Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 A 18/19

Tatbestand

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Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als unzulässig und begehren hilfsweise die Feststellung von Abschiebungshindernissen betreffend Litauen.

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Die Kläger sind syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Ihr Religionsbekenntnis ist der Islam. Der in dem Jahr 1994 in Kobane geborene Kläger zu 1. und die in dem Jahr 1996 in Kobane geborene Klägerin zu 2. sind nach ihren Angaben miteinander verheiratet. Die Klägerin zu 3. ist ihre in dem Jahr 2015 in dem türkischen Mersin geborene Tochter und der Kläger zu 4. ist ihr in dem Jahr 2016 in dem griechischen Thessaloniki geborener Sohn. Der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. verließen in dem Jahr 2013 Syrien und blieben rund zweieinhalb Jahr in der Türkei. Ende des Jahres 2016 reisten sie in Griechenland ein. Im Juni 2017 gelangten sie im Rahmen eines Relokationsprogrammes des Europäischen Migrationsnetzwerks nach Litauen. Von dort reisten sie am 20.09.2017 in das Gebiet der Beklagten ein. Dort wurde am 25.01.2019 eine weitere Tochter des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. geboren, deren Klage gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung über ihren Asylantrag in dem Verfahren 8 A 274/19 MD bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg rechtshängig ist.

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Am 29.09.2017 stellten die Kläger Asylanträge bei dem Bundesamt. In ihrer dortigen Anhörung am 02.10.2019 gaben der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. an, dass sie in Litauen einen Asylantrag gestellt hätten, ihnen internationaler Schutz zuerkannt worden sei und sie die Papiere hierüber entsorgt hätten. Nach den Eurodac-Treffermeldungen wurde in Litauen ein Antrag am 06.06.2017 gestellt und die Schutzgewährung erfolgte am 09.06.2017. Zu Litauen gaben beide Kläger an, dass sie auf der Straße beleidigt worden, ohne körperlich angegriffen worden seien. Es seien Rassisten dort. Sie hätten in dem Flüchtlingsheim wohnen müssen. Die Lebensbedingungen seien schlecht gewesen das monatliche Geld von 71 € und 105 € sei sehr wenig gewesen.

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Mit Bescheid vom 12.10.2017 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, und setzte eine Ausreisefrist von 30 Tagen. Es drohte die Abschiebung nach Litauen an. Nach Syrien dürften die Kläger nicht abgeschoben werden. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 15 Monate befristet. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass den Klägern in Litauen bereits internationaler Schutz gewährt worden sei. Die Kläger hätten auch nicht glaubhaft vorgetragen, dass ihnen in Litauen eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe. Zu einer solchen Annahme würden auch die derzeitigen humanitären Bedingungen in Litauen nicht führen.

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Die Kläger haben am 17.10.2017 Klage erhoben. Gegen ihren Aufenthaltstitel in Litauen, der bis zum 15.06.2022 gültig sei, wenden die Kläger ein, es könne sein, dass dieser obsolet geworden sei, nachdem sie Litauen verlassen haben, um in dem Gebiet der Beklagten ihren Daueraufenthalt zu begründen. Der Kläger zur 4. verweist auf einen Brief eines Facharztes für HNO-Heilkunde vom 08.12.2017, nach dem bei dem Kläger zu 4. linksseitig eine präaurikuläre Fistel operativ entfernt werden könne, bei dem derzeitigen reizlosen Befund und des jungen Alters jedoch ein Abwarten empfohlen wurde. Ferner verweist der Kläger zu 1. auf eine psychologische Stellungnahme des psychologischen Dienstes der zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.01.2018, nach der ein Verdacht auf Kataplexie und auf Epilepsie bestehe und eine fachärztliche Untersuchung empfohlen wurde. Weiter verweist die Klägerin zu 2. auf eine psychologische Stellungnahme desselben Dienstes vom 23.01.2018, nach bei ihr von einer Trauerreaktion im Sinne einer Anpassungsstörung ausgegangen werde und eine Trauerbauarbeit in Selbsthilfegruppen alternativ eine Anbindung an das Traumazentrum für Kurden in Berlin empfohlen wurde. Die Kläger wenden ferner ein, eine deutschen Standards entsprechende medizinische Versorgung sei nach den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes in Unglücks- und Krankheitsfällen in Litauen nur in den größeren Städten gewährleistet. Dies könne für die Kläger als Familie mit kleinen Kindern gefährlich werden. Die Kinderrechtskonvention garantiere das Recht auf angemessene Lebensbedingungen und Unterhalt.

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Die Kläger beantragen,

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der Bescheid der Beklagten vom 12.10.2017, Az.: wird aufgehoben,

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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen der § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG bezüglich der Kläger vorliegen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen.

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Sie verweist auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts Berlin aus seinem Urteil vom 23.08.2018 (23 K 367.18 A). International Schutzberechtigten drohe in Litauen keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

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Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die den Beteiligten vorab übersandte Liste und die dort verzeichneten Erkenntnisquellen für Litauen, die Gerichtsakte, insbesondere das Protokoll der mündlichen Verhandlung, sowie auf den Verwaltungsvorgang des Bundesamtes zu dem Geschäftszeichen Bezug genommen.

