 30.06.2021 sei rechtmäßig. Unabhängig davon, dass dies im Rahmen der Abwägung über die zu verhängende Disziplinarmaßnahme als unerheblich gewertet worden sei, habe der Altersjubilar dem Bürgermeister zwei Tage nach der Gratulation telefonisch berichtet, der Kläger habe ihn Zuhause aufgesucht und ihm dort persönlich zum Geburtstag gratuliert. Bei dem Inhalt der E-Mail handele es sich um eine schwere Verfehlung. Sogenannte „Nazi-Vergleiche“ seien niemals tolerierbar.
21 
Der Kläger des Verfahrens erwidert, die Verfügung vom 29.06.2021 sei mit der Verfügung vom 30.06.2021 zugestellt worden, so dass er sich gegen sie habe zur Wehr setzen müssen, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern. Die Verfügung vom 29.06.2021 sei bereits unterschrieben gewesen. Die Beklagte habe mit Vollzug gedroht, sofern das Landratsamt die Rechtmäßigkeit bestätige oder die Entscheidung innerhalb eines Monats nicht beanstande.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten der Verfahren DL 17 K 2433/21 und DL 17 K 3966/21, auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie die beigezogenen Akten der Gemeinde XXX (ein Band), des Landratsamts XXX (ein Band), des Regierungspräsidiums Karlsruhe (ein Band) und des Amtsgerichts XXX (ein Band) verwiesen.

Entscheidungsgründe

23 
Die Klage ist zulässig und begründet.
24 
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere stellt die Verfügung über die Entfernung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis vom 29.06.2021 einen tauglichen Klagegegenstand der hier erhobenen Anfechtungsklage dar (§ 2 LDG, § 42 Abs. 1 VwGO).
25 
1. Bei der Verfügung über die Entfernung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis vom 29.06.2021 handelt es sich um einen aufschiebend bedingten Verwaltungsakt im Sinne von § 2 LDG, § 35, § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG und nicht um ein Dokument mit Entwurfscharakter. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist der objektive Erklärungswert nach dem Empfängerhorizont (vgl. Alemann/Scheffczyk, BeckOK VwVfG, § 35 Rn. 25).
26 
Für einen objektiven Empfänger war davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Beklagten einen aufschiebend bedingten Verwaltungsakt erlassen hat, dessen Wirksamkeit unter der aufschiebenden Bedingung (§ 2 LDG, § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG) steht, dass die Rechtsaufsichtsbehörde die Gesetzmäßigkeit der Verfügung ausdrücklich bestätigt oder die Entscheidung nicht innerhalb eines Monats beanstandet. Das äußere Erscheinungsbild des auf den 29.06.2021 datierten Schriftstücks ließ keine Zweifel aufkommen, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt. Das Dokument vom 29.06.2021 war wie eine Disziplinarverfügung gestaltet, es war vom Bürgermeister handschriftlich unterzeichnet, es war gestempelt und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Auch die Art und Weise, wie es dem Kläger zur Kenntnis gebracht wurde, ließ keine Zweifel an dem Regelungswillen und der intendierten Außenwirkung aufkommen. Das fragliche Schriftstück wurde dem Kläger förmlich zugestellt mit gleicher Postsendung wie die Verfügung vom 30.06.2021 über die vorläufige Dienstenthebung.
