Urteil vom Verwaltungsgericht Mainz (6. Kammer) - 6 K 560/08.MZ
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen ihre Nichtzulassung zum „W. Backfischfest 2008“. Sie betreibt das Rundfahrgeschäft „Break Dance No. 1“. Charakteristisch für diesen Typ von Fahrgeschäften sind die spontanen, nur schwer vorhersehbaren und sich ständig ändernden Fahrbewegungen, die an den amerikanischen Breakdance-Tanzstil erinnern. Von diesem Fahrgeschäft gibt es auf dem Markt zwei Ausführungen: eine Standardvariante und das um ca. ein Drittel größere Modell des „Break Dance No. 1“, von welchem insgesamt nur drei Geschäfte auf dem Markt existieren. Seit 1988 bewarb sich die Klägerin bei der Beklagten für die Teilnahme am „W. Backfischfest“ und wurde bisher in einem regelmäßigen, zweijährigen Turnus zu dieser Veranstaltung zugelassen, zuletzt im Jahre 2006. Im Oktober 2007 bewarb sie sich für die Teilnahme am Backfischfest 2008, das vom 30. August bis 07. September 2008 stattfand. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 lehnte die Beklagte diesen Antrag unter Hinweis auf ihre „Verwaltungsrichtlinie über die Zulassung von Geschäften auf den großen Volksfesten ‚W. Backfischfest’ und ‚W. Pfingstmarkt’“ ab. Diese Verwaltungsrichtlinie sieht bei konkurrierenden Bewerbern in Ziff. 6 eine Auswahl nach folgenden Kriterien vor: Attraktivität des Geschäfts, Vielfalt und Qualität des Leistungs- und Warenangebotes, Grundsatz „bekannt und bewährt“ unter Beachtung der Einschränkung, dass Neu- und Wiederholungsbewerbern eine reale Zulassungschance verbleiben muss, sowie Größe des Fahrgeschäfts und die benötigten Anschlusswerte. Diese Kriterien stehen in keiner Rangfolge. Zur Begründung ihrer Auswahlentscheidung führte die Beklagte im Wesentlichen Folgendes aus: Von den insgesamt sieben Bewerbern aus der Sparte „Breakdancer“ habe sie unter Berücksichtigung des Platzangebotes und Ausübung ihres gestalterischen Ermessens nur ein Rundfahrgeschäft, namentlich den „Bayern-Breaker“ der Familie Z., zugelassen. Dieses Fahrgeschäft sei seinem Namen entsprechend mit bayerischen Motiven gestaltet und enthalte zugleich typische Elemente des Breakdance-Tanzstils. Diese Dekoration des „Bayern-Breakers“ sei markant und einzigartig. Hierdurch hebe er sich von den üblichen „Breakdancern“ ab. Das Fahrgeschäft der Klägerin dagegen besteche durch seine Größe, die vor allem in Stoßzeiten von Vorteil sei. Seine äußere Gestaltung vermittele ein Gefühl des „American Way of Life“. Vor diesem Hintergrund seien der „Bayern-Breaker“ und der „Break Dance No. 1“ hinsichtlich der Attraktivität gleichwertig. Beide Fahrgeschäfte seien modern und hätten Wirkung auf den Festbesucher. Den Größenvorteil des Fahrgeschäfts der Klägerin wiege der „Bayern-Breaker“ durch sein originelles Erscheinungsbild auf. Im Rahmen ihres Auswahlermessens habe sie sich für den „Bayern-Breaker“ entschieden, weil dieser sich im Gegensatz zum klägerischen Fahrgeschäft bislang erfolglos um eine Teilnahme am Backfischfest beworben habe. Die ihm als Neu- bzw. Wiederholungsbewerber zukommende reelle Zulassungschance müsse sich realisieren können. Hierfür sei nicht erforderlich, dass der „Bayern-Breaker“ bei weitem attraktiver sei als das Fahrgeschäft der Klägerin. Vergleichbare Attraktivität genüge, um sich gegenüber dem „Break Dance No. 1“ durchzusetzen. Hiergegen erhob die Klägerin am 23. Januar 2008 Widerspruch und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass die Auswahlentscheidung ermessensfehlerhaft sei. Beide miteinander konkurrierende Fahrgeschäfte seien nicht gleich attraktiv. Vielmehr habe das Fahrgeschäft der Klägerin gegenüber dem „Bayern-Breaker“ mehrere objektive Attraktivitätsvorteile. Diese Vorteile könne der „Bayern-Breaker“ auch nicht durch ein originelles Erscheinungsbild ausgleichen, weil die Originalität der äußeren Gestaltung weder einen Wert an sich darstelle noch ein anerkanntes Attraktivitätskriterium sei. Der „Bayern-Breaker“ zähle zu den Standardausführungen der Breakdance-Fahrgeschäfte, die zahlreich auf Märkten vertreten seien und deshalb nicht den Reiz des Besonderen