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Ein Antrag der Kläger auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist mit Beschluss vom 24.10.2017 (1 B 596/17 MD) abgelehnt worden. Das Verfahren ist mit Beschluss vom 14.11.2017 auf den zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage, über die nach Übertragung des Rechtsstreits gemäß § 76 Abs. 1 AsylG der Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg. Sie ist in ihrem Hauptantrag unbegründet (1.) und in ihrem Hilfsantrag teilweise unzulässig und, soweit dieser zulässig ist, unbegründet (2.). Als offensichtlich unbegründet ist die Klage hingegen nicht abzuweisen (3.).

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1. Der Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2017 ist unbegründet. Er erweist sich in dem maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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a) Die Asylanträge der Kläger wurden in der Ziffer 1 des Bescheides zu Recht als unzulässig abgelehnt.

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Die Entscheidung der Beklagten beruht auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erfasst dabei sowohl den Schutz nach dem Abkommen vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge als auch den subsidiären Schutz im Sinne der Art. 18 ff. der Richtlinie 2011/95/EU.

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aa) Die Voraussetzungen einer solchen Unzulässigkeitsentscheidung liegen vor.

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Den Klägern hat die Republik Litauen bereits internationalen Schutz gewährt. Hiervon ist sowohl nach den eigenen Angaben des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2., sie hätten in Litauen nach einem Asylantrag internationalen Schutz zuerkannt bekommen, als auch nach den Eintragungen des Eurodac-Systems auszugehen. Letzteres weist die Schutzgewährung für den 09.06.2017 aus, nachdem in Litauen einen Asylantrag am 06.06.2017 gestellt worden ist. Dies wird durch die Angabe der Kläger bestätigt, einen Aufenthaltstitel mit Gültigkeit bis zu dem 15.06.2022 erhalten zu haben. Einen temporären Aufenthaltstitel erhalten in Litauen gemäß Art. 66 Nr. 2 und Art. 89 Abs. 2 des litauischen Gesetzes über den Rechtsstatus der Ausländer international Schutzberechtigte, denen subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist.

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Entgegen dem Einwand der Kläger ist ihr Schutzstatus nicht durch ein Obsoletwerden ihres Aufenthaltstitels dadurch entfallen, dass sie Litauen verlassen und in dem Gebiet der Beklagten einen Daueraufenthalt nachsuchen.

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Auf ein Entfallen des Aufenthaltstitels oder dessen nur temporäre Gewährung kommt es bereits nicht an. Denn die Gewährung des Schutzstatus durch die Migrationsabteilung gemäß Art. 86 Abs. 2 des litauischen Gesetzes über den Rechtsstatus der Ausländer und die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Art. 89 des litauischen Gesetzes über den Rechtsstatus der Ausländer stellen in Litauen zwei voneinander zu unterscheidende Entscheidungen dar.

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Ein Widerruf des Schutzstatus der Kläger ist zudem nicht festzustellen. Nach den vorliegend in Litauen anzuwendenden europarechtlichen Bestimmungen des Art. 14 der Richtlinie 2011/95/EU gibt es keinen Tatbestand einer Aberkennung, der an die bloße Ausreise und Wohnsitznahme in einem anderen Staat anknüpft. Ein von den Klägern als möglich erachteter Widerruf ist im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben nicht statthaft. Hierfür ergeben sich auch in tatsächlicher Hinsicht keine konkreten Anhaltspunkte. Die Behauptung der bloßen theoretische Möglichkeit eines Widerrufs nach Art. 90 Abs. 2 Nr. 2 des litauischen Gesetzes über den Rechtsstatus der Ausländer reicht nicht aus. Denn diese Vorschrift ist in den Fällen der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2011/95/EU nicht anzuwenden. Dass entgegen dem europäischen Sekundärrecht ein Widerruf erfolgt ist, hierfür ergeben sich keine Anzeichen. Die Kläger sind in Besitz aller Aufenthaltstitel und damit einhergehenden Pässe ausgereist und haben sie nach ihren Angaben aus der Anhörung bei dem Bundesamt vom 02.10.2017 selbst entsorgt. Ein Einbehalt durch die litauischen Behörde bei ihrer Ausreise erfolgte nicht.

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bb) Bei der danach auszusprechenden Unzulässigkeit des Asylantrags handelt es sich auf der Rechtsfolgenseite um eine gebundene Entscheidung der Beklagten.

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Die Beklagte war an einer solchen Unzulässigkeitsentscheidung auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 4 GRCh gehindert. Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, die durch diese Bestimmung eingeräumte Befugnis auszuüben, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als unzulässig abzulehnen, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh zu erfahren (vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 –, Rn. 101). Den Klägern droht eine solche Gefahr beachtlich wahrscheinlich nicht.

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Für die Auslegung von Art. 4 GRCh ist zunächst die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs heranzuziehen. Auf der Grundlage des Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh ist für die gebotene einheitliche Auslegung von Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK auch die Auslegung des Art. 3 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu berücksichtigen.