27 
Vor diesem überragenden Eindruck von einem Verwaltungsakt wiegen die Anhaltspunkte, die gegen diese Eigenschaft sprechen, nicht schwer genug. Zwar listet die Verfügung vom 30.06.2021 auf der letzten Seite unter der Signatur die Verfügung vom 29.06.2021 als Anlage, so dass die Verfügung mit dem Datum 29.06.2021 auch als Anlage zur Erläuterung der Verfügung vom 30.06.2021 verstanden werden kann. Auf der Verfügung vom 29.06.2021 selbst ist ein Anlagencharakter jedoch nicht kenntlich gemacht. In der Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung vom 30.06.2021 heißt es ferner auf Seite 2, die Verfügung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis dürfe erst vollzogen werden, wenn die Rechtsaufsichtsbehörde deren Gesetzmäßigkeit ausdrücklich bestätigt oder die Entscheidung nicht innerhalb eines Monats beanstandet. Zwischen Wirksamkeit einer Verfügung und deren Vollzug besteht jedoch ein Unterschied, so dass dieser Satz nicht gegen einen Regelungswillen betreffend die Verfügung vom 29.06.2021 spricht. Zudem heißt es auf Seite 3 der Verfügung vom 30.06.2021, zur Begründung werde auf die anliegende Entscheidung vom 29.06.2021 verwiesen. Diese Verfügung werde gemäß § 23 Abs. 1 LDG mit Zustellung wirksam. Da die Verfügung vom 30.06.2021 ebenfalls mit gleicher Post zugestellt wurde, war dieser Satz für einen Empfänger so zu verstehen, dass die Verfügung vom 29.06.2021 wirksam sein sollte. Unschädlich ist ferner, dass in der Verfügung vom 29.06.2021 vielfach auf Anlagen Bezug genommen wird, die der Postsendung nicht beigefügt waren, denn dabei konnte es sich aus Sicht eines objektiven Empfängers auch um ein Versehen handeln, zudem waren die Anlagen zum Verständnis des Inhalts nicht erforderlich.
28 
In engen Grenzen können zwar auch außerhalb des Dokuments liegende Umstände in die Beurteilung von dessen Erklärungswert einfließen. Auch daraus ergibt sich jedoch nichts anderes. Der Beamte hatte zeitnah nach Erhalt der Verfügung bei der Gemeinde bemängelt, dass die vielfältigen in der Verfügung vom 29.06.2021 genannten Anlagen nicht beigefügt waren. Vor dem Hintergrund der starken Anhaltspunkte für einen Verwaltungsakt ergibt sich jedoch aus der Antwort der Gemeinde vom 07.07.2021 nicht mit der gebotenen Sicherheit, dass keine Regelungswirkung intendiert war. Zwar heißt es dort: „Die Verfügung ‚Entfernung aus dem Dienst‘ wurde der Rechtsaufsichtsbehörde zugestellt und Ihnen ohne Anlagen zur Kenntnis überlassen. Die Anlagen werden nachgereicht, sobald der dafür erforderliche Verfahrensstand erreicht ist.“ Die knappe Auskunft eines nicht zur Entscheidung befugten Mitarbeiters, die zumal erst nach Zugang des Dokuments erfolgte, ist jedoch nicht geeignet, die starken Anhaltspunkte für den Regelungswillen der Verfügung zu widerlegen.
29 
2. Die Eigenschaft des Verwaltungsakts als aufschiebend bedingt steht dessen Tauglichkeit als Klagegegenstand der Anfechtungsklage nicht entgegen, da ein aufschiebend bedingter Verwaltungsakt für Behörde und Adressat bereits hinsichtlich der später eintretenden Rechtswirkungen verbindlich ist im Sinne einer äußeren Wirksamkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1978 - VIII C 35.76 -, BVerwGE 57, 69).
30 
3. Für die Statthaftigkeit der hier erhobenen Anfechtungsklage ist unerheblich, ob sich der Verwaltungsakt nicht nur als rechtswidrig, sondern auch als nichtig erweist, denn auch gegen einen nichtigen Verwaltungsakt ist die Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung des Verwaltungsakts statthaft (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 15; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 42 Rn. 23; vgl. BVerwGE 18, 154 (155)). Der erzeugte Rechtsschein verschafft dem Kläger zudem das erforderliche rechtliche Interesse an der Aufhebung des Verwaltungsakts (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 15).
31 
II. Die Entfernung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis vom 29.06.2021 sowie die vorläufige Dienstenthebung vom 30.06.2021 sind rechtswidrig und nichtig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 21 Satz 1 AGVwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
32 
1. Die auf Grundlage von §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 1 Satz 2 LDG ergangene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis vom 29.06.2021 ist rechtswidrig und nichtig. Der handelnde Bürgermeister war wegen Befangenheit nicht zur Entscheidung befugt (a). Dieser formelle Fehler führt zur Nichtigkeit der Disziplinarverfügung (b). Eine Unbeachtlichkeit, Heilung oder Präklusion kommt nicht in Betracht (c).