hätten. Das Fahrgeschäft der Klägerin demgegenüber gelte wegen seiner Seltenheit und Größe als besondere Attraktion. Darüber hinaus habe das bayerische Erscheinungsbild dem „Bayern-Breaker“ auch in anderen Städten nicht zu einem Attraktivitätsvorteil verholfen. Soweit die Beklagte eine Zulassung des „Bayern-Breakers“ unter dem Aspekt der reellen Zulassungschance für Neu- bzw. Wiederholungsbewerber für erforderlich erachte, gehe sie fehlerhaft von einer Ermessensreduzierung auf Null aus. Überdies hätte sie alternativ eine Zulassung des „Bayern-Breakers“ bei zukünftigen Veranstaltungen in Erwägung ziehen müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2008 wurde der Widerspruch aus im Wesentlichen folgenden Gründen zurückgewiesen: Der Ablehnungsbescheid sei ermessensfehlerfrei. Der Vorteil des „Bayern-Breakers“ liege im bayerischen Lokalkolorit, das insbesondere deshalb reizvoll sei, weil das „W. Backfischfest“ auf Vielfalt angelegt sei. Mit der Zulassung des „Bayern-Breakers“ habe die Beklagte den zulässigen Versuch unternommen, den Besuchern der Veranstaltung Abwechslung zu bieten. Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 19. Mai 2008 hat die Klägerin am 19. Juni 2008 Klage erhoben und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel, die Beklagte einstweilen zu verpflichten, die Klägerin zum „Backfischfest 2008“ zuzulassen bzw. den Zulassungsantrag neu zu bescheiden. Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, dass das Favorisieren einer bayerischen Optik willkürlich gewesen sei. Die der Auswahlentscheidung zugrunde liegende positive Bewertung der bayerischen Gestaltung sei wegen der Ausrichtung des „W. Backfischfestes“ als rheinisches Traditionsfest nicht vorhersehbar gewesen und habe sich auch nicht aus der Auswahlrichtlinie ergeben. Die Beklagte hätte ihre Bewertungsmaßstäbe im Vorfeld ihrer Auswahlentscheidung offen legen müssen. Zudem habe die Beklagte bisher jedes Jahr Neuheiten zugelassen, ohne die Betreiber innerhalb des jeweiligen Fahrgeschäftstyps auszutauschen. Im Jahr 2008 hingegen sei sie unvorhersehbar, intransparent und willkürlich von ihrer bisherigen Auswahlpraxis abgewichen. Mit Beschluss vom 22. Juli 2008 – 6 L 561/08.MZ – hat das erkennende Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die dem Ablehnungsbescheid zugrunde liegenden Auswahlkriterien nach summarischer Prüfung sachgerecht seien. Hinsichtlich der Beurteilung der Attraktivität des Angebots eines Marktbeschickers habe die Beklagte einen weiten Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Im Rahmen der so umgrenzten Prüfungskompetenz des Gerichts seien Rechtsfehler bei der Anwendung des Attraktivitätsmerkmals nicht erkennbar. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 26. August 2008 – 6 B 10876/08.OVG – zurückgewiesen. Ergänzend zu den Gründen des angefochtenen Beschlusses hat es dabei insbesondere ausgeführt, dass die Beklagte nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen sei, sondern ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe. Nachdem das Backfischfest mittlerweile stattgefunden hat, begehrt die Klägerin nicht mehr, wie im Schriftsatz vom 10. Juli 2008 angekündigt, die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin zum „Backfischfest 2008“ zuzulassen bzw. hilfsweise ihren Zulassungsantrag neu zu bescheiden. Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 hat sie ihr Klageziel umgestellt und begehrt nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer Ablehnung. Sie trägt hierzu im Wesentlichen vor, dass sie sich, ebenso wie der „Bayern-Breaker“, zukünftig um die Zulassung zum Backfischfest bewerben wolle. Es bestehe die Gefahr, dass die Beklagte dann ihre Auswahlpraxis und Bewertungsmaßstäbe beibehalten und die Klägerin erneut ablehnen werde. Weiter trägt sie vor, dass die Beklagte ihren Gestaltungswillen nicht generell geändert habe, sondern nur in Bezug auf das Fahrgeschäft der Klägerin. Bei der Zulassung z.B. eines Riesenrades habe sie die Größe und die technische Ausstattung des Geschäfts als entscheidend für die Beurteilung der Attraktivität angesehen.
