Urteil vom Verwaltungsgericht Koblenz (4. Kammer) - 4 K 907/17.KO

Tenor

Der Bescheid vom 27. Dezember 2016 in der Fassung der nachfolgenden Genehmigungen wird aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur Hälfte sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist für den Kläger wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen (WEA).

2

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2016 genehmigte der Beklagte der Beigeladenen auf deren Antrag vom 24. August 2016 die Errichtung und den Betrieb von drei WEA vom Typ Vestas V 126 mit einer Nabenhöhe von 166 m, einem Rotordurchmesser von 126 m und einer Nennleistung von 3,3 MV in der Gemarkung A..., Flur ..., Flurstück-Nr. 6/4 und Flur ..., Flurstück-Nr. 2/4 sowie in der Gemarkung B..., Flur ..., Flurstück-Nr. 1. Die WEA „D“ und „E“ befinden sich zum klägerischen Grundstück in einer Entfernung von unter, die WEA „C“ in einer Entfernung über 1.100 m. Dieses liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „C...“ der Ortsgemeinde A..., welcher im Bereich des klägerischen Grundstücks ein Dorfgebiet festsetzt.

3

Gegen den am 10. Januar öffentlich bekanntgemachten Genehmigungsbescheid erhob der Kläger unter dem 31. Januar 2017 Widerspruch.

4

Mit Änderungsbescheiden vom 13. und 14. Juni 2018 genehmigte der Beklagte der Beigeladenen die Erhöhung der Schalleistungspegel für den Nachtbetrieb der WEA und mit Änderungsbescheiden vom 16. November 2017 und 16. Januar 2019 konkretisierte er die Nebenbestimmungen zum Schattenwurf. Die Beigeladene legte im weiteren Verfahren aktualisierte Schallimmissionsprognosen und Abnahmemessungen sowie einen Havarieplan vor. Im Juni 2017 sowie unter dem 15. August 2019 erstellte der Beklagte Allgemeine Vorprüfungen des Einzelfalles, wonach von dem Vorhaben der Beigeladenen, auch unter Berücksichtigung der im Verfahren vorgelegten weiteren Gutachten und Unterlagen, keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen ausgingen.

5

Bereits am 18. August 2017 hat der Kläger Klage gegen den Genehmigungsbescheid vom 27. Dezember 2016 erhoben und zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs eingereicht. Mit seiner Klage trägt er vor, die der Beigeladenen erteilte Genehmigung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Von den WEA gehe aufgrund ihrer Größe und ihrer Lage eine optisch bedrängende Wirkung aus. Zudem werde er durch den von den Anlagen ausgehenden Schall unzumutbar beeinträchtigt. Die von der Beigeladenen vorgelegten Schallimmissionsprognosen seien fehlerhaft und könnten deshalb nicht herangezogen werden. Insbesondere sei das Interimsverfahren nicht zur Anwendung gekommen und die Gutachter hätten die Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet zugrunde legen müssen. Es seien auch nicht ausreichend die Vorbelastungen durch das Industriegebiet D... und die Beeinträchtigungen durch Infraschall berücksichtigt worden. Ferner seien die im Verfahren vorgelegten Abnahmemessungen fehlerhaft. Überdies werde er durch Schattenwurf unzumutbar beeinträchtigt. Die Allgemeinen Vorprüfungen des Einzelfalles seien fehlerhaft durchgeführt worden und unvollständig. Die WEA verstießen gegen das Landesentwicklungsprogramm IV in der Fassung der Dritten Teilfortschreibung – LEP IV –. Insbesondere würden die nach dem Ziel Z 163 h des LEP IV – im Folgenden Ziel Z 163 h – vorgeschriebenen Mindestabstände zu seinem Wohnhaus nicht eingehalten. Er könne sich auf diese Rechtsverletzung berufen.

6

Der Kläger beantragt,

den Genehmigungsbescheid vom 27. Dezember 2016 in der Fassung aller nachfolgenden Bescheide aufzuheben.

7

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

8

Der Beklagte tritt dem Vortrag des Klägers im Einzelnen entgegen und trägt im Wesentlichen vor, aufgrund des Abstandes der Anlagen zum Wohnhaus des Klägers seien – selbst bei Berücksichtigung der topografischen Verhältnisse – nach der Rechtsprechung eine von den WEA ausgehende optisch bedrängende Wirkung sowie eine durch die WEA hervorgerufene Umzingelungswirkung auszuschließen. Dies werde durch die von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten der Firma E... vom Juni 2017 und September 2018 belegt. Die für den Kläger zumutbaren Zeiträume des Schattenwurfes würden nicht überschritten. Mit Änderungsbescheid vom 16. November 2017 und den Ergänzungen hierzu sei eine etwaige Unbestimmtheit der Nebenbestimmungen zum Schattenwurf beseitigt worden. Der Kläger werde nicht unzumutbar durch Schall beeinträchtigt; die vorgelegten Gutachten und Schallimmissionsprognosen seien nicht zu beanstanden, insbesondere habe keine Berechnung nach dem Interimsverfahren durchgeführt werden müssen. Die Gutachter hätten zutreffend die Immissionsrichtwerte für ein Dorfgebiet zugrunde legen dürfen, da die vorhandenen Nutzungen denen eines Dorfgebietes entsprächen. Eine Beeinträchtigung durch von den Anlagen ausgehenden Infraschall scheide bei einer Entfernung von über 700 m zu den WEA aus. Die vom Industriegebiet D... ausgehende Vorbelastung sei für das vorliegende Verfahren irrelevant; selbst bei dessen Berücksichtigung würden die Richtwerte am Anwesen des Klägers nicht überschritten. Auch die Struktur- und Genehmigungsbehörde Nord habe in ihrer Stellungnahme keine Mängel an dem von der Beigeladenen vorgelegten Schallgutachten des TÜV F... vom 20. September 2018 feststellen können. Die Allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles sei nicht zu beanstanden und im Übrigen auf Antrag der Beigeladenen am 15. August 2019 erneut durchgeführt und dabei keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen festgestellt worden. Ein Verstoß der angegriffenen Genehmigung gegen die Abstandsregelungen im LEP IV liege nicht vor, da die Genehmigung vor dem Inkrafttreten des LEP IV ergangen sei und maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die letzte Behördenentscheidung, also der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung sei. Im Übrigen habe der Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten den Kreisverwaltungen mit Schreiben vom 29. September 2016 mitgeteilt, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes das sich zum damaligen Zeitpunkt noch in der Aufstellung befindliche Ziel Z 163 h nicht angewendet werden solle, wenn die Genehmigung bis zum 30. April 2017 erreichbar wäre und die planungsrechtlichen Voraussetzungen vorlägen. Dies sei hier der Fall gewesen.