33 
a) Der handelnde Bürgermeister der Gemeinde war gemäß § 2 LDG, § 21 LVwVfG befangen. Wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsführung zu rechtfertigen, oder wenn von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet wird, hat die betreffende Person gemäß § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG den Behördenleiter darüber zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde selbst, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält, § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG.
34 
aa) Ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsführung des Bürgermeisters zu rechtfertigen, liegt vor. Mit dem Disziplinarverfahren wird dem Beamten vorgeworfen, den Bürgermeister selbst durch die E-Mail beleidigt zu haben. Es stand daher abstrakt zu befürchten, dass der Bürgermeister das Disziplinarverfahren nicht ausschließlich sachorientiert und mit der gebotenen inneren Distanz durchführen wird.
35 
bb) Aus dem Befangenheit des handelnden Bürgermeisters folgt ein Verfahrensfehler.
36 
Als in seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter des Klägers (an sich) zuständige untere Disziplinarbehörde (vgl. § 7, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Satz 1 Nr. 3 LDG, § 44 Abs. 4, § 72 Satz 1 GemO) hätte der Bürgermeister gemäß § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG sich entweder von sich aus oder auf Anordnung seiner Aufsichtsbehörde der Mitwirkung enthalten müssen. Aufsichtsbehörde bei Gemeinden ist das Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde (vgl. § 119 Satz 1 GemO und LT-Drs. 14/2996, S. 116 f.). Das Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde war frühzeitig durch den Bürgermeister selbst über den Inhalt der E-Mail und das von ihm beabsichtigte Disziplinarverfahren in Kenntnis gesetzt worden. Dass die Aufsichtsbehörde dennoch keine Anordnung nach § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 LVwVfG erließ, führt nicht dazu, dass der Fehler der Befangenheit zulasten des disziplinarunterworfenen (Ehren-)Beamten entfällt. Denn § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 LVwVfG dient dem Interesse an einem ordnungsgemäßen Verfahren zum Schutz des Beamten, nicht zum Schutz des Dienstvorgesetzten als Disziplinarbehörde. Für das Vorliegen eines Fehlers kommt es nicht darauf an, ob der Amtsträger sich über die Anordnung hinwegsetzt, diese Anordnung pflichtwidrig unterbleibt oder die anordnungsbefugte Stelle keine Kenntnis von der Besorgnis der Befangenheit hatte (Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 21 Rn. 41 für die Situation des Satz 1, m.w.N.). Deshalb ist auch unerheblich, dass die Beklagte meint, das Landratsamt habe den Bürgermeister in seinem Schreiben vom 21.05.2021 angewiesen, das Disziplinarverfahren selbst zu führen und die Disziplinarmaßnahme selbst auszusprechen. Unabhängig davon, dass dem Schreiben des Landratsam vom 21.05.2021 eine solche Weisung nicht zu entnehmen ist, wäre eine solche Weisung nach dem Vorstehenden nicht geeignet, die objektive Rechtswidrigkeit der Mitwirkung des Bürgermeisters entfallen zu lassen.
37 
b) Der Fehler wiegt so schwer und ist so offenkundig, dass er die Nichtigkeit der Disziplinarverfügung zur Folge hat. Nach § 2 LDG, § 44 Abs. 1 LVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Bei einem schwerwiegenden Fehler handelt es sich um einen Mangel, der den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt; die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in so erheblichem Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (st.Rspr., BVerwG, Beschl. v. 05.04.2011 - 6 B 41.10 -, juris Rn. 4 m.w.N.).