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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
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festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2008 rechtswidrig war.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie nimmt im Wesentlichen auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheids Bezug und ist darüber hinaus der Ansicht, dass der traditionellen Ausrichtung des „W. Backfischfestes“ durch die zwingende Zulassung bestimmter Traditionsbetriebe Rechnung getragen werde, im Übrigen aber auch nicht traditionelle Geschäfte zulässig seien. Das Fahrgeschäft der Klägerin unterscheide sich in Sachen Traditionalität nicht von dem „Bayern-Breaker“. Zudem stehe es dem Veranstalter frei, durch das Setzen neuer Akzente das Erscheinungsbild des „Backfischfestes“ zu verändern. Die Auffassung der Klägerin, dass dem „Bayern-Breaker“ auch dann eine reelle Zulassungschance offen stünde, wenn er z.B. erst im Jahr 2009 zugelassen werde, sei schon deshalb verfehlt, weil die zukünftige Bewerbersituation derzeit nicht beurteilt werden könne.
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Wegen des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichts-, sowie der Verwaltungs- und Widerspruchsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Bezug nehmend auf den Terminsverlegungs- und den Befangenheitsantrag der Klägerin vom 16. Februar 2009 weist die Kammer vorab darauf hin, dass die mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten weder gegen den Grundsatz der mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 1 VwGO) verstößt noch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 EMRK) verletzt. Ein solches Vorgehen des Gerichts war infolge ordnungsgemäßer Ladung der Klägerin gemäß § 102 Abs. 2 VwGO zulässig. Sollte die Klägerin den Wunsch gehabt haben, weitere, noch nicht aktenkundige Tatsachen oder Rechtsansichten vorzutragen, hätte sie hierzu in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gehabt. Soweit der Prozessbevollmächtigte in seinem knapp zweieinhalb Stunden vor Beginn der mündlichen Verhandlung gestellten Terminsverlegungsantrag „technische Gründe“ für seine nicht rechtzeitige Abreise von H. nach M. angibt und damit zugleich sein Ausbleiben zu rechtfertigen versucht, handelt es sich nicht um einen zur Terminsverlegung erforderlichen erheblichen Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 173 Satz 1 VwGO. Das Ausbleiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der mündlichen Verhandlung beruht vielmehr auf einem ausschließlich von ihm zu vertretenden Verschulden, das sich die Klägerin gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V. mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
I.
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Die Klage ist analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids ist in der Gefahr seiner Wiederholung begründet. Ein mit der Wiederholungsgefahr begründetes Fortsetzungsfeststellungsinteresse setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, NVwZ 1994, 282 [282]). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Klägerin hat angekündigt, sich auch zukünftig, ebenso wie die Familie Z. mit ihrem „Bayern-Breaker“, um eine Zulassung zum jährlich stattfindenden „W. Backfischfest“ bewerben zu wollen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte bei einer solchen identischen oder zumindest vergleichbaren Bewerbersituation die Klägerin erneut unter Zugrundelegen der hier angewendeten Auswahlkriterien ausschließen wird.
II.