9

Die Beigeladene ist der Ansicht, der Kläger werde nicht unzumutbar durch Schall beeinträchtigt. Die zulässigen Immissionsrichtwerte seien – selbst bei Anwendung des Interimsverfahrens, welches i.Ü. im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen müsse – eingehalten; der Gutachter hätte im Bereich des klägerischen Wohnhauses zutreffend die Werte für ein faktisches Dorfgebiet zugrunde legen dürfen. Es liege selbst bei Unwirksamkeit des einschlägigen Bebauungsplanes „C...“ eine Gemengelage mit nachwirkendem Dorfgebietscharakter vor. Das Baugebiet „G...“ sei nicht schutzwürdig, da es nicht bebaut sei und seitens der Gemeinde A... seit vielen Jahren keine Bauabsicht bestehe. Davon abgesehen müsse bezüglich des Immissionsrichtwertes für dieses Gebiet ein Zwischenwert gebildet werden, da es sowohl an ein Dorfgebiet als auch an den Außenbereich grenze. Die vom Industriegebiet D... ausgehenden Vorbelastungen seien im neuen Schallgutachten berücksichtigt worden. Die Grundannahme der Kammer, wonach von der vollständigen Nutzung der Emissionskontingente im Industriegebiet D... auszugehen sei, treffe nicht zu. Die von den WEA ausgehenden Schattenwurfimmissionen lägen für das Wohnhaus des Klägers unterhalb der vorgesehenen Richtwerte. Dies werde durch die installierte Schattenwurfautomatik auf Grundlage der Nebenbestimmungen in der Änderungsgenehmigung vom 16. November 2017 sichergestellt. Die WEA verstießen auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Weder gehe von ihnen eine optisch bedrängende Wirkung aus, da sie mehr als die dreifache Anlagenhöhe entfernt vom klägerischen Grundstück gelegen seien, noch sei eine Umzingelungswirkung anzunehmen. Letztere scheide schon deshalb aus, weil der Blick nach Westen vom klägerischen Grundstück aus völlig unverbaut sei und die WEA erhebliche Abstände zur Wohnnutzung aufwiesen. Überdies sei die Frage der optisch bedrängenden Wirkung auch Gegenstand der Festlegungen der Darstellungen im einschlägigen Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde D... gewesen. Etwaige Abwägungsfehler hinsichtlich dieses Flächennutzungsplanes seien zwischenzeitlich unbeachtlich geworden. Die in Rede stehenden Vorschriften des LEP IV seien dem Raumordnungsrecht zuzuordnen, dienten nur Vorsorgeerwägungen und der generellen Akzeptanz der Windenergienutzung und seien deshalb nicht drittschützend. Ungeachtet dessen sei das Ziel Z 163 h im vorliegenden Verfahren nicht heranzuziehen, weil Ziele der Raumordnung nicht außenrechtswirksam seien und keine unmittelbare Bedeutung für die Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens und damit die Entscheidung der Kammer über den Rechtsstreit hätten. Im Übrigen sei maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Das Ergebnis der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles sei nicht zu beanstanden, die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht notwendig gewesen.

10

Mit Beschluss vom 27. Oktober 2017 – 4 L 908/17.KO – hat die erkennende Kammer den Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs mit der Maßgabe abgelehnt, dass der in der Tabelle zu Nr. 2.6.2.1 der Genehmigung vom 27. Dezember 2016 genannte Wert in der Rubrik „Maximal zulässiger Schattenwurf“ von 30 Stunden/Jahr an dem dort genannten Immissionsort SR 18 (A..., H...hang ...) nur den astronomisch möglichen Wert der Beschattung beschreibe und dass die tatsächliche Gesamtbeschattung durch sämtliche vorhandenen Windenergieanlagen dort 8 Stunden pro Jahr nicht überschreiten dürfe.

11

Im Erörterungstermin am 24. Juli 2018 hat das Gericht das Verfahren ausgesetzt, um dem Verwaltungsverfahren in Bezug auf die in diesem Termin angesprochenen Fragen Fortgang zu geben.

12

Das Gericht hat vor Ort verhandelt und Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 2. Juli 2020 verwiesen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten, die Verwaltungs- und Widerspruchsakte des Beklagten (sieben Ordner und dreizehn Hefte), die Aufstellungsunterlagen nebst Planurkunde zum Bebauungsplan „C...“ (ein Heft) sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren 4 L 86/17.KO und 4 L 908/17.KO Bezug genommen; sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

15

Die Klage ist nach § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – als Anfechtungsklage statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere ist der Kläger nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Nach dieser Vorschrift ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens als möglich erscheinen. Diese Möglichkeit ist nur dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (stRspr., vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 6 C 8.01 – BVerwGE 117, 93 <95 f.> m.w.N., Urteil vom 24. Mai 2018 – 3 C 18/16 –, juris).

16

Der Kläger kann geltend machen, durch die angefochtene Genehmigung in seiner aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – BImSchG – folgenden Rechtsposition verletzt zu sein. Nach dieser Vorschrift sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend. Als Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage sind alle Personen anzusehen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten sowie die Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage (vgl. Jarass, Kommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, 12. Auflage 2017, § 3 Rn. 38 ff). Hiervon ausgehend ist das Anwesen des Klägers nach der Schattenwurfprognose der I... Planung & Beratung: Windenergie in J... vom 2. Mai 2015 und vom 11. Juni 2017 (dort S. 19) von erheblichem und übermäßigem Schattenwurf bedroht (SR18: 53:42 Stunden/Jahr astronomisch möglicher und 12:11 Stunden/Jahr meteorologisch wahrscheinlicher Schattenwurf). Bereits aus diesem Grund ist der Kläger in den von § 5 Abs. 1 BImSchG geschützten Nachbarrechten betroffen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer Verletzung des den Kläger schützenden Ziels Z 163 h des LEP IV.

17

Der Kläger hat auch rechtzeitig Widerspruch gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung erhoben; über diesen Widerspruch ist bislang nicht in einer angemessenen Frist entschieden worden, § 75 VwGO.

II.

18

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 27. Dezember 2016 in der Fassung aller nachfolgenden Bescheide ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

19

Die angefochtene Genehmigung verstößt gegen § 35 Abs. 3 Satz 2 HS 1 des Baugesetzbuches – BauGB – i.V.m. dem Ziel Z 163 h. Danach ist bei der Errichtung von Windenergieanlagen

„ein Mindestabstand dieser Anlagen von mindestens 1000 Metern zu reinen, allgemeinen und besonderen Wohngebieten, zu Dorf-, Misch- und Kerngebieten einzuhalten. Beträgt die Gesamthöhe dieser Anlagen mehr als 200 Meter, ist ein Mindestabstand von 1100 Metern zu den vorgenannten Gebieten einzuhalten.“

20

Gegen diese Vorschrift, die mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.) und auf deren Einhaltung sich der Kläger berufen kann (3.), verstößt die angefochtene Genehmigung in Bezug auf die WEA „E“ und die WEA „D“ (2.). Dies führt insgesamt zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung (4.).

1.

21

Die in Ziel 163 h des LEP IV in der Fassung der Dritten Teilfortschreibung geregelten Mindestabstände für WEA zur Wohnbebauung sind rechtlich nicht zu beanstanden. Diesbezüglich schließt sich die Kammer den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d.W. in dessen Urteil vom 26. November 2018 – 3 K 11/17.NW – an. Darin führt dieses aus:

22

„Das im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV enthaltene neue Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) in der zugrunde zu legenden Fassung der Ministerratsfreigabe vom 27. September 2016 ist nicht zu beanstanden und steht als wirksames „in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung“ der Genehmigungsfähigkeit der WEA 3 entgegen.

23

Zunächst ist festzuhalten, dass entgegen der Ansicht der Klägerin bezüglich dieses „in Aufstellung befindlichen Ziels der Raumordnung“ Z 163 h (Abstandsregeln) keine Kompetenzüberschreitung des ISM als oberster Landesplanungsbehörde vorliegt.