38 
Dass der Dienstvorgesetzte ein Disziplinarverfahren führt, das den Vorwurf einer Beleidigung seiner selbst zum Gegenstand hat, stellt einen schwerwiegenden Fehler dar. Eine Vergleichbarkeit mit einer der in § 2 LDG, § 44 Abs. 3 LVwVfG geregelten Fälle, in denen keine Nichtigkeit vorliegt, ist nicht gegeben. Insbesondere liegt keine Vergleichbarkeit mit der in § 44 Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 LVwVfG geregelten Situation vor, da dort zum einen nur auf ein Näheverhältnis, nicht eine Selbstbetroffenheit, abgestellt wird, und zum anderen dort nur abstrakt ein potentiell bevorteilendes oder nachteilabwendendes Handeln zu befürchten ist. Im vorliegenden Fall ist die handelnde Person selbst negativ betroffen. Dass dies eine andere Situation ist, zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber in § 44 Abs. 3 Nr. 2 LVwVfG die starre Ausnahme von der Nichtigkeitsfolge gerade nicht auch auf den Fall der Selbstbetroffenheit des § 20 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG erstreckt hat (vgl. Goldhammer, in: Schoch/Schneider, § 44 VwVfG Rn. 94). Zum anderen liegt nicht nur eine abstrakte, potentielle Betroffenheit vor, sondern die Betroffenheit bei der handelnden Person ist durch die disziplinarverfahrensgegenständliche E-Mail bereits eingetreten.
39 
Dieser schwerwiegende Fehler ist für jeden, der die Disziplinarverfügung liest, offenkundig.
40 
c) Eine Unbeachtlichkeit, Heilung oder Präklusion kommt nicht in Betracht.
41 
aa) Da die Disziplinarverfügung nichtig ist, ist sowohl eine Unbeachtlichkeit dieses Verfahrensfehlers nach § 2 LDG, § 46 LVwVfG als auch eine Heilung nach § 2 LDG, § 45 LVwVfG ausgeschlossen.
42 
bb) Die Befangenheit ist nicht wegen einer Rechtsmissbräuchlichkeit einer entsprechenden Rüge ausgeschlossen. Unter bestimmten Umständen kann die Rüge der Befangenheit eines Mitwirkenden rechtsmissbräuchlich und damit präkludiert sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.07.1992 - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287 (290)). Unabhängig davon, ob diese Figur auf das Disziplinarverfahren überhaupt anwendbar ist, ist eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Rüge jedoch auch nach deren Befürwortern dann ausgeschlossen, wenn der Fehler so schwer wiegt, dass er zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führt (vgl. Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 21 Rn. 41, § 20 Rn. 85 m.w.N.). Dies ist hier – wie dargelegt – der Fall.
43 
cc) Eine Aufrechterhaltung nach § 21 Satz 2 AGVwGO kommt nicht in Betracht, da die Verfügung nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig ist. Zudem haftet der Fehler der Befangenheit des handelnden Bürgermeisters dem Disziplinarverfahren von Anfang an. Das Gericht überprüft den in der Disziplinarverfügung dargestellten und geahndeten disziplinaren Vorwurf auf der Grundlage der von der Disziplinarbehörde der Disziplinarverfügung zugrundegelegten Sachverhalts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07.06.2011 - DL 13 S 1826/10 -, juris Rn. 65). Streitgegenstand und damit Umfang und Grenzen der gerichtlichen Überprüfung werden ausschließlich durch die Abschlussverfügung selbst bestimmt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.06.2014 - DL 13 S 150/14 -, juris, Rn. 32; Burr, in: von Alberti u.a., Landesdisziplinarrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl., § 21 AGVwGO, Rn. 2; VG Freiburg, Urt. v. 03.05.2010 - DL 10 K 210/10 -, juris, unter Bezugnahme auf die Begründung zu § 38 LDG). Zwar kann nach § 21 Satz 2 AGVwGO das Gericht die Verfügung aufrechterhalten oder zu Gunsten des Beamten ändern, wenn mit der gerichtlichen Entscheidung die Rechtsverletzung beseitigt wird. Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist aber, dass ein Dienstvergehen erwiesen ist (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 10.06.2021 - DL 17 K 4854/20 -, n.v.). Dies ist hier aufgrund des schwerwiegenden Verfahrensfehlers nicht der Fall.