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Die Klage ist unbegründet. Die Nichtzulassung der Klägerin zum Backfischfest 2008 war nicht rechtswidrig und hat die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 i.V. mit § 113 Abs. 5 VwGO). Ermächtigungsgrundlage für den Ausschluss der Klägerin vom Backfischfest 2008 war § 70 Abs. 3 GewO. Hiernach kann der Veranstalter aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme an einer festgesetzten Veranstaltung ausschließen. Das somit der Beklagten eingeräumte Ausschließungsermessen darf das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder die Beklagte von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und (1.) auf Grundlage rechtmäßiger Auswahlkriterien (2.) fehlerfrei ausgeübt.
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1. Die Ausschlussentscheidung der Beklagten beruht auf der „Verwaltungsrichtlinie über die Zulassung von Geschäften auf den großen Volksfesten ‚W. Backfischfest’ und ‚W. Pfingstmarkt’“. Diese ist als ermessenslenkende Richtlinie geeignet, die Kriterien der nach § 70 Abs. 3 GewO zu treffenden Ermessensentscheidung vorzugeben und zu konkretisieren (vgl. OVG Bremen, NVwZ-RR 2007, 171). Sie gewährleistet auch ein einheitliches, willkürfreies und nachvollziehbares Auswahlverfahren (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. August 2008, 6 B 10876/08.OVG). Zudem steht sie mit höherrangigem Recht, namentlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) und des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie dem Grundsatz der Marktfreiheit (§ 70 Abs. 1 GewO), in Einklang. Sie enthält marktgerechte Auswahlkriterien und ermöglicht eine flexible, den Einzelfall würdigende und zugleich vorhersehbare Ermessensentscheidung. Nach Ziff. 1 der Verwaltungsrichtlinie verfolgt die Beklagte mit dem „W. Backfischfest“ das Ziel, den Besuchern eine möglichst attraktive, vielseitige, ausgewogene, einerseits dem aktuellen Zeitgeist entsprechende, andererseits auch traditionsgebundene Veranstaltung zu bieten. Die in Ziff. 6 der Verwaltungsrichtlinie vorgesehenen Kriterien der Attraktivität sowie der Vielfalt und Qualität des Angebotes, mit anderen Worten die Anziehungskraft des Geschäfts, sind die Kriterien mit der höchsten Sachbezogenheit und werden dem Grundsatz der Marktfreiheit in besonderem Maße gerecht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Dezember 2000, 11 A 11462/99.OVG; OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ-RR 1994, 157 [157]). Eine mit dem Grundsatz der Marktfreiheit unvereinbare Abschottung der Veranstaltung zugunsten „bekannter und bewährter“ Teilnehmer (vgl. BVerwG, NVwZ 1984, 585 [586]) vermeidet die Verwaltungsrichtlinie, indem auch Neu- bzw. Wiederholungsbewerbern eine reale Zulassungschance eingeräumt wird. Ergänzend enthält die Bekanntmachung des „W. Backfischfestes 2008“ im Amtsblatt der Stadt W. vom 07. September 2007 die Klarstellung, dass frühere Zulassungen – auch langjähriger Beschicker – keine Gewähr dafür geben, dass die Betriebsausführung und -gestaltung weiterhin den Vorstellungen des Veranstalters zur Durchsetzung der Festkonzeption entspricht.