24

Da die Regionalplanung aus dem Landesentwicklungsprogramm zu entwickeln ist (s. § 8 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 ROG a. F./,§ 13 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 ROG n.F./ § 9 Abs. 1 Satz 1 LPlG) sowie eine Anpassungspflicht der Bauleitpläne (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan) an die Ziele der Raumordnung besteht (s. § 1 Abs. 4 BauGB), ist es nicht zu beanstanden, wenn die Landesplanung verbindliche Vorgaben in Form von Abstandsregelungen für in Regional- und Bauleitplänen zu erfolgende Gebietsfestlegungen macht. Angesichts der nicht nur überörtlichen, sondern vielmehr überregionalen Bedeutung des Ausbaus der Windenergie kann dem Plangeber des Landesentwicklungsprogramms – hier dem ISM als oberster Landesplanungsbehörde – nicht die Berechtigung abgesprochen werden, den Abstand von Windenergieanlagen und Siedlungsgebieten landeseinheitlich in Form von Zielfestlegungen im Landesentwicklungsprogramm (§ 7 LPlG) zu regeln (vgl. VGH Hessen, Urteil vom 23. September 2015 – 4 C 358/14.N –, juris, Rn. 38).

25

Das im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV in der Fassung der am 27. September 2016 erfolgten Ministerratsfreigabe enthaltene neue Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) einschließlich seiner Begründung hält sich in diesem Stadium im Rahmen der Planungsbefugnis des Trägers der Landesplanung. Es wurden die Anforderungen beachtet, die das raumordnerische Abwägungsgebot des § 7 Abs. 2 ROG a.F., § 6 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 LPlG an eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Planung für das hier zu untersuchende Entwurfsstadium (vor Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung) stellt. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung sind vorliegend die zentralen Erwägungen des Planungskonzepts (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Oktober 2007 – 8 C 11412/06 –, juris, Rn. 39).

26

Die Planungsbefugnis des Plangebers schließt die planerische Gestaltungsfreiheit ein. Diese umfasst verschiedene Elemente, insbesondere des Erkennens, des Bewertens und des Wollens. Der Plangeber kann sich bei der Aufstellung und Fortschreibung eines Raumordnungsplans in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurücksetzung eines anderen Belangs entscheiden, wobei an die treffenden Abwägungen nur die Anforderungen zu stellen sind, die dem rahmensetzenden Charakter des Landesentwicklungsprogramms gerecht werden. So kann der Träger der Landesplanung abstrakte Ausschlusskriterien und ein grobmaschiges Raster zu Grunde legen oder typisierende Größen in seine Planüberlegungen einstellen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Oktober 2007 – 8 C 11412/06 –, juris betreffend ROP Westpfalz 2004; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. November 2006 – 3 S 2115/04 –, NuR 2007, 210; BayVGH, Urteil vom 17. November 2004 – 20 N 04.217 –, juris). Der Träger der Landesplanung ist mithin auch berechtigt, für die Nutzung der Windenergie unter Vorsorgegesichtspunkten (s. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) u. a. solche Flächen auszuscheiden, die in einem bestimmten pauschalen Abstand zu bestimmten Vorhaben liegen (vgl. HessVGH, Urteil vom 23. September 2015 – 4 C 358/14.N –, juris, Rn. 38; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 9. Oktober 2008 – 12 KN 35/07 –, juris; OVG Sachsen, Urteil vom 7. April 2005 – 1 D 2/03 –, juris). Eine – auch am Vorsorgegrundsatz (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) orientierte – Landesplanung ist erst dann materiell fehlerhaft, wenn sie auch unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums, den der Gesetzgeber ihr zubilligt, nicht mehr begründbar ist (s. HessVGH, Urteil vom 23. September 2015 – 4 C 358/14.N –, juris, Rn. 50).

27

Vorliegend hat das ISM als oberste Landesplanungsbehörde mit dem Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV, wie er vom Ministerrat am 27. September 2016 zur Öffentlichkeitsbeteiligung freigegeben wurde, den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

28

Das in dem Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV enthaltene neue Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) wird in diesem Stadium den Anforderungen an die Ermittlungstiefe und die Begründung gerecht.

29

Nach der im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV unter Ziffer 1. c) gg) gegebenen Begründung zu dem neuen Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) wurde der Mindestabstand von 1.000 Meter zu den ´dort genannten Siedlungsgebieten nach der BauNVO aus dem Vorsorgegrundsatz (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) abgeleitet. So wird dort ausgeführt, dass moderne WEA aufgrund ihrer Größe und der aus ihrem Betrieb resultierenden Emissionen starke Auswirkungen auf ihre Umgebung haben. Um eine bessere Vorsorge für die in der räumlichen Nähe von WEA lebenden Menschen sicherzustellen, sei ein größerer Mindestabstand von den in dem Ziel Z 163 h im einzelnen aufgeführten Gebieten im Sinne der BauNVO als der durch die TA Lärm zum BImSchG vorgegebene Mindestabstand angemessen. Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von bis zu 200 Meter müssten danach einen Mindestabstand von 1.000 Meter, solche über 200 Meter Gesamthöhe einen solchen von 1.100 Meter einhalten. Dieses Erfordernis gelte sowohl für die bereits vorhandenen als auch für die geplanten im einzelnen aufgezählten Gebiete. Auch geht aus der im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV enthaltenen Strategischen Umweltprüfung (SUP) weiter hervor, dass das Schutzgut Mensch letztlich für die im neuen Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) enthaltenen Siedlungspuffer im Vordergrund gestanden hat.

30

Die rechtlichen Vorgaben für die Aufnahme von Mindestabständen im Landesentwicklungsprogramm ergeben sich sowohl aus dem Immissionsschutzrecht als auch aus dem Rücksichtnahmegebot. Der Plangeber darf von seiner Befugnis zur Festlegung von Abstandsflächen zwischen verschiedenen Nutzungen nicht nur derart Gebrauch machen, dass er das zulässt, was anhand der Maßstäbe des Immissionsschutzrechts zulässig ist. Vielmehr ist es dem Plangeber gestattet, bereits im Vorfeld der Abwehr von Immissionen „eigenhändig“ gebietsbezogen das Maß des Hinnehmbaren zu steuern (HessVGH, Urteil vom 23. September 2015 – 4 C 358/14.N –, juris, Rn. 48 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 4 C 15.01 –, BVerwGE 117, 287 <301> und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. April 2014 – 1 B 10305/14 –, juris, Rn. 14). Hierbei kann der Plangeber pauschale Abstände zu Siedlungsgebieten festsetzen, die nicht auf einer konkreten Prüfung der Verträglichkeit einer WEA an jedem denkbaren Einzelstandort beruhen müssen. Eine derartige Untersuchungstiefe wäre von der Landesplanung auch gar nicht leistbar (HessVGH, Urteil vom 23. September 2015 – 4 C 358/14.N –, juris, Rn. 48). Selbst wenn sich aus dem Immissionsschutzrecht ein geringerer Abstand als 1.000 Meter zu Siedlungsgebieten ableiten lässt – was dahinstehen kann –, dann ist es dem Plangeber dennoch unter Vorsorgegesichtspunkten nicht verwehrt, einen größeren Abstand als vom Immissionsschutzrecht gefordert festzulegen (vgl. HessVGH, Urteil vom 23. September 2015 – 4 C 358/14.N –, juris, Rn. 48 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 4 C 15.01 –, BVerwGE 117, 287 <301>), soweit – wie hier auch mit dem im Entwurf vorliegenden raumordnerischen Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) beabsichtigt – durch einen „auf der sicheren Seite liegenden“ Mindestabstand von vornherein Konflikte zwischen unterschiedlichen Nutzungen erst gar nicht zur Entstehung gelangen sollen (vgl. HessVGH, Urteil vom 23. September 2015 – 4 C 358/14.N –, juris, Rn. 57). Die Festlegung von Siedlungsabständen, die die Einhaltung des Immissionsschutzrechts (Lärmimmissionen, Lichtreflexe, etc.) sicher gewährleistet, ist sachgerecht.