44 
2. Die auf Grundlage von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDG angeordnete vorläufige Dienstenthebung vom 30.06.2021 ist rechtswidrig und nichtig. Die Verfügung vom 30.06.2021 leidet an dem gleichen Fehler, wie die vom 29.06.2021, nämlich, dass der befangene Dienstvorgesetzte das Disziplinarverfahren geführt und die Verfügung erlassen hat. Auch diese Verfügung ist nichtig, § 2 LDG, § 44 Abs. 1 LVwVfG; eine Heilung, Unbeachtlichkeit, Präklusion oder Aufrechterhaltung kommt nicht in Betracht. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter 1) verwiesen, die hier entsprechend zum Tragen kommen.
45 
III. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 2 LDG, § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

23 
Die Klage ist zulässig und begründet.
24 
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere stellt die Verfügung über die Entfernung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis vom 29.06.2021 einen tauglichen Klagegegenstand der hier erhobenen Anfechtungsklage dar (§ 2 LDG, § 42 Abs. 1 VwGO).
25 
1. Bei der Verfügung über die Entfernung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis vom 29.06.2021 handelt es sich um einen aufschiebend bedingten Verwaltungsakt im Sinne von § 2 LDG, § 35, § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG und nicht um ein Dokument mit Entwurfscharakter. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist der objektive Erklärungswert nach dem Empfängerhorizont (vgl. Alemann/Scheffczyk, BeckOK VwVfG, § 35 Rn. 25).
26 
Für einen objektiven Empfänger war davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Beklagten einen aufschiebend bedingten Verwaltungsakt erlassen hat, dessen Wirksamkeit unter der aufschiebenden Bedingung (§ 2 LDG, § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG) steht, dass die Rechtsaufsichtsbehörde die Gesetzmäßigkeit der Verfügung ausdrücklich bestätigt oder die Entscheidung nicht innerhalb eines Monats beanstandet. Das äußere Erscheinungsbild des auf den 29.06.2021 datierten Schriftstücks ließ keine Zweifel aufkommen, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt. Das Dokument vom 29.06.2021 war wie eine Disziplinarverfügung gestaltet, es war vom Bürgermeister handschriftlich unterzeichnet, es war gestempelt und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Auch die Art und Weise, wie es dem Kläger zur Kenntnis gebracht wurde, ließ keine Zweifel an dem Regelungswillen und der intendierten Außenwirkung aufkommen. Das fragliche Schriftstück wurde dem Kläger förmlich zugestellt mit gleicher Postsendung wie die Verfügung vom 30.06.2021 über die vorläufige Dienstenthebung.
27 
Vor diesem überragenden Eindruck von einem Verwaltungsakt wiegen die Anhaltspunkte, die gegen diese Eigenschaft sprechen, nicht schwer genug. Zwar listet die Verfügung vom 30.06.2021 auf der letzten Seite unter der Signatur die Verfügung vom 29.06.2021 als Anlage, so dass die Verfügung mit dem Datum 29.06.2021 auch als Anlage zur Erläuterung der Verfügung vom 30.06.2021 verstanden werden kann. Auf der Verfügung vom 29.06.2021 selbst ist ein Anlagencharakter jedoch nicht kenntlich gemacht. In der Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung vom 30.06.2021 heißt es ferner auf Seite 2, die Verfügung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis dürfe erst vollzogen werden, wenn die Rechtsaufsichtsbehörde deren Gesetzmäßigkeit ausdrücklich bestätigt oder die Entscheidung nicht innerhalb eines Monats beanstandet. Zwischen Wirksamkeit einer Verfügung und deren Vollzug besteht jedoch ein Unterschied, so dass dieser Satz nicht gegen einen Regelungswillen betreffend die Verfügung vom 29.06.2021 spricht. Zudem heißt es auf Seite 3 der Verfügung vom 30.06.2021, zur Begründung werde auf die anliegende Entscheidung vom 29.06.2021 verwiesen. Diese Verfügung werde gemäß § 23 Abs. 1 LDG mit Zustellung wirksam. Da die Verfügung vom 30.06.2021 ebenfalls mit gleicher Post zugestellt wurde, war dieser Satz für einen Empfänger so zu verstehen, dass die Verfügung vom 29.06.2021 wirksam sein sollte. Unschädlich ist ferner, dass in der Verfügung vom 29.06.2021 vielfach auf Anlagen Bezug genommen wird, die der Postsendung nicht beigefügt waren, denn dabei konnte es sich aus Sicht eines objektiven Empfängers auch um ein Versehen handeln, zudem waren die Anlagen zum Verständnis des Inhalts nicht erforderlich.