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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 4 GRCh ist für eine Bewertung der Situation nicht nur von zu überstellenden Antragstellern, sondern auch der Situation von international Schutzberechtigten zunächst von dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem und der Zusicherung der Mitgliedstaaten auszugehen, dass die Anwendung dieses Systems in keinem Stadium und in keiner Weise zu einem ernsthaften Risiko von Verstößen gegen Art. 4 GRCh führt (vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-163/17 –, juris, Rn. 89). Ein deutlich eingeschränkter Umfang existenzsichernder Leistungen in dem Zielstaat einer Überstellung kann daher grundsätzlich nur in dem Falle einer besonderen Verletzlichkeit relevant werden (vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 –, Rn. 93). Die Schwelle der unmenschlichen Behandlung ist aber stets erreicht, wenn der vollständig von staatlicher Unterstützung Abhängige behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – Nr. 30696/09 –, HUDOC, Rn. 253 im Anschluss an den Beschluss vom 18.06.2009 – Nr. 45603/05 –; Urteil vom 04.11.2014 – Nr. 29217/12 –, HUDOC, Rn. 98). Das Erreichen dieser besonders hohen Erheblichkeitsschwelle für eine unmenschliche Behandlung setzt eine in dem Zielstaat drohende Gefahr im Sinne einer extremen materiellen Not dergestalt voraus, dass die Gleichgültigkeit der dortigen Behörden zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-163/17 –, Rn 91 ff.; Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 –, Rn. 90 f.). Ursache für die Überschreitung der Schwelle der Erheblichkeit können größere Funktionsstörungen im Sinne von entweder systemischen oder allgemeinen oder aber bestimmte Personengruppen betreffenden Schwachstellen sein (vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-163/17 –, Rn 83 und 90; Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 –, Rn. 86 und 88).

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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK können sich auch die – staatlich verantworteten – allgemeinen Lebensverhältnisse als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen. Sind solche Verhältnisse den Behörden des rückführenden Staates bekannt oder müssen sie ihm bekannt sein, so stellt die Rückführung in einen anderen Konventionsstaat eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den rückführenden Konventionsstaat dar. Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht für sich aber nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung zu überschreiten. Art. 3 EMRK kann nicht so ausgelegt werden, dass er die Konventionsstaaten verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Art. 3 EMRK sieht keine allgemeine Verpflichtung vor, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen, der nicht signifikant reduziert werden dürfte (vgl. EGMR, Beschluss vom 02.04.2013 – Nr. 27725/10 –, HUDOC, Rn. 71).

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Ob solche gegen Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh verstoßende Funktionsstörungen vorliegen, hängt von allen Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, den daraus erwachsenden körperlichen und mentalen Folgen für den Betroffenen und in bestimmten Fällen auch von dem Geschlecht, dem Alter und dem Gesundheitszustand des Betroffenen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018 – 1 B 25/18 –, juris, Rn. 9). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei anerkannten international Schutzberechtigten wie bei Asylantragstellern für diesen Status um eine Gruppe handelt, die zumindest in einer Übergangszeit auf staatliche Hilfe bei ihrer Integration angewiesen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.05.2017 – 2 BvR 157/17 –, juris, Rn. 21). Auch bei ihnen kann das für Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh erforderliche Mindestmaß an Schwere in dem Zielstaat der Abschiebung erreicht sein, wenn sie ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden, keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten, ein Zugang zu dem Arbeitsmarkt verhindert wird oder staatliche Unterstützungsleistungen fehlen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.05.2017 – 2 BvR 157/17 –, juris, Rn. 20 ff.; BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018 – 1 B 25/18 –, juris, Rn. 11). Für anerkannte international Schutzberechtigte stellen sich vorstehende Fragen insbesondere für die erste Zeit nach ihrer Rückkehr (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.07.2018 – 2 BvR 714/18 –, juris, Rn. 24). Es bedarf insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.

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Die Frage, ob einem in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten international Schutzberechtigten eine unmenschliche oder erniedrigende bzw. entwürdigende Behandlung droht, die ein Abschiebungsverbot auslöst, erfordert – vergleichbar wie im Falle einer Prüfung der Feststellung systemischer Mängel in dem Asylsystem – eine aktuelle Gesamtwürdigung der zu der jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.04.2016 – 2 BvR 273/16 –, juris, Rn. 11). Dabei kommt regelmäßigen und übereinstimmenden Berichten von internationalen Nichtregierungsorganisationen besondere Bedeutung zu. Die Beurteilung der Aufnahmebedingungen in einem Drittstaat muss, jedenfalls wenn diese ernsthaft zweifelhaft sind, auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.05.2017 – 2 BvR 157/17 –, juris, Rn. 16). Neueste Entwicklungen in der Sicherheitslage sind zu berücksichtigen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.08.2018 – 3 L 293/18 –, juris, Rn. 24). Es handelt sich um eine Pflicht zu einer gleichsam tagesaktuellen Erfassung und Bewertung der entscheidungsrelevanten Tatsachengrundlage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.04.2018 – 2 BvR 2435/17 –, juris, Rn. 34).

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Bei einer auf der Grundlage dieses Maßstabs durchgeführten Gesamtwürdigung der zu Litauen vorliegenden Berichte und Stellungnahmen sowie der Anwendungspraxis des nach § 173 Satz 1 VwGO und § 293 ZPO ermittelten litauischen Rechts besteht für die Kläger in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sie als zurückkehrende anerkannte international Schutzberechtigte einer unmenschlichen oder erniedrigenden bzw. entwürdigenden Behandlung ausgesetzt sein werden.

