Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (15. Kammer) - 15 B 7/17
Tatbestand
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Der Antragsteller wendet sich als Justizhauptsekretär gegen seine vom Antragsgegner unter dem 15.02.2017 verfügte vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) und Einbehaltung von 25 % seiner Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 Satz 1 DG LSA.
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Dem gingen die Einleitung des Disziplinarverfahrens vom 27.10.2015 sowie dessen Erweiterung vom 19.11.2015 und die Erhebung der Anklage gegen den Antragsteller wegen Vollstreckungsvereitelung voraus. Den Verfahren liegen Beanstandungen von konkret bezeichneten 392 Aktenvorgängen zugrunde, welche der Antragssteller als Sekretariatsleiter des Sekretariates II bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt zu bearbeiten hatte. Der Antragsteller habe ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) durch Vollstreckungsvereitelung im Amt in Tateinheit mit Verwahrungsbruch in sechs Fällen und Verwahrungsbruch in sechzehn weiteren Fällen gemäß §§ 258 Abs. 2, 258 a Abs. 1, 133 Abs. 1 und Abs. 3, 52, 53 StGB begangen und damit gegen seine beamtenrechtliche Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§§ 33 Abs. 1 Satz 3, 34 Satz 3 BeamtStG) und die Pflicht zur ordnungsgemäßer Diensterfüllung (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verstoßen. Auch die weiteren umfangreichen und erheblichen disziplinarrechtlichen Sachverhalte außerhalb der strafgerichtlichen Anklage begründeten den hinreichenden Tatverdacht erheblicher Dienstpflichtverletzungen. Dementsprechend enthält die Suspendierungsverfügung eine Vielzahl von außerhalb der Anklageschrift disziplinarrechtlich relevanter Sachverhalte, auf welche verwiesen wird. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass der Beamte Kontrollmechanismen, die eine zeitgerechte Erledigung der Vorgänge sicherstellen sollen, aktiv und zielgerichtet umgangen habe. So habe der Antragsteller die fehlende Bearbeitung der Verfügungen durch zusätzliche Verschleierungshandlungen zu verbergen versucht.
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Hinweise auf eine Depression oder sonstige körperliche Einschränkungen seien nicht erkennbar. Unter Berücksichtigung ärztlicher Atteste seien konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schuldausschlussgründen (derzeit) unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich. Dementsprechend sei unabhängig von der strafrechtlichen Verurteilung und der gesetzlichen Beendigung des Beamtenverhältnisses die disziplinarrechtliche Entfernung zwingend geboten.
Entscheidungsgründe
II.
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Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist begründet. Die vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA sowie die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA aufzuheben ist. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit.
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1.) Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA).
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Die vorläufige Dienstenthebung stützt der Antragsgegner allein auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA. Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregelung zu treffen.
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Eine auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu: Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; zuletzt: Beschl. v. 31.03.2014, 8 B 2/14 und v. 26.08.2013, 8 B 13/13; Beschl. v. 27.08.2014, 8 B 13/14; Beschl. v. 11.02.2015, 8 B 19/14; Beschl: v. 02.11.2016, 15 B 29/16; alle juris).
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2.) Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Das Disziplinargericht hat zu prüfen, ob die Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im späteren - gerichtlichen - Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dies ist dann gegeben, wenn im Rahmen des Eilverfahrens aufgrund der vorhandenen Feststellungen die Möglichkeit der Verhängung der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich erscheint. Der spätere Ausspruch der Höchstmaßnahme muss wahrscheinlicher sein als eine geringere Maßnahme. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Beschl. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, Beschl. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamten Disziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.05.2005, 3 ZD 1/05; alle juris).
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a.) Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; BayVGH, Beschluss v. 11.12.2013, 16a DS 13.706; alle juris).
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Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschl. v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).
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b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach der Schwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar(Satz 2).
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Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; Beschl. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).
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Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend zu erachten ist, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).
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Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).