28 
In engen Grenzen können zwar auch außerhalb des Dokuments liegende Umstände in die Beurteilung von dessen Erklärungswert einfließen. Auch daraus ergibt sich jedoch nichts anderes. Der Beamte hatte zeitnah nach Erhalt der Verfügung bei der Gemeinde bemängelt, dass die vielfältigen in der Verfügung vom 29.06.2021 genannten Anlagen nicht beigefügt waren. Vor dem Hintergrund der starken Anhaltspunkte für einen Verwaltungsakt ergibt sich jedoch aus der Antwort der Gemeinde vom 07.07.2021 nicht mit der gebotenen Sicherheit, dass keine Regelungswirkung intendiert war. Zwar heißt es dort: „Die Verfügung ‚Entfernung aus dem Dienst‘ wurde der Rechtsaufsichtsbehörde zugestellt und Ihnen ohne Anlagen zur Kenntnis überlassen. Die Anlagen werden nachgereicht, sobald der dafür erforderliche Verfahrensstand erreicht ist.“ Die knappe Auskunft eines nicht zur Entscheidung befugten Mitarbeiters, die zumal erst nach Zugang des Dokuments erfolgte, ist jedoch nicht geeignet, die starken Anhaltspunkte für den Regelungswillen der Verfügung zu widerlegen.
29 
2. Die Eigenschaft des Verwaltungsakts als aufschiebend bedingt steht dessen Tauglichkeit als Klagegegenstand der Anfechtungsklage nicht entgegen, da ein aufschiebend bedingter Verwaltungsakt für Behörde und Adressat bereits hinsichtlich der später eintretenden Rechtswirkungen verbindlich ist im Sinne einer äußeren Wirksamkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1978 - VIII C 35.76 -, BVerwGE 57, 69).
30 
3. Für die Statthaftigkeit der hier erhobenen Anfechtungsklage ist unerheblich, ob sich der Verwaltungsakt nicht nur als rechtswidrig, sondern auch als nichtig erweist, denn auch gegen einen nichtigen Verwaltungsakt ist die Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung des Verwaltungsakts statthaft (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 15; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 42 Rn. 23; vgl. BVerwGE 18, 154 (155)). Der erzeugte Rechtsschein verschafft dem Kläger zudem das erforderliche rechtliche Interesse an der Aufhebung des Verwaltungsakts (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 15).
31 
II. Die Entfernung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis vom 29.06.2021 sowie die vorläufige Dienstenthebung vom 30.06.2021 sind rechtswidrig und nichtig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 21 Satz 1 AGVwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
32 
1. Die auf Grundlage von §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 1 Satz 2 LDG ergangene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis vom 29.06.2021 ist rechtswidrig und nichtig. Der handelnde Bürgermeister war wegen Befangenheit nicht zur Entscheidung befugt (a). Dieser formelle Fehler führt zur Nichtigkeit der Disziplinarverfügung (b). Eine Unbeachtlichkeit, Heilung oder Präklusion kommt nicht in Betracht (c).
33 
a) Der handelnde Bürgermeister der Gemeinde war gemäß § 2 LDG, § 21 LVwVfG befangen. Wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsführung zu rechtfertigen, oder wenn von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet wird, hat die betreffende Person gemäß § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG den Behördenleiter darüber zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde selbst, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält, § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG.