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Bei dieser Prüfung war zu berücksichtigen, dass alle Kläger zu dem Kreis besonders schutzbedürftiger Personen im Sinne von Art. 20 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU zählen. Die Kläger würden gemeinsam mit der in dem Gebiet der Beklagten geborenen Tochter des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. zurückkehren. Bei einer in dem Gebiet der Beklagten tatsächlich „gelebten“ Kernfamilie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern ist in dem Regelfall davon auszugehen, dass deren Mitglieder entweder nicht oder nur gemeinsam zurückkehren. Nicht zu unterstellen ist, dass der Familienverband zerrissen wird und einzelne Familienmitglieder für sich allein in das Herkunftsland zurückkehren. Dies gilt auch dann, wenn einzelnen Mitgliedern der Kernfamilie bereits bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt oder für diese ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt worden ist (vgl. zu § 60 Abs. 5 AufenthG BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 – 1 C 45.18 –, juris, Rn. 15 ff.). Bei den Klägern handelt es sich um eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung der Anfang 2019 geborenen weiteren Tochter um eine Familie auch mit einem Kleinstkind.

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Nach Beurteilung der Erkenntnisse über Litauen sind bei einer Rückkehr dorthin anerkannte international Schutzberechtigte nicht sich selbst überlassen, sondern erhalten Unterstützung im Rahmen der staatlichen Integrationsprogramme nebst Unterstützungsleistungen. Dass dabei die besonderen Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Personen einschließlich insbesondere von (Kleinst-) Kindern im Sinne einer unmenschlichen und erniedrigenden Weise nicht beachtet werden, kann für Litauen nicht festgestellt werden.

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In Litauen werden seitens des Staates und des Roten Kreuzes zwei Stufen der unterstützenden Integration zur Verfügung gestellt.

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In der ersten Stufe können anerkannte international Schutzberechtigte in der zentralen Aufnahmeeinrichtung in Rukla verbleiben. Die Stufe ist darauf ausgerichtet, die soziale Integration der Anerkannten für die ersten acht Monate – mit einer Verlängerungsmöglichkeit bis zu zwölf Monaten – zu organisieren. Besonders schutzbedürftige Personen insbesondere Familien können bis zu achtzehn Monaten dort verbleiben. Weitere Verlängerungen sind bei unvorhergesehenen Situationen ebenfalls möglich (vgl. Pabegeliu priemimo centras, General Information about Centre, 2017). Entgegen dem Einwand der Kläger, eine medizinische Versorgung sei in Unglücks- und Krankheitsfällen nur in den Städten Vilnius, Kaunas, Klaipeda, Panevezys und Siaulai möglich, ist eine medizinische, psychologische und auch eine soziale Basisversorgung in der Aufnahmeeinrichtung sichergestellt (vgl. Pabegeliu priemimo centras, The primary integration of the foreigners granted asylum in the refugees reception center, Information for the foreigners granted asylum, 2017). Integrationsmaßnahmen finden in Gestalt eines individuellen Integrationsplans einschließlich eines intensiven Sprach- und Jobtrainings statt; die Mitarbeiter des Zentrums helfen bei der Arbeitssuche und der Integration (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Litauen, 02.11.2018, S. 10).

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In der zweiten Stufe wird die Integration auf kommunaler Ebene durch das litauische Rote Kreuz betreut. Der Integrationszeitraum hier beträgt grundsätzlich 12 Monate. Währenddessen erhalten die anerkannten international Schutzberechtigten die ersten sechs Monate 204 € und die folgenden sechs Monate 102 € an Unterstützungsleistungen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Litauen, 02.11.2018, S. 10). Darüber hinaus wird seit Ende des Jahres 2017 zusätzlich für die Unterbringung eine Unterstützung von durchschnittlich 314 € gezahlt, deren exakte Summe auf Basis der jeweiligen familiären Situation und der Lebenshaltungskosten in der jeweiligen Stadt, in der die Schutzberechtigten untergebracht sind, berechnet wird. Die Leistungen werden durch die Europäische Union finanziert. Eine finanzielle Unterstützung wird erst eingestellt, wenn drei Unterbringungsangebote abgelehnt werden (vgl. Europäische Kommission, Lithuania: Additional accommodation allowance for refugees, 11.10.2017).

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Eine Überlastung vorstehend geschilderter Integrationsprogramme ist nicht zu erkennen. Seit dem Jahr 2015 nahm Litauen 468 Personen im Rahmen des Relokationsprogrammes des Europäischen Migrationsnetzwerks auf, von denen 338 das Land nach Erhalt der Reisedokumente wieder verließen, um in anderen Mitgliedstaaten Aufnahme zu suchen (vgl. United States Department of State, 2018 Country Reports on Human Rights Practices: Lithuania, 13.03.2019, S. 8; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Litauen, 02.11.2018, S. 10; vgl. auch United Nations High Commissioner for Refugees, EU Emergency relocation mechanism, 27.09.2017). Mithin befindet sich in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nur ein Teil der Asylantragsteller bzw. anerkannten Schutzberechtigten in Litauen, für die das Land seine Integrationsprogramme ausgerichtet hat.

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b) Neben der Ablehnung des Antrags als unzulässig hat die Beklagte zu Recht in der Ziffer 2 des Bescheides vom 12.10.2017 festgestellt, dass keine Abschiebungshindernisse bei den Klägern in Bezug auf Litauen vorliegen.

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aa) Die Kläger sind nicht abschiebungsschutzberechtigt.

39

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Unzulässig ist die Abschiebung nach Art. 3 EMRK, wenn es den Klägern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, in Litauen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden. Entgegen den Einwänden der Kläger ist ein Verstoß der Beklagten gegen Art. 3 EMRK durch eine Rückführung der Kläger nach Litauen im Hinblick auf die dortigen Aufnahmebedingungen nicht zu erkennen. Hierfür wird auf die vorstehenden Ausführungen zu Art. 4 GRCh Bezug genommen, die im Wege des Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh auch für Art. 3 EMRK gelten.