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3.) Bei der (vorläufigen) Bewertung des relevanten Sachverhaltes teilt das Disziplinargericht die Auffassung des Antragsgegners, dass der Antragsteller durch die ihm vorgehaltenen dienstrechtlichen Verfehlungen ein schweres Dienstvergehen begangen hat, welches in der Gesamtheit aber auch bereits in Teilen dessen geeignet erscheint bei Fortgang der Ermittlungen und Bestätigung der Pflichtverletzungen den Antragsteller aus dem Dienst zu entfernen. Denn durch die auch strafrechtlich relevanten Verfehlungen hat der Antragsteller das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und den Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit unwiederbringbar zerstört.
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Ist die Schwere des Dienstvergehens damit grundsätzlich geeignet, die (spätere) Entfernung aus dem Dienst auszusprechen, müssen bei der prognostischen Beurteilung des (späteren) Disziplinarmaßes jedoch die Schuld des Antragstellers sowie die disziplinarrechtlich relevanten Milderungs- und Entlastungsgründe beachtet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine Erkrankung im Tatzeitraum als mildernder Umstand bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme letztendlich im Rahmen der Gesamtabwägung und Persönlichkeitsbewertung nach § 13 DG LSA (gleichlautend mit den Disziplinargesetzen in den Ländern und im Bund) berücksichtigt werden. Ob sie entscheidend ins Gewicht fällt, hängt von den konkreten Umständen ab und entzieht sich einer generellen Bewertung. Bestehen diesbezügliche tatsächliche Anhaltspunkte darf dieser Aspekt auch nicht etwa offen gelassen oder zugunsten des Betroffenen unterstellt werden. Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Beamten im Sinne von §§ 20, 21 StGB zur Tatzeit stellt einen mildernden Umstand dar, der die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis regelmäßig ausschließt (BVerwG, Beschluss vom 06.06.2013, 2 B 50.12; Urteile vom 03.05.2007, 2 C 9.06 und vom 25.03.2010, 2 C 83.08; zuletzt: Beschluss v. 28.02.2017, 2 B 85/16; alle juris). Dies kann für psychische Erkrankungen ohne Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit nicht in gleicher Weise gelten. Generell sind diese Umstände in die Gesamtwürdigung nach § 13 DG LSA einzustellen, wobei ihre Bedeutung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (so auch: Bayerischer VGH, Urteil vom 05.10.2016, 16 a D14.2285; juris).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend einschlägig. Denn in dem gegen den Antragsteller geführten teilweise sachgleichen strafrechtlichen Verfahren ist auf Ersuchen des Amtsgerichts B-Stadt durch Dr. med. E. H... (Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie/Forensische Psychiatrie und Direktor des Zentrums für Psychiatrie und Palliativmedizin der …-Klinik A…-Norden ein forensisch-psychiatrisches Gutachten vom 17.02.2017 erstellt worden. Der Gutachter führt insoweit aus:
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"Zu den Fragen des Gerichtes: Als Eingangskriterium des § 20 StGB wird angeraten, tatzeitbezogen von einer chronifizierten mittelschweren depressiven Episode, ICD-10 F 32.1. auszugehen. Dies führt zu der Feststellung, dass angeraten wird, die Voraussetzungen zur Annahme einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB als gegeben zu betrachten.
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Sämtliche Einlassungen des Untersuchten und alle dem Untersucher zugänglich gemachten Aktenmaterialien lassen mit Sicherheit die Feststellung zu, dass die Einsichtsfähigkeit zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt gewesen ist.
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Zur Frage der Steuerungsfähigkeit: Die retrospektiv erhobene psychopathologische Beeinträchtigung lässt zwar eine erheblich krankheitswertige Symptomatik erkennen, jedoch ist weder der Schweregrad der Erkrankung noch die Qualität der Erscheinung getretenen Symptome geeignet, allerschwerste Auswirkungen auf die spezifische tatzeitbezogene Steuerungsfähigkeit zu entfalten. Es wird daher angeraten als gesichert anzunehmen, dass tatzeitbezogen eine aufgehobene Steuerungsfähigkeit nicht in Betracht kommt. Dies entspricht auch der Selbsteinschätzung des Untersuchten.