34 
aa) Ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsführung des Bürgermeisters zu rechtfertigen, liegt vor. Mit dem Disziplinarverfahren wird dem Beamten vorgeworfen, den Bürgermeister selbst durch die E-Mail beleidigt zu haben. Es stand daher abstrakt zu befürchten, dass der Bürgermeister das Disziplinarverfahren nicht ausschließlich sachorientiert und mit der gebotenen inneren Distanz durchführen wird.
35 
bb) Aus dem Befangenheit des handelnden Bürgermeisters folgt ein Verfahrensfehler.
36 
Als in seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter des Klägers (an sich) zuständige untere Disziplinarbehörde (vgl. § 7, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Satz 1 Nr. 3 LDG, § 44 Abs. 4, § 72 Satz 1 GemO) hätte der Bürgermeister gemäß § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG sich entweder von sich aus oder auf Anordnung seiner Aufsichtsbehörde der Mitwirkung enthalten müssen. Aufsichtsbehörde bei Gemeinden ist das Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde (vgl. § 119 Satz 1 GemO und LT-Drs. 14/2996, S. 116 f.). Das Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde war frühzeitig durch den Bürgermeister selbst über den Inhalt der E-Mail und das von ihm beabsichtigte Disziplinarverfahren in Kenntnis gesetzt worden. Dass die Aufsichtsbehörde dennoch keine Anordnung nach § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 LVwVfG erließ, führt nicht dazu, dass der Fehler der Befangenheit zulasten des disziplinarunterworfenen (Ehren-)Beamten entfällt. Denn § 2 LDG, § 21 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 LVwVfG dient dem Interesse an einem ordnungsgemäßen Verfahren zum Schutz des Beamten, nicht zum Schutz des Dienstvorgesetzten als Disziplinarbehörde. Für das Vorliegen eines Fehlers kommt es nicht darauf an, ob der Amtsträger sich über die Anordnung hinwegsetzt, diese Anordnung pflichtwidrig unterbleibt oder die anordnungsbefugte Stelle keine Kenntnis von der Besorgnis der Befangenheit hatte (Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 21 Rn. 41 für die Situation des Satz 1, m.w.N.). Deshalb ist auch unerheblich, dass die Beklagte meint, das Landratsamt habe den Bürgermeister in seinem Schreiben vom 21.05.2021 angewiesen, das Disziplinarverfahren selbst zu führen und die Disziplinarmaßnahme selbst auszusprechen. Unabhängig davon, dass dem Schreiben des Landratsam vom 21.05.2021 eine solche Weisung nicht zu entnehmen ist, wäre eine solche Weisung nach dem Vorstehenden nicht geeignet, die objektive Rechtswidrigkeit der Mitwirkung des Bürgermeisters entfallen zu lassen.
37 
b) Der Fehler wiegt so schwer und ist so offenkundig, dass er die Nichtigkeit der Disziplinarverfügung zur Folge hat. Nach § 2 LDG, § 44 Abs. 1 LVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Bei einem schwerwiegenden Fehler handelt es sich um einen Mangel, der den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt; die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in so erheblichem Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (st.Rspr., BVerwG, Beschl. v. 05.04.2011 - 6 B 41.10 -, juris Rn. 4 m.w.N.).
38 
Dass der Dienstvorgesetzte ein Disziplinarverfahren führt, das den Vorwurf einer Beleidigung seiner selbst zum Gegenstand hat, stellt einen schwerwiegenden Fehler dar. Eine Vergleichbarkeit mit einer der in § 2 LDG, § 44 Abs. 3 LVwVfG geregelten Fälle, in denen keine Nichtigkeit vorliegt, ist nicht gegeben. Insbesondere liegt keine Vergleichbarkeit mit der in § 44 Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 LVwVfG geregelten Situation vor, da dort zum einen nur auf ein Näheverhältnis, nicht eine Selbstbetroffenheit, abgestellt wird, und zum anderen dort nur abstrakt ein potentiell bevorteilendes oder nachteilabwendendes Handeln zu befürchten ist. Im vorliegenden Fall ist die handelnde Person selbst negativ betroffen. Dass dies eine andere Situation ist, zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber in § 44 Abs. 3 Nr. 2 LVwVfG die starre Ausnahme von der Nichtigkeitsfolge gerade nicht auch auf den Fall der Selbstbetroffenheit des § 20 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG erstreckt hat (vgl. Goldhammer, in: Schoch/Schneider, § 44 VwVfG Rn. 94). Zum anderen liegt nicht nur eine abstrakte, potentielle Betroffenheit vor, sondern die Betroffenheit bei der handelnden Person ist durch die disziplinarverfahrensgegenständliche E-Mail bereits eingetreten.