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bb) Die Kläger sind nicht abschiebungsschutzbegünstigt.

41

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Im Falle einer Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt diese gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

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Solche Erkrankungen sind für die Kläger nicht festzustellen.

43

(1) Eine erhebliche Gefahr kann für den Kläger zu 4. nicht aus dem Arztbrief seines Facharztes für HNO-Heilkunde entnommen werden. Die darin auf den 08.12.2017 datierte Diagnose lautet auf eine linksseitig präaurikuläre Fistel. Eine operative Entfernung wurde zwar als möglich dargestellt, aber zunächst noch eine Beobachtung empfohlen. Inwieweit fast mehr als zwei Jahre später in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine Behandlungsbedürftigkeit vorliegt, ist von dem Kläger zu 4. nicht dargelegt. Eine Erkrankung, die zudem die Schwelle des Schwerwiegens überschreitet, kann daraus nicht festgestellt werden.

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(2) Eine sichtlich eine Abschiebung verschlechternde lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung folgt für den Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2. auch nicht aus den von ihnen jeweils vorgelegten psychologischen Stellungnahmen der zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt. Sie sind bereits nicht geeignet, in dem vorliegenden Verfahren herangezogen zu werden. Sie genügen auch nicht den Anforderungen an die Mitwirkungspflicht des § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO zu einer Benennung solcher Anknüpfungstatsachen, die eine Ermittlungspflicht des Gerichts auslösen würde.

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Maßstab für eine inhaltliche Berücksichtigungsfähigkeit der psychologischen Stellungnahmen ist § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG. Diesen Regelungen, die zunächst für inlandsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60a AufenthG gelten, kommt generell maßgebliche Bedeutung auch für die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.09.2017 – 2 L 85/17 –, juris, Rn. 8). Nach diesen Anforderungen muss eine Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht werden. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes, den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Bei der von dem Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2. vorgelegten psychologischen Stellungnahme handelt es sich bereits nicht um eine ärztliche Bescheinigung. Eine solche liegt nur vor, wenn sie von einem approbierten Arzt stammt (vgl. BT-Drucksache 18/7538, S. 19; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.08.2016 – 2 O 31/16 –, juris, Rn. 9; OVG Sachsen, Beschluss vom 09.05.2018 – 3 B 319/17 –, juris, Rn. 6). Der Mitarbeiter der zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber und des dortigen psychologischen Dienstes verfügt nach den Angaben der Stellungnahme zwar über einen Masterabschluss, ist jedoch kein approbierter Arzt. Eine solche nichtärztliche Bescheinigung kann nur in dem Zusammenhang mit einer ärztlichen Bescheinigung zusätzlich herangezogen werden (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 07.09.2018 – 10 LA 343/18 –, juris, Rn. 11). Solche ärztlichen Bescheinigungen haben der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. nicht vorgelegt.

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(3) Eine individuelle konkrete Gefahr folgt für die Kläger auch nicht aus ihrem Hinweis, das Auswärtige Amt stelle in seinen Reisewarnungen fest, eine deutschen Standards entsprechende medizinische Versorgung sei in Unglücks- und Krankheitsfällen nur in den größeren Städten gewährleistet. Für das Bestehen einer konkreten Gefahr ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung in dem Zielstaat mit der Versorgung in dem Gebiet der Beklagten gleichwertig ist. Insofern ist der Einwand bereits von Rechts wegen unerheblich. Darüber hinaus ist es ohnehin gemäß § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG in der Regel ausreichend, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Insoweit verweisen die Kläger selbst darauf, dass die allgemeine Gesundheitsversorgung in den Städten Vilnius, Kaunas, Klaipeda, Panevezys und Siaulai den medizinischen Standards in dem Gebiet der Beklagten entspricht.

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(4) Kommen danach für die Kläger keine individuelle Gefahren, sondern nur allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG in Betracht, wird Abschiebungsschutz zunächst nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. An einer solchen Regelung fehlt es vorliegend.

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(5) Schließlich ist zu einer Feststellung eines Abschiebungsverbots nur zu gelangen, wenn dieses zu der Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 – 10 C 43/07 –, juris, Rn. 32; Urteil vom 12.07.2001 – 1 C 2/01 –, juris, Rn. 8 ff.), mithin im Einzelfall bei der Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahr droht. Die Gefahr muss nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 – 10 C 24/10 –, juris, Rn. 19 ff.). Einer solchen extremen Gefahrensituation werden die Kläger, wie bereits ausgeführt, nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein.

49

cc) In dem vorliegenden Verfahren war über die zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse hinaus nicht das Vorliegen inlandsbezogener Abschiebungshindernisse zu prüfen. Die Beklagte erließ keine Abschiebungsanordnung, in deren Rahmen auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu berücksichtigen wären (vgl. dazu Nds. OVG, Beschluss vom 02.05.2012 – 13 MC 22/12 –, juris; BVerfG, Beschluss vom 17.09.2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.05.2016 – 13 A 516/14.A –, juris, Rn. 154 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.01.2017 – 11 S 2301/16 –, juris, Rn. 19), sondern drohte die Abschiebung nach § 35 AsylG an.