31

Die im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV im neuen Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) enthaltene Abstandsregelung erweist sich auch nicht deshalb als fehlerhaft, weil das ISM als oberste Landesplanungsbehörde nicht weiter zwischen den dort genannten Siedlungsgebieten nach der BauNVO und der damit zusammenhängenden möglichen unterschiedlich hohen Schutzwürdigkeit unterschieden hat, sondern stattdessen die Abstandsfestlegung für alle auch dem Wohnen dienende Siedlungsgebiete (allgemeines Wohngebiet, reines Wohngebiet, besonderes Wohngebiet, Mischgebiet, Dorfgebiet, Kerngebiet) gleichermaßen ohne Abstufung pauschal festlegte. So weisen die in dem neuen, vorliegend als in Aufstellung befindliches raumordnerisches Ziel zu behandelndes Z 163 h (Abstandsregeln) genannten Siedlungsgebiete nach der BauNVO durchweg, auch wenn sie wie z. B. ein Kern- oder ein Dorfgebiet nicht vorwiegend dem Wohnen dienen, eine Affinität zum Wohnen auf. Wie schon oben dargelegt, kann die Landesplanung für ihre Festlegungen, die für das gesamte Landesgebiet Geltung beanspruchen, ein durchaus grobmaschiges Raster zugrunde legen (siehe HessVGH, Urteil vom 23. September 2015, juris Rn. 53), so dass hier das im Entwurf formulierte neue Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) nicht zu beanstanden ist.

32

Ebenso unterliegt es keinen rechtlichen Bedenken, dass das im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV enthaltene neue Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) nicht nur bestehende Siedlungsgebiete nach der BauNVO, sondern auch geplante derartige Gebiete einbezieht. Die Landes- und Regionalplanung soll unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abstimmen und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden Konflikte ausgleichen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ROG a. F.) sowie Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raumes treffen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG a. F.). Damit können auch sich abzeichnende, also noch in Planung befindliche Entwicklungsmöglichkeiten bei der Zielfestlegung berücksichtigt werden (vgl. dazu HessVGH, Urteil vom 23. September 2015, juris Rn. 54; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 4 C 15.01 –, BVerwGE 117, 287 zur Flächennutzungsplanung).

33

Nach alledem stellt sich das im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV enthaltene neue Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) als ein rechtmäßiges „in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung“ dar, das hier als unbenannter öffentlicher Belang i. S. v. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Errichtung der WEA 3 als gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiertem Vorhaben entgegensteht, da diese WEA 3 zu dem durch den Bebauungsplan „Hühnerberg“ der Ortsgemeinde Ohmbach ausgewiesenen Wohngebiet nur einen Abstand von ca. 880 Meter enthält.

34

Der von der Klägerin weiter aufgeworfenen Frage, ob der Plangeber im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV ausreichend zwischen harten und weichen Tabuzonen unterschieden hat, muss hier nicht weiter nachgegangen werden, da eine solche strenge Differenzierung nach der Rechtsprechung nur für eine planerische Entscheidung zur Herbeiführung der Rechtsfolgen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (Konzentrationsplanung) gefordert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 CN 1.1 –, BVerwGE 145, 231 und juris Rn. 10 ff.; BVerwG, Urteil vom 11. April 2013 – 4 CN 2/12 –, juris Rn. 6 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Oktober 2015 – 2 K 19/14 –, juris Rn. 57; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. Januar 2015 – 1 KN 7/13 –, juris Rn. 57 ff.). Der Begriff der „harten Tabuzonen" dient der Kennzeichnung von Teilen des Planungsraums, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen auch immer, nicht in Betracht kommen, mithin für eine Windenergienutzung „schlechthin" ungeeignet sind (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 4 C 15.01 –, BVerwGE 117, 289 ff. <295, 299>). Mit dem Begriff der „weichen Tabuzonen" werden Bereiche des Gemeindegebiets erfasst, in denen nach dem Willen des Plangebers aus unterschiedlichen Gründen die Errichtung von Windenergieanlagen „von vornherein" ausgeschlossen werden „soll" (BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2004 – 4 C 2.04 –, BVerwGE 122, 109 ff. [112]).

35

Da vorliegend der Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – keine Konzentrationsplanung für die Windenergienutzung beinhaltet, sondern vielmehr Ausschlussgebiete für die Windenergienutzung bezeichnet (s. das neu gefasste Ziel Z 163 d sowie das neue Ziel Z 163 h ), bedurfte es schon deshalb keiner ausdrücklichen Differenzierung nach „harten“ und „weichen“ Tabuzonen.

36

Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt die im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV in dem neuen Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) enthaltene pauschale Vorgabe eines Mindestabstandes zu Siedlungsgebieten i. S. d. BauNVO keine unzulässige Verhinderungsplanung für WEA dar. Dies schon deshalb nicht, weil angesichts des Willens der Landesregierung Rheinland-Pfalz – der auch schon in dem mit der Ersten Teilfortschreibung des LEP IV seit 2014 eingeführten Grundsatz G 163 a, der im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV lediglich leicht modifiziert wurde, zum Ausdruck kommt –, 2 % der Landesfläche für die Windenergienutzung bereitzustellen, ausweislich des § 10 Landesklimaschutzgesetz die Akzeptanz der Windenergienutzung in der Bevölkerung zu stärken und sich ausweislich des Entwurfs der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV auch weiterhin zur Energiewende zu bekennen (s. dazu die Ausführungen zum Schutzgut „Luft und Klima und Wechselwirkungen“ im am 27. September 2016 freigegebenen Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV), schon nicht ansatzweise von einer mit dem neuen Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) etwa verfolgten Verhinderungsplanung für WEA ausgegangen werden kann.

37

Auch ist nicht ersichtlich, dass durch die in dem neuen Ziel Z 163 h enthaltene pauschale Abstandsregelung zu Siedlungsgebieten nach der BauNVO der in der Ersten Teilfortschreibung des LEP IV bereits festgelegte und mit dem Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV leicht modifizierte Grundsatz G 163 a, 2% der Landesfläche von Rheinland-Pfalz für die Windenergienutzung bereit zu stellen, nicht eingehalten werden könnte. Auch die Klägerin hat dies nicht substantiiert in Zweifel gezogen.

38

Ebenfalls sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass aufgrund der in dem Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV in dem neuen Ziel Z 163 h (Abstandsregeln) getroffenen Festlegung pauschaler Abstände von WEA zu Siedlungsgebieten nach der BauNVO der Windkraftnutzung nicht hinreichend „substantiell Raum verschafft" würde. Damit bedurfte es hier seitens des ISM als oberster Landesplanungsbehörde in dem für die Ministerratsfreigabe erarbeiteten Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV keiner Überlegungen, ob unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse auch möglicherweise geringere Abstände als 1.000 Meter (z. B. zu Kern- oder Dorfgebieten) zum Schutz der genannten (bestehenden bzw. geplanten) Siedlungsgebiete nach der BauNVO ausreichend wären.

39

Eine Verhinderungsplanung für die Windenergie liegt auch nicht darin, dass der Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV weitere Ausschlussgebiete für die Windenergienutzung in dem dort neu gefassten Ziel Z 163 d festlegt. So ergibt sich aus der im Entwurf der Dritten Teilfortschreibung enthaltenen Begründung zu dem Ziel Z 163 d, dass aus der besonderen Schutzwürdigkeit dieser Gebiete eine Freihaltung von Windenergienutzung erforderlich sei bzw. in bestimmten Gebieten, so z. B. in Wasserschutzgebieten der Zonen II und III, eine fachgesetzliche Prüfung erfolgen müsse. So wurde im Vorfeld des am 27. September 2016 freigegebenen Entwurfs der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV ein Fachgutachten bezüglich der bedeutsamen historischen Kulturlandschaften insoweit eingeholt und damit fundiert eruiert, ob die Windenergienutzung mit der besonderen Schutzwürdigkeit dieser Gebiete vereinbar ist, was abgelehnt wurde. In anderen schutzwürdigen Gebieten wie den Wasserschutzgebieten II und III bleibt es einer fachlichen Prüfung vorbehalten, ob Windenergienutzung zugelassen wird oder nicht. Dies ist nicht zu beanstanden.
 (…).