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2. Auf Grundlage dieser Auswahlkriterien hat die Beklagte ihre Ablehnungsentscheidung ermessensfehlerfrei getroffen. Ihre Annahme, das Fahrgeschäft der Klägerin und der „Bayern-Breaker“ seien hinsichtlich des Merkmals der Attraktivität gleichwertig, ist nicht zu beanstanden. Dabei durfte die Beklagten insbesondere auch das äußere Erscheinungsbild des „Bayern-Breakers“ als entscheidungsrelevantes Kriterium heranziehen (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 27. April 1993, 1 BA 49/92, Rdnr. 33, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Juli 2002, 7 K 2566/02, Rdnr. 23, juris). Dass die Klägerin diese Beurteilung nicht teilt und auf ihrer Ansicht nach „objektive Attraktivitätsvorteile“ ihres Fahrgeschäfts verweist, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Die Beurteilung der Attraktivität der einzelnen Betriebe enthält naturgemäß subjektive Elemente und ist letztlich das Ergebnis höchstpersönlicher Wertungen des die Auswahlentscheidung treffenden Amtswalters (VG Lüneburg, Urteil vom 17. September 2003, 5 A 265/02, Rdnr. 23, juris), die auch nicht durch eine möglicherweise abweichende Beurteilung in anderen Städten präjudiziert wird. Wie das erkennende Gericht bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeführt hat, steht der Klägerin hier ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbar ist (VG Mainz, Beschluss vom 22. Juli 2008, 6 L 561/08.MZ; bestätigt durch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. August 2008, 6 B 10876/08.OVG). Das Verwaltungsgericht darf die behördliche Beurteilung der Attraktivität nicht durch eine eigene ersetzen, sondern lediglich dahingehend überprüfen, ob die für die Anwendung des Attraktivitätskriteriums maßgeblichen tatsächlichen Umstände zutreffend erfasst, vollständig berücksichtigt und in willkürfreier Weise gewürdigt worden sind (OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, BeckRS 2007 26069). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat die Überlegenheit des klägerischen Fahrgeschäfts hinsichtlich seiner Größe und Beförderungskapazität erkannt und in seine Bewertung eingestellt. Zugleich hat sie die optische Gestaltung des „Bayern-Breakers“ für außergewöhnlich und abwechslungsreich erachtet und in ihre Überlegungen einbezogen, dass sich der „Bayern-Breaker“ im Gegensatz zum Fahrgeschäft der Klägerin bislang erfolglos um eine Teilnahme am „W. Backfischfest“ beworben hat. Die Entscheidung der Beklagten, nach Gewichtung der jeweiligen Vorteile der konkurrierenden Fahrgeschäfte und unter Berücksichtigung des Neuheitsstatus des „Bayern-Breakers“, diesen als das attraktivere Geschäft einzustufen, ist rechtlich nicht beanstanden. Weder die überlegene Größe des klägerischen Fahrgeschäfts noch seine bislang regelmäßige Zulassung vermitteln ihm die Gewähr für eine Bevorzugung gegenüber kleineren, nach Dafürhalten der Beklagten optisch attraktiver gestalteten Konkurrenzgeschäften. Dass der „Bayern-Breaker“ eine Neuheit auf dem „W. Backfischfest“ darstellt, weil er dort bisher nicht zugelassen wurde, ist im Rahmen der Bewertung seiner Attraktivität ein zulässiges Kriterium (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Dass die Beklagte bei der Zulassung eines Riesenrades die Größe und technische Ausgestaltung für ausschlaggebend erachtet hat, bedeutet nach den vorstehenden Ausführungen nicht, dass sie deshalb auch das größere Breakdance-Fahrgeschäft als attraktiver einstufen müsste. Ein solcher Automatismus besteht schon deshalb nicht, weil die Größe des Fahrgeschäfts nur eines von mehreren Auswahlkriterien ist und die Beklagte darüber hinaus das Kriterium der Attraktivität fehlerfrei ausgelegt und angewendet hat. Auch wegen der Vielschichtigkeit und Mannigfaltigkeit der zu einem Attraktivitätsvorteil führenden Aspekte kann nicht von der Zulassung eines bestimmten Fahrgeschäfts auf einen Zulassungsanspruch zugunsten des eigenen, aber typenverschiedenen Fahrgeschäfts geschlossen werden. Der Einwand der Klägerin, die Bevorzugung des bayerischen Erscheinungsbildes sei infolge der Veranstaltungskonzeption unvorhersehbar und unsachgerecht gewesen, greift ebenfalls nicht durch. Der Bevorzugung der bayerischen Optik des „Bayern-Breakers“ standen weder die Konzeption des „W. Backfischfestes“ noch die inhaltliche Fassung der Verwaltungsrichtlinie entgegen. Ziff. 1 der Verwaltungsrichtlinie