50

Mithin kommt es im vorliegenden Verfahren auch nicht auf das Ergebnis einer Entscheidung über einen Asylantrag gemäß § 14a Abs. 4 AsylG der am 25.01.2019 im Gebiet der Beklagten geborenen Tochter des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. an, die nicht Beteiligte dieses Verfahrens ist. Die sich aus einer Entscheidung in dem Verfahren 8 A 274/19 MD ergebende Fragen nach der Wahrung der Familieneinheit sind solche nach inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen als Rechtshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. mit Art. 8 Abs. 1 Alt. 1 EMRK und Art. 6 Abs. 1 GG. Mithin war das vorliegende Verfahren entgegen dem Einwand der Kläger nicht mit dem Verfahren 8 A 274/19 MD zu verbinden.

51

b) Die Abschiebungsandrohung der Ziffer 3 des Bescheides vom 12.10.2017 erweist sich zwar im Hinblick auf Länge und Beginn der Ausreisefrist als rechtswidrig, während die Abschiebungsandrohung im Übrigen rechtmäßig ist (aa). Die Teilrechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung führt in der vorliegenden Konstellation aber nicht zu einer Verletzung der Rechte der Kläger (bb) und damit nicht zu einer (Teil-) Aufhebung der Ziffer 3 des Bescheides.

52

aa) Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war. Nach § 36 Abs. 1 AsylG beträgt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

53

Das Bundesamt setzte den Klägern in der Ziffer 3 Satz 1 des Bescheides nicht eine Ausreisefrist von einer Woche, sondern von 30 Tagen. Diese Festsetzung verstößt gegen § 36 Abs. 1 AsylG (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2019 – 1 C 15.18 –, juris). Die Beklagte kann sich für ihre abweichende Festsetzung nicht auf die Vorschrift des § 38 Abs. 1 AsylG stützen, die in sonstigen Fällen die Setzung einer Ausreisefrist von 30 Tagen bestimmt. § 36 Abs. 1 AsylG enthält eine der allgemeinen Vorschrift des § 38 Abs. 1 AsylG vorgehende speziellere Regelung in Fällen der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Die speziellere Regelung des § 36 Abs. 1 AsylG steht auch nicht zur Disposition der Beklagten. Sie stellt zwingendes Recht dar, das die Beklagte bindet. Soweit die Beklagte mit der Setzung einer längeren Ausreisefrist eine Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO anzuordnen suchte – woran vorliegend in tatsächlicher Hinsicht wegen Fehlens eines Ausspruchs der Anordnung im Tenor der Entscheidung und einer Einzelfallbegründung entsprechend § 80 Abs. 3 VwGO bereits Zweifel bestehen –, ändert dies nichts an dem zwingenden Charakter der Wochenfrist. Die Anordnung der Aussetzung der Vollziehung und die Setzung der Wochenfrist unterscheiden sich nach Tatbestand und Rechtsfolge.

54

Das Bundesamt setzte eine Ausreisefrist, die mit der Bekanntgabe des Bescheides vom einen 12.10.2017 begann. Die nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und § 38 Abs. 1 AsylG zu setzenden Ausreisefrist darf indes nicht vor Ablauf der Klagefrist und, falls die Klage erhoben wird, nicht bis zu einer Entscheidung über die Klage beginnen. Zwar enthalten die Vorschriften über die Ausreisefrist weder in dem Aufenthaltsgesetz noch in dem Asylgesetz Bestimmungen zu dem Beginn der Frist. Die Rechtswirkungen der Abschiebungsandrohung als mitgliedstaatliche Rückkehrentscheidung im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2008/115/EG müssen aber nach dem Grundsatz der Waffengleichheit gemäß der Verfahrensgarantie eines wirksamen Rechtsbehelfs gemäß Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 2008/115/EG i. V. mit Art. 9 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU dazu führen, dass bereits während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen sind. Es genügt nicht, dass davon abgesehen wird, die Rückkehrentscheidung zwangsweise umzusetzen. Vielmehr müssen alle Rechtswirkungen dieser Entscheidung ausgesetzt werden. Insbesondere darf die Frist für die freiwillige Ausreise im Sinne von Art. 7 der Richtlinie 2008/115/EG, die in dem mitgliedstaatlichen Recht der Beklagten mit der Ausreisefrist im Sinne von § 59 Abs. 1 AufenthG und § 38 Abs. 1 AsylG umgesetzt wird, nicht zu laufen beginnen, solange der Betroffene ein Bleiberecht hat (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2018 – C-181/16 –, Rn. 61 f.; Beschluss vom 05.07.2018 – C-269/18 PPU –, juris, Rn. 50). Ungeachtet dessen handelt es sich um einen illegalen Aufenthalt im Sinne von Erwägungsgrund 9, Art. 3 Nr. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2018 – C-181/16 –, Rn. 44 ff.), mithin die Verbindung der Entscheidung über den Asylantrag mit der Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG auch aus Sicht des Unionsrechts in einem Entscheidungsakt erfolgen darf. In dem vorliegenden Fall haben die Kläger aufgrund der Wirkung ihres in dem Verfahren 1 B 596/17 MD gestellten Antrags nach § 36 Abs. 3 AsylG i. V .mit § 80 Abs. 5 VwGO nach dem mitgliedstaatlichen Recht des § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG ein gewissermaßen dem Ergebnis des § 55 AsylG entsprechendes Aufenthaltsrecht. Dies genügt dem unionsrechtlich einzuräumenden Bleiberecht im Sinne von Art. 9 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU. Dennoch hat die Beklagte den Beginn der Ausreisefrist mit einem Zeitpunkt bereits vor dem Ablauf der Antragsfrist verknüpft – und zwar mit der Bekanntgabe des Bescheides.