39 
Dieser schwerwiegende Fehler ist für jeden, der die Disziplinarverfügung liest, offenkundig.
40 
c) Eine Unbeachtlichkeit, Heilung oder Präklusion kommt nicht in Betracht.
41 
aa) Da die Disziplinarverfügung nichtig ist, ist sowohl eine Unbeachtlichkeit dieses Verfahrensfehlers nach § 2 LDG, § 46 LVwVfG als auch eine Heilung nach § 2 LDG, § 45 LVwVfG ausgeschlossen.
42 
bb) Die Befangenheit ist nicht wegen einer Rechtsmissbräuchlichkeit einer entsprechenden Rüge ausgeschlossen. Unter bestimmten Umständen kann die Rüge der Befangenheit eines Mitwirkenden rechtsmissbräuchlich und damit präkludiert sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.07.1992 - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287 (290)). Unabhängig davon, ob diese Figur auf das Disziplinarverfahren überhaupt anwendbar ist, ist eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Rüge jedoch auch nach deren Befürwortern dann ausgeschlossen, wenn der Fehler so schwer wiegt, dass er zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führt (vgl. Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 21 Rn. 41, § 20 Rn. 85 m.w.N.). Dies ist hier – wie dargelegt – der Fall.
43 
cc) Eine Aufrechterhaltung nach § 21 Satz 2 AGVwGO kommt nicht in Betracht, da die Verfügung nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig ist. Zudem haftet der Fehler der Befangenheit des handelnden Bürgermeisters dem Disziplinarverfahren von Anfang an. Das Gericht überprüft den in der Disziplinarverfügung dargestellten und geahndeten disziplinaren Vorwurf auf der Grundlage der von der Disziplinarbehörde der Disziplinarverfügung zugrundegelegten Sachverhalts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07.06.2011 - DL 13 S 1826/10 -, juris Rn. 65). Streitgegenstand und damit Umfang und Grenzen der gerichtlichen Überprüfung werden ausschließlich durch die Abschlussverfügung selbst bestimmt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.06.2014 - DL 13 S 150/14 -, juris, Rn. 32; Burr, in: von Alberti u.a., Landesdisziplinarrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl., § 21 AGVwGO, Rn. 2; VG Freiburg, Urt. v. 03.05.2010 - DL 10 K 210/10 -, juris, unter Bezugnahme auf die Begründung zu § 38 LDG). Zwar kann nach § 21 Satz 2 AGVwGO das Gericht die Verfügung aufrechterhalten oder zu Gunsten des Beamten ändern, wenn mit der gerichtlichen Entscheidung die Rechtsverletzung beseitigt wird. Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist aber, dass ein Dienstvergehen erwiesen ist (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 10.06.2021 - DL 17 K 4854/20 -, n.v.). Dies ist hier aufgrund des schwerwiegenden Verfahrensfehlers nicht der Fall.
44 
2. Die auf Grundlage von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDG angeordnete vorläufige Dienstenthebung vom 30.06.2021 ist rechtswidrig und nichtig. Die Verfügung vom 30.06.2021 leidet an dem gleichen Fehler, wie die vom 29.06.2021, nämlich, dass der befangene Dienstvorgesetzte das Disziplinarverfahren geführt und die Verfügung erlassen hat. Auch diese Verfügung ist nichtig, § 2 LDG, § 44 Abs. 1 LVwVfG; eine Heilung, Unbeachtlichkeit, Präklusion oder Aufrechterhaltung kommt nicht in Betracht. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter 1) verwiesen, die hier entsprechend zum Tragen kommen.
45 
III. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 2 LDG, § 154 Abs. 1 VwGO.

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