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Hinsichtlich seiner schweren und wachsenden Überforderung in Verbindung mit zunehmender depressiver Symptomatik und immer hilfloseren Versuchen der teils im wahrsten Sinne des Wortes Ausblendung seiner Dienstversäumnisse (Löschung eines Teiles der Akten im Computer auf einer aufgeführten Liste und Einblendung einer kleineren übersichtlicheren Liste) lässt Zweifel daran aufkommen, dass Herr N... tatzeitbezogen sein Handeln nicht im vollen Umfang hat steuern können. Zweifel an der Steuerungsfähigkeit werden auch darin deutlich, dass soweit seine inhaltlichen Angaben zutreffen, einzelne Akten nur noch einen minimalsten Aufwand der Erledigung benötigt hätten, teilweise mit verbleibendem Arbeitsaufwand im sehr wenigen Minutenbereich. Sein Unvermögen in angemessener Form auf seine wachsenden Dienstversäumnisse aufmerksam zu machen, wird zumindest durch seine Persönlichkeitszüge plausibel, da er selbstwertstabilisierend sich überwiegend über Leistung definiert und gerade in diesem Bereich hätte Insuffizienz offenbaren müssen.
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Bei ohnehin schon schwerst fragilem Selbstwertgefühl bis hin zu Suizidgedanken war ihm letztlich dieser Grad der Offenbarung und diese zusätzliche Labilisierung des Selbstwertgefühles nicht möglich. Nach derzeitiger vorläufiger gutachterlicher Einschätzung ist tatzeitbezogen von einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auszugehen, wobei retrospektiv der Schweregrad der Beeinträchtigung innerhalb der Spanne bis zur erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit schwer einzuschätzen ist.
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Der Ausschluss, dass die Steuerungsfähigkeit bis zu erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt gewesen sein könnte, kann retrospektiv nicht geleistet werden.
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Wünschenswert wäre es, wenn Zeugen zu seinem veränderten Verhalten gehört werde könnten.
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Die Gesamtprognose erscheint dem Gutachter vergleichsweise günstig; die Motivation zu den eingestandenen Dienstversäumnissen ist sicher nicht im Sinne von reiner Fahrlässigkeit oder ungetrübten Vorsatzes zu bewerten, sondern ganz erheblich durch seine psychische Verfassung determiniert gewesen.
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Herr N... weist eine akribische Bereitschaft auf, den Sachverhalt selbst so gut es geht zu verstehen; er hat zwar spät aber nachhaltig seinen Gesundheitszustand mit fachlicher Hilfe soweit verbessert, dass fast eine völlige Remission zu verzeichnen ist. Selbst für den Fall, dass eine depressive Erkrankung neu auftreten sollte, dürften die Erfahrungen aus der Vergangenheit dazu führen, frühzeitig intensivere therapeutische Maßnahmen wahrzunehmen. Derzeit ist im Einklang mit der Selbsteinschätzung des Untersuchten, der Gesundungsgrad von Herrn N... so ausgeprägt, dass gesundheitliche Einschränkungen einer Wiederaufnahme der Tätigkeit, möglicherweise an einer anderen Behörde, nicht im Wege stehen."