40

Nach alledem erweist sich der Entwurf der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV als rechtmäßig und stellt sich damit als wirksamer unbenannter öffentlicher Belang der „in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung" i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB dar.

41

Mithin stehen einer Genehmigung der geplanten WEA 3 öffentlich-rechtliche Vorschriften gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG entgegen.“

42

Diesen Ausführungen, die sich zwar nur auf das „in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung“ bezogen, hingegen auch auf die rechtliche Bewertung des endgültigen Ziels Z 163 h angewendet werden können, schließt sich die erkennende Kammer an. Die von der Beigeladenen geäußerten rechtlichen Bedenken können aus den in der zitierten Entscheidung genannten Gründen nicht durchgreifen. Insbesondere liegt schon keine Negativplanung des Verordnungsgebers vor, sodass der Vortrag der Beigeladenen diesbezüglich ins Leere geht. Eine Differenzierung in Ziel Z 163 h nach Gebietstypen war aus Rechtsgründen nicht veranlasst (vgl. VG Neustadt a.d.W., a.a.O., m.w.N.).

43

Die Unzulässigkeit der Berücksichtigung von Ziel Z 163 h im Zulassungsverfahren nach § 35 Abs. 3 Satz 2 HS 1 BauGB folgt auch nicht aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Hessen vom 26. August 2019 (4 A 2426/17, juris). Denn das Ziel Z 3 der Zweiten Verordnung über die Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 vom 27. Juni 2013, welches dieser Entscheidung zugrunde lag, richtete sich ausschließlich an die Träger der Regionalplanung; darauf weist auch der Verwaltungsgerichtshof Hessen in seiner Entscheidung hin (a.a.O, juris, Rn. 56 ff.). Anders verhält es sich im vorliegenden Fall. Das LEP IV in der Fassung der Dritten Teilfortschreibung enthält in Teil B, Kapitel „5.2 Energieversorgung“, Unterkapitel „5.2.1 Erneuerbare Energien“ Ziele und Grundsätze, die ausdrücklich an die Träger der Regionalplanung adressiert sind. Dies betrifft z.B. die Ziele Z 162 und Z 163 b, nicht hingegen das Ziel Z 163 h, welches eine generelle Aussage trifft. Nicht nur Wortlaut und Systematik sprechen somit gegen eine ausschließliche Adressierung dieses Ziels an die Träger der Regionalplanung, sondern auch der Wille des Verordnungsgebers. Dieser beabsichtigte, dem Ziel Z 163 h unmittelbar im Genehmigungsverfahren Geltung zu verschaffen, ungeachtet seiner Umsetzung in den Flächennutzungs- und Bebauungsplänen. Dies ergibt sich neben dem Wortlaut der Vorschrift auch aus der Antwort der Landesregierung (LT-Drs. 17/6240) auf eine Kleine Anfrage zweier Abgeordneter (LT-Drs. 17/6057) sowie aus dem Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 8. März 2017 an den Beklagten. In letzterem heißt es (Bl. 1979 f. der Gerichtsakte):

44

„Diese Aussage ist unzutreffend. Gemäß § 1 Absatz 4 Baugesetzbuch sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Dieses Anpassungsgebot gilt uneingeschränkt und unmittelbar. Mit dem In-Kraft-Treten der dritten Teilfortschreibung des LEP IV sind die neuen Ziele dieser Teilfortschreibung und damit die Abstandsvorgaben von den Trägern der Bauleitplanung zu beachten und die Bauleitpläne zu aktualisieren. Ein Zuwarten, bis betroffene Pläne „ohnehin überarbeitet werden", ist nicht statthaft. Auch bedarf es keiner Weisung übergeordneter Stellen des Landes Rheinland-Pfalz an die Träger der Bauleitplanung zur Überarbeitung der betroffenen Pläne.

45

Des Weiteren ist gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 2 Bundesimmissionsschutzgesetz für raumbedeutsame Windenergieanlagen die Genehmigung - nur - zu erteilen, wenn der beantragten Genehmigung öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Die im LEP IV vorgegebenen Ziele sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten und stellen öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des vorgenannten Gesetzes dar. Daraus wiederum folgt, dass - unbeschadet entgegenstehender Festsetzungen in anpassungspflichtigen Bauleitplänen - Windenergieanlagen, deren Standorte die neuen Abstandsvorgaben der dritten Teilfortschreibung des LEP IV nicht einhalten, mit dem In-Kraft-Treten eben dieser Teilfortschreibung nicht mehr genehmigt werden dürfen.“

46

Davon ausgehend kommt dem Ziel 163 h über § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB eine unmittelbare Außenwirkung zu, da diese Raumordnungsklausel im BauGB den Vorhabenträger unmittelbar an die Vorgaben der Ziele der Raumordnung bindet und als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums wirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 2015 – 4 CN 6.14 –, ZfBR 2015, 694, 696; Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Raumordnungsgesetz, 2. Auflage 2018, § 1 ROG Rn. 82).

47

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist Ziel Z 163 h auch nicht aus dem Grund europarechtswidrig, weil es nicht die weitere Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz sicherstelle. Wie bereits der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d.W. (a.a.O.) entnommen werden kann, verbleibt auch nach den im LEP IV geregelten Mindestabständen in Rheinland-Pfalz genügend Landesfläche für die Windenergienutzung.

48

Die Kammer sah keinen Anlass, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 18. Auflage 2018, § 86 Rn. 8), wie vom Beigeladenen beantragt, die Akten zu den Planaufstellungsvorgängen zum LEP IV beizuziehen. Denn die ausschließlich rechtliche Beurteilung der Frage, ob die Regelung des Ziels Z 163 mit höherrangigem Rechts vereinbar ist und diesem Ziel eine drittschützende Funktion zukommt (s. hierzu unten), war nach Auffassung der Kammer auch ohne Beiziehung der Planaufstellungsunterlagen anhand des öffentlich zugänglichen LEP IV nebst Begründung und weiterer öffentlich zugänglicher Quellen möglich. Der vom Verwaltungsgericht Neustadt a.d.W. in seiner Entscheidung (a.a.O.) festgestellte Formfehler, welcher nach Auffassung des Gerichts zu Unwirksamkeit des LEP IV führte, ist zwischenzeitlich durch ein ergänzendes Verfahren geheilt worden (s. LT-Vorlage 17/5345); eine Veröffentlichung des LEP IV in der Fassung der Dritten Teilfortschreibung ist am 30. Dezember 2019 im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz erfolgt (GVBl. 2019, S. 359). Für die Kammer ist nach Durchführung des Heilungsverfahrens kein (erneuter) Verfahrensfehler ersichtlich und eine weitere Sachaufklärung mit dem Ziel, entsprechende Fehler aufzudecken, war nicht sachgerecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 – 9 CN 1/01 –, NJW 2002, 2807). Ungeachtet dessen wäre es der Beigeladenen möglich gewesen, unter Geltendmachung ihrer Ansprüche aus dem Informationsfreiheitsgesetz entsprechende Unterlagen beim Land Rheinland-Pfalz anzufordern. Dazu hätte sie auch ausreichend Zeit zur Verfügung gehabt, da die Auswirkungen des LEP IV auf das hiesige Verfahren bereits seit Längerem zwischen den Beteiligten streitig war.