55

Im Übrigen erweist sich die Abschiebungsandrohung als rechtmäßig. Trotz der rechtswidrig gesetzten Ausreisefrist bezüglich ihres Beginns und ihrer Länge kann sie in ihrem rechtmäßigen Teil auch Bestand haben. Insoweit ist sie zwar unvollständig. Dies berührt aber die Rechtmäßigkeit der Androhung darüber hinaus nicht. Sie kann teilweise aufgehoben werden. Eine untrennbare Verknüpfung zwischen der Fristsetzung für die Ausreisepflicht und der Abschiebungsandrohung besteht nicht. Eine Ausreisefrist kann unabhängig von einer Abschiebungsandrohung (§ 50 Abs. 2 AufenthG) und umgekehrt (§ 59 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) bestehen. Sind Fristsetzung und Androhung zu verbinden (§ 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), so kann eine Abschiebungsandrohung ohne Ablauf einer Ausreisefrist nur nicht vollzogen werden, bevor die Behörde sie nicht (erneut) gesetzt hat und diese abgelaufen ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 03.04.2001 – 9 C 22/00 –, juris, Rn. 9).

56

bb) Soweit Satz 1 der Ziffer 3 des Bescheides 12.10.2017 rechtswidrig ist, sind die Kläger dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.

57

Zunächst ist eine Ausreisefrist von 30 Tagen gegenüber der tatsächlich zu bestimmenden Ausreisefrist von einer Woche ab Zustellung der Unzulässigkeitsentscheidung für die Kläger günstiger. Die Kläger werden nicht unmittelbar in ihren Rechten verletzt, die § 36 Abs. 1 AsylG vorsieht. Die Kläger können sich – jedenfalls in dem vorliegenden Hauptsacheverfahren – auch nicht darauf berufen, dass ihnen die Bestimmung einer anderen als in § 36 Abs. 1 AsylG vorgesehenen Frist mittelbar die Möglichkeit nimmt, im Wege eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht nur die Vollziehbarkeit der Unzulässigkeitsentscheidung zu beseitigen, sondern auch die Unwirksamkeit dieser Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG und die Fortführung des Asylverfahrens herbeizuführen und damit den Vollziehungsgegenstand selbst zu beseitigen. Dabei kann dahinstehen, ob die Vorschrift des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG über eine Regelung des fortzuführenden Asylverfahrens hinaus ein subjektiv-öffentliches Recht des Ausländers auf ein beschleunigtes Verfahren und gegen eine Verlagerung der dortigen Rechtsschutzmöglichkeiten gibt (vgl. dazu im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO: Dafür VG Trier, Beschluss vom 13.12.2017 – 7 L 14132/17.TR –, juris, Rn. 7 ff.; VG Magdeburg, Beschluss vom 03.01.2018 – 1 B 651/17 –, juris, Rn. 8 f.; VG Berlin, Beschluss vom 09.01.2018 – 28 L 741.17 A –, juris, Rn. 9; VG Magdeburg, Beschluss vom 16.04.2018 – 8 B 91/18 –, juris, Rn. 5 ff. und dagegen VG Köln, Beschluss vom 09.05.2018 – 14 L 826/18.A –, juris, Rn. 5 ff.; VG Freiburg [Breisgau], Beschluss vom 04.07.2018 – A 5 K 3911/18 –, juris, Rn. 5 ff.; VG Göttingen, Beschluss vom 13.07.2018 – 1 B 377/18 –, juris, Rn. 15; VG Magdeburg, Beschluss vom 16.08.2018 – 9 B 208/18 –, juris, Abs. 4). Denn im vorliegenden Hauptsacheverfahren führt die Teilaufhebung der Abschiebungsandrohung in Ansehung der gesetzten Ausreisefrist ohnehin nicht zu einer Aufhebung der Abschiebungsandrohung im Übrigen oder gar zu einer Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung auf der Grundlage des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Diese Vorschrift greift nur bei Stattgabe eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ein. Auch im Falle der isolierten Setzung einer neuen Ausreisefrist nach Abschluss des vorliegenden Hauptsacheverfahrens, die § 36 Abs. 1 AsylG entspricht, könnten die Wirkungen des § 37 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht mehr eintreten. Die Unzulässigkeitsentscheidung und die Abschiebungsandrohung sind bereits Gegenstand des vorliegenden Hauptsacheverfahrens.

58

Für den Fristbeginn liegt ebenfalls keine Verletzung der Rechte der Kläger vor. Denn für die vorliegend gegebene Konstellation hat das Bundesamt in dem Bescheid vom 12.10.2017 bestimmt, dass die Ausreisefrist von 30 Tagen in dem Falle der Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet. Mit dem Entscheidungsausspruch hatten die Kläger hiervon auch Kenntnis. Damit ist in der Konstellation der erhobenen Klage des vorliegenden Hauptsacheverfahrens sichergestellt, dass die Ausreisefrist, die gemäß Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG zwischen sieben und 30 Tagen beträgt, während der von dem Kläger erhobenen Klage bis zu einer Entscheidung über sie nicht unter 30 Tage verkürzt wird, sondern jedenfalls 30 Tage nach Eintritt der Rechtskraft für eine freiwillige Ausreise verbleiben. Der Beginn dieser unionsrechtlich gebotenen Frist liegt auf Grund des behördlich so bestimmten Fristendes in der Rückrechnung jedenfalls nach der Entscheidung über die Klage. Für diese Konstellation sind die Kläger durch die Entscheidung des Bundesamtes auch zutreffend über ihr Recht informiert worden und ein faires und transparentes Rückkehrverfahren im Sinne von Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2008/115/EG (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19.06.2018 – C-181/16 –, Rn. 65) insoweit gewahrt.