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Zwar ist dieses fachärztliche Gutachten erst zwei Tage nach der streitbefangenen Verfügung gefasst worden, jedoch ist davon auszugehen, dass zumindest die Bearbeitung und die diesbezügliche - strafrechtlich - Fragestellung der Schuld des Antragstellers dem Antragsgegner auch zum Zeitpunkt der streitbefangenen Verfügung bekannt war. Soweit der Antragsgegner dementsprechend in der streitbefangenen Verfügung auch unter Berücksichtigung der ihm bekannten ärztlichen Atteste bezüglich des Vorliegens von Schuldausschlussgründen oder Milderungs- und Entlastungsgründen ausführt, dass "keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer zu verminderten Schuldfähigkeit führenden Depression vorliegen", erschließt sich dies dem Disziplinargericht nicht. Unabhängig von diesem zeitlichen Moment darf das Disziplinargericht diesen entscheidungserheblichen Umstand bei seiner Prüfung nach § 61 Abs. 2 DG LSA zugrunde legen. Darüber hinaus hat der Antragsgegner die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge unter Kontrolle zu behalten (§ 38 Abs. 4 DG LSA). Zwar hat der Antragsgegner sodann in dem hier streitigen Verfahren mit Antragserwiderung vom 24.03.2017 zu dem fachärztlichen Gutachten ausführlich Stellung genommen und ausgeführt, dass allein die Diagnose einer psychischen Störung der mittelgradigen depressiven Episode nicht das Ausmaß erreichen könne, um unter das psychopathologische Eingangsmerkmal einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB subsummiert zu werden. Zutreffend führt der Antragsgegner aus, dass die Problematik der Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne der Schuld bzw. die Fragen nach den Entlastungs- und Milderungsgründen eine Rechtsfrage darstellen, die im Disziplinarverfahren ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten wäre. Aber auch und gerade unter dem Aspekt, dass der Antragsgegner das nunmehr vorliegende Gutachten in mehrere Punkte als widersprüchlich angreift, ist vorliegend von entscheidender Bedeutung, dass gerade nicht mit dem notwendigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab - derzeit - die Prognose gestellt werden kann, dass im Fortgang der disziplinarrechtlichen Ermittlungen tatsächlich - später - vom Disziplinargericht auf die Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. So hat auch der Gutachter auf die wünschenswerte Notwendigkeit von Zeugenvernehmungen hingewiesen. Im weiter anhängigen behördlichen Disziplinarverfahren besteht insoweit weiterer erheblicher Aufklärungsbedarf. Demnach liegen die eingangs beschriebenen tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gerade nicht vor, woraus sich die erheblichen Zweifel des Disziplinargerichts nach § 61 Abs. 2 DG LSA ergeben.
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Es scheint so, dass der Antragsgegner den diesbezüglichen und entscheidungserheblichen einzelfallbezogenen Gründen der Schuld sowie der Entlastungs- und Milderungsgründen - jedenfalls zurzeit - zu wenig Aufmerksamkeit beimisst. Insoweit weist das Gericht auch darauf hin, dass nach § 22 Abs. 1 DG LSA wegen des - jedenfalls teilweise - sachgleichen Strafverfahrens das Disziplinarverfahren auszusetzen sein dürfte. Denn auch soweit vorliegend weitere Aufklärungen hinsichtlich der Schuld bzw. dem Vorliegen von Entlastungs- und Milderungsgründen vorzunehmen sind, dürfen die Voraussetzungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 DG LSA nicht vorliegen. Denn dann ist der Sachverhalt auch bei einem zweifelsfreien objektiven Tatbestand noch nicht geklärt und die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 DG LSA liegen nicht vor (so zum gleichlautendem § 22 BDG; Hummel/Köhler/Mayer, BDG 5. Auflage 2012, § 22 Rz. 11). So kann man von den Ermittlungen und Feststellungen im Strafverfahren im Disziplinarverfahren partizipieren und widersprüchliche Ergebnisse vermeiden.
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Ob die Voraussetzungen nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA vorliegen, muss und darf vom Disziplinargericht nicht geprüft werden. Denn das Berufen auf diesen Tatbestand obliegt allein dem Antragsgegner.
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4.) Mangels hinreichender Wahrscheinlichkeit der Prognose zur Dienstentfernung sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen zur teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA nicht erfüllt, so dass auch diese aufzuheben ist.
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5.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.
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