2.

49

Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesimmissionsschutzgesetzes – BImSchG –, da es bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Denn dem Vorhaben steht ein öffentlicher Belang entgegen. Nach § 35 Abs. 3 Satz 2 HS 1 BauGB dürfen raumbedeutsame Vorhaben – zu welchen die hier streitgegenständlichen WEA zu zählen sind – nicht den Zielen der Raumordnung widersprechen. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt im maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage gegen das Ziel Z 163 h.

50

Die über 200 m hohen WEA „D“ und WEA „E“ liegen nach dem Vortrag der Beteiligten – ungeachtet der Frage, ob die Entfernung von der Mastmitte oder der senkrecht stehenden Rotorspitze gerechnet wird – zum Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung unter 1.100 m und verstoßen damit im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer gegen Ziel Z 163 h.

51

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch einen Dritten ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (st. Rspr. der Kammer, vgl. Urteile vom 19. Mai 2017 – 4 K 1362/16 – und vom 31. Mai 2017 – 4 K 398/16 und 4 K 399/16.KO –; vgl. auch OVG RP, Beschluss vom 21. November 2017  – 1 A 11194/17.OVG) oder, falls ein solcher noch nicht ergangen ist, der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. VGH BW, Beschluss vom 25. Januar 2018  – 10 S 1681/17 –, juris; wohl auch OVG RP, Beschluss vom 28. Juli 2017 – 1 B 11075/17.OVG –, juris, Rn. 36 f.; generell den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als maßgeblich heranziehend Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 37. EL Juli 2019, § 113 Rn. 254). Denn ein Widerspruchsbescheid könnte noch bis zu einer Entscheidung in der Revisionsinstanz erlassen werden. An dieser Bewertung ändert auch der Vortrag der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nichts, ein Widerspruchsbescheid solle nicht mehr ergehen. Der Erlass eines Widerspruchsbescheides steht nicht ausschließlich zur Disposition des Beklagten, da zumindest die Beigeladene als Adressatin des sie begünstigenden Genehmigungsbescheides bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Klage einen Anspruch auf Erlass eines zurückweisenden Widerspruchsbescheides durch den Kreisrechtsausschuss des Beklagten mit einer Verpflichtungsklage gerichtlich geltend machen kann (vgl. VGH BW, Urteil vom 10. November 1993 – 3 S 1120/92 –, NVwZ 1995, 280; VG Koblenz, Beschluss vom 6. November 2009 – 7 K 931/09.KO; Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 75 Rn. 4 m.w.N.).

52

Da im vorliegenden Fall der Widerspruch des Klägers noch nicht beschieden worden ist, hatte die Kammer für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen und dabei das Ziel Z 163 h bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Eine Differenzierung, ob zwischenzeitlich etwaige Änderungen der Sach- und Rechtslage zu Gunsten oder zu Ungunsten des Genehmigungsinhabers eingetreten sind, findet – anders als im Baurecht in Bezug auf den Inhaber einer Baugenehmigung – nicht statt (vgl. OVG BW, Urteil vom 14. Mai 2012 – 10 S 2693/09 –, juris, Rn. 62). Eine Übertragung der Rechtsprechung zum Baurecht ist hier nicht angezeigt, weil der Inhaber einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht von Art. 14 GG Gebrauch macht, sondern eine immissionsschutzrechtlich relevante Anlage ohne entsprechende planungsrechtliche Grundlage (etwa in Form eines Bebauungsplans oder einer Planfeststellung) im baurechtlichen Außenbereich errichten und betreiben möchte. Zudem gewähren die Regelungen der §§ 17, 20 ff. BImSchG nicht in gleicher Weise einen formellen und materiellen Bestandsschutz wie das formelle und materielle Baurecht und Art. 14 GG. Aus diesem Grund wäre auch eine – wie vom Ministerrat des Landes Rheinland-Pfalz beschlossene – Ausnahmeregelung, die auf einen Vertrauensschutz für die sich in einem Genehmigungsverfahren befindlichen Antragsteller abzielte – verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten.

53

Einem Verstoß der angefochtenen Genehmigung gegen das Ziel Z 163 h steht auch nicht die von der Landesregierung im September 2016 beschlossene „Ausnahmeregelung“ entgegen. Nach dem Sprechvermerk des Staatssekretärs im Ministerium für Inneres und Sport (Vorlage 17/1555, S. 10) und dem Schreiben des Staatsse-kretärs im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 29. September 2016 an die Kreis- und Stadtverwaltungen hat der Ministerrat im September 2016 im Hinblick auf die Anwendung des Ziel Z 163 h eine Übergangsregelung derart beschlossen, dass in den Genehmigungsverfahren, in denen die Genehmigung bis zum 30. April 2017 erreichbar sei, die Neuregelung in Ziel Z 163 h nicht anzuwenden sei.

54

Zwar wurde die hier streitgegenständliche Genehmigung am 27. Dezember 2016 erteilt. Gleichwohl steht der Ministerratsbeschluss vom September 2016 einer Anwendung des Ziel Z 163 h im vorliegenden Verfahren nicht entgegen.

55

Der Ministerratsbeschluss hat keinen Eingang in die Neufassung des LEP IV gefunden und ist aus diesem Grund rechtlich – zumindest im Verhältnis zu Dritten im Rahmen der Drittanfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung – ohne rechtliche Bedeutung. Der Verordnungsgeber hat im LEP IV keine Entscheidung in der Weise getroffen, dass für Genehmigungen, die vor dem 30. April 2017 erteilt worden sind und gegen die Drittwiderspruch erhoben worden ist, das Ziel Z 163 h keine Anwendung findet. Die „Hinweise zur Berücksichtigung von in Aufstellung befindlichen Zielen der Raumordnung bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen“ im Schreiben des Staatssekretärs im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 29. September 2016 haben als Verwaltungsvorschriften im Verhältnis zu Dritten (zumindest) seit dem Inkrafttreten des LEP IV keine rechtlichen Auswirkungen (mehr).

56

Davon abgesehen wären selbst bei Anwendung dieser Ausnahmeregelung deren Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Denn die Genehmigung konnte nicht bis zum 30. April 2017 erreicht werden, weil gegen diese Widerspruch erhoben worden ist und sich die Genehmigung im maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtlage – wie dargelegt – als rechtswidrig erweist.

57

Auch der Verordnungsgeber hat die vom Ministerrat beschlossene Ausnahmeregelung nur so verstehen wollen, dass diese lediglich dann greift, wenn eine Genehmigung des Vorhabens bis zum 30. April 2017 erteilt wird und diese Genehmigung im Anschluss in Bestandskraft erwächst. Die Fälle, in denen eine bis zum 30. April 2017 ergangene Genehmigung im Anschluss angefochten wird, sollten von der Ausnahmeregelung nicht erfasst sein. Dies ergibt sich aus der bereits zitierten Antwort der Landesregierung vom 17. Mai 2018 auf eine Kleine Anfrage in der LT-Drs. 17/6240, in der es heißt:

58

„Im vorliegenden Fall wurde die Genehmigung auf Grundlage des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG) am 13. April 2013, also zu einem Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten der Dritten Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms IV (LEP IV) erteilt. Zu diesem Zeitpunkt lagen auch keine in Aufstellung befindlichen Ziele vor, die hätten beachtet werden müssen.

59

Der Widerspruch des BUND Landesverbandes Rheinland-Pfalz e. V. gegen die Genehmigung wurde vom Kreisrechtsausschuss des Landkreises Neuwied mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2018 zurückgewiesen.