59

c) Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 15 Monate gemäß der Ziffer 4 des Bescheides vom 12.10.2017 ist rechtmäßig.

60

Über die Länge der Frist wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht im Falle des einer Verwaltungsbehörde eingeräumten Ermessens, ob der Verwaltungsakt deswegen rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Nur in dieser Weise ist die Entscheidung der Beklagten einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich, die gerade nicht das eigene Ermessen an die Stelle des behördlichen Ermessens setzen darf. Gesetzliche Ermessensgrenzen sind die Höchstfristen gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 bis 5b AufenthG. Ferner hat die Beklagte bei dieser Ermessensentscheidung die im Zeitpunkt der Entscheidung bekannten Umstände zu berücksichtigen (vgl. VGH Bayern, Beschluss vom 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463 –, juris, Rn. 4).

61

Ermessensleitend hat die Beklagte in ihrer Begründung darauf abgestellt, dass in dem Gebiet der Beklagten ein Vetter des Klägers zu 1. und drei Onkel der Klägerin zu 2. in den Gebiet der Beklagten leben. Für die Befristung auf 15 Monate, die weit unter der Hälfte der Höchstfrist des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG liegen, sind vor diesem Hintergrund keine Ermessensfehler festzustellen. Einwände hiergegen haben die Kläger nicht weiter vorgetragen.

62

2. Der sodann zu einer Entscheidung des Gerichts gestellte Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 Satz 1 AufenthG ist teilweise unzulässig und, soweit er zulässig ist, unbegründet.

63

a) Die Klage ist Ansehung des Hilfsantrages auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 AufenthG unzulässig.

64

Ein solcher Antrag ist notwendig auf die Durchführung eines Asylverfahrens gerichtet. Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 3 wäre bei einer Berufung auf das mit dem subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG identische Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von dem Bundesamt in einem Asylverfahren festzustellen, ob die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AsylG vorliegen. Denn die Kläger genießen in dem Gebiet der Beklagten nicht im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG die Rechtsstellung als subsidiär Schutzberechtigte.

65

Ein auf die Verpflichtung der Beklagten zu der Durchführung eines Asylverfahrens gerichteter Antrag ist in der vorliegenden Konstellation einer Unzulässigkeitsentscheidung der Beklagten über den Asylantrag der Kläger unstatthaft. Bei Bescheiden, die einen Asylantrag ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 AsylG ablehnen, kommt weder ein Antrag auf Verpflichtung zu der Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus noch ein eingeschränkter Verpflichtungsantrag auf die Durchführung eines Asylverfahrens in Betracht. Denn das Gericht hat vor der Aufhebung einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung nur zu prüfen, ob diese auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben kann (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 01.06.2017 – 1 C 9/17 –, juris, Rn. 15 insbesondere zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG; vgl. auch zu § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C 4/16 –, juris, Rn. 17 ff.). Hebt das Gericht die Unzulässigkeitsentscheidung auf, so hat das Bundesamt das Asylverfahren fortzuführen.

66

b) Der Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 3 bis 5 und 7 Satz 1 AufenthG ist unbegründet. Den Klägern kommt gegen die Beklagte kein Anspruch auf eine solche Feststellung zu.

67

aa) Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 AufenthG liegen bei den Klägern nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass sie in Lettland wegen einer Straftat gesucht werden und die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht. Hierzu haben die Kläger auch keine Angaben gemacht.

68

bb) Ein Verbot der Abschiebung nach § 60 Abs. 4 AufenthG ist ebenfalls nicht zu ersehen. Ein Auslieferungsersuchen oder ein Festnahmeersuchen liegt für die Kläger nicht vor.

69

cc) Die Kläger sind, wie bereits unter der Ziffer 1 begründet, weder abschiebungsschutzberechtigt gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG noch abschiebungsschutzbegünstigt gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

70

3. Die Klage ist entgegen dem Antrag der Beklagten nicht gemäß § 78 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen.

71

Offensichtlich unbegründet ist eine Klage, wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung, das heißt nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre, sich die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.07.1983 – 1 BvR 1470/82 –, juris, Rn. 54 ff.; BVerwG, Beschluss vom 06.12.1982 – 9 B 3520/82 –, juris, Rn. 6).

72

Die Abweisung der Klage drängte sich nicht in diesem Sinne geradezu auf. Die Prüfung ihrer Begründetheit folgte nicht aus obergerichtlich gefestigter Rechtsprechung zu der Lage in Litauen, sondern setzte die Auswertung der in das Verfahren eingeführten und zu berücksichtigenden Erkenntnismittel zu der Situation verletzlicher anerkannter international Schutzberechtigter unter Berücksichtigung der individuellen Situation der Kläger voraus.

73

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

74

III. Das Urteil war nach Maßgabe von § 167 Abs. 2 VwGO und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. mit § 708 Nr. 11 Alt. 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.


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