definiert das „W. Backfischfest“ als möglichst attraktive, ausgewogene, sowohl dem Zeitgeist entsprechende als auch der Tradition verbundene Veranstaltung. Eine Beschränkung auf nur regionaltypische und traditionelle Geschäfte ist ausdrücklich nicht enthalten. Wenn die Beklagte auf Grundlage dieser Veranstaltungskonzeption den Fahrgeschäftstypus „Breakdancer“ zulässt, ist das Vorziehen einer bayerischen Optik ebenso sachgerecht wie die bisherige Präferenz für eine an amerikanische Motive angelehnte Gestaltung. Überdies stellt die Bekanntmachung des „W. Backfischfestes“ klar, dass aus früheren Zulassungen kein Rechtsanspruch auf künftige Zulassungen folgt. Zudem hat die Beklagte im Vorfeld darauf hingewiesen, dass frühere Zulassungen auch langjähriger Beschicker keine Gewähr dafür bieten, dass deren Betriebsgestaltung auch weiterhin den Vorstellungen des Veranstalters entspricht. Dieser Ausschluss einer Selbstbindung ist weder intransparent noch unsachgerecht. Er ist unter dem Aspekt der Chancengleichheit und des begründeten Interesses der Beklagten an einer vielseitigen und flexiblen Gestaltung ihres „Backfischfestes“ durchaus zulässig. Eine nähere Definition dessen, was die Beklagte im Rahmen ihrer konkreten Auswahlentscheidung als attraktiver ansehen werde, ob die Größe oder die Gestaltung des Geschäftes, ist rechtlich nicht zwingend erforderlich (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.; OVG Bremen, Urteil vom 27. April 1993, 1 BA 49/92, Rdnr. 29, juris). Der Beklagten steht es in den Grenzen des Willkürverbots frei, das Attraktivitätskriterium vorab zu konkretisieren und damit im Vorfeld ihrer Ermessensentscheidung bestimmte Bewerbungen auszufiltern. Es ist aber ebenso zulässig, dass die Beklagte im Interesse der Vielseitigkeit ihrer Veranstaltung sich eine größere Auswahlmöglichkeit vorbehält und erst im Rahmen ihrer Ermessensausübung eine Auslese vornimmt. Aus diesen Gründen liegt der Auswahlentscheidung zugunsten des „Bayern-Breakers“ auch kein rechtswidriges Abrücken von der bisherigen Auswahlpraxis zugrunde. Die Klägerin kann der hier getroffenen Auswahlentscheidung auch nicht entgegen halten, dass der „Bayern-Breaker“ nicht zwingend im Jahr 2008 hätte zugelassen werden müssen, weil er infolge des zweijährigen Zulassungsturnus des klägerischen Fahrgeschäfts z.B. im Jahr 2009 eine reale Zulassungschance gehabt hätte. Ungeachtet dessen, dass die Bewerbersituation der Zukunft weder beurteilt werden kann noch Gegenstand der hier angegriffenen konkreten Auswahlentscheidung ist, widerspricht diese Argumentation der Notwendigkeit, eine Marktabschottung gegenüber Neu- bzw. Wiederholungsbewerbern zu vermeiden. Der Marktfreiheit liegt das von Art. 12 Abs. 1 GG gedeckte Prinzip des freien Wettbewerbs zugrunde. Ein bekanntes und bewährtes Geschäft soll aus seiner bisherigen Zulassung gerade keinen automatischen Zulassungsanspruch zulasten eines vergleichbar attraktiven Neu- bzw. Wiederholungsbewerbers ableiten können. Vielmehr muss der Markt bei jeder Auswahlentscheidung offen sein und sich die Zulassungschance des Neu- bzw. Wiederholungsbewerbers dergestalt realisieren können, dass er sich in der konkreten, aktuell bestehenden Konkurrenzsituation und nicht bei irgend einem zukünftigen Auswahlverfahren gegen einen bekannten und bewährten Beschicker durchzusetzen vermag.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V. mit § 708 Nr. 11 ZPO.
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Beschluss der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 16. Februar 2009
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Der Streitwert wird auf 2.700 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i.V. mit Ziffer 54.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
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Referenzen
- 5 A 265/02 1x (nicht zugeordnet)
- 7 K 2566/02 1x (nicht zugeordnet)
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- ZPO § 227 Terminsänderung 1x
- 6 B 10876/08 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- 6 L 561/08 2x (nicht zugeordnet)
- 11 A 11462/99 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 85 Wirkung der Prozessvollmacht 1x
- VwGO § 101 1x
- VwGO § 102 1x
- VwGO § 113 3x
- VwGO § 167 1x
- GewO § 70 Recht zur Teilnahme an einer Veranstaltung 3x
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 173 2x
- 1 BA 49/92 2x (nicht zugeordnet)