60

Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also den Erlass des Widerspruchbescheides an. Davon geht auch der Widerspruchsbescheid aus. Entgegen der in diesem Bescheid vertretenden Auffassung sind jedoch nach Meinung der Landesregierung die Abstandsvorgaben des Z 163h der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV im Zuge von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren grundsätzlich zu beachten.“

61

Eine Anwendung des Ziels Z 163 h scheidet im vorliegenden Verfahren auch nicht deshalb aus, weil das entsprechende Ziel noch nicht im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde D... umgesetzt worden ist. Denn die im Landesentwicklungsprogramm enthaltenen Ziele der Raumordnung binden die Immissionsschutzbehörde unmittelbar, ungeachtet der vorherigen Anpassung der zugrunde zu legenden Bauleitpläne.

3.

62

Der Kläger kann sich auf eine Verletzung des Ziels Z 163 h berufen. Denn diesem Ziel kommt eine drittschützende Funktion zu (vgl. Beschluss der Kammer vom 24. August 2018 – 4 L 543/18.KO –, S. 9 f. des Entscheidungsabdrucks sowie Urteil vom 18. April 2019 – 4 K 411/18.KO –, S. 11 f. des Entscheidungsabdrucks; a.A. OVG RP, Beschlüsse vom 6. Juli 2017 – 1 B 11015/17.OVG –, juris, Rn. 40 f. und vom 28. Juli 2017, a.a.O., offen gelassen in Beschlüssen vom 5. Dezember 2018 – 1 B 11204/18.OVG – und 17. Oktober 2019 – 1 A 10802/19.OVG; VG Neustadt a.d. Weinstraße, 3 L 1545/18.NW, BeckRS 2019, 9333, Rn 153 f.).

63

Die Ziele der Raumordnung dienen grundsätzlich nicht dem Schutz einzelner Privater bzw. einem individuellen Personenkreis (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. August 1994 – 4 NB 31/94 – und vom 24. April 1992 – 4 NB 36/91 –, juris, Rn. 10; OVG RP, Urteil vom 15. Februar 2017 – 8 A 10717/16.OVG –, juris, Rn. 45; VG Mainz, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 3 L 801/14.MZ –, juris, Rn. 4). Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Ziele der Raumordnung zwar zu Anpassungspflichten nach § 5 Abs. 4 des Raumordnungsgesetztes – ROG – und § 1 Abs. 4 BauGB der dort bezeichneten Stellen führen, im Übrigen jedoch grundsätzlich – nach Abwägung aller privater und öffentlicher Belange – allgemeine Aussagen zum Umgang raumbedeutsamer Vorhaben auf Ebene der Raumordnung treffen und dabei private Belange als Gruppenbelange nur in einer pauschalen, typisierenden Art und Weise berücksichtigen (vgl. OVG RP, Urteil vom 5. Februar 2017 – 8 A 10717/16 –, juris, Rn. 45; Beschluss vom 28. Juli 2017, a.a.O., Rn. 36; VG Mainz, a.a.O.). Die Raumordnung hat nach § 1 Abs. 1 ROG die Aufgabe, Konflikte auszugleichen und Vorsorge im Hinblick auf die Raumnutzung zu treffen. Beide Aufgaben schließen grundsätzlich eine drittschützende Wirkung der Ziele der Raumordnung aus, weil sich diese ebenenspezifisch nur auf die großräumigen Konflikte beschränken, nicht hingegen auf die kleinräumigen Konflikte, deren Lösung den Genehmigungs- und Planaufstellungsverfahren vorbehalten bleibt (Runkel, a.a.O., § 1 Rn. 90). Dem steht hingegen eine drittschützende Wirkung von Zielen der Raumordnung in einem Landesentwicklungsprogramm nicht generell entgegen. Sie kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Verordnungsgeber im Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung zu erkennen gibt, dass auch unter Berücksichtigung der übrigen im Raumordnungsrecht zu berücksichtigenden Belange dem Schutzgut „Mensch“ besondere Bedeutung zugemessen wird und das Ziel sowohl spezifisch dem Schutz des Menschen und darüber hinaus einem individuell bestimmbaren Personenkreis zu dienen bestimmt ist. Diese Voraussetzungen erfüllt das Ziel Z 163 h.

64

Ob einer Vorschrift drittschützende Wirkung zukommt, ist durch Auslegung nach dem Wortlaut, nach der Systematik des Gesetzes und dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu ermitteln (vgl. Jarass, a.a.O., § 6 Rn. 76). Da dem Wortlaut des Ziels Z 163 h unmittelbar keine drittschützende Wirkung zu entnehmen ist, hängt dessen drittschützende Funktion maßgeblich von der Begründung des Zieles ab. Eine drittschützende Funktion eines Ziels der Raumordnung scheidet in der Regel dann aus, wenn der Begründung der Schutz eines konkret individuellen Personenkreises schon nicht zu entnehmen ist (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 10. April 2018 – 3 LB 133/08 -, juris, Rn. 111; BayVGH, Beschluss vom 18. April 2016 – 22 ZB 15.2625 –, juris, Rn. 14 in Bezug auf die drittschützende Funktion der Festsetzung von Vorranggebieten in einem Regionalplan). Im vorliegenden Fall ist der Begründung zu Ziel 163 h eine drittschützende Funktion dieses Ziels zu entnehmen.

65

Ausweislich der zum Ziel Z 163 h gegebenen Begründung bzw. Erläuterung kommt diesem Ziel eine nachbarschützende Funktion zu (vgl. Urteil der Kammer vom 9. April 2019 – 4 K 411/18.KO sowie Beschluss vom 24. August 2018 – 4 L 543/18.KO). Diesbezüglich heißt es nämlich:

66

„Moderne Windenergieanlagen haben aufgrund ihrer Größe und der aus ihrem Betrieb resultierenden Emissionen starke Auswirkungen auf ihre Umgebung. Sowohl um eine bessere Vorsorge für die in der räumlichen Nähe von Windenergieanlagen lebenden Menschen zu gewährleisten (Hervorhebung durch das Gericht) als auch um die Akzeptanz der Bevölkerung für die Windenergienutzung zu erhöhen, ist ein größerer Mindestabstand von den in Z 163 h im einzelnen aufgeführten Gebieten im Sinne der Baunutzungsverordnung, als der durch die TA-Lärm zum Bundesimmissionsschutzgesetz vorgegebene Mindestabstand, angemessen.“

67

Damit beschränkt sich die Begründung nicht lediglich auf generelle raumordnerische Erwägungen unter pauschaler Berücksichtigung privater Belange, sondern umfasst eindeutig und unmissverständlich auch den Schutz der in der näheren Umgebung lebenden Menschen.

68

Dieses Ergebnis wird durch eine genetische Auslegung der Vorschrift gestützt. Der bereits in der Begründung zum Ziel Z 163 h im Landesentwicklungsprogramm zum Ausdruck kommende Wille des Verordnungsgebers, die in der Nähe von WEA lebenden Menschen vor aus dem Betrieb von WEA resultierenden Emissionen zu schützen, ist auch der Begründung des Entwurfes zur Dritten Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über das Landesentwicklungsprogramm zu entnehmen (s. LT-Vorlage 17/1617). So wird an deren Anfang ausgeführt:

„Begründung

Allgemeines

69

Nach dem Willen der Landesregierung wird die Windenergienutzung auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der umweltfreundlichen Energiegewinnung haben. Allerdings hält die Landesregierung eine Nachregulierung bei der planerischen Steuerung der Windenergienutzung für erforderlich. Durch eine unmittelbar geltende Änderung des Landesentwicklungsprogramms IV sollen zusätzlich zu den bereits festgelegten weitere Ausschlusstatbestände verbindlich geregelt werden.

70

Die Regelungen des vorliegenden Verordnungsentwurfs wirken sich aufgrund ihres überwiegend räumlichen Bezuges weder spezifisch unterschiedlich auf die Lebenssituation von Männern und Frauen aus noch sind sie von kinder- oder familienpolitischer Relevanz. Damit wird auch dem Gedanken des Gender-Mainstreamings Rechnung getragen. Auch für die Bevölkerungs- und Altersentwicklung ist der Inhalt des Verordnungsentwurfs ohne Bedeutung. Jedoch verbessert sich aufgrund der positiven Umweltauswirkungen die allgemeine Lebenssituation der Bevölkerung.

71

Der Verordnungsentwurf wird zu einer Reduzierung der für die Windenergienutzung verfügbaren Flächen und nach dem Inkrafttreten zur Änderung beziehungsweise Anpassung von einigen Planungen führen. Infolge der möglichen Nichtrealisierbarkeit einiger Planungsüberlegungen wird auch eine gewisse Auswirkung auf die mittelständische Wirtschaft nicht auszuschließen sein, allerdings ist die Verbesserung des Schutzes von Menschen und Umwelt vor den mit der Errichtung von Windenergieanlagen verbundenen Beeinträchtigungen höher zu bewerten (Hervorhebung durch das Gericht).

72

Die kommunalen Spitzenverbände haben im Rahmen des Anhörungs- und Beteiligungsverfahrens insbesondere eine aus ihrer Sicht notwendige Übergangsfrist für diejenigen Gemeinden eingefordert, deren Windenergieplanungen bereits weit fortgeschritten sind. Auf eine Gesetzesfolgenabschätzung wird verzichtet, weil die Verordnung weder von großer Wirkungsbreite ist noch erhebliche Auswirkungen hat.“

73

Damit hebt der Verordnungsgeber nicht nur auf allgemeine Vorsorgegesichtspunkte ab, sondern stellt eindeutig und unmissverständlich auf den Schutz von Menschen ab. Innerhalb des Regelungsregimes des Raumordnungsrechtes wird hiermit Schutz durch Vorsorge im Rahmen einer Konfliktbewältigung sichergestellt.

74

Auch weitere Äußerungen des Verordnungsgebers sprechen für diese Rechtsauffassung. So führt der Staatssekretär im Innenministerium in seiner vorzitierten Antwort (LT-Drs. 17/6240) auf eine Kleine Anfrage zweier Abgeordneter (LT-Drs. 17/6057) aus:

75

„Der Widerspruch des BUND Landesverbandes Rheinland-Pfalz e. V. gegen die Genehmigung wurde vom Kreisrechtsausschuss des Landkreises Neuwied mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2018 zurückgewiesen.

76

Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also den Erlass des Widerspruchbescheides an. Davon geht auch der Widerspruchsbescheid aus. Entgegen der in diesem Bescheid vertretenden Auffassung sind jedoch nach Meinung der Landesregierung die Abstandsvorgaben des Z 163h der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV im Zuge von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren grundsätzlich zu beachten.

77

Da der BUND Landesverband Rheinland e. V. sich entschieden hat, Klage gegen die Entscheidung des Kreisrechtsauschusses zu erheben, wird die Frage der Rechtmäßigkeit der Genehmigung nun durch das zuständige Verwaltungsgericht geklärt werden.“

78

Diesen Ausführungen ist die Einschätzung des Verordnungsgebers zu entnehmen, dass der BUND – der nach seiner Satzung auch Rechte der Wohnbevölkerung geltend machen kann – sich im Rahmen der Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf die Einhaltung der in Ziel Z 163 h enthaltenen drittschützenden Abstandsregelungen berufen kann.

4.

79

Die fehlende Vereinbarkeit der WEA „D“ und WEA „E“ mit dem Ziel Z 163 h führt insgesamt zur Rechtswidrigkeit der hier angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Zwar hält die WEA „C“ einen Abstand zum Wohnhaus des Klägers von über 1.100 m ein. Die Beigeladene hat hingegen alle drei WEA zur Genehmigung gestellt und damit ihr „Vorhaben“ definiert (vgl. Beschluss der Kammer vom 19. März 2019 – 4 L 126/19.KO). Es obliegt deshalb der Beigeladenen, ihr Vorhaben entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen umzuplanen und ggf. einen neuen Antrag zu stellen bzw. auf Teile ihrer Genehmigung zu verzichten und nicht dem Gericht, durch eine teilweise Aufhebung der Genehmigung das Vorhaben neu zu gestalten. Ob die Beigeladene weiterhin ein Interesse an dem Betrieb der einzelnen WEA „C“ hat und falls ja, ob bei der Rechtswidrigkeit der Errichtung und des Betriebs der beantragten WEA „D“ und WEA „E möglichweise für die WEA „C“ ein anderer Standort in Frage kommt, ist eine unternehmerische Entscheidung, die das Gericht nicht treffen kann (a.A. OVG RP, Beschluss vom 16. August 2019 – 1 B 10539/19.OVG). Ungeachtet dessen wäre es dem Gericht nach dem Rechtsstaatsprinzip verwehrt, eine Genehmigung in der Weise zu teilen, dass der noch bestehende Teil objektiv rechtswidrig wäre. Es spricht aber vieles dafür, dass die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb nur der WEA „C“ gegen das im Genehmigungsverfahren zu beachtende Ziel Z 163 g des LEP IV verstößt. Danach dürfen einzelne Windenergieanlagen nur an solchen Standorten errichtet werden, an denen der Bau von mindestens drei Anlagen im räumlichen Verbund planungsrechtlich möglich ist. Ob dieses Ziel der Genehmigung der Anlage „C“ entgegensteht, kann erst in einem neuen Genehmigungsverfahren nach einem entsprechenden Antrag der Beigeladenen geklärt werden. Auch aus diesem Grund ist nach der Auffassung der Kammer das „Vorhaben“ durch die Beigeladene abschließend bestimmt worden, was einer Teilung der Genehmigung durch das Gericht entgegensteht.

80

Hat die Klage bereits aus diesem Grund Erfolg, war über die übrigen zwischen den Beteiligten strittigen Punkte – insbesondere eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers durch Schall und Schattenwurf, ein Verstoß der angegriffenen Genehmigung gegen das Gebot der Rücksichtnahme sowie eine Fehlerhaftigkeit der von dem Beklagten erstellten Allgemeinen Vorprüfungen des Einzelfalles – nicht mehr zu entscheiden.

III.

81

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 154 Abs. 3 VwGO.

82

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.

83

Da die Kammer hinsichtlich der Frage der drittschützenden Wirkung des Zieles Z 163 h von Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz abweicht und das Urteil auf dieser Abweichung beruht, wird die Berufung nach § 124a Abs. 1, § 124 Nr. 4 VwGO zugelassen.
Beschluss

84

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 45.000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG). Hierbei setzt die Kammer entsprechend der Empfehlung in Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 die Bedeutung der Sache bei der Anfechtung der Genehmigung für eine WEA mit 15.000 € an. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Streitwertbeschluss zum Urteil vom 26. September 2019 – 7 C 5.18 –, abgedruckt in ZNER 2020, 43, 47) kommt jeder WEA eine eigenständige Bedeutung zu; es ist jedoch im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes bei der Addition der Streitwerte eine Obergrenze zu wahren. Diese nimmt die Kammer erst mit 60.000 € an (vgl. Streitwertbeschluss der Kammer in der Rechtssache 4 K 406/19